Macht kaputt, was Euch kaputt geht

ACHTUNG, BESCHISS!

schrie “Bild” vergangenen Donnerstag auf der Titelseite.

Den Grund dafür erklärte Bild.de so:ENDLICH DER BEWEIS! Hersteller lassen Geräte absichtlich altern

Gemeint ist die sogenannte “geplante Obsoleszenz” – eine Theorie, die seit über 80 Jahren immer mal wieder für Unruhe in den Medien sorgt. Sie besagt, Hersteller würden ihre Produkte bewusst so konstruieren, dass die nach einer bestimmten Zeit automatisch den Geist aufgeben – damit wir gezwungen werden, immer wieder neue Geräte zu kaufen. So richtig beweisen konnte das aber niemand. Bis jetzt.

Behauptet zumindest Bild.de:

Darüber hat sich jeder schon mal geärgert: Kaum ist die Garantie abgelaufen, geht das Elektro-Gerät kaputt! Wirklich nur Zufall?

Eine Studie im Auftrag der Grünen bestätigt endlich einen Verdacht: Dahinter steckt Methode, denn Hersteller bauen absichtlich Schwachstellen ein, damit Geräte weniger lange halten. Ob Fön, Drucker, Mixer oder Waschmaschine – Firmen tricksen ihre Kunden aus.

Das Gutachten für die Grünen im Bundestag (liegt BILD.de vor) untersucht die so genannte “geplante Obsoleszenz”, also den bewusst geplanten schnelleren Verfall von Produkten.

Darin heißt es: “Bauteile werden in der Produktentwicklung so gewählt, dass sie vorzeitig verschleißen oder als versteckte Schwachstelle einen frühzeitigen Schaden auslösen.”

Für Bild.de eine klare Sache: Das Gutachten liefert “endlich” den “Beweis” dafür, dass die Hersteller mit Methode “tricksen und abzocken”.

In der Print-Ausgabe las sich das allerdings ein bisschen anders. Schon der Teaser war für “Bild”-Verhältnisse ungewohnt zurückhaltend formuliert:

Eine Studie im Auftrag der Grünen stützt einen Verdacht vieler Verbraucher: Vor allem bei Elektro-Geräten planen die Hersteller angeblich immer häufiger den frühen Verschleiß der Produkte mit ein und verwenden “bewusst minderwertige Bauteile”.

Auch im Artikel gibt sich “Bild” eher kleinlaut. Das Gutachten “bestärke” die “böse Vermutung” der Verbraucher, heißt es vage. Von “Beweis” oder “Bestätigung” ist, anders als bei Bild.de, keine Rede. Und auch die angebliche Verschwörung der Hersteller wird im Print-Artikel allenfalls angedeutet.

Schaut man sich das Gutachten (PDF) genauer an, ist diese Zurückhaltung durchaus verständlich. Denn dort findet sich ein interessantes Detail, das weder in der gedruckten “Bild” noch auf Bild.de Erwähnung findet. Dafür aber beispielsweise auf “Spiegel Online”:

Auf hundert Seiten nennen die Autoren [des Gutachtens] Beispiele für vermeidbaren Verschleiß bei Geräten und sehen angesichts eines auf mehr als 100 Milliarden Euro geschätzten Schadens “umgehenden Handlungsbedarf”.

Das Ergebnis ist nicht überraschend, schließlich ist Co-Autor Stefan Schridde Initiator des Verbraucherportals “Murks? Nein Danke”, das sich gegen geplante Obsoleszenz einsetzt. Die Plattform wird im Gutachten mit einem eigenen Abschnitt gewürdigt, dort gesammelte Erfahrungen dienen als Quelle für viele Fallbeispiele. Ein unabhängiger Gutachter sieht anders aus.

Bei “Bild” taucht das Verbraucherportal “Murks? Nein Danke” hingegen nur an einer Stelle auf: in den Fotonachweisen.

Unerwähnt lässt das Blatt auch, dass die Autoren des Gutachtens selbst einräumen, dass “wirklicher Vorsatz […] nur sehr schwer nachweisbar” sei und nur im Einzelfall entschieden werden könne, ob ein bewusster Verschleiß vorliege (was im Übrigen auch die Stiftung Warentest so sieht). Völlig unter den Tisch fällt bei “Bild” und Bild.de außerdem folgende Passage des Gutachtens:

Nach Auskunft von Ingenieuren mit jahrzehntelanger Praxiserfahrung ist wirklich absichtlich geplanter, bewusst gewollter vorzeitiger Verschleiß von Produkten durch Einbau von Schwachstellen sehr selten. Vorsätzlich ein schlechtes Produkt zu entwickeln, sei grundsätzlich gegen das Arbeits- und Ingenieurethos.

Aber wenn es um das Berufsethos geht, ist man bei “Bild” und Bild.de ja ohnehin an der falschesten Adresse.

Mit Dank an Kartinho und Elias A.

Bild  

Jetzt kommen die Trümmerjournalisten

Normalerweise steht “Bild” Urlaubern ja gerne mit Rat und Tat zur Seite:

Drogenkampf in Mexiko: Kann ich da noch Urlaub machen?

Aber nicht alle Touristen sind auch gute Touristen, wie “Bild” heute in der Bremer Regionalausgabe berichtet:

Das Feuer ist aus. Zu sehen sind nur noch verkohlte Balken und verrußte Mauerreste. Muss man sich das wirklich aus nächster Nähe angucken? In Oldenburg sind die Trümmer-Touris los!

Sonntagmittag brannten in der Groß Bornhorster Straße drei wertvolle reetgedeckte Häuser bis auf die Grundmauern nieder. Am Tag danach pilgerten Hunderte die Straße rauf und runter. Nicht nur Anwohner.

Ein Angestellter aus der Innenstadt: “Ich wollte einfach mal gucken, was bei so einem Feuer übrig bleibt.” Andere überkletterten die Absperrbänder, knipsten mit dem Handy die letzten Trümmer. Polizisten scheuchten einige weg.

Und das geht natürlich nicht, dass da irgendwelche dahergelaufenen Leute ankommen, sich verkohlte Balken und verrußte Mauerreste aus nächster Nähe angucken und die letzten Trümmer knipsen — das ist schließlich die Aufgabe von “Bild”:

DREI REETDACHHÄUSER BIS AUF DIE GRUNDMAUERN ABGEBRANNT. Jetzt kommen die Trümmer-Touristen

Mit Dank an den Hinweisgeber.

Fallen, Fallstricke, Fernsehfilme

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Die Kunst des Nichtssagens”
(cicero.de, Frank A. Meyer)
“Fallenstellen wird zum medialen Sport, ehrliche Sätze werden zum publizistischen Straftatbestand”, schreibt Frank A. Meyer zum Berliner Politikjournalismus. Peer Steinbrück habe doch nur geredet “wie ein Mensch, der sagt, was er denkt”. Dafür habe der Berliner Journalistenschwarm “die miefige Meldung vom geldgeilen Sozialdemokraten mit zunehmender Zuspitzung im ganzen Land” verbreitet: “‘Peer will mehr’, lautete die schäbigste Schlagzeile.”

2. “Die schönen Seiten”
(sojus.ch)
Nach zehn Jahren im Online-Journalismus notiert Sojus zehn Gründe, warum er seinen Job mag.

3. “Anwalt Himmelsbach: Das sind die größten Fallstricke beim Bloggen”
(lousypennies.de, Karsten Lohmeyer)
Medienanwalt Gero Himmelsbach nennt vier Bereiche, die Blogger besonders beachten sollten: “Die Schmähkritik. Ein Eingriff in die Privat- oder Intimsphäre anderer Personen. Verstöße gegen das Urheberrecht. Unwahre Tatsachenbehauptungen.”

4. “Niemandes Mutter, niemandes Vater”
(titanic-magazin.de, Stefan Gärtner)
Stefan Gärtner ist erstaunt, wie konsequent der ZDF-Fernsehfilm “Unsere Mütter, unsere Väter” “keine Nazis kennt und die paar, die er doch kennt, schon keine Menschen mehr sind.”

5. “‘Ich bin eine Charaktermaske'”
(faz.net, Timo Frasch)
Ein Interview mit Harald Schmidt: “Ich bin nie unkontrolliert. Auch zu Hause nicht. Das heißt: Wenn ich mit vier Tage getragener Unterhose ungeduscht Etüden spiele, dann weiß ich, dass ich das mache, und bin sozusagen immer noch mehr im Sinne von Feuerstein kein Mensch als 90 Prozent der Leute auf Deutschen Fernsehpreisen.”

6. “Die echten Menschen und die im Internet”
(dasnuf.de)
Das Nuf sieht “alte Menschen, die auf ihrem kleinen Balkon stehen und nach draußen schauen” und stellt sich das eigene Alter vor: “Ich möchte lieber auf meinem Bett liegen, ein leichtes, riesenhaftes Gadget auf dem Schoß haben und mit knorrigen Fingern Symbole anklicken als frierend und alleine auf einem Balkon stehen und in die Ferne schauen, so wie die Menschen, die nur Kontakt zu ‘echten Menschen’ hatten und haben.”

Bild  

Falschfahrer auf der sechsspurigen Autobahn

Am Mittag gab Eintracht Frankfurt bekannt, dass Trainer Armin Veh seinen auslaufenden Vertrag für ein weiteres Jahr verlängern wird:

Armin Veh bleibt Trainer von Eintracht Frankfurt. Nachdem in der vergangenen Woche die Vertragsmodalitäten festgelegt wurden, hat Cheftrainer Armin Veh dem Vorstandsvorsitzenden von Eintracht Frankfurt, Heribert Bruchhagen, am heutigen Morgen mitgeteilt, dass er seinen Vertrag um ein weiteres Jahr, bis 2014, verlängern wird.

Eine Nachricht, die für Leser und Mitarbeiter von “Bild” überraschend kommen dürfte. Allen voran für Alfred Draxler, stellvertretender Chefredakteur der Zeitung und Sportchef der “Bild am Sonntag”. Der gab sich nämlich am 16. März in seiner Kolumne “Nachgehakt” gut informiert und war sich sicher, dass Veh den Verein verlassen werde:

Veh nach Schalke! Sagt er es schon am Montag?

Und mit “sicher” meinen wir “richtig, richtig sicher”:

Denn dass Veh gehen wird, das ist so sicher wie die Tatsache, dass Bruchhagen keinem Hündchen etwas zu Leide tun könnte. Seine Entscheidung hat der Trainer auch schon zwei, drei Vertrauten im Verein mitgeteilt. Nur offiziell ist sie noch nicht!

Doch das könnte jetzt ganz schnell gehen. Holt Frankfurt Sonntag im Heimspiel gegen Stuttgart mindestens einen Punkt, dann gehen Insider davon aus, dass Veh in der kommenden Woche seinen Abschied verkünden wird. […]

Und was macht Veh? Sein Weg nach Schalke ist inzwischen schon so breit wie eine sechsspurige Autobahn. Auf Schalke fragten sich einige nach dem glanzvollen Derby-Sieg gegen Dortmund schon, ob Aushilfs-Trainer Keller vielleicht doch der Richtige sein könnte. Doch das bittere Champions-League-Aus gegen Galatasaray hat solche Gedanken endgültig zerstreut.

Keller macht seine Sache zwar viel besser, als nach den ersten Spielen befürchtet – aber der neue Schalke-Trainer heißt Veh. Wie gesagt: Nur offiziell ist es noch nicht…

Mit Dank an die vielen Hinweisgeber!

Nachtrag, 21.25 Uhr: Auf der Facebook-Seite seiner “Nachgehakt”-Kolumne schrieb Draxler am Abend:

Liebe Freunde von “Nachgehakt”, Armin Veh verlängert in Frankfurt und ich gratuliere meinem Freund Heribert Bruchhagen. Meine Info, dass Veh nach Schalke geht, war also falsch und es tut mir leid, dass ich sie viel zu früh veröffentlicht habe. Dass Veh vor zwei Wochen der Eintracht noch definitiv erklärt hat, dass er geht, tut dann auch nichts mehr zur Sache. Sorry!

Das Stilmittel im vorletzten Satz nennt man übrigens “Paralipse”.

taz, taz.de  

Immer diese Abschreiber!

Es scheint, als habe das “EU-Gericht” einen würdigen Nachfolger gefunden:

Auf dem Laufsteg von Pop und Politik stolziert die Riege der Sitzenbleiber. Allen voran Edmund, der Obersitzenbleiber. Ihm folgen Wulff, Westerwelle und Steinbrück. Wowereit ist natürlich immer dabei und nun auch Kretschmann. Man könnte in dieser Riege einen Beweis für die lockere Koppelung von Schulerfolg und Karriere sehen.

So begann Reinhard Kahl (“Gründer des Netzwerks der Bildungserneuerer und Lernaufwiegler ‘Archiv der Zukunft'”) vergangenen Dienstag seinen Kommentar in der “taz”, der gestern auch auf taz.de veröffentlicht wurde.

Aufmerksame BILDblog-Leser wissen natürlich längst: Anders, als viele Medien seit Jahren berichten, sind Guido Westerwelle und Klaus Wowereit (“natürlich immer dabei”) in ihrer Schulzeit nie sitzengeblieben.

Man könnte in dieser Legende einen Beweis für die Recherchefaulheit von Journalisten sehen.

Mit Dank an Michael F.

n24.de  

Tod durch Copy & Paste

Es kann eigentlich nicht so schwer sein: Agenturmeldung lesen, “Kopieren”, “Einfügen”, vielleicht noch eine neue Überschrift und einen neuen Vorspann ausdenken — fertig ist die Nachricht.

Am Sonntag veröffentlichte dpa einen Artikel, dessen erster Absatz so aussah:

23 Jahre saß er unschuldig hinter Gittern, doch kaum war er in Freiheit, machte sein Herz nicht mehr mit: Der 58-jährige David Ranta, Opfer eines New Yorker Polizeiskandals, hat kurz nach der Haftentlassung einen Infarkt erlitten. Das berichtete die «New York Times» am Sonntag unter Berufung auf Rantas Verteidiger Pierre Sussman. Demnach wurde Ranta schon am zweiten Tag in Freiheit in ein New Yorker Krankenhaus eingeliefert. Dort sei er wegen verstopfter Arterien am Herzen operiert worden. Die Ärzte rechneten damit, dass ein weiterer Eingriff nötig ist.

Das Einzige, was die Leute bei n24.de mit dem Text gemacht haben, war, die Anführungszeichen auszutauschen.

Na gut: Und sie haben ihm einen neuen Vorspann spendiert:

23 Jahre lang saß er unschuldig im Gefängnis, dann kam der US-Amerikaner David Ranta frei. Er wurde Opfer eines Polizeiskandals, am zweiten Tag in Freiheit verstarb der 58-Jährige in New York.

Davon, dass David Ranta “verstorben” sein soll, steht in dem dpa-Artikel allerdings kein Wort. Und bei der “New York Times” auch nicht. Es geht ihm inzwischen auch schon wieder deutlich besser.

Aber dafür hätten sie bei n24.de die Meldung ja irgendwann lesen müssen, die sie da online gesetzt haben.

Mit Dank an Fabian S.

Nachtrag, 21.20 Uhr: n24.de hat den Vorspann geändert. Der zweite Satz lautet nun:

Am zweiten Tag in Freiheit brach der 58-Jährige in New York zusammen – Herzinfarkt.

Europa, Geschäftsmodelle, Gala

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Die Krisenmacher”
(cicero.de, Petra Sorge)
Journalisten würden eine Spaltung Europas geradezu herbeischreiben, glaubt Petra Sorge: “In den Zeitungsspalten und Abendsendungen tobt der Krieg bereits. Völlig übertrieben, wie wir mittlerweile wissen. (…) Neben den Bildern dummer, undankbarer Zyprioten und imperialer Russen gibt es noch ein drittes, das die Medien verbreiten: die Despotie Europa.”

2. “Über die Paywall hinaus”
(medienwoche.ch, Mathias Menzl)
Auf den Medienwandel reagieren die Medienhäuser so fantasielos wie die Musikindustrie, sie versuchen alte Modelle in eine neue Zeit zu übertragen. In einem langen Beitrag notiert Mathias Menzl einige Ideen für neue Geschäftsmodelle.

3. “Das ultimative Handbuch für Nachrichtenportale: So verlinkt man aus sozialen Netzwerken richtig”
(tobiasgillen.de)
Tobias Gillen erklärt Nachrichtenportalen, wie man richtig verlinkt.

4. “Phänomen ‘Blick-Girl'”
(srf.ch, Video, 3:19 Minuten)
Journalisten des Westschweizer Fernsehens übernehmen für einen Abend die Hauptausgabe des Deutschschweizer Fernsehens. Und kümmern sich in einem Beitrag um das “Blick”-Girl, das es in ihrem Landesteil nicht gibt. “Halbnackte Frauen in der Tagespresse und sogar auf der ersten Seite. Für die Romands eine anrüchige Angewohnheit.”

5. “Willi Winkler und der Ulf-Poschardt-Mythos”
(umblaetterer.de, Josik)
In einem Text für die “Gala” zitiert Willi Winkler Ulf Poschardt, aber ohne ihn zu namentlich zu erwähnen.

6. “Was Journalisten verdienen”
(wasjournalistenverdienen.tumblr.com)
Siehe dazu auch “Who pays writers?” (whopays.tumblr.com).

Implosion in der Gerüchteküche

Sie hatten sich immerhin die Mühe gemacht, das Ganze als Frage zu formulieren:

Disko statt Dynamo — Flog der Stürmer aus dem Kader, weil er vorm Köln-Spiel Party machte?

Flog der Stürmer aus dem Kader, weil er vorm Köln-Spiel Party machte?

Andererseits ließ der Text, der da am Mittwoch in der Dresdner Regionalausgabe von “Bild” erschien, aber eigentlich keine großen Zweifel, dass der Dynamo-Stürmer Lynel Kitambala bei der Partie gegen des 1. FC Köln nicht aufgestellt worden war, weil er am Wochenende vor dem Spiel eine Disko besucht hatte:

Wurde der Angreifer etwa aus disziplinarischen Gründen nicht berücksichtigt?

“Nein”, dementiert [Trainer Peter] Pacult. “Ich gehe davon aus, dass er nächste Wocje wieder dabei ist.”

Merkwürdig jedoch: Nach dem Spiel machten Gerüchte von einem nächtlichen Disko-Ausflug Kitambalas die Runde. Der bis Saisonende vom französischen Top-Klub Saint-Etienne ausgeliehene Angreifer soll von Freitag auf Samstag im “Kraftwerk Mitte” in Dresden Party gemacht haben.

Eine Disko-Besucherin bestätigt das gegenüber BILD: “Ja, Kitambala hat bis tief in die Nacht im VIP-Bereich gefeiert.”

Nachdem auch andere Medien über den angeblichen Disko-Ausflug Kitambalas berichtet hatten, veröffentlichte Dynamo Dresden eine “Richtigstellung”:

Mit Verwunderung und großem Ärger haben die SG Dynamo Dresden und Lynel Kitambala am Mittwoch drei Medienberichte über einen angeblichen Disko-Besuch des Stürmers in der Nacht von Freitag zu Samstag zur Kenntnis genommen. […]

Die SG Dynamo Dresden stellt dazu fest:

  • Die öffentlichen Mutmaßungen und Behauptungen, dass Lynel Kitambala in der Nacht von Freitag zu Samstag im “Kraftwerk Mitte Party gemacht” hat, sind falsch.
  • Lynel Kitambala hat gegenüber den Verantwortlichen der SG Dynamo Dresden versichert, dass er die Diskothek an dem besagten Tag nicht besucht hat.
  • Die SGD stellt außerdem fest, dass Lynel Kitambala in der Nacht von Freitag zu Samstag weder im “Kraftwerk Mitte” noch in einem VIP-Bereich einer anderen Dresdner Diskothek zu Gast war.
  • Es gibt zwischen diesem angeblichen Disko-Besuch und der Nichtnominierung von Lynel Kitambala für das Spiel gegen den 1. FC Köln keinen Zusammenhang, da Kitambala – wie bereits festgestellt – nicht in der Diskothek anwesend war und da Peter Pacult diese Information vor dem Spiel gegen Köln überhaupt nicht hatte, sondern erst von den Mutmaßungen der Zeitungen am Mittwoch Kenntnis von dem Gerücht erhalten hat.
  • Die Veranstalter des “Kraftwerk Mitte” haben gegenüber der SG Dynamo Dresden eindeutig und schriftlich bestätigt, dass Lynel Kitambala definitiv nicht in der besagten Nacht im “Kraftwerk Mitte” zugegen war.
  • Die SG Dynamo Dresden stellt darüber hinaus fest, dass eine andere Person im “Kraftwerk Mitte” im VIP-Bereich zu Gast war, mit der Lynel Kitambala von der erwähnten Besucherin offenbar verwechselt worden ist.
  • Grundlage der genannten Artikel war folglich eine auf einer Verwechslung beruhende und keine stichhaltige Recherche seitens der veröffentlichenden Medien.

Die SG Dynamo Dresden kritisiert diese unsorgfältige Berichterstattung. In einer Phase, in der genug tatsächliche Probleme bestehen, ist eine auf Schlagzeilen ausgerichtete und nicht den Fakten entsprechende Berichterstattung im Hinblick auf eine positive Entwicklung des Vereins in der näheren Zukunft außerordentlich kontraproduktiv. Ein Zeichen von Stil wäre es, wenn die betreffenden Autoren und Zeitungen nicht nur eine Richtigstellung abdrucken, sondern auch – mit Blick auf die persönlichen Folgen solcher Falschberichterstattung für den Betroffenen – Worte des Bedauerns finden würden.

Worte des Bedauerns waren es nicht unbedingt, aber so ein bisschen reagierte Bild.de immerhin — und lackierte den Artikel einfach komplett um. Der Text, dessen URL zuvor auf “kitambala-disko-statt-dynamo-dresden-29580420.bild.html” geendet hatte, steht nun unter “kitambala-bestreitet-disko-besuch-29580420.bild.html”:

Wirbel um Lynel Kitambala! Nach der überraschenden Verbannung auf die Tribüne vorm Spiel gegen den 1. FC Köln (0:2) machten Gerüchte über einen angeblichen Disko-Besuch des Angreifers in der Nacht vom Freitag auf Samstag berichtet.

Von dem verunglückten Satzbau mal ab: Wer hatte noch mal maßgeblich zur Verbreitung dieser “Gerüchte” beigetragen?

Mit großem Dank an Rico K.!

Die mysteriöse SMS von Augsburg

Am Dienstag berichtete “Bild” in der Münchener Regionalausgabe über einen Mordprozess vor dem Landgericht Augsburg. Dem Angeklagten wird vorgeworfen, seine Freundin ermordet zu haben, nachdem die per SMS mit ihm Schluss gemacht hatte.

Münchner Koch tötet Freundin ...vorher drohte er der Augsburgerin mit dieser SMS

Es ist ein bisschen rätselhaft, warum “Bild” auf dem Screenshot in der Printausgabe den Namen verpixelt hat. Bei Bild.de ist er jedenfalls zu lesen: Es ist der Vorname des Opfers.

Damit wirft der Screenshot von dem “ziemlich fehlerhaften SMS- Austausch” allerdings neue Fragen auf: Bei einem iPhone sind nämlich die eigenen Nachrichten blau unterlegt und rechtsbündig ausgerichtet, die Empfangenen sind grau und linksbündig. Damit hätte der Besitzer des Telefons die untere Nachricht geschrieben und an “Diana” gesendet. Was so gar keinen Sinn ergibt.

Wegen des laufenden Strafverfahrens konnte sich das Gericht uns gegenüber nicht dazu äußern, ob der Screenshot echt sei. Nach unseren Informationen ist der Wortlaut des SMS-Verkehrs im Prozess bisher aber noch nicht öffentlich geworden, “Bild”-Reporter Jörg Völkerling kann ihn also allenfalls aus anderen Quellen haben — falls es überhaupt der Original-Wortlaut ist.

Es spricht also vieles dafür, dass der angebliche Screenshot ein Fake ist, den “Bild” zu Illustrationszwecken rekonstruiert hat (was schon etwas unlauter ist, wenn man es nicht dazuschreibt), und dabei dann auch noch ziemlich dämlich vorgegangen ist.

Mit Dank an Nikolai und Erik W.

Hipster, Zensur, Augsburger Allgemeine

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Landgericht: Beschlagnahme in AZ-Redaktion war rechtswidrig”
(augsburger-allgemeine.de, Sascha Borowski)
Das Landgericht Augsburg hält einen durch das Amtsgericht Augsburg erwirkten Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschluss bei der “Augsburger Allgemeinen” für rechtswidrig.

2. “Justiz beurteilt ‘Blick’-Methoden”
(tagesanzeiger.ch, Daniel Ryser)
Ein Polizist ist angeklagt wegen Verletzung des Amtsgeheimnisses, ein Journalist und ein Privatdetektiv wegen der Anstiftung dazu. Siehe dazu auch “Der ‘Blick’ von innen” (dasmagazin.ch, Februar 2013).

3. “Umgang mit dem Wort Autismus in Medien”
(torbenfriedrich.de)
“Harlem Shake”, steht auf Zeit.de, sei “die Antwort auf den sexuellen Autismus unserer Gegenwart”.

4. “Sie zerstören alles”
(freitag.de, Agnes Szabó)
“Tausende Fernsehjournalisten landeten auf der Straße, weil die Kultursendungen gestrichen wurden”, berichtet die kürzlich nach Berlin gezogene Agnes Szabó aus Ungarn: “Meine Arbeit ist unmöglich geworden. Es gibt keine Kulturredaktion mehr in der öffentlich-rechtlichen Fernsehanstalt, die Fidesz-Politik zerstört alles, was nicht denkt wie sie.”

5. “Staatliche und nicht-staatliche Zensur”
(metronaut.de, John F. Nebel)
John F. Nebel macht sich Gedanken über den Begriff “Zensur” und verlinkt auf weitere Beiträge dazu: “Ich kann verstehen, dass Leute eine Art Hausrecht in ihrem Blog ausüben wollen, dass sie keine Lust auf themenfremde Kommentare, Beleidigungen oder Verschwörungstheorien haben und das Trolle einfach nerven. Doch überall, wo intransparent Information unterdrückt wird, ist der Fluss der Information gestört und für Außenstehende nicht mehr nachvollziehbar.”

6. “Das inflationäre Männlein”
(taz.de, Enrico Ippolito)
Der “Hipster” als Sündenbock: “Die Journalisten und Journalistinnen – auch dieser Zeitung – verwenden den Begriff inflationär, weil sie glauben, die Menschen dort draußen wüssten schon, was oder wer gemeint sei. Wissen sie aber nicht.”

Blättern:  1 ... 509 510 511 ... 1159