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Evolution im Eiltempo

“Bild” macht Oskar Lafontaine heute ganz ironisch zum “Gewinner des Tages”. Ihm wurde nämlich von der “Wirtschaftswoche” der “Dodo-Preis für ökonomische Dummheit” verliehen. “Bild” schreibt:

Der “Dodo” war ein flugunfähiger, rund ein Meter großer Insel-Vogel, der wegen seiner mangelnden Lern- und Anpassungsfähigkeit ausstarb.

“Bild” hat diese Charakterisierung des Dodos zwar von der “Wirtschaftswoche” übernommen, falsch ist sie aber trotzdem. Und sie zeugt von ziemlich übersteigerten Erwartungen an die Evolution. Der Dodo, der bis zur Besiedelung seines Lebensraums keinerlei Feinde hatte, wurde nämlich ausgerottet. Er ist hungrigen Matrosen, abgeholzten Wäldern und eingeschleppten Affen, Ratten und Schweinen, zum Opfer gefallen.

So gesehen hätte die “Wirtschaftswoche” den Preis ebenso gut nach den Einwohnern Pompejis nennen können. Diesen Dummerchen ist es ja auch nicht gelungen, sich an herabfallendes Gestein, Flugasche und pyroklastische Ströme zu gewöhnen.

Mit bestem Dank für den Hinweis und die Pointe an Stefan E.

Irgendwie malle

Mallorca ist eine der schönsten Mittelmeer-Inseln und “Bild” manchmal sehr genau.

Im Juli beispielsweise hatte “Bild” ausführlich über Boris Becker und “seine Elena” berichtet. “Bild” wusste alles, naja: fast alles über seine “Mallorca-Bekanntschaft”: Mit was für einem Autotyp welcher Farbe Becker mit ihr über die Mittelmeer-Insel fuhr und so weiter. Und als “die süße Russin” Mallorca verlassen hatte, war “Bild” ihr auf den Fersen, wusste in welchem Stadtteil welcher Stadt sie wohnt, wer im selben Haus einen Tiefgaragenplatz hat und was genau auf ihrem Klingelschild steht. Und anschließend wussten all das auch Millionen “Bild”-Leser.

Wenn allerdings nicht Boris Becker, sondern Oskar Lafontaine Urlaub macht und damit in die Schlagzeilen gerät, verschweigt “Bild” urplötzlich (und anders als die “Die Welt”, die “Berliner Morgenpost”, das “Hamburger Abendblatt” und viele, viele andere Medien) den Namen des Urlaubsortes und schreibt stattdessen merkwürdigerweise nur verschämt von “einer der schönsten Mittelmeer-Inseln”, “einer Mittelmeerinsel” und “Mittelmeer-Finca”.

Aber Boris Becker ist ja auch kein ehemaliger “Bild”-Kolumnist.
 
Nachtrag, 27.8.2005:
Sorry, wir müssen uns korrigieren. Aber ja: Denn Boris Becker gehört doch, wie Lafontaine, zur Riege ehemaliger “Bild”-Kolumnisten. Nach seinem ersten Wimbledon-Sieg nämlich hatte ihn “Bild” vier Jahre lang als Kolumnisten (angeblich für eine Jahresgage von rund einer Million Mark) verpflichtet gehabt. “Als Gegenleistung mußte der Gast-Autor etwa 20mal im Jahr Intimes aus seinem Leben zu Papier bringen lassen”, schrieb jedenfalls der “Spiegel” im Jahr 1989. Da war nämlich Schluss mit Beckers Kolumnistentätigkeit. Unklar ist, ob Becker “Bild” oder “Bild” Becker den Vertrag kündigte. Fest steht nur, dass die Zusammenarbeit vorzeitig endete, nachdem Becker in einem Interview mit der Zeitschrift “Sports” über “Bild” gesagt hatte:

“Ich konnte mich mit der Art und Weise, wie die Geschichten erfinden und auch mit den Methoden, wie sie arbeiten, nicht identifizieren.”

Mit Dank an Lorenz L. fürs vage, aber gute Erinnerungsvermögen.

Fußnotenjournalismus

“Mit einer Fülle an Exklusivmeldungen
verschafft BILD den Lesern jeden Tag
einen Informationsvorsprung”
(Aus einer “Bild”-Selbstdarstellung)

 
Rudolf Scharping*, Abgeordneter des Wahlkreises Montabaur im Deutschen Bundestag, schreibt heute einen Gastbeitrag in “Bild”, weil Franz Müntefering vor einem Jahr die Nachfolge von Gerhard Schröder als SPD-Parteivorsitzender antrat. “Bild” schreibt dazu:

“Exklusiv in BILD zieht Ex-SPD-Chef Rudolf Scharping
eine Bilanz der Arbeit seines Nachfolgers.”

Und, naja, immerhin wäre Scharping, wenn bei der Bundestagswahl 1994 nicht die CDU gewonnen hätte, wohl Bundeskanzler geworden. Er hätte, wäre es bei der Bundestagswahl 1994 schon zu einem Regierungswechsel gekommen, nach 12 Jahren Amtszeit Helmut Kohl abgelöst. Und das ist noch nicht alles. Doch weil sich vielleicht trotzdem nicht jeder “Bild”-Leser erinnert, wer noch gleich dieser Rudolf Scharping war ist, haben die Politikredakteure der “Bild”-Zeitung (siehe auch Bild.de) am Ende seines Gastbeitrags auf Seite 2 freundlicherweise folgende Fußnote angefügt:

“Ex-Verteidigungsminister Scharping (57) war
von 1995 bis 2001 SPD-Vorsitzender”

Dumm ist nur, dass das nicht stimmt.

*) Rudolf Scharping war von 1993 bis 1995 SPD-Vorsitzender. (Ihm folgten 1995 Oskar Lafontaine, 1999 Gerhard Schröder und 2004 Franz Müntefering.) Von 1995 bis 2001 war Scharping Vorsitzender der Sozialdemokratischen Partei Europas (SPE).

Mit Dank an Thomas P. für den Hinweis.

Wie sich Feindbilder verändern

Für “Bild” ist die PDS bisher stets die SEDNachfolgepartei gewesen. Und deren Mitglieder waren “die Rächer der SED”, “die alten Spalter, die Honecker-Nostalgiker, deren Vorgänger das freie Denken unterdrückten” und die “mit gnadenloser Anti-Reformhetze und Stimmungsmache gegen Kanzler Schröder” wetterten bzw. noch Schlimmeres.

Wenn allerdings “Deutschland jüngste Abgeordnete” Julia Bonk, 18 Jahre, gutaussehend “und derzeit wieder solo”, “in Pulli, Mini-Rock und schwarzen Strümpfen” bzw. mit “Schmollmund, roter Mähne, bauchfreiem T-Shirt” abgebildet werden kann, dann ist die “SED-Nachfolgepartei”, für die die “sexy Sächsin” im Landtag sitzt, plötzlich nur noch – “die PDS”.

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