Liebesbrief an Julian Reichelt, Privatsphäre, Skurriles aus Japan

1. What a Man
(taz.de, Paul Wrusch)
“Weil die ‘Bild’ vom IS-Prozess ausgeschlossen wird, kämpft ihr Online-Chef für die Pressefreiheit — mutig, objektiv und sexy. Ein Liebesbrief” — von “taz”-Redakteur Paul Wrusch an Julian Reichelt.

2. Foto-Streit: BILD führt eine Auseinandersetzung für alle Medien
(ruhrbarone.de, Stefan Laurin)
Zum gleichen Fall findet Ruhrbaron Stefan Laurin: “Ebrahim H.B. ist kein sechzehnjähriger Schüler, der beim Klauen eines Fahrrades erwischt wurde und auch kein Hobby-Schwarzfahrer, der zum zehnten Mal vor Gericht steht. Ebrahim H.B. war Mitglied der gefährlichsten Terrororganisation der Welt und hat sich öffentlich im Fernsehen dazu bekannt. Wer sich so in der Öffentlichkeit exponiert, hat alleine damit sein Recht am eigenen Abbild abgegeben.” Auch von Prosieben erhält die “Bild”-Zeitung Zuspruch, die im Übrigen angekündigt hat, zur Not bis vors Bundesverfassungsgericht zu gehen.

3. Freiheit zwischen Gucklöchern und Scheinwerfern
(nzz.ch, Andreas Meili)
Wer einen Bewerber einstellt, der googelt davor, und wer ein Portrait schreiben will, kann in Medien-Datenbanken oder bei Wikipedia über die Person recherchieren. Mit Drohnen lassen sich Videoaufnahmen von eigentlich geschützten Orten anfertigen, und mit dem Smartphone in der Hosentasche kann man jederzeit in Sekundenschnelle Fotos schießen. Kurzum: Die Digitalisierung ist zumindest potenziell eine Gefahr für die Privatsphäre. Der Rechtsanwalt Andreas Meili klärt über die Rechtslage auf, gibt Tipps, wie man seine Persönlichkeitsrechte schützen kann und erklärt, welche Sonderregeln Journalisten beachten müssen.

4. Japan-Berichterstattung: “Die Redaktionen interessieren sich nur für Skurriles und Katastrophen”
(crowdspondent.de, Lisa Altmeier und Steffi Fetz)
Hinter Crowdspondent stecken die beiden Journalistinnen Lisa Altmeier und Steffi Fetz. Als Korrespondentinnen der Crowd haben sie sich nach Brasilien schicken lassen und sind durch Deutschland gereist. Jetzt sammeln sie für eine Reise nach Japan, woraufhin sich Fritz Schumann bei ihnen gemeldet hat. Er hat als Fotojournalist in Japan gearbeitet und mittlerweile drei Bücher über das Land veröffentlicht. Im Interview spricht er über Fettnäpfchen, gern gesehene Gastgeschenke und vor allem die deutsche Berichterstattung über Japan: “Oft kommen deutsche Korrespondenten nur für zwei Wochen nach Japan geflogen, weil irgendetwas Aktuelles passiert ist und sie kratzen mit ihren Geschichten dann leider nur an der Oberfläche.”

5. Super-Trick: Freiburgs kreativster Autofahrer parkt direkt an der Baustelle
(fudder.de, Alexander Schumacher und Daniel Laufer)
Ein parkendes Auto mitten in Freiburg, komplett umringt von rot-weißen Bauabsperrungen — für Bild.de ein klarer Fall: “Bauarbeiter buchten Falschparker ein”. Stimmt gar nicht, schreiben Alexander Schumacher und Daniel Laufer beim Portal “fudder”. Die beiden haben herausgefunden: Der Autobesitzer selbst ist Bauarbeiter und hat mithilfe der Absperrungen “eine sehr kreative Antwort auf den Parkplatzmangel in der Freiburger Innenstadt” gefunden.

6. Alles wird gut!
(jetzt.sueddeutsche.de, Friedemann Karig)
Krieg, Krankheiten, Katastrophen: Die Nachrichten sind voll von schrecklichen Ereignissen. Doch Max Roser, Ökonom am Institute for New Economic Thinking in Oxford, ist überzeugt davon, dass unsere Welt auf lange Sicht eigentlich immer besser wird. Ein Beispiel: “Jedes Jahr meinen die Leute in Umfragen, dass die Gewalt steigt. Das Gegenteil ist der Fall. Die Menschheit war früher viel gewalttätiger.” Im Interview mit Friedemann Karig erklärt er sein Projekt “Our World in Data”.

Polizei? Da könnte ja jeder bitten!

Seit knapp eineinhalb Wochen sucht die Polizei Niedersachsen nach einer Familie aus Drage. Mutter, Vater und Tochter waren spurlos verschwunden, die Polizei startete eine öffentliche Fahndung. Dafür hat sie Scans der drei Passfotos auf die eigene Internet- und auf eine Facebook-Fahndungsseite gestellt. Zahlreiche Medien haben die Fotos in der aktuellen Berichterstattung verwendet — macht ja auch Sinn bei einer öffentlichen Fahndung.

Inzwischen haben die Beamten die Leiche des Familienvaters gefunden. Die dazugehörige Pressemitteilung endet mit diesem Absatz:

Medienhinweis: Die Öffentlichkeitsfahndung nach dem 41-jährigen Marco S. ist somit beendet. Es wird darum gebeten, die Fotos aus der Berichterstattung zu nehmen.

Den Hinweis hat die zuständige Polizeiinspektion Harburg spätabends am vergangenen Freitag veröffentlicht.

Und so sieht die Berichterstattung von “Bild”, Bild.de und “Bild am Sonntag” seitdem aus:

Bild.de, 1. August:

(Alle Unkenntlichmachungen von uns.)
“Bild am Sonntag”, 2. August:

Bild.de, 2. August:

“Bild”, 3. August:

“Bild”, 4. August:

Nun kann es eine etwas aufwendigere Sache sein, schon publizierte Online-Artikel zu durchkämmen und einzelne Fotos per Hand rauszulöschen. Aber all die aufgeführten Berichte sind eben erst nach der Bitte der Polizei erschienen.

Jan Krüger, Sprecher der Polizeiinspektion Harburg, sagte uns, dass eine Missachtung des Medienhinweises keine rechtlichen Schritte von Seiten der Polizei nach sich ziehe. Familienangehörige müssten sich dagegen wehren und das Persönlichkeitsrecht des verstorbenen Vaters durchsetzen.

Krüger und sein Team hätten das Foto direkt nach der Identifizierung der Leiche aus dem Internet genommen, online fänden sich nur noch die Bilder der Mutter und der Tochter, nach denen weiterhin gesucht wird. Bei den Medien könne man nur darauf hoffen, dass sie der Bitte nachkommen.

Allerdings haben wir das Gefühl, dass diese Hoffnung bei den Leuten von “Bild” vergebens ist.

Mit Dank an @macerarius.

Pressejunkets, versteckte Gruppen, Sommerlochtiere

1. Es wird Zeit, diese ätzende Presse-Junket-Kultur zu beenden. Aber wie?
(realvirtuality.info, Alex)
Die Schauspielerin Cara Delevingne hat neulich in den USA ein TV-Interview zu einem Film gegeben, in dem sie mitspielt — und war irgendwann ganz schön angefressen ob der Fragen der offenbar auch noch schlecht vorbereiteten Moderatoren. Das vergeigte Interview nimmt Alexander Matzkeit zum Anlass, sich Gedanken zu den sogenannten “Pressejunkets” zu machen, also den Promo-Touren, auf denen die Schauspieler und Filmemacher in hunderten Interviews immer wieder die gleichen Fragen beantworten müssen. Diese Touren seien „eine entmenschlichende Praxis“, schreibt Matzkeit: „Man ist ein menschliches Konsumgut. Mittel zum Zweck des Filmverkaufs.“ Die Interviews seien auch eigentlich gar keine, sondern Scripted Reality. Darum fordert er: „Lasst Filmemacher Filme machen. Den Medienzirkus haben wir aufgebaut, nicht sie.“ Siehe dazu auch: “But Did You Read the Book? Cara Delevingne, Press Junketry, and Me” von John Green, dem Autor der Romanvorlage für den Delevingne-Film.

2. A list of every hidden journalism-related social media group I could find
(poynter.org, Melody Kramer, englisch)
Journalisten diskutieren gerne und oft: auf Konferenzen, Podien und Tagungen. Aber auch in Facebook-Gruppen, Twitter-Chats und Slack-Channels. Melody Kramer hat viele dieser Kanäle gesammelt und stellt sie kurz vor. Ausschließlich englischsprachig, aber trotzdem mindestens einen Blick wert. Und vielleicht findet sich ja jemand, der eine ähnliche Liste für deutsche Journalisten zusammenstellt.

3. Der schmale Grat der Schleichwerbung im Netz
(upload-magazin.de, Nina Diercks)
Nur weil Schleichwerbung im Internet jetzt als “Native Advertising”, “Influencer Relations” oder wie auch immer bezeichnet wird, sei sie nicht weniger verboten, schreibt Rechtsanwältin Nina Diercks. Am Trennungsgebot von Werbung und Redaktion ändere sich nichts, “bloß weil die Artikel jetzt redaktionell in einem inhaltlich passenden Umfeld liegen” und online abrufbar sind:

Die Folge ist, dass bezahlte Blog-Beiträge genauso zu kennzeichnen sind wie bezahlte Beiträge auf Spiegel Online oder im Goldenen Blatt. Und ebenso wie bei “Schlag den Raab” im Zweifel “Dauerwerbesendung” oben auf dem Screen zu sehen sein muss, müssen YouTuber wie Y-Titty deutlich machen, wenn eine YouTube-Clip oder Teile davon in irgendeiner Weise von Dritten bezahlt worden sind.

Diercks hebt aber nicht nur mahnend den Zeigefinger, sondern gibt auch Hinweise, wie Redaktionen trotzdem “innovative Werbeformen” nutzen können und wer im Zweifelsfall gegen Schleichwerbung vorgehen könnte.

4. Wie weiter mit Twitter
(konradlischka.info)
Die Nutzerzahlen von Twitter wachsen so langsam wie nie, in der Folge bricht die Aktie zeitweise um zweistellige Prozentwerte ein. Für Konrad Lischka könne es sein, “dass maximale Reichweite für die Firma insgesamt sinnvoll ist. Für die Medienplattform Twitter, wie sie heute existiert und genutzt wird, wird das nicht funktionieren.” Lischka hat über Möglichkeiten nachgedacht, wie sich “drei dominierende Arten der Nutzung” von Twitter weiterentwickeln ließen.

5. Mein Tagebuch, Polka und der Landesverrat
(juramama.de)
Früher hat die “Juramama” ihre privaten Geheimnisse weggeschlossen, im Tagebuch mit dem herzförmigen Vorhängeschloss. Heute ist das anders:

Welche Naivität und trügerische Sicherheit trage ich 20 Jahre später zur Schau, gemeinsam mit nahezu allen Ex-Tagebuchschreiberinnen in diesem Land, wenn wir uns heute tatsächlich einbilden, dass wir “nichts zu verbergen haben.” Als Vierzehnjährige, mit unseren Blechschlüsseln, hatten wir ein deutlich gesünderes Verhältnis zu unseren “Geheimnissen”, als wir es heute haben. 

Anlässlich der (ausgesetzten) Ermittlungen gegen netzpolitik.org umreißt sie deshalb, “was die deutschen Behörden auf dem Gebiet der Überwachung so treiben dürfen und was mit unseren Daten geschieht” — und kommt zu dem Schluss: “Sieben Jahre nach dem letzten ‘Landesverrat’-Vorfall 1962 sang Elvis ‘We can’t go on together with suspicious minds.’ Wie Recht er hat, auch wenn er nicht Vater Staat und Mutter Erde sondern Liebespaare meint.”

6. Tiere gehen immer
(dradiowissen.de, Nico Rau, Audio, 4:49 Min.)
Auf der — nicht ganz ernst gemeinten — Suche nach den fehlenden Sommerlochthemen landet Nico Rau bei der fiktiven Firma Alles-Banane-Productions in einem Kölner Gewerbegebiet. Die Agentur war unter anderem verantwortlich für Killerwels Kuno, der einen Dackel gefressen haben soll; Aufträge kommen von Boulevardblättern und CSU-Hinterbänklern, die mit einem Knallerthema mal wieder in die Medien wollen.

Im “Burger-Talk” mit dem “Bild”-Reporter

Ralf Schuler ist Leiter des Parlamentsbüros der „Bild“-Zeitung.

Und hier sehen wir ihn bei der Recherche:

Der Chef von McDonald's Deutschland Holger Beeck (l.) beim Burger-Talk mit BILD-Reporter Ralf Schuler (r.) [Auf dem Foto sitzen die beiden nebeneinander, schauen in die Kamera und halten einen Burger in der Hand]

Bei der Gelegenheit hätte Schuler den McDonald’s-Mann natürlich gleich mal kritisch ausquetschen können. Er hätte fragen können, warum die Fast-Food-Kette zurzeit massiv Kunden verliert und enorme Umsatzeinbußen verzeichnet. Oder warum McDonald’s hierzulande bei der Digitalisierung dermaßen hinterhinkt. Aber: nö.

Stattdessen fragt er:

Bietet McDonald’s vor allem billiges Essen?

Antwort: “Zu uns können Leute mit jedem Geldbeutel kommen und beste Burger zum besten Preis bekommen.”

Oder:

Was werden wir in zehn Jahren essen? Algen, Insekten oder Bio-Gemüse?

“Wenn es eine nahr- und schmackhafte, vor allem aber akzeptierte Nahrung aus neuen Rohstoffen gibt, werden wir uns dem nicht verschließen.”

Oder:

Sie bieten ab 13. August einen Veggie Burger (mit) Quinoa an. Ist Fleisch ein Auslaufmodell?

“Unsere Salate und Pommes frittes sind schon jetzt sogar vegan. Den neuen Clubhouse Veggie Burger haben wir zusammen mit Vegetariern und Flexitariern entwickelt. Ich bin gespannt, wie er ankommt.”

Und so ist es nicht Ralf Schuler, der die Gelegenheit nutzt, sondern der McDonald’s-Chef. Um schön ein bisschen Werbung zu machen, für sein Unternehmen und den neuen Burger, der bald kommen soll und dem Bild.de sogar noch ein eigenes Video gewidmet hat (“So wird der neue Veggi-Burger gemacht!”). Highlights:

[Der McDonald's-Chef nimmt von einer Mitarbeiterin einen Burger entgegen]
[Er beißt hinein, während die Mitarbeiterin im Hintergrund erwartungsvoll lächelt]
[Er schließt genüsslich die Augen, während er den Burger kaut]
[Er schaut entzückt in die Kamera, weil ihm der Burger natürlich superduper gut schmeckt]
[Das BILD-Logo]

Das kommt McDonald’s in diesen Krisenzeiten natürlich sehr gelegen: Gleich zweimal dicke Werbung auf Bild.de. Einmal im Anzeigenbereich – einmal im redaktionellen.

[Der Artikel bei Bild.de; daneben eine Anzeige von McDonald's]

“Bild” pfeift aufs Gericht – und zeigt das Gesicht

Heute hat vor dem Oberlandesgericht in Celle der Prozess gegen zwei mutmaßliche „IS“-Rückkehrer begonnen. „Mitgliedschaft in terroristischer Vereinigung und Vorbereitung einer staatsgefährdenden Gewalttat“ lautet der Vorwurf, entsprechend groß ist das Interesse der Medien.

In einer Anordnung hatte das Gericht zuvor festgelegt, dass die Angeklagten nur verpixelt gezeigt werden dürfen. Die dpa hat sich daran gehalten und die Fotos nur mit Unkenntlichmachung veröffentlicht.

„Bild“ — n a t ü r l i c h — nicht.

Inzwischen hat Bild.de das Foto ausgetauscht — und zeigt jetzt eins, auf dem der Mann noch besser zu erkennen ist.

(Der Vollständigkeit halber: Unkenntlichmachungen von uns.)

Nun könnte man argumentieren, dass sich der Angeklagte vor etwas mehr als zwei Wochen ja auch von der “Süddeutschen Zeitung” und dem NDR hat fotografieren und filmen lassen. Die Leute von “Bild” aber begründen die Missachtung der gerichtlichen Anordnung so:

Die blutigen Bilder seiner Kämpfer präsentiert ISIS regelmäßig im Internet, prahlt damit, rekrutiert neue Mitglieder. Doch stehen zwei dieser Kämpfer in Deutschland vor Gericht, sollen sie plötzlich unkenntlich gemacht werden? Da macht BILD nicht mit.

Mit Dank auch an Wolfram S., @RamisOrlu, Sebastian R., Bernhard W., Heinz B., Christian M. und Daniel!

Nachtrag, 16.55 Uhr: Inzwischen haben wir auch die sitzungspolizeiliche Anordnung des Gerichts gefunden (PDF). Darin steht:

Bei den Filmaufnahmen ist sicherzustellen, dass das Gesicht der Angeklagten vor der Veröffentlichung und vor einer Weitergabe der Aufzeichnungen an Fernsehveranstalter oder andere Medien durch ein technisches Verfahren anonymisiert wird und nur eine Verwendung in anonymisierter Form möglich ist.

Das habe der Senat aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes entschieden, erklärte uns die Gerichtssprecherin, und dabei sei ihm durchaus bewusst gewesen, dass einer der Angeklagten bereits im Fernsehen zu sehen gewesen sei.

Und was hält das Gericht von der Veröffentlichung? Die Gerichtssprecherin: “Die Anordnung ist seit Wochen für jeden zugänglich. Mit der Veröffentlichung wurden die Auflagen nicht eingehalten.”

Auf die Frage, ob “Bild” nun mit Konsequenzen rechnen muss, verwies die Sprecherin auf einen weiteren Punkt in der Anordnung, in der es heißt:

Kommen akkreditierte Pressemitarbeiter den Aufforderungen nicht nach, so können ihre Presse- und Medienunternehmen die Akkreditierung verlieren. Darüber entscheidet der Vorsitzende.

Nachtrag, 18:40 Uhr. “Bild” ist nun tatsächlich vom Prozess ausgeschlossen worden. Das hat der Vorsitzende Richter entschieden, wie uns die Gerichtssprecherin bestätigte.

Nachtrag, 4. August: In der heutigen Ausgabe nennt “Bild” die Sache einen “Eklat vor Gericht”, und Bild.de-Chef Julian Reichelt beklagt sich erwartungsgemäß über den …

Nun will das Gericht die Persönlichkeitsrechte der Angeklagten schützen. Die Medien sollen diese Männer, die sich der schlimmsten Terrororganisation der Welt angeschlossen haben, nur gepixelt zeigen.

BILD hat sich dieser Anordnung widersetzt – und wurde deswegen vom Prozess ausgeschlossen. Mit Verlaub, Herr Richter Meier, damit schützen Sie die Falschen.

Wenn ISIS seine blutrünstigen Taten verübt, posieren die Täter mit abgeschlagenen Köpfen, um Angst und Schrecken zu verbreiten. Wenn die Terroristen sich aber vor einem deutschen Gericht für ihre Taten verantworten sollen, dürfen sie plötzlich nicht mehr erkannt werden? Das ist absurd!

BILD wird sich gegen diese Entscheidung wehren. Sie ist ein Angriff auf die Pressefreiheit!

Landesverrat, wundersamer Wagner, Rechts gegen Rechts

1. Verdacht des Landesverrat: Der Pressespiegel
(netzpolitik.org, Eric Beltermann)
Bei all den (medialen) Entwicklungen rund um den Vorwurf des Landesverrats gegen netzpolitik.org kann man schnell den Überblick verlieren. Eric Beltermann hat einen Pressespiegel zusammengestellt, der ständig aktualisiert wird. Eine “Chronik der Netzpolitik-Affäre” liefert John F. Nebel. Und das Rechercheteam um Hans Leyendecker und Georg Mascolo rekonstruiert, wer auf offizieller Ebene momentan alles nichts von den Ermittlungen gegen Markus Beckedahl und Andre Meister gewusst haben will, sehr wohl aber etwas gewusst haben dürfte. Rechtsanwalt Markus Kompa vermutet indes ganz andere Gründe für die Anzeige durch den Verfassungschutz.

2. Kurze Geschichte eines Unworts: Asylkritiker
(sprachlog.de, Anatol Stefanowitsch)
Bereits letzte Woche gab es eine Reihe von Texten, die vor verharmlosenden oder hetzenden Begriffen wie “Asylgegner”, “Asylanten”, “Wirtschaftsflüchtlinge” oder “Flüchtlingsstrom” warnten (6 vor 9 von Donnerstag: erster Link). Jetzt erklärt Anatol Stefanowitsch den Bedeutungswandel des Wortes “Asylkritiker”: Mitunter stand der Ausdruck auch für eine ablehnende Haltung gegenüber der restriktiven deutschen Gesetzgebung, meinte also eher “Asylpolitik-Kritik”. Erst in den letzten Jahren entdeckten rechte Parteien und Bewegungen den Begriff für sich und verwendeten ihn als Euphemismus für ausländerfeindliche Hetze — eine Deutung, die Medien und Politik oft einfach übernahmen.

3. Flüchtlinge aus der DDR: Zeltstadtbilder
(zebrabutter.net, Kathi Flau)
Bei Facebook tauchen derzeit Fotos von Zeltstädten auf, darauf zu sehen: DDR-Bürger, die in die Bundesrepublik flüchten wollen. Die Posts seien mit der Frage versehen, “ob Dresden, Freital und andere Hochburgen des Flüchtlingshasses die damalige Solidarität vergessen hätten”, schreibt Kathi Flau:

Die Bilder der Zeltstädte von 1989 und 2015, nebeneinander gestellt, suggerieren: Die sich links willkommen heißen lassen, das sind dieselben, die rechts rechts sind.

Doch das sei ein Trugschluss: “Wer damals in einer Zeltstadt aufgenommen worden ist, der schlägt heute nicht vor, die Zeltstadt von Dresden anzuzünden.”

4. “Klar ist das trivial“
(taz.de, Anne Fromm)
Vor einem Jahr startete Buzzfeed in Deutschland. Jetzt blickt die Chefredakteurin Juliane Leopold zurück und zieht eine ehrliche Bilanz: “Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass ich schon völlig zufrieden mit unserer Leistung bin.” Gleichzeitig verteidigt sie Buzzfeed gegen die oft vorgebrachte Kritik, das Portal biete Unterhaltung statt Journalismus und nimmt das Native-Advertising-Modell in Schutz: Mit optisch nicht vom Rest der Zeitung unterscheidbaren Verlagsbeilagen habe sie größere Probleme

5. Die wundersame Welt des Franz Josef Wagner
(sueddeutsche.de, Jana Stegemann)
Nach Wagners umstrittenen Kolumne über (Nicht-)Mütter hat Springers “Welt” den “Bild”-Chefkolumnisten vergangene Woche zum Interview gebeten. Jana Stegemann hat sich die (erwartungsgemäß wieder ziemlich bekloppten) Aussagen genauer angeschaut. Auch stern.de muss nach Lektüre des Interviews feststellen: “Es geht immer noch schlimmer”.

6. Rechts gegen Rechts in Bad Nenndorf (Der Film)
(youtube.com, Video, 4 min.)
Vorgestern sind Neonazis in einem “Trauermarsch” durch das niedersächsische Bad Nenndorf gezogen. Ähnlich wie im vergangenen Jahr in Wunsiedel wurde der Aufmarsch der Rechtsradikalen aber zum unfreiwilligen Spendenlauf: Für jede Minute unerwünschter Aufenthaltszeit in Bad Nenndorf spendeten Bürger und Unternehmen zehn Euro für die Entfernung von rechtsextremen Tattoos. Einen Bericht gibt’s auch im Störungsmelder-Blog von “Zeit Online”.

Im Kleinermachen ist “Bild” ganz groß

Momentan ist in den großen europäischen Fußballligen Sommerpause, die Mannschaften bereiten sich in Trainingslagern und Testspielen auf die kommende Saison vor. Und vor allem ist Transferzeit! Das bedeutet für die Medien: wilde Wechselgerüchte, angebliche Transfer-Hämmer und reichlich Möglichkeiten für falsche Berichte.

Gestern schrieb die “Bild”-Zeitung:

Und bei Bild.de hieß es entsprechend:

Es geht um Stürmer Mario Gomez, der bisher beim italienischen Erstligisten AC Florenz spielte, und um den Verein, für den er in der anstehenden Saison auflaufen wird: Beşiktaş Istanbul. Dass Gomez nach Istanbul geht, galt zum Zeitpunkt der Veröffentlichung als sicher, in der Hinsicht konnte “Bild” also nichts mehr verbocken. In allen anderen Hinsichten haben es die Sportexperten aber problemlos hinbekommen.

Es fängt schon an mit der Grafik zur Ablösesumme:

Dazu heißt es:

Gestern in Florenz die abschließenden Verhandlungen mit seinem Ex-Klub Fiorentina (kassiert rund 6 Mio Ablöse), heute Vormittag die Unterschrift und der Flug in die Türkei.

Das Problem dabei: Der AC Florenz hat Mario Gomez nicht nach Istanbul verkauft, sondern nur ausgeliehen. Daher ist es uns auch ein Rätsel, wie die Autoren Kai Psotta und Phillip Arens auf die “6 Mio Ablöse” kommen. Aber vielleicht ist “Bild”-Mann Arens einfach nicht nur gut im Trauernde-Menschen-nicht-in-Ruhe-lassen, sondern auch im Zahlenausdenken.

Ebenfalls falsch ist das Gehalt von Gomez in Istanbul, das die Autoren nennen:

Jetzt wollte ihn Florenz loswerden. Auch, weil sich sein Gehalt von geschätzten 4 Mio Euro netto pro Jahr auf rund 5 Mio erhöht hätte (Vertrag bis 2017). In Istanbul soll er laut italienischen Medien rund 5,5 Mio netto kassieren. Finanziell geht es nicht abwärts …

Und ob es das geht. Mario Gomez wird im kommenden Jahr 3,5 Millionen Euro verdienen. Die Aussage im Teaser, dass sein Gehalt “immer größer” werde, ist also falsch.

Überhaupt: Woran “Bild” und Bild.de den “Gomez-Absturz” erkennen wollen, verraten sie nicht. Es scheint aber mit den Vereinen zu tun zu haben, bei denen der Stürmer bisher gespielt hat beziehungsweise nun spielt — und die “immer kleiner” werden sollen.

Nun ist es nicht ganz einfach, den AC Florenz mit Beşiktaş Istanbul zu vergleichen, also einen Erstligisten aus Italien mit einem aus der Türkei. Aber gut, versuchen wir’s. Nur: Was heißt “kleiner” bei Fußballvereinen?

Für Kai Psotta und Phillip Arens ist es offenbar ein Kriterium, in welchem europäischen Wettbewerb beide Klubs in der nächsten Saison antreten werden:

Gomez in Istanbul. Europa League statt Königsklasse.

Stimmt, Beşiktaş wird in der Europa League spielen. Allerdings hat sich der AC Florenz in der vergangenen Saison auch nicht für die “Königsklasse” Champions League qualifiziert, sondern ebenfalls nur für die Europa League. In Hinblick auf den europäischen Wettberwerb hat der Wechsel nach Istanbul für Mario Gomez also keine Veränderung bewirkt.

Andere Vergleiche, mit denen sich die “Absturz”-These überprüfen ließe, nennen die beiden Autoren nicht. Daher hier mal ein paar Vorschläge:

Facebook-Fans
Beşiktaş Istanbul hat bei Facebook etwa 5,5 Millionen Anhänger und damit mehr als dreimal so viele wie der AC Florenz.

Stadiongröße
Noch in diesem Jahr wird Beşiktaş in die Vodafone Arena einziehen. Nach der Fertigstellung wird das Stadion 41.903 Plätze haben. Bis das soweit ist, tritt das Team im Atatürk Olimpiyat Stadı mit 76.092 Plätzen an.

Im Stadio Artemio Franchi in Florenz kommen 47.282 Fans unter.

Titelsammlung
Beşiktaş gewann bisher 13 Mal den Meistertitel in der türkischen Süper Lig. Dazu kommen neun Pokalsiege und acht Superpokalsiege.

Der AC Florenz wurde in seiner Vereinsgeschichte zweimal italienischer Meister, sechsmal Pokalsieger und einmal Superpokalsieger. Dazu kommen ein Sieg im Europapokal der Pokalsieger und einer beim Mitropacup.

Marktwert des Kaders
Laut dem Onlineportal transfermarkt.de (das auch zum Axel-Springer-Verlag gehört) beläuft sich der Gesamtmarktwert des Profiteams von Beşiktaş Istanbul auf 126,5 Millionen Euro, der des AC Florenz auf 108,78 Millionen Euro. Solche Marktwerte sind durchaus mit Vorsicht zu genießen. Aber auch sie sprechen nicht für die “Absturz”-Überschrift von “Bild” und Bild.de.

In der Online-Version des Textes ist die Passage zum Gehalt von Mario Gomez inzwischen übrigens geändert (“In Istanbul verdient er laut Klub-Info 3,5 Mio.”), genauso die Aussagen zur Ablösesumme (“Am Donnerstagmorgen gab Besiktas die Verpflichtung offiziell bekannt: Zunächst leihen die Türken Gomez nur aus, besitzen aber eine Kaufoption.”). Das Teaserbild hat die Redaktion ebenfalls aktualisiert:

In der “Bild”-Zeitung von heute geht es auch noch einmal um Gomez’ Türkei-Wechsel:

Kein Wort davon, dass im Sportteil vom Tag davor von einer Ablösesumme die Rede war. Aber was interessiert schon der Fehler von gestern? Gerade in der aufregenden Transferzeit.

Landesverrat, Landesverrat, Landesverrat

1. „Verdacht des Landesverrats“: Generalbundesanwalt ermittelt doch auch gegen uns, nicht nur unsere Quellen
(netzpolitik.org, Andre Meister)
Der Generalbundesanwalt hat Ermittlungen gegen das Blog Netzpolitik.org aufgenommen. Der Vorwurf: Landesverrat. Stein des Anstoßes: diese beiden Artikel (nun auch zusätzlich unter landesverrat.org zu finden):

Juristische Hintergründe und die Motivation der Bundesanwaltschaft erklären Hans Leyendecker und Georg Mascolo, auch die “Tagesschau” hat das Thema ausführlich aufgegriffen.

2. Landesverrat? Nein, netzpolitik.org schützt die Demokratie
(zeit.de, Karsten Polke Majewski)
Die ersten Kommentare fallen eindeutig aus: Viele Medien solidarisieren sich mit Netzpolitik und kritiseren das Vorgehen der Bundesanwaltschaft. “Demokratie und Geheimdienst stehen in einem kaum aufzulösenden Widerspruch zueinander”, bilanziert Karsten Polke Majewski und stärkt Netzpolitik den Rücken: “Der Presse kommt angesichts dieser Schwäche eine wichtige Kontrollfunktion zu. Netzpolitik.org betreibt das mit großer Beharrlichkeit.” In eine ähnliche Kerbe schlägt Christian Stöcker und wirft Harald Range vor, “gegen befreundete Geheimdienste nicht vorgehen” zu wollen, wohl aber gegen deutsche Journalisten. Das sei ein klarer Einschüchterungsversuch und ein Angriff auf die Pressefreiheit. Der DJV bezeichnet die Vorgänge als “Justizposse”, Politiker von SPD, den Grünen, der Linken und der FDP reagieren ähnlich empört, und auch der ehemalige Datenschutzbeauftragte der Bundesregierung, Peter Schaar, nennt den Vorwurf des Landesverrates “absurd”.

3. Wer hinter Netzpolitik.org steckt
(sueddeutsche.de, Lena Kampf)
Lena Kampf schreibt über Netzpolitik.org und seine Macher. Das Blog sei „so etwas wie das Referenzmedium für Digitales“ mit fünf festen Mitarbeitern und der Überzeugung, dass die Leser ein Recht darauf haben, „’sich selbst ein Bild zu machen.’“ Siehe auch: Der „Tagesspiegel“ 2009 über Netzpolitik-Gründer Markus Beckedahl: Der Internetevangelist.

4. Der Generalbundesanwalt und die NSA
(blog.beck.de, Henning Ernst Müller)
Schon am 20. Juli hatte der Jurist Henning Ernst Müller kritisiert, dass Verfassungsschutz und Bundesstaatsanwalt vom “Versagen der eigenen Behörde bei der Spionageabwehr ablenken” wollen. Im Netzpolitik-Fall legen die Behörden nun gerade durch ihre zaghaften Ermittlungen in der Spähaffäre ein großes Problem offen, findet Müller: Diese “Koinzidenz ist es, die geeignet ist, das Vertrauen in die Behörden BfV und GBA und ihre derzeitigen Leitungen nachhaltig zu stören.” Der Jurist hofft auf das Bundesverfassungsgericht.

Dass Generalbundesanwalt Harald Range nicht nur ermitteln, sondern auch Anklage erheben wird, vermutet Constantin Baron van Lijnden: “Wenn nun also Ermittlungen laufen, dann wird mit hoher Wahrscheinlichkeit auch eine Anklage folgen. Welche tatsächlichen Umstände sollte der Generalbundesanwalt denn im Ermittlungsverfahren aufklären, die nicht ohnehin bekannt sind?”

Anfang Juli hatte der “Freitag” den Schweizer Bundesanwalt Michael Lauber porträtiert — und seine Rolle im Vergleich zum deutschen Modell gelobt:

Hierzulande ist der Generalbundesanwalt noch immer ein politischer Beamter, der von der Bundesregierung ausgewählt und vom Bundespräsidenten ernannt wird. Er gehört der Exekutive an, womit er den Weisungen der Bundesregierung und deren sicherheitspolitischen Prämissen unterliegt.

5. Die Spiegelaffäre 1962 — ein Versagen der Justiz?
(PDF, Wolfgang Hoffmann-Riem, 17.10.2012)
Der letzte große Fall, bei dem sich ein Medium dem Vorwurf des Landesverrats ausgesetzt sah, liegt schon einige Jahre zurück: 1962 ermittelte die Bundesanwaltschaft gegen den “Spiegel”. Das Nachrichtenmagazin hatte unter dem Titel “Bedingt abwehrbereit” kritisch über die mangelhafte Ausrüstung der Bundeswehr und die Rüstungspolitk von Verteidigungsminister Franz Josef Strauß berichtet. 50 Jahre später hat der frühere Bundesverfassungsrichter Wolfgang Hoffmann-Riem in einer Rede erörtert, wie berechtigt “der Vorwurf des Justizversagens” damals war. Seine Ausführungen bieten die Möglichkeit, Parallelen und Unterschiede zum aktuellen Fall zu suchen.

6. Netzpolitik.org unterstützen
(netzpolitik.org)
Netzpolitik.org finanziert sich zum Großteil über Spenden und kann, gerade jetzt, jede Unterstützung gebrauchen. Wer helfen möchte, findet hier die Kontodaten und alle Infos (oder hier, falls der Server ächzt). Und wer nicht will oder schon hat, kann dabei helfen, die IBAN — DE62430609671149278400 — als Hashtag zum Trend in den Sozialen Medien zu machen.

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Kann man dem überhaupt trauen? Der ist doch Grieche!

Panagiotis Kolokythas schreibt seit 15 Jahren als Redakteur über die IT-Branche. Sein griechischer Name war dabei nie ein Problem, warum auch. Inzwischen ist er es aber schon. Vor allem dank der “Bild”-Zeitung.

BILDblog: Herr Kolokythas, in einem Facebook-Post haben Sie gestern geschrieben, dass die Reaktionen auf Ihre Artikel seit einer Weile anders aussehen als früher. Was hat sich geändert?

Panagiotis Kolokythas: Ich arbeite hauptsächlich für pcwelt.de und habe gemerkt, dass bei Facebook und Youtube in den Kommentaren zu meinen Beiträgen immer öfter Sätze auftauchen wie: „Kann man diesem Griechen überhaupt glauben?“ Oder: „Stimmt das? Hat schließlich ein Grieche geschrieben!“ Am Anfang habe ich das mehr oder weniger ignoriert, weil ich dachte, es gibt ja immer Spinner, und man kann es nicht allen recht machen, aber in letzter Zeit hat sich das doch sehr gehäuft. Und als gestern bei Facebook und Youtube wieder solche Sprüche kamen, musste ich mal ein bisschen Frust loswerden.

Ihre journalistischen Fähigkeiten werden also infrage gestellt, weil Sie einen griechisch klingenden Namen haben.

Ja. Komplett ohne Argumente. Einfach nur in einem Satz: “Kann man diesem Griechen vertrauen?” Manchmal schreiben sie auch mehr Schmarrn, zum Beispiel bekam ich zum Geburtstag eine Mail, in der stand: “Alles Gute diesem Griechen, der sein Studium abgebrochen hat …” und so weiter halt. Da frage ich mich: Wie kommt jemand auf die Idee, sich die Zeit zu nehmen, mir so eine Mail zu schreiben?

Kommen Sie überhaupt aus Griechenland?

Nein, aus dem Sauerland.

Und Sie schreiben auch keine Artikel über Griechenland, sondern …

… über Software und aktuelle IT-Entwicklungen. Ich bin bei uns der Windows-Experte. Mit Griechenland hat das überhaupt nichts zu tun.

Seit wann häufen sich denn diese Kommentare?

Das begann, als Syriza die Wahl gewann. Als die breite öffentliche Diskussion wieder losging.

… und die Anti-Griechen-Kampagne der “Bild”-Zeitung. Die machen Sie auch verantwortlich dafür, dass einige Leser so auf Ihren Namen reagieren.

Ja, weil das Bild von Griechenland, das diese Leute offenbar im Kopf haben, genau das ist, was die „Bild“-Zeitung vermittelt. Allein schon die Begriffe, die solche Kommentatoren benutzen, “gierige Griechen” zum Beispiel, sind exakt die, die ich aus den „Bild“-Schlagzeilen kenne. Aber dieses Bild ist völlig falsch. Nur ein Beispiel aus meiner Familie: Meine Schwester muss seit drei, vier Jahren länger arbeiten, bekommt aber 40 Prozent weniger Gehalt. Und ich sehe ja auch, wie sich die Straßenzüge verändert haben, ich bin jedes Jahr dort. Die vielen armen Menschen, die Suppenküchen, da kann von Gier nun wirklich keine Rede sein.

Was bekommen Ihre Verwandten in Griechenland eigentlich von der deutschen Berichterstattung mit?

Die “Bild”-Berichterstattung. Oft werden die Schlagzeilen in griechischen Zeitungen abgedruckt, also meistens die “Bild”-Titelseite mit der griechischen Übersetzung. Deswegen denken viele, dass nicht nur “Bild”, sondern alle deutschen Medien so über das Thema schreiben. Ich glaube, dadurch kommt auch dieser Unmut zustande gegenüber Deutschland und der deutschen Presse, und dann kontern griechische Zeitungen mit eigenen Titelseiten …

… die dann wieder in der “Bild”-Zeitung landen und für Unmut gegenüber Griechen sorgen. Oder sagen wir: gegenüber Menschen, die griechisch klingende Namen haben. In Ihrem Post erwähnen Sie noch die eventuelle Notwendigkeit, unter Pseudonym zu schreiben.

Ich hoffe nicht, dass es so schlimm wird. Aber wenn ich mal einen Artikel schreiben sollte, der irgendwas mit Griechenland zu tun hat, würde ich mir schon überlegen, das unter Pseudonym zu tun. Einfach um keine Angriffsfläche zu bieten, bloß aufgrund meines Namens. Damit sich die Leute auf das Wesentliche konzentrieren: den Inhalt meiner Artikel.

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