Adblock-Krieg, Gerichts-Satire, Talkshow-Blindflug

1. OLG Köln: Schlechte Karten für Adblock Plus
(heise.de, Torsten Kleinz)
Durch Adblocker gehen den Medienhäusern riesige Werbeeinnahmen verloren. Kein Wunder, dass man sich da wehrt, auch mit juristischen Mitteln. Nachdem Werbeblocker “Adblock Plus” bislang fünf Prozesse für sich entscheiden konnte, zeichnet sich im Berufungsverfahren vor dem OLG Köln eine Niederlage ab. Ein Verbot des Werbeblockers steht im Raum. Und Schadensersatz. Doch Köln wird aller Voraussicht nach nur eine Zwischenstation sein. Zur endgültigen Klärung wird man sich wohl vor dem Bundesgerichtshof wiedersehen.

2. Journalismus aus der Vogelperspektive
(medienwoche.ch, Adrian Lobe)
Das Geschäft mit Drohnen boomt wie nie zuvor und auch im Journalismus werden immer öfter kamerabewehrte Drohnen als fliegende Beobachter eingesetzt, ob bei Sportveranstaltungen oder zur Recherche und Verifizierung. Doch der Einsatz ist im journalistischen Umfeld nicht frei von Problemen. Es geht im Wesentlichen um Sicherheitsaspekte und Persönlichkeitsrechte. Lobe erzählt, wie es die Kollegen des BBC machen und kommt angesichts der Gesamtproblematik zum Schluss: “Es ist ein schmaler Grat.”

3. Böhmermann – Satire geht weiter
(diekolumnisten.de, Heinrich Schmitz)
Heinrich Schmitz ist nicht nur Kolumnist, sondern auch Strafverteidiger. In einer Mischung aus beiden Funktionen arbeitet er die umstrittene Entscheidung des Landgerichts Hamburg in der Causa Böhmermann auf. “Die Frage sei erlaubt, ob die Pressestelle des OLG Hamburg auf ihrer Homepage eine eigene Satirerubrik unterhält. Sie macht in ihrer Mitteilung über die Entscheidung des Landgerichts Hamburg nämlich ziemlich genau dasselbe wie Jan Böhmermann. Sie erklärt – genau wie dieser – dass das in Rahmen der Böhmermann-Performance vorgetragene Schmähgedicht ein Schmähgedicht ist. Dazu hätte es nun keines Gerichtes bedurft. Das wussten wir schon.”

4. Lohnt sich die “Frankfurter Allgemeine Woche”?
(dwdl.de, Nora Jakob)
Seit einigen Wochen gibt es die “Frankfurter Allgemeine Woche”. DWDL-Autorin Nora Jakob wagt sich an eine Zwischenbilanz. Richtig festlegen will sie sich nach der kurzen Zeit noch nicht, findet aber trotz einiger Kritikpunkte überwiegend positive Worte für das wöchentlich erscheinende Heft.

5. radioeins Medienmagazin PodCast
(radioeins.de, Jörg Wagner, Audio 1:39:19)
In der aktuellen Ausgabe des radioeins-Medienmagazins mit Jörg Wagner ist Medienanwalt Prof. Dr. Christian Schertz zu Besuch. In der kurzweiligen Sendung, die auch zum Download bereitsteht, geht es um die Themen: Schmähgedicht / Junge Konkurrenz für “heute Show” und “Extra 3” / rbb intern: Ist Autorisierung = Zensur? / Ein Jahr im ZDF: heute+ und “#rpten: @heuteplus oder wie wir Journalisten lernen, den Shitstorm zu lieben”.

6. Wie man eine Talkshow bespricht, ohne sie gucken zu müssen
(uebermedien.de, Stefan Niggemeier)
Sascha Lobo ist bei Maybrit Illner zu Besuch und Bild.de berichtet darüber. Sie ahnen, was dabei herauskommt… (Sascha Lobo hat auf Facebook eine Art einordnende Gegendarstellung veröffentlicht). Vollends aberwitzig wird es, wenn nun noch “Focus Online” und ein Autor der “Huffington Post” mit Morbus Guttenberg dazukommen, der augenscheinlich Fernsehsendungen bespricht, ohne sie gesehen zu haben. Stefan Niggemeier dröselt den Fall auf.

Rechtsausleger, Vergesslichkeit, Sakrilegebatterie

1. Wie reaktionär hätten Sie’s denn gerne?
(carta.info, Philip Sarasin)
Der Historiker Philip Sarasin von der Universität Zürich beschäftigt sich mit der traditionsreichen Schweizer Tageszeitung “NZZ”. Seine Analyse: “In letzter Zeit musste man zur Kenntnis nehmen, dass die NZZ sich kaum mehr gegen politische und intellektuelle Strömungen weit rechts im politischen Spektrum abgrenzen mag. Der Ton wird rauer, die Fronten härter. NZZ-Autor Heribert Seifert mimt derweil das liberale Mediengewissen”. Die “NZZ” müsse sich fragen lassen, ob sie zum Sprachrohr von Positionen werden wolle, die bislang als rechtsextrem galten.

2. Springer und die Türkei
(rnd-news.de, Ulrike Simon)
“Einst wollte Springer groß in den türkischen Medienmarkt einsteigen. Was ist daraus geworden? Und was hat das mit Döpfners Kampfansage gegen Erdogan und Diekmanns Engagement bei “Hürriyet” zu tun?”, fragt sich “RND”-Medienkolumnistin Ulrike Simon. Der aktuelle Quartalsbericht werfe weitere Fragen nach Springers Türkei-Strategie auf.

3. Google kämpft mit Frankreich um Privatsphäre
(faz.net, Jonas Jansen)
Die französische Datenschutzbehörde “CNIL” besteht im Rahmen des “Recht auf Vergessenwerden” darauf, dass Google monierte Suchergebnisse nicht nur in der EU, sondern weltweit löscht. Google wehrt sich mit einer Klage und argumentiert damit, dass ein Land keine Gesetze für andere Länder schaffen dürfe. Jonas Jansen von der “FAZ” berichtet über den derzeitigen Stand des Konflikts und liefert einige interessante Zahlen über die Entwicklung der Löschanfragen.

4. Journalisten, warum denkt Ihr nicht an Eure Nutzer?
(vocer.org, Lina Timm)
Die Meinungen gehen auseinander, was Journalisten können müssen. Die einen sehen den Journalisten ausschließlich als “Vertreter der schreibenden Zunft”. Andere erwarten den medialen Tausendsassa, der nicht nur schreiben, sondern auch programmieren, filmen und schneiden kann. Lina Timm macht sich Gedanken über das wandelnde Berufsbild und plädiert für Offenheit gegenüber den Möglichkeiten der Technik. Aber nicht um jeden Preis: “Technologie umarmen, statt vor ihr wegzulaufen. Dafür muss jetzt kein Journalist coden lernen. Das ist völliger Quatsch, dann müsste ja auch jeder Coder, der im Newsroom arbeitet, lernen, Geschichten zu erzählen. Aber wir müssen uns verständigen können.”

5. Darf man investigativen Journalismus kritisieren oder ist das ein Sakrileg?
(wolfgangmichal.de)
Wolfgang Michal stellt die rhetorische Frage, ob es nicht mehr erlaubt sei, investigativen Journalismus zu kritisieren. Anlass sind ihm die sogenannten “Panama Papers”. Kollegen, die es wagen, die Fleißarbeit der SZ und die, wie er findet, pompöse Inszenierung des eingesandten Materials etwas tiefer zu hängen, würden ausgegrenzt oder zu Feinden erklärt werden. Michal macht bei der Kritik an der Art und Weise des Umgangs mit den Panama Papers vier zentrale Punkte auf. Sie betreffen die Quelle, das Material, die Auswertung und das internationale Journalisten-Konsortium.

6. Dieses ganze spannende Leben auf DIN A5
(uebermedien.de, Peter Breuer)
Werbetexter und geistreiches Vorbild ganzer Twitter-Generationen Peter Breuer geht für “Übermedien” gelegentlich zum Bahnhofskiosk und zieht irgendeine beliebige Zeitschrift aus dem Regal. Als Besprechungsobjekt! Seine Rezension von “Reportagen” ist jetzt auch für Nicht-Abonnenten frei lesbar. PS: Breuer ist sehr angetan von dem Magazin mit den langen Lesestücken.

Pressekammer, Symbolbild, Lachflash

1. Die Mär vom großen Treck zum LG Hamburg und andere Mythen
(hoechkadelbach.de, Dominik Höch)
Der Pressekammer des Landgericht Hamburgs haftet der Ruf an, pressefeindlich zu sein und oftmals von der Meinungsfreiheit gedeckte Äußerungen zu verfolgen. Auch der bekannte Lawblogger Udo Vetter argumentiert in diese Richtung. Rechtsanwalt Dominik Höch hält dies für eine “Mär”. Es ginge dabei u.a. um Spezialisierung. Außerdem sei das Landgericht Hamburg in Pressesachen keineswegs eine „sichere Bank“, wie es der Mythos vielfach behaupte.

2. Facebook: Die politische Macht des Tech-Giganten
(infosperber.ch)
Daniela Gschweng hat Berichte in der “New York Times” und des “Guardian” zum Anlass genommen, über die politische Macht von Facebook nachzudenken. Sie greift dabei die Frage nach der “maschinellen Intelligenz” auf und fragt nach der Objektivität von Algorithmen. Kein anderes Medium hätte so viel politischen Einfluss wie das weltgrößte soziale Netzwerk. Etablierte Medien könne man gut beobachten, indem man die Inhalte erfasse und auswerte. Dies gestalte sich bei Facebook schlicht als unmöglich.

3. Brief an die taz: Was Vattenfall unterlassen sollte
(blogs.taz.de, Martin Kaul)
Malte Kreutzfeldt ist Parlamentskorrespondent der “taz” und Experte für alle Themen rund um Energie. Letztes Jahr hat er beispielsweise die Erstürmung des RWE-Tagebaus in Garzweiler kritisch kommentiert. Dieses Jahr wollte sich der Journalist ein Bild von den Tagebaublockaden in der Lausitz machen. Nach einer höflichen Anfrage bei Betreiber Vattenfall meldete sich nicht etwa die Pressestelle, sondern der Rechtsanwalt des Energieriesen: Kreutzfeld solle flugs eine Unterlassungserklärung abgeben…

4. ZDF distanziert sich von Symbolbild zu Paragraf 175-Opfern, will (oder kann) aber nicht sagen, warum
(nollendorfblog.de, Johannes Kram)
Ausgerechnet in einem Beitrag über die Diskriminierung homosexueller Männer verwendet das ZDF ein Symbolfoto, das Anlass zu Fragen aufwirft. Auch Nollendorfblogger Johannes Kram stellt sich diese Fragen und schreibt das ZDF an. Der Sender antwortet mit einer Entschuldigung. Warum ihm die Antwort nicht reicht und sogar weitere Fragen aufwirft, begründet Kram auf seinem Blog.

5. Unter Generalverdacht
(ostpol.de, Jutta Sommerbauer)
“n-ost” ist eine Nachrichtenagentur für Osteuropa-Inhalte, in der sich Journalisten aus Ost und West zusammengeschlossen haben. Die n-ost-Korrespondentin Jutta Sommerbauer recherchierte mehrmals in den umkämpften Separatistengebieten in der Ostukraine und fand sich nun auf der „Mirotworez“-Liste wieder. Ukrainische Hacker hatten in der letzten Woche Tausende Namen von Journalisten veröffentlicht, die sich in der von Separatisten kontrollierten “Donezker Volksrepublik” akkreditiert hatten und sie unter Generalverdacht gestellt, mit den Separatisten gemeinsame Sache zu machen. Die Liste ist mittlerweile wieder vom Netz, dennoch ist die Sache für sie nicht ausgestanden, wie Sommerbauer in ihrem Gastbeitrag schreibt.

6. So kam es zum Lachanfall des MDR-Sprechers
(tagesspiegel.de, Robert Klages)
Der Moderator des “MDR Thüringen Journals” bekam beim Verlesen einer etwas skurrilen Meldung einen Lachanfall. Das Video mit dem sympathischen und ansteckenden Gekichere wurde seit gestern unzählige Mal geklickt und weitergereicht. Der “Tagesspiegel” erklärt, wie es zum Lach-Flash kam.

Berufsbild, Druckstellen, Beigeschmack

1. Der neue „Unternehmensjournalismus“ oder: Die Umdeutung eines Berufsbildes
(get.torial.com, Lutz Frühbrodt)
Die Vermischung von Werbung und Marketig und Journalismus geht in die nächste Runde. Nun wollen die sogenannten “Content Marketer” als reinrassige Journalisten angesehen werden. Mit schwerwiegenden Folgen für den Journalismus insgesamt, wie Lutz Frühboldt schreibt: “Er würde in erster Linie nur noch über seine äußere Hülle und sein Handwerkszeug definiert und nicht mehr über seine Funktionen, nämlich Kritik und Kontrolle. Die Folgen für die Meinungsbildung werden nicht ausbleiben: Es drängt mehr interessengeleitete Information in den öffentlichen Raum, Aufklärung und Einordnung geraten dagegen ins Hintertreffen.”

2. Wenn Algorithmen Journalismus machen
(de.ejo-online.eu, Andreas Graefe & Mario Haim)
Der automatisierte Journalismus bleibt ein umstrittenes Thema. Einerseits funktioniert er in bestimmten Ressorts wie Sport und Finanzen gut und bietet den Medienhäusern wirtschaftliche Vorteile, andererseits wollen die Leser laut Umfragen lieber von Menschen geschriebene Texte. Die Autoren des Beitrags berichten über die sachlichen und emotionalen Aspekte der Technologie. Außerdem haben sie ein Forschungsvorhaben angeschoben, das anhand eines Beispiels herausfinden will, wie automatisierte Nachrichten beim Leser ankommen.

3. Druckstelle
(Frank Nienhuysen, sueddeutsche.de)
Die “RBK”-Mediengruppe wurde bislang als eine der wenigen kritischen, unabhängigen Stimmen Russlands genannt. Nun wurde die Chefredaktion entlassen mit einer schwammigen Begründung (“unterschiedliche Meinungen über Fragen der Entwicklung”). Viele sehen darin den Versuch des Kremls, Druck auf das unbequeme Blatt und den Eigentümer der Medienholding auszuüben.

4. Finnland droht Journalisten
(Reinhard Wolff, taz.de)
Finnland rangiert auf der aktuellen Pressefreiheits-Rangliste von “Reporter ohne Grenzen” auf Platz eins. Ausgerechnet dort wird derzeit Druck auf Journalisten ausgeübt: Die finnischen Finanzbehörden bestehen auf Herausgabe der sogenannten “Panama Papers”, was von Journalistenseite mit Hinweis auf den Quellenschutz verweigert wird. Die Behörden drohen daraufhin mit Polizei, Hausdurchsuchungen und Beschlagnahmungen.

5. Eine Versöhnung mit Beigeschmack
(faz.net)
Megyn Kelly gilt als eine der smartesten und schärfsten politischen Journalistinnen Amerikas, die mit ihrer Sendung auf Fox News für Furore sorgte und sogar Donald Trump Angst machte. Dieser hatte als Reaktion für Kellys inhaltliche Konfrontationen und direkte Fragen einen Monate anhaltenden Kleinkrieg gegen die Moderatorin angezettelt und sie mit allerlei hässlichen Beleidigungen bedacht. Der Fox-News Chef hat die Moderatorin zur öffentlichen Versöhnung beordert. Einer Versöhnung mit Beigeschmack…

6. Radio Gaga: Der beste Mix auf den dümmsten Wellen
(dwdl.de, Hans Hoff)
Hans Hoff redet sich den Frust über das heutige Radio von der Seele: “Heute ist Radio gaga. Endgültig. Es ist vorbei, das Medium liegt im Sterben. Und das beste Zeichen fürs Siechtum ist, wenn jemand „Der beste Mix“ sagt. Dann kann man sehr sicher davon ausgehen, dass jene, die da am Mikrofon stehen, ihre Hörer für dümmer als Brot halten.”

In eigener Sache

Aus gesundheitlichen Gründen werden wir in den nächsten Wochen leider nicht wie gewohnt bloggen können. Darum bitten wir um ein wenig Geduld – wir bemühen uns, schnell wieder auf die Beine zu kommen.

“6 vor 9” wird aber weiterhin jeden (Werktags-)Morgen erscheinen.

Krawalljournalismus, Klimawechsel, Kremlnews

1. Hetzer, Idioten und Dumpfbacken
(nzz.ch, Heribert Seifert)
Kommunikative Rüpelei hat längst ihren Platz in den traditionellen Medien gefunden, findet Heribert Seifert. Dem Wutbürger im Internet trete in manchen Leitmedien ein Wutjournalismus gegenüber, der Schimpfen, Weghören und Kommunikationsverweigerung zu Tugenden erklärt. Seifert listet einige Fälle auf, bei denen etablierte Medien seiner Meinung nach unangemessen berichten und mit “Kampfvokabeln” operieren würden: “Es herrscht die Stimmung eines Kulturkriegs, der wenig Raum für vernünftige politische Debatte kennt.”

2. Wie der “Guardian” zum Anwalt der Klimabewegung wurde
(tagesspiegel.de, Dagmar Dehmer)
Der britische „Guardian“ betreibt seit März 2015 eine Klimakampagne und hat damit zwei seiner eigenen Geldgeber unter Druck gesetzt. Die beiden größten Gesundheitsstiftungen der Welt, die Gates-Stiftung und der Wellcome-Trust, würden nämlich nicht nur die Berichterstattung des Medienhauses zu Entwicklungsthemen mitfinanzieren, sondern seien Investoren bei Firmen der Kohle-, Öl- und Gasindustrie. Nach anfänglichem Widerstand hätte sich die Bill- und Melinda-Gates-Stiftung nun leise von umfangreichen Investitionen in der Ölindustrie verabschiedet.

3. Ex-Mann, Ausländer, Okkultisten: Wer alles verdächtigt wurde
(derbund.ch, Thomas Knellwolf)
In den Monaten zwischen dem Familienmord im schweizerischen Rupperswil und seiner Aufklärung ergingen sich Medien, Experten und Politiker in wilden Spekulationen über den Täter. Man hätte sich regelrecht mit Mutmaßungen überboten und wenig Rücksicht auf die Angehörigen der Opfer genommen, so der “Bund”. Selbst Kriminalisten hätten sich an dem Geunke und Geraune beteiligt. Lesenswert dazu auch der persönliche Beitrag Rambojournalisten in Town, der mit dem Schweizer Boulevardjournalismus hart ins Gericht geht.

4. Unverhohlene Drohung: NPD-nahe Seite stellt Fotos und Namen von Journalisten online
(endstation-rechts.de, Oliver Cruzcampo)
Nach NPD-Demos in Schwerin und Demmin wurden laut “Endstation Rechts” von einer NPD-nahen Facebook-Seite Fotos der anwesenden Journalisten und deren Namen veröffentlicht. Nur kurz zuvor hätte Fraktionschef Udo Pastörs in seiner Rede von „Journaille-Schmierern“ und „Schweinejournalismus“ gesprochen. Dies zeige Wirkung: “Immer weniger Journalisten sind bereit, von solchen Auftritten zu berichten”, so ein Mitarbeiter eines Beratungsvereins für Betroffene rechter Gewalt.

5. Reality statt Life
(Jarina Kajafa, taz.de)
Letzte Woche machte das Bild die Runde, mit dem die russische Botschaft eine Militärmeldung illustrierte und das sich als Screenshot aus dem Spiel „Command & Conquer” entpuppte. Im Mai blühe die russische Lügenindustrie anscheinend besonders prächtig, findet Jarina Kajafa von der “taz”: Belege und Veteranen würden gefakt, Statisten für die Paraden gekauft und Meldungen verzerrt.

6. Rechte Talkshowgäste: Wie Pyromanen in der Streichholzfabrik
(spiegel.de, Georg Diez)
“Die Talkshows im öffentlich-rechtlichen Fernsehen befördern den gesellschaftlichen Rechtsrutsch”, lautet die Kernbotschaft von “Spiegel”-Kolumnist Georg Diez. Es sei Zeit für eine neue Diskurs-Republik: “Die deutsche Talkshow-Republik ist, wie die reale auch, dem Proporz und dem Konsens verpflichtet – aber dieses Modell ist in Lähmung erstarrt und vor allem an seiner eigenen Existenz und an seinem eigenen Überleben interessiert.”

Facebook-Auswahl, “Stern”-Wehmut, Journalisten-Marken

1. Facebook news selection is in hands of editors not algorithms, documents show
(theguardian.com, Sam Thielman, englisch)
Anfang der Woche veröffentliche “Gizmodo” eine Recherche, die Facebook vorwarf, bei der Auswahl der “Trending Topics” bewusst konservative Quellen zu unterdrücken. Das Dementi folgte umgehend, doch die Diskussion riss seitdem nicht ab. Kluge Journalisten schrieben kluge Essays über die gesellschaftliche und journalistische Verantwortung des Sozialen Netzwerks, in der Sache stand aber weiter die Aussage von Facebook gegen die Aussage von ehemaligen Angestellten. Jetzt hat der “Guardian” Dokumente geleakt, die erstmals einen Einblick in die Blackbox Facebook geben und zeigen, nach welche Kriterien dort Nachrichten gewichtet werden. Die prompte Reaktion von Facebook kann man wiederum bei “The Next Web” nachlesen.

2. Werberat kritisiert Missbrauch der Flüchtlingsdebatte sowie Seximus
(horizont.net, Jessica Becker)
Als Bundesjustizminister Heiko Maas sagte, er wolle sexistische Werbung verbieten lassen, war der Aufschrei groß. Die Rügen des deutschen Werberats — genauer gesagt: die gerügten Objekte — zeigen, warum das vielleicht doch eine ganz gute Idee sein könnte. Ungewöhnlich: Neben drei Motiven, die Frauen auf ihre Sexualität reduzieren, traf es auch ein Unternehmen wegen “männerherabwürdigender” Werbung.

3. “Stern”: Abschied mit Wehmut
(rnd-news.de, Ulrike Simon)
Das Berliner Büro des “Stern” zieht um: Raus aus dem Spreepalais mit Dachterrasse, rein in ein neues Gebäude in der Friedrichstraße. Ulrike Simon besucht die Abschiedsfeier — und sieht ein Ereignis mit Symbolcharakter: “Der Umzug ist nicht nur ein Umzug. Er ist das äußere Zeichen für das, was die ‘Stern’-Leute innerlich umtreibt. Es ist der Bedeutungsverlust, sowohl der des Magazins als auch der eigene, und es ist die Befürchtung, dass das mit den Anzeigen und der Auflage nicht besser wird, dass das immer so weitergeht.”

4. Meinungsbildung: Fernsehen vorne, Internet holt auf
(dwdl.de, Alexander Krei)
Das Fernsehen deutlich vor dem Internet, der Zeitung und dem Radio, Zeitschriften unter ferner liefen. In dieser Reihenfolge tragen Medien zur Meinungsbildung der Deutschen bei. Das behauptet jedenfalls eine Studie der Landesmedienanstalten. Während die Bedeutung von Printmedien stetig abnimmt, bleibt den Verlagen zumindest ein kleiner Trost: “Bezogen auf die Gesamtbevölkerung liegen Web-Angebote von Zeitungen auf dem ersten Platz der informierenden Mediennutzung im Internet, gefolgt von E-Mail-Portalen (12,8 Prozent) und Web-Angeboten von Zeitschriften (11,8 Prozent). Sie alle landen noch vor Facebook, das auf 10,8 Prozent kommt.”

5. Zukunft der Journalistenausbildung: Lernen, wie der Markt tickt
(vocer.org, Julian Heck)
“Journalisten müssen zur Marke werden.” Es soll Journalisten geben, die bei diesem Satz nur noch genervt mit den Augen rollen. Julian Heck gehört offensichtlich nicht dazu — und erklärt, warum Berufsanfängern seiner Meinung nach nicht nur journalistisches Handwerk, sondern auch Unternehmertum vermittelt werden sollte.

6. Du wirst nicht glauben, wie einfach Clickbaitern das Handwerk gelegt werden kann
(jetzt.de)
Zugegeben: Die Idee ist nicht neu, Twitter-Accounts wie @SavedYouAClick machen sich seit langem über reißerische Teaser lustig und fassen den großspurig angekündigten Inhalt mit wenigen Worten zusammen. Trotzdem ist es eine gute Nachricht, dass mit “Stop Clickbait” jetzt auch eine Facebook-Seite zeigt, wie armselig und absurd das Prinzip von “Heftig” und Co. ist. Vielleicht gibt das zumindest ein paar vermeintlich seriösen Medien zu denken, ob ein bisschen weniger Aufgeregtheit nicht manchmal mehr wäre.

Reporternamen, Rundfunkbeitrag, Zwergrauhaardackel

1. Journalisten kritisieren Reporter-Datenleak
(dw.com, Roman Goncharenko)
Eine pro-ukrainische Internetseite hat eine Liste mit den Namen von mehr als 4000 Journalisten veröffentlicht, die bei den pro-russischen Separatisten im Osten des Landes akkreditiert sind. Darunter sind Namen, Telefonnummern und E-Mail-Adressen von in- und ausländischen Journalisten, auch etliche deutsche Reporter sind betroffen. Anscheinend wurden im Zuge des Leaks bereits Journalisten bedroht. Die “Reporter ohne Grenzen” bezeichnen die Veröffentlich als “nicht nur entsetzlich, sondern auch gefährlich”.

2. Datenjournalismus mit Satellitenbildern
(digitalerwandel.de, Julius Tröger)
Julius Tröger leitet das Interaktiv-Teams der “Berliner Morgenpost”, eine der innovativsten deutschen Datenjournalismus-Abteilungen. In diesem Werkstattbericht erklärt er, wie das jüngste Projekt “Das sind Deutschlands grünste Städte” mit Hilfe von Satellitenbildern entstanden ist.

3. Internet Video Views Is A 100 Percent Bullshit Metric
(gawker.com, Kevin Draper, englisch)
Der Titel spricht bei diesem Text für sich: Kevin Draper erklärt, warum es Quatsch ist, die Video-Views von Facebook Live mit den Quoten von linearem Fernsehen zu vergleichen: “If BuzzFeed’s watermelon video had been measured the way a TV show is, its viewership would’ve been closer to zero than the 807,000 it trumpeted to advertisers.”

4. Baumerts Kampf gegen den Rundfunkbeitrag
(ndr.de, Sinje Stadtlich)
Es gibt Menschen, die den Rundfunkbeitrag doof finden. Es gibt Menschen, die ihn nur unter Protest und nach mehrfachen Warnungen bezahlen. Und es gibt Sieglinde Baumert. Sie hat hartnäckig “alle Bescheide und Warnungen ignoriert, bis sie am 4. Februar an ihrem Arbeitsplatz verhaftet wurde. Zwei Monate hat sie im Gefängnis gesessen, in der JVA Chemnitz.” Sinje Stadtlich stellt für “Zapp” die “Ikone der Gebührengegner” vor.

5. We know people read news on their phones. But from what sources?
(niemanlab.org, Shan Wang, englisch)
“Mobile” ist seit ein paar Jahren eines der beliebtesten Buzzwörter unter Journalisten. Immer mehr Menschen konsumieren Nachrichten — aber auch längere Texte und Videos — auf dem Smartphone. Die “Knight Foundation” hat das Leseverhalten dieser Nutzer untersucht und einen ausführlichen, dreiteiligen Report veröffentlicht. Shan Wang fasst die zentralen Ergebnisse kompakt zusammen.

6. Ein Sender für alle Felle
(uebermedien.de, Boris Rosenkranz)
Der SWR bringt in einem Regionalmagazin einen Dreieinhalbminüter über einen entlaufenen Zwergrauhaardackel. Boris Rosenkranz wundert sich — aber nur kurz, denn schnell stellt er fest, “dass die SWR-Landesschau Rheinland-Pfalz eine Art Tiermagazin ist”.

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