Suchergebnisse für ‘wagner’

Irgendwie malle

Mallorca ist eine der schönsten Mittelmeer-Inseln und “Bild” manchmal sehr genau.

Im Juli beispielsweise hatte “Bild” ausführlich über Boris Becker und “seine Elena” berichtet. “Bild” wusste alles, naja: fast alles über seine “Mallorca-Bekanntschaft”: Mit was für einem Autotyp welcher Farbe Becker mit ihr über die Mittelmeer-Insel fuhr und so weiter. Und als “die süße Russin” Mallorca verlassen hatte, war “Bild” ihr auf den Fersen, wusste in welchem Stadtteil welcher Stadt sie wohnt, wer im selben Haus einen Tiefgaragenplatz hat und was genau auf ihrem Klingelschild steht. Und anschließend wussten all das auch Millionen “Bild”-Leser.

Wenn allerdings nicht Boris Becker, sondern Oskar Lafontaine Urlaub macht und damit in die Schlagzeilen gerät, verschweigt “Bild” urplötzlich (und anders als die “Die Welt”, die “Berliner Morgenpost”, das “Hamburger Abendblatt” und viele, viele andere Medien) den Namen des Urlaubsortes und schreibt stattdessen merkwürdigerweise nur verschämt von “einer der schönsten Mittelmeer-Inseln”, “einer Mittelmeerinsel” und “Mittelmeer-Finca”.

Aber Boris Becker ist ja auch kein ehemaliger “Bild”-Kolumnist.
 
Nachtrag, 27.8.2005:
Sorry, wir müssen uns korrigieren. Aber ja: Denn Boris Becker gehört doch, wie Lafontaine, zur Riege ehemaliger “Bild”-Kolumnisten. Nach seinem ersten Wimbledon-Sieg nämlich hatte ihn “Bild” vier Jahre lang als Kolumnisten (angeblich für eine Jahresgage von rund einer Million Mark) verpflichtet gehabt. “Als Gegenleistung mußte der Gast-Autor etwa 20mal im Jahr Intimes aus seinem Leben zu Papier bringen lassen”, schrieb jedenfalls der “Spiegel” im Jahr 1989. Da war nämlich Schluss mit Beckers Kolumnistentätigkeit. Unklar ist, ob Becker “Bild” oder “Bild” Becker den Vertrag kündigte. Fest steht nur, dass die Zusammenarbeit vorzeitig endete, nachdem Becker in einem Interview mit der Zeitschrift “Sports” über “Bild” gesagt hatte:

“Ich konnte mich mit der Art und Weise, wie die Geschichten erfinden und auch mit den Methoden, wie sie arbeiten, nicht identifizieren.”

Mit Dank an Lorenz L. fürs vage, aber gute Erinnerungsvermögen.

Realisiertes dummes Zeug

Im Juli 2004 schrieb “Bild”-Kolumnist Franz Josef Wagner:

Lieber Jan Ullrich,
warum kriegen immer Sie einen Schnupfen und Lance Armstrong nie? Sie wissen es nicht? Aber ich weiß es. Ihr Unterbewusstsein nimmt sich einen Schnupfen. Vorsichtshalber. Ihr Unterbewusstsein mag Sie nämlich mehr, als Sie glauben. (…) Ihr Unterbewusstsein hat längst realisiert, dass das Radfahren mit Armstrong das Drama des Vergeblichen ist. (…)”

Ungefähr ein Jahr später, also gestern, schrieb Wagner:

Lieber Jan Ullrich,
vor einem Jahr war es ein Schnupfen, der Sie entkräftete, und jetzt ist es die Heckscheibe, durch die Sie kopfüber knallten. Warum passiert Ihnen immer was und Lance Armstrong nie? (…) Ich will’s Ihnen sagen. Der unfaire Gegner sind Sie selbst bzw. Ihr Unterbewußtsein. Ihr Unterbewußtsein hat längst realisiert, daß Sie Lance Armstrong nie besiegen werden. (…)”

Beendet hat Wagner seine gestrige “Bild”-Kolumne mit den Worten:

“Selbstverständlich wird Jan Ullrich sagen, daß all das, was ich hier geschrieben habe, dummes Zeug ist (…)”

Und wir merken uns: Dummes Zeug wird nicht weniger dumm, wenn es ein zweites Mal in der “Bild”-Zeitung steht.

Mit herzlichem Dank an Hanno S. für den Hinweis.

  

Wer ist Hauke Brost?

Jeder kennt Franz-Josef Wagner. Viele wundern sich über die Texte von Norbert Körzdörfer. Zu unrecht vernachlässigt wird allzu oft der “Bild”-Kolumnist und frühere “Teuro-Sheriff” Hauke Brost. Mit ihm beginnen wir eine lose Reihe über die Autoren der “Bild”-Zeitung.
 
Von BILD-Autor Hauke BrostHauke Brost (56) ist ein wichtiger Mann bei “Bild”. Früher war er Chef von “Bild Hamburg”, wo er heute noch täglich eine Kolummne schreibt. 2001 machte ihn Kai Diekmann zum Textchef, um — wie der “Tagesspiegel” damals schrieb — “sprachliche Mängel” zu beseitigen, die der Chefredakteur in “Bild” beklage.

An sich eine schöne Idee. Machen wir also aus aktuellem Anlass eine Reise in die Welt von Hauke Brost.

Männer haben zwei Wahrheiten. Die eine sagen sie am Frühstückstisch. Die andere spüren sie, wenn sie die Hand in die Hosentasche stecken.

Wenn Hauke Brost sein Geschlechtsteil fühlt, spürt er eine von zwei Wahrheiten. Das mag zunächst verblüffend klingen, erklärt aber viel. Zum Beispiel einen Bild.de-Artikel vom Mai 2004, in dem es eigentlich nur um die Vorteile des Grillens mit Holzkohle gehen soll. Brost beginnt ihn mit folgenden Worten:

Grillen ist wie guter Sex. Es muss knistern, es muss riechen, es muss spritzen.

Cover "Kopf hoch, Männer"Es erklärt auch, warum Brost kein Verständnis hat für Frauen, die darüber klagen, dass ihre Männer fremdgehen. Hauke Brost, Autor des Standardwerkes “Kopf hoch, Männer. Ein Scheidungsbrevier nur für ihn” (darin u.a.: “Wie drückt man sich vor Unterhalt?”), dessen Ehen nach eigenem Bekunden “bisher ein begrenztes Haltbarkeitsdatum hatten”, fährt dann zu großer Form auf, wenn eine prominente Ehe scheitert. Uschi Glas zum Beispiel regte Brost im Februar 2002 zu dem Hosentaschen-Zitat oben an. Und als Roberto Blanco im Oktober 2004 als Ehebrecher dastand, schrieb Brost in “Bild” eine flammende Verteidigungsschrift:

Roberto Blanco ist ein ganz normal empfindender Mann so wie du und ich. Er liebt Wein, Weib, Gesang. Er sagt nicht nein, wenn man ihm Gratis-Schampus einschenkt oder wenn so eine blutjunge Hupfdrossel vor ihm die Brüste blanklegt. (…) Können Sie ihm wirklich verdenken, dass er zugreift? Ich kann es nicht.

Dann wandte er sich direkt an Frau Blanco:

Wann hatten Sie eigentlich das letzte Mal Sex mit Roberto? Wann haben Sie ihm das letzte Mal gesagt, dass er ein toller Typ ist? (…) Und wie sehen Sie eigentlich morgens aus, wenn er tatsächlich mal wieder neben Ihnen aufwachen würde?

(Wie Hauke Brost aussieht, nicht nur morgens, können Sie übrigens auf seiner Homepage sehen.)

Im November 2003 zitiert ihn der Südwestrundfunk mit dem Satz: “Bei der BILD gibt es keine Frauen in Führungspositionen”, was scheinbar gegen “Bild” spricht, tatsächlich aber nur gegen Brost. Denn es gibt bei “Bild” eine Frau in einer Führungsposition: Marion Horn, seit 1. Januar 2001 stellvertretende Chefredakteurin.

Aber zurück zu Roberto Blanco, den Brost in seinem Artikel gleich dreimal “schwarzer Mann” nennt. Immerhin empfindet der trotz seiner Hautfarbe nach Ansicht von Brost “ganz normal”. Aber nicht jeder Fremde ist so nett und berechenbar. Anlässlich des deutschen Fiaskos beim Eurovision Song Contest macht Brost heute seinem Unmut mal Luft:

Gestern noch Papst. Heute letzter Platz. Das Leben ist eine Achterbahn, nur ungerechter: Die Achterbahn fährt schließlich alle, die zahlen. Wir zahlen für alle und die geben uns 0 Points als Dank.

Was will uns diese Metapher sagen? Dass die anderen nicht selber für ihre Achterbahn zahlen? Dass wir in der Achterbahn mitfahren müssen, obwohl wir schon für die anderen gezahlt haben? Dass uns die anderen, wo wir schon für die Achterbahn gezahlt haben, hinterher nicht wenigstens eine Zuckerwatte kaufen?

Und überhaupt: Sind wir heute nicht mehr Papst?

Gestern noch Papst, heute letzter Platz, Brost glaubt:

Wir haben keine Freunde.

Das Gefühl kennt Brost. Auf seiner Homepage schreibt er:

Auch verringert sich die Zahl meiner Freunde langsam, aber stetig auf einen sehr, sehr kleinen Kreis.

Woran liegt das? Brost weiß: An ihm Deutschland liegt es nicht.

Nehmen wir mal die Polen.

Wer sich da drüben einen gebrauchten Skoda leisten kann, wo hat der denn die Kohle her? Auf deutschen Baustellen Fliesen verlegt oder in deutschen Schlachthöfen Rinder zerlegt. Dankbarkeit? Stinkefinger (0 Points von Polen).

Sind wir Deutschen nicht die Lieben? Aber ja, obwohl wir merkwürdige EU-Ressentiments haben:

Wir Deutschen sind die Lieben. Wir zahlen für alle, bald auch für Rumänien (die gaben uns übrigens auch 0 Points, na super, willkommen in Europa).

Und sein Abendessen, weiß Brost, holt der Deutsche aus reiner Großzügigkeit nicht beim Deutschen, sondern beim Türken. Und zahlt auch noch dafür!

Wir kaufen dem Türken sein Döner ab, und aus lauter Freundschaft haben wir gleich 10 Points in die Türkei geschickt, und was schallt zurück? 0 Points von der Türkei. Ey, Alda, kraß, voll der Hammer, ey.

(Wie sich “der Türke” in Hamburg, dem Brost “sein Döner” abkauft, dafür beim Grand Prix hätte revanchieren können, lässt der Autor leider offen.)

Wir Deutschen sind die Guten.

So schreibt Brost und was er danach schreibt, ist vielleicht nur eins von mehreren “gewissen satirischen Elementen”, die sein Text enthalten soll, wie Brost uns auf Anfrage mitteilte. Vielleicht enthält es aber auch nur in außergewöhnlich konzentrierter Form all das, was Brost über Ausländer, schwarze Männer und Frauen denkt:

Wir Deutschen sind die Guten. Wir lassen Heidi Klum ihren Seal heiraten (…).

Nachtrag, 25. Mai: Brost hat seine Homepage inzwischen überarbeitet. Deshalb finden sich dort zur Zeit nicht die oben zitierten Hinweise auf seinen kleinen Freundeskreis und auf sein Buch, das er dort zuvor als “fieser kleiner Macho-Scheidungsratgeber nur für ‘ihn'” bezeichnete und aus dessen Inhalt er unter anderem die Frage “Wie drückt man sich vor Unterhalt?” hervorhob.

Kritik ist Blasphemie

Die “Bild”-Zeitung hat viel mit der katholischen Kirche gemein. Beide haben einige Leichen im Keller. Bei beiden schrumpft hierzulande die Zahl der Anhänger. Beide teilen die Welt in Gut und Böse. Beide lieben das Okkulte und stehen der Aufklärung skeptisch gegenüber. Und beide pflegen eine Kultur des Gehorsams, nicht der Diskussion.

Am Montag hatte “Bild”-Chefredakteur Kai Diekmann in einem Kommentar auf Seite 1 über Johannes Paul II. geschrieben:

Ein Papst dieser Art darf, ja muß umstritten sein.

Er meinte damit natürlich nicht, dass über den Papst und seine Entscheidungen gestritten werden darf. Entscheidungen des Papstes sind nicht dazu da, Diskussionen anzuregen, sondern befolgt zu werden. Das weiß auch die “Bild”-Zeitung.

Anfang dieses Jahres hatte der Vatikan noch einmal unmissverständlich deutlich gemacht, dass die katholische Kirche Kondome als Mittel ablehnt, die Aids-Epidemie einzudämmen, an der im vergangenen Jahr weltweit über 3 Millionen Menschen starben:

“Wir akzeptieren den Gebrauch von Präservativen nicht, nicht einmal zur Lösung des Aidsproblems.”

Wer eine andere Meinung hat, ist ein Ketzer und wird von “Bild” mit unnachgiebiger Härte verfolgt. Am 22. Februar 2005 wagte es der Entertainer Jürgen von der Lippe, in einem Interview mit der Münchner “Abendzeitung” Folgendes zu sagen:

(…) was der Papst von sich gibt, streift meiner Ansicht nach den Rand der Schwerkriminalität. Ich finde es einfach schlimm, wenn man zum Beispiel Kondome sogar zur Aids-Prävention oder gar HIV-Kranken verbietet.

Am Tag darauf machte “Bild” ihn deshalb zum “Verlierer des Tages”.

Was ist denn in den gefahren? Jürgen von der Lippe (56), heute als katholischer Priester im TV („Der Heiland auf dem Eiland“), beleidigt den Heiligen Vater, der sich gegen Verhütung ausspricht. (…)

BILD meint: Wohl von Sinnen, von der Lippe!

Von der Lippes Begründung für seine Aussage nannte “Bild” nicht.

Am vergangenen Sonntag wagten es mehrere Menschen in der Talkshow “Sabine Christiansen”, Kritik an der konservativen Linie des verstorbenen Papstes zu üben. “Bild”-Kolumnist Franz-Josef Wagner nennt diese Sendung heute deshalb eine “Schande-Talkshow” und die Papst-Kritiker “böse, rechthaberische Männer”.

Da hackten die Leichenfledderer Heiner Geißler und Hans Küng, linker Theologe, dem der Papst die Lehrerlaubnis entzogen hat, auf den Toten ein.

Zölibat, Kondome, Aids. Frau Christiansen, die Karriere-Frau ohne Kinder, stellte die Frage nach der Rolle der Frau. (…)

Ihre Talkshow, Frau Christiansen, war das Dümmste, was ich jemals sah. Sie verkürzen die Frage des Glaubens nach Karriere und Spaß im Bett. Gott verzeiht, ich nicht.

Eine andere Frage ist es, warum die ARD Ihnen erlaubt hat, auf den Papst zu spucken. Wann waren Sie das letzte Mal in der Kirche, Frau Christiansen?

Natürlich ist der Papst nicht die einzige Autorität, an der sich Kritik grundsätzlich verbietet. Da ist auch noch “Bild”-Kolumnist Franz Beckenbauer, den das Blatt im Jahr 2000, nachdem er die WM nach Deutschlang holte, fast ganzseitig als Denkmal zeigte, mit der Inschrift:

“Dem deutschen Fußballkaiser Franz Beckenbauer zu Dank und ewiger Erinnerung.”

Am vergangenen Wochenende wagte es der Grünen-Politiker Daniel Cohn-Bendit, sich gegen Franz Beckenbauer als Uefa-Präsidenten äußern. Entsprechend diskussionslos ist Cohn-Bendit heute “Verlierer des Tages” in “Bild”.

(Alle Hervorhebungen von uns.)

Nachtrag, 20.45 Uhr. … und der evangelische Bischof Wolfgang Huber ist für “Bild” “Gewinner des Tages”, weil er bei “Christiansen” die “plumpe Papst-Kritik” der anderen Talkshow-Teilnehmer angriff.

Danke an Stefan E. für den Hinweis.

Der Tsunami und die Grünen

Wer ist schuld am Tsunami und den hunderttausendfachen Tod und Elend, das er brachte? Die Grünen. Weil sie so tun, als könnte man durch Mülltrennung und Gutsein die Welt retten. Kann man aber gar nicht.

Was? Sie meinen, nur ein Idiot könne so argumentieren? “Bild”-Kolumnist Franz-Josef Wagner kann es. Seine “Post von Wagner” adressiert er heute an die “lieben Ökos” und “Herrn Trittin und Frau Roth persönlich” und stellt Ihnen unter anderem diese Fragen:

Sind Sie sicher, daß Ihre Initiativen im Kosmos wohlwollend aufgenommen werden? Mit wem verhandeln Sie da drüben, daß – klatsch – plötzlich 150 000 Menschen sterben? Es zeigt sich also, daß Sie als Grüne nichts zu sagen haben.

Wagners Logik geht so: Wenn wir schon keine Naturkatastrophen verhindern können, sollten wir wenigstens auch nicht versuchen, von Menschen verursachte Katastrophen zu verhindern. Oder anders gesagt: Lasst uns wenigstens nicht das bisschen Zeit, bis die nächste Welle über uns selbst hinwegschwappt, mit Mülltrennen vergeuden.

Oder noch anders gesagt: Für den Kolumnisten der “Bild”-Zeitung ist auch so eine Katastrophe ein guter Anlass, sich mit dem politischen Gegner, den Grünen, anzulegen.

Mon cher ami

Franz-Josef Wagner schreibt heute einen Brief an Klaus Wowereit, und wir müssen ein bisschen ausholen.

Der Regierende Bürgermeister von Berlin musste sich nämlich gestern im Abgeordnetenhaus dafür rechtfertigen, dass er bei einer öffentlichen Veranstaltung Désirée Nick geküsst hat. Einige Fotos von diesem Moment machten in Berlin und in “Bild” Schlagzeilen. Nachdem ein CDU-Abgeordneter gefragt hatte, ob das mit der Würde seines Amtes vereinbar sein, rechtfertigte sich Wowereit ausführlich.

Franz-Josef Wagner fühlte sich bei dieser Rede an die Sätze von Willy Brandt und Richard von Weizsäcker im Abgeordnetenhaus erinnert, bzw.: nicht erinnert. Denn die hätten die Freiheit verteidigt, Wowereit aber sein “Fundi-Schwulsein”.

Unter “Fundi-Schwulsein” versteht Wagner dem Anschein nach das, was gemeinhin “Homosexualität” genannt wird: Männer, die nicht schwach werden, wenn plötzlich, sagen wir, Paris Hilton vor ihnen steht. Das ist ein bisschen unflexibel, aber das gibt es. “Fundi” ist natürlich alles andere als ein positiv besetzter Begriff in der Welt von “Bild”.

Wagner weiter:

Sie verwahrten sich gegen Unterstellungen, Désirée Nick habe Sie umgedreht.

Das ist typisch, riefen Sie in den Plenarsaal, da ist ein schwuler Mann und eine schöne Frau (na, na, der Kolumnist) und schon heißt es “umgedreht”. Das sei wie bei Frau Schavan, die als lesbisch diskriminiert wird. Es sei gegen die Menschenwürde, ereiferten Sie sich.

Mon cher ami, ist es wirklich so schrecklich, in den Verdacht zu geraten, nicht 150prozentig schwul zu sein?

“Nein”, rufen natürlich an dieser Stelle die “Bild”-Leser im Chor, die nicht aufgepasst haben. Denn darum ging es Wowereit nicht. Als diskriminierend bezeichnete er die Annahme, dass man Schwule nur mit einer schönen Frau konfrontieren müsse, und schon könne man sie ändern.

Das ist genau, was “Bild” mit seiner Titel-Schlagzeile getan hat, und das ist in der Tat diskriminierend. Es ist auch mehr als nur ein lustiger Boulevardzeitungswitz, wie man zum Beispiel hier nachlesen kann.

Wagner suggeriert weiter, Wowereit hätte sich mit dem Thema in die Öffentlichkeit gedrängt, anstatt wichtigere Dinge zu verhandeln. Jedenfalls ist zu vermuten, dass er das suggerieren will, wenn er diese Sätze hintereinander schreibt:

Mon cher ami, ist es wirklich so schrecklich, in den Verdacht zu geraten, nicht 150prozentig schwul zu sein? Ist es nicht viel schrecklicher, daß 40 Prozent unserer Berliner Türken arbeitslos sind. Die Quote der türkischen Sozialhilfeempfänger ist dreimal so hoch. Ist es nicht schrecklich, daß ein Türke, der Deutsch lernen will, in Berliner Volkshochschulen abgelehnt wird – kein Geld, keine Lehrer.

Nach Darstellung verschiedener Medien hat Wowereit wohl tatsächlich sehr, sehr lange zu dem Thema geredet. Tatsache ist aber auch, dass Wowereit das Foto und das Thema nicht groß in die Öffentlichkeit gebracht hat (das war “Bild”) und dass er es auch nicht auf die Tagesordnung im Berliner Abgeordnetenhaus gesetzt hat (das machte die Opposition durch ihre Frage danach).

O-Ton Wagner:

Die Würde der Schwulen geht mir langsam auf den Keks – und Ihr Markenzeichen schwul auch. Schwulsein ist nicht besser.

Noch einmal zum Mitdenken: “Bild” stellt ein Foto vom knutschenden Wowereit auf die Titelseite und bringt es in absurder Weise in Verbindung mit seinem Schwulsein. Und wenn Wowereit sich darüber beschwert, schreibt “Bild”, er soll doch aufhören, dauernd sein Schwulsein in den Vordergrund zu stellen.

Den Satz “Die Würde der Schwulen geht mir langsam auf den Keks” muss man sich merken. Das ist ungefähr so, als würde sich ein Schläger darüber beklagen, dass die Schreie seiner Opfer immer so einen ruhestörenden Lärm verursachen.

Der Moslem an sich

Dies gleich vorne weg: Wir wollen hier gar nicht versuchen, herauszubekommen, ob diese Fotomontage, die “Bild” gestern ziemlich groß auf Seite zwei abdruckte, einer Horrorvision oder einer Wunschvorstellung von “Bild” entsprungen ist:

Denn darunter stand bloß dieser Satz:

Betende Moslems, dahinter der Reichstag: Diese Fotomontage symbolisiert das Problem der unterschiedlichen Kulturen in Deutschland

Abgedruckt hatte “Bild” die seltsame Montage jedenfalls, weil Umweltminister Jürgen Trittin angeblich einen “Moslem-Feiertag” forderte, was “Bild” zu folgender Titelschlagzeile veranlasste:

Beim Barte des Propheten. Schickt Trittin in die Wüste! Grünen-Minister will Moslem-Feiertag

Dass Trittin gar keinen Moslem-Feiertag will, sondern der “Welt” nur gesagt hatte, er sei “offen für einen islamischen Feiertag in Deutschland”, dass also die “Bild”-Zeitung gestern etwas behauptet hatte, das nicht stimmte, kann man hier und sogar in der heutigen “Bild” nachlesen.

Aber nachdem das geklärt ist, muss man sich die Art und Weise, wie “Bild” die sinnentstellende Schlagzeile aufbereitete, doch noch einmal genauer ansehen: Da wurde Trittin von “Bild” mit Bart und Turban abgebildet, bzw. heute noch einmal mit “islamischer Kopfbedeckung”, obwohl er selbst bekennender Atheist ist und andererseits viele Muslime durchaus ganz ohne Turban und Bart durch die Welt laufen. “Bild”-Kolumnist Franz Josef Wagner wiederum hat noch ganz andere Klischees im Kopf und denkt beim Moslem erst mal an Kamele, obwohl es doch beispielsweise in Indonesien zwar 180 Millionen Muslime gibt, aber wahrscheinlich nicht mehr Kamele als, sagen wir im Allgäu. Dass darüber hinaus die von “Bild”-Kommentator Peter Boenisch gewählte Formulierung eines “Feiertags für Ausländer” die Sache wirklich trifft, nur weil die Zahl deutscher Muslime vergleichsweise gering ist, darf bezweifelt werden – zumal sich “Bild” offenbar nicht einmal sicher ist, ob in Deutschland nun 3,5 Millionen, 3,2 Millionen oder wie in der gestrigen Druckausgabe auf Seite zwei behauptet, 4,5 Millionen Muslime leben.

Kurzum: Schon möglich, diese alberne Fotomontage (oder die dazugehörige “Bild”-Berichterstattung) “symbolisiert das Problem der unterschiedlichen Kulturen in Deutschland”. Zu einer sachlichen Diskussion über die Integration von in Deutschland lebenden Muslimen hatte sie jedenfalls nichts beizutragen. Im Gegenteil.

“Bild” sprach zuerst mit… dem Friseur

(Nur nicht aufregen!)
Es stimmt, dass dieser Schnappschuss in der gestrigen “Bild”-Zeitung kurzzeitig Beachtung fand. Kaum ein TV-Promimagazin beispielsweise, das ihn (im Zusammenhang mit der Berichterstattung über eine Aids-Gala, während der das Foto entstand) nicht beiläufig gezeigt hätte: RTL-Dschungelshow-Gewinnerin Désirée Nick und Klaus Wowereit, Berlins Regierender Bürgermeister, küssen sich inmitten einer von zahlreichen Kamerateams und Journalisten besuchten Benefizveranstaltung, zu der Wowereit in Begleitung seines langjährigen Lebensgefährten gekommen war.

Und wer weiß, vielleicht stimmt es ja wirklich, vielleicht hat “Bild” ja Recht, wenn sie heute, groß, auf der Titelseite, unter der völlig sinnentleerten Überschrift “Wowereit nicht mehr schwul?” behauptet: “Ganz Deutschland diskutiert über einen Zungenkuss.” Wer weiß. (Wir wissen ja alle nicht mal, ob das, was der Schnappschuss zeigt, überhaupt ein Zungenkuss war: Nicks “Bild”-Statement gestern war gewohnt kokett, und Wowereit hatte “nicht die Absicht, das zu kommentieren.“)

Allerdings nennt “Bild” heute für die Behauptung, dass “ganz Deutschland diskutiert”, keinerlei Belege. Nein, stattdessen hat “Bild” offenbar ausschließlich mit “Promi-Friseur Udo Walz (60)” gesprochen – und mit dem Sexualwissenschaftler Wilhelm Preuss (keine Altersangabe). Doch dazu später.

Walz jedenfalls sagt laut “Bild” nicht, wie diese zur Titelstory gehörige Schlagzeile suggeriert: “Solche Küsse küsst doch kein schwuler Mann!” Nein, Walz plaudert nur ein wenig drauflos, findet, solche Küsse gehörten “nicht in die Öffentlichkeit”, und beendet sein längliches “Bild”-Statement mit den nichtssagendem Worten:

“Aber bei Wowi reden wir ja nur von einem Kuß. Und abgesehen davon, daß es wirklich wichtigere Probleme auf der Welt gibt als so ein Bussi. Ein Kuß, ganz egal zwischen wem, ist und bleibt doch eine der schönsten Sachen der Welt.”

Das war’s. Beziehungsweise war’s das noch nicht ganz. Denn “BILD-Medizin-Redakteur Dr. Christoph Fischer” hat ja noch mit erwähntem Sexualforscher gesprochen, der auf die drängenden Fragen der “Bild”-Macher (“Ist Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (51, SPD) gar nicht mehr schwul?” bzw. “Kann ein Schwuler wieder Frauen lieben?” und “Kann ein Schwuler wieder Frauen sexuell begehren?” usw.) sogar eine Antwort hat. Sie lautet zusammengefasst:

“Das ist ganz unwahrscheinlich.”

PS: Und nachdem das gesagt ist, kann man das, was darüber hinaus “Bild”-Kolumnist Franz Josef Wagner zum Thema beizutragen zu haben glaubt, bestenfalls ignorieren — und (mit Dank an Tommy für den sachdienlichen Hinweis) daran erinnern, dass “Bild” am 16.2.2002 unter der Überschrift “Kann Sabine Christiansen Wowereit umdrehen?” schon mal fast dieselbe Story druckte, was die “Zeit” damals übrigens “praktizierte Offenheit gegenüber dem Schwachsinn” nannte…

Einvernehmlich falsch

Wenn die “Bild”-Zeitung mal lustig sein will, schreibt sie “Danke Anke” über ein paar Zeilen zur letzten “Anke Late Night” heute Abend, stellt der “deprimierend langweiligen (…) A. E.” (F.J.W.) im Namen von Sat 1 ein “Zeugnis” aus und schreibt daneben:

“Schade, schade! Heute moderiert Anke Engelke zum letzten Mal ihre Late-Night-Show. Dieses Zeugnis soll die Moderatorin trösten.”

“Dieses Zeugnis” ist dann natürlich alles andere als tröstend, sondern im Zeugnisdeutsch eine ziemlich negative Bewertung für die “Comedy-Queen” (“Sie war immer bemüht…”, “…neuen Situationen im wesentlichen gewachsen…”, “Frau Engelke hat versucht…”).

Zum Schluss steht da:

Frau Engelke und Sat 1 trennen sich in gegenseitigen [sic] Einvernehmen. Für ihren weiteren beruflichen Weg wünschen wir ihr alles Gute.”

Stimmt bloß nicht. Anke Engelke und Sat 1 trennen sich natürlich nicht in gegenseitigem Einvernehmen. Sie trennen sich gar nicht.

“Anke Engelke (…) und Sat.1 arbeiten weiter eng zusammen“, lautete der zweite Satz der Sat.1-Pressemitteilung von vor zwei Wochen, als der Sender das Ende der Show bekannt gab.

Abgesehen davon stimmt auch nicht (mehr), dass “zuletzt (…) nur noch 700 000 Zuschauer eingeschaltet” hatten.

Vermutlich ist es “Bild”-Redakteuren einfach verboten, witzig gemeinte Beiträge mit unnötigen Recherchen zu versauen. Selbst, wenn das nur zwei Minuten gedauert hätte.

Blättern:  1 ... 30 31 32 33 34