Trump-Show, Bauchredner Tichy, Zuckerberg-Blabla

1. Full Transcript and Video: Trump News Conference
(nytimes.com, Video, 1:17 Stunden)
Die “New York Times” hat sowohl das Video als auch das vollständige Transkript von Donald Trumps Pressekonferenz veröffentlicht.
Britta Kollenbroich fasst auf “Spiegel Online” die amerikanischen Reaktionen zusammen “Nein, Sir, wir sind keine Deppen”
Es gibt aber auch schon Kommentare aus Deutschland: Veit Medick findet im “Spiegel”, es sei “an der Zeit, am Verstand des US-Präsidenten zu zweifeln”.
Und Simon Riesche beschreibt die Veranstaltung für die “FAZ” als “atemberaubenden Strudel aus Gedankenfetzen, Wahlkampfslogans und programmatischen Ankündigungen”

2. Der Bauchredner
(zeit.de, Roman Pletter)
Über Roland Tichy, der in der Vergangenheit stellvertretender Chefredakteur des Wirtschaftsmagazins “Capital” und Chefredakteur der “Wirtschaftswoche” war und heute das rechtslastige Meinungsportal “Tichys Einblick” betreibt, ist schon viel geschrieben worden. Roman Pletter ist ein Artikel gelungen, der mehr als das Offensichtliche leistet, nämlich eine Annäherung an den Menschen Tichy. Hier stehen sich die partiell spürbare Sympathie für den Menschen Tichy und die kritische Distanz zu seiner Arbeit nicht im Wege. “Der Widerspruch zwischen Roland Tichys Buch früher und der Sprache heute ist nicht der einzige, dem man bei dieser Annäherung an ihn begegnet: Er sucht den Streit, will aber zugleich gemocht werden. Er ist als Kommentator scharf im Ton, aber im persönlichen Umgang auch charmant und lustig. Er ist kein Ausländerfeind, seine Texte klingen aber manchmal so. Er ist ein wirtschaftsliberaler Demokrat, doch man begegnet auf seinem Internetforum Menschen, bei denen eine menschenfreundliche Haltung nicht mehr zweifelsfrei zu erkennen ist.”

3. Viele Zeitungen vertreten nicht das Interesse ihrer Leser.
(planet-interview.de, Jakob Buhre)
Der “Spiegel Online”-Kolumnist und Chefredakteur des “Freitag” Jakob Augstein spricht im Interview über seinen Dialog mit Nikolaus Blome, die Politik Angela Merkels, linken Boulevard, Russland-Bashing und Meinungsgleichheit in den Medien und warum er nicht mehr an eine Paywall glaubt. Und es geht um das BILDblog und Augsteins Einstellung zur “Bild”: “Meine vergleichsweise positive Einstellung zur „Bild“ ist auch schon übel aufgefallen, als ich noch bei der „Zeit“ war. Aber ich stehe dazu. Die Abgrenzungsbemühung macht mich skeptisch. Journalisten, die sich besonders stark von „Bild“ abgrenzen, bekämpfen nicht selten ihre eigenen Dämonen. Die „Bild“ ist dann der Sündenbock des Journalismus.”

4. Warum Papier-Journalismus besser ist.
(kaffeeundkapital.de, Martin Oetting)
Viele Menschen vertreten die Ansicht, dass es beim Journalismus nicht aufs Trägermedium, sondern auf die Inhalte ankommt. Martin Oetting ging es lange Zeit ebenso, doch jetzt hat er seine Meinung geändert und favorisiert Print. Nicht, weil er ein fortschrittsfeindlicher Ewig-Gestriger ist, sondern weil aus seiner Sicht drei Aspekte dafür sprechen würden.

5. Is nicht egal
(uebermedien.de, Boris Rosenkranz)
Am Dienstag wurde bekannt, dass der Youtuber und Rapper Kazim Akboga gestorben ist. Für viele Medien ein Anlass, sich von ihrer hässlichen Seite zu zeigen… Boris Rosenkranz erklärt auf “Übermedien” was falsch gelaufen ist und wie Medien berichten sollten, wenn sie denn meinen, unbedingt berichten zu müssen.

6. Zuckerbergs vager Masterplan
(sueddeutsche.de, Beate Wild)
Facebook-Chef Mark Zuckerberg hat sich mit einem 5800 Wörter langen Manifest an die Öffentlichkeit gewandt, in dem er seine Visionen für die Zukunft des sozialen Netzwerkes erläutert. Beate Wild hat den Text gelesen und ist wenig begeistert: “Der Brief, der vor utopischen Idealen nur so strotzt, beinhaltet wenige konkrete Lösungsansätze oder auch nur Details, sondern ist eher eine von der PR-Abteilung bis zur Unkenntlichkeit geschliffene Ansammlung an guten Vorsätzen.”

Being Ivanka Trump

Ivanka Trump setzt sich auf den Präsidentensessel. Versuch einer alternativen Bildkritik.

Ich stelle mir kurz vor, ich bin Ivanka Trump. Ich bin in diesen Wahnsinn hineingeboren und ich habe nicht gegen ihn rebelliert. Aber ich habe versucht, meine eigene Nische zu finden, unabhängig zu sein, so weit das in diesem Herrschaftssystem geht. Ich habe den Mann geheiratet, den ich liebe, einen, der klug ist und der weder von mir abhängig ist noch umgekehrt. Ich bin zum Judentum konvertiert, lange bevor das in irgendeiner Weise bedeutsam werden konnte. Ich bin es gewohnt, mit dem zu leben, was man in mir als Frau, Tochter, blond, gutaussehend und steinreich sehen möchte. Ich bin es gewohnt, viel von der Häme abzubekommen, die sich an meinen Vater richtet, und auch, dass ich mich kaum dagegen wehren kann, ohne dass das auf irgendeine Art noch mehr Häme verursacht. Ich erlebe, wie mein Vater einen schlimmen Fehler nach dem anderen macht, und natürlich war der Tweet über meine Modemarke einer davon. Es macht es auch nicht besser, dass er das nicht für meine Marke getan hat, die er damit natürlich imagemäßig zerstört hat, sondern dass er dachte, das für mich persönlich tun zu müssen.

All das, was Theaterautor, Blogger und Marketingexperte Johannes Kram schon so gemacht hat, würde nicht in diese Box passen. Deswegen hier unvollständig und im Schnelldurchlauf: Nicht nur, aber auch wegen seiner Medien-Kampagne ist Guildo Horn zum “Eurovision Song Contest” gekommen. Den “Waldschlösschen-Appell” gegen Homophobie in Medien hat er initiiert. Sein “Nollendorfblog” bekam eine Nominierung für den “Grimme Online Award”. Und mit “Seite Eins — Theaterstück für einen Mann und ein Smartphone” hat er Boulevard-Kritik auf die Bühne gebracht. Dafür ein herzliches Dankeschön vom BILDblog.

Ich darf nicht politisch sein, und ganz egal, ob ich es gut finde, dass mein Vater Präsident ist und wie er es ist, weiß ich, dass es gut ist, wenn ich jetzt bei ihm bin. Für ihn, aber auch für die Dinge, die da entschieden werden, schon da er weiß, dass er einen der wenigen Menschen um sich hat, denen er vertrauen kann. Deswegen bin in in Washington, aber auch, weil es besser für Melania und Barron ist, nicht dort zu sein. Ich bin wahrscheinlich die einzige Person, die ihn nicht mit einer eigenen Agenda verfolgt. Und wenn ich es trotzdem schaffe — etwa bei LGTBI-Fragen –, ihn noch etwas zu mäßigen, dann weiß ich auch, dass mich das nicht zur Heldin macht, so wie ich auch weiß, dass es weder dieser noch einer anderen Sache irgendwie nützen würde, mich jetzt dazu zu positionieren. Ich kann, ich darf keine Zeichen setzen.

Aber wenn dann Justin Trudeau im Oval Office ist, dann darf ich doch zeigen, dass der mir nicht egal ist. Natürlich wird fast jeder darin einen dummen, eitlen Image-Shot sehen. Aber es ist das erste Bild, das meinen Vater im Weißen Haus nicht in einer Machtpose zeigt. Und dazu auf Augenhöhe mit einem anderen Machthaber. Und es sind zwei Männer, die hinter einer Frau stehen. Die auf dem Platz sitzt, auf dem die erste US-Präsidentin hätte sitzen könnte. Das bin zwar nur ich, aber es ist eine Frau. Ich finde, das ist kein so schlechtes Bild.

Es ist wahrscheinlich alles ganz anders. Aber was wissen wir schon?

Treibjagd auf Veganerin, Sinnloses Factchecking, Apples affige Appshow

1. Wed Feb 15 2017
(blog.fefe.de)
Fefe macht auf seinem Blog auf den Artikel Wie wir die Wahl vor russischem Einfluss schützen können auf “Zeit Online” aufmerksam und äußert in Fefe-typischer Direktheit Kritik an den Inhalten (“Komplett herbeihalluziniert. Ein Hit Piece. Wer schreibt sowas?”). Besonders angetan haben es ihm die Autoren bzw. deren Tätigkeiten: ein politischer Redenschreiber und Vorstandsmitglied eines von Alumni der Atlantik-Brücke gegründeten Vereins und ein Direktor des “German Marshall Fund of the United States”. Fefe lässt im Abschlusssatz einen seiner Leser zu Wort kommen: “Da kann die ZEIT künftig auch Shell-Mitarbeiter über den “Ökologischen Einfluss von Ölbohrungen auf das Ökosystem der Arktis” schreiben lassen.”

2. Medienjagd gegen die Veganerin aus Limburg – Dabei war es ein Scherz
(mimikama.at, Thomas Laschyk)
Vor ein paar Tagen wurde über den Fall einer Veganerin berichtet, die sich angeblich an den tierfeindlichen Inhalten des Lieds „Fuchs, du hast die Gans gestohlen“ gestört hätte, das im Glockenspiel des Limburger Rathauses gespielt wurde. Sie hätte deshalb den Bürgermeister gebeten, das Lied aus dem Glockenspiel-Repertoire zu entfernen, was dieser auch tat. Die Meldung darüber ging um die ganze Welt, die Kommentarspalten glühten und tausende von Menschen empörten sich. Vor allem über die Frau und teilweise sehr massiv: Sie bekam Gewalt- und Morddrohungen und musste aufgrund des Drucks ärztliche Hilfe aufsuchen. Die traurige Pointe der Geschichte: Das Ganze geht auf ein mehr oder weniger flachshaftes Geplänkel zurück und bekam erst die mediale Wirkung, nachdem es der Bürgermeister bei einer Büttenrede als scherzhafte Anekdote erwähnt hatte.

3. „Ein politischer Begriff“
(taz.de, Peter Weissenburger)
Die “taz” hat mit der BBC-World-Chefin Francesca Unsworth über Fake News gesprochen. Die BBC hat den “Reality Check” gestartet, der mit sechs Mitarbeitern noch eine recht kleine Abteilung sei, aber ausgebaut werden solle. Unsworth ist sich der eingeschränkten Möglichkeiten bewusst, will aber die Kräfte der BBC bündeln: “Wir können nicht das Internet überwachen. Vielmehr müssen wir beobachten, welche Behauptungen diese Zugkraft entwickeln. Dann geht es darum, sie zu überprüfen – wie wir es ohnehin gemacht hätten, aber mit vereinten Kräften. Die BBC ist groß, früher hätten verschiedene Redaktionen möglicherweise verschiedene Schwerpunkte gesetzt. In Zukunft soll das zentralisierter ablaufen.”

4. «Coup Magazin» – ein Mini-Team vor einer Mega-Aufgabe
(tageswoche.ch, Matthias Oppliger)
Im crowdgefundeten “Coup Magazin” erscheint genau eine Geschichte pro Monat. Gerade ist Geschichte Nummer sieben erschienen, eine Reportage über den Wahnsinn, der mit der Kommerzialisierung des Skirennsports in lauschige Wintersportorte wie Adelboden in der Schweiz eingezogen ist. Damit ist das “Coup Magazin” ein halbes Jahr alt geworden. Die “Tageswoche” hat sich mit dem Mitgründer Pascal Sigg unterhalten und ihn um eine Zwischenbilanz gebeten.

5. Klare Sicht dank Factchecking? Wohl nicht!
(meta-magazin.org, Nikolai Promies)
Viele Medien wollen Fake News mit Factchecking und dem öffentlichen Richtigstellen von falschen Behauptungen bekämpfen. Doch sind solche Mittel überhaupt geeignet, um gegen Fake News vorzugehen? Philipp Müller, Medienforscher an der Uni Mainz, ist nicht besonders optimistisch. Widerspruch helfe nicht viel. Aussichtsreicher sei es, das Weltbild, das von Falschmeldungen unterstützt wird, ernst zu nehmen: “Man muss das wachsende Unbehagen mit Globalisierung und Digitalisierung ernst nehmen. Man muss eingestehen, dass die gesellschaftlichen Eliten tatsächlich Fehler gemacht haben im Umgang mit diesen Entwicklungen und so eine wachsende ökonomische Ungleichheit auf der Welt ermöglicht haben. Nur wenn man diese Punkte offen anspricht, kann man Populisten und die aus ihrem Lager gestreuten Falschmeldungen ihrer Wirkungskraft berauben.”

6. Planet der affigen Fernsehshows
(zeit.de, Eike Kühl)
“Planet of the Apps” ist Apples erste eigene TV-Show. Sie erfüllt alle Voraussetzungen, um krachend zu scheitern, findet Eike Kühl auf “Zeit Online”: ein trashiges Format, viel Bullshit und Gwyneth Paltrow.

Franz Josef Wagner und der ausgefranste Barte des Propheten

Anfangs war es noch die Faszination für den Menschen Martin Schulz, die “Bild”-Briefchef Franz Josef Wagner inspirierte. Dieser Lebensweg! Am 26. Januar, also zwei Tage nachdem bekannt wurde, dass nicht Sigmar Gabriel, sondern Martin Schulz die SPD im Bundestagswahlkampf führen wird, schrieb Wagner:

Lieber Martin Schulz,

Sie sind ein Kanzlerkandidat wie aus einem Roman. Ich hätte gerne die Filmrechte. Da ist ein Junge, der nur Fußball im Kopf hat. Er ist mit der B-Jugend Vizemeister geworden. Fußballprofi wollte der Junge werden. Eine schwere Verletzung beendete seinen Traum.

Im Gesicht des Kanzlerkandidaten Schulz sieht man nicht die Narben – aber wie verheilt sind die Wunden in seiner Seele? Er ist Schulabbrecher, er ist ein Junge ohne Zukunft. Er beginnt zu trinken, sich die Welt schönzutrinken. Gerichtsvollzieher stehen vor seiner Tür. Er denkt an Selbstmord. Er ist ein Gespenst aus Alkohol und Trübsinn.

Wie man aus all dieser Scheiße rauskommt, davon handelt der Roman. Wie man die Kurve kriegt. Wie man wieder ein Bürger wird. Das ist der Roman des Martin Schulz.

Herzlichst,
F. J. Wagner

Aus dieser Faszination für seinen Romanhelden wurde schnell mehr. Wagner verliebte sich “quasi”. Den Brief, den er am 6. Februar in “Bild” veröffentlichte, adressierte er nicht an Martin Schulz, sondern an “Umfrage-König Schulz”:

Lieber Umfrage-König Schulz,

es scheint, als wären alle blindverbliebt in Sie. Blindverliebt ist die schönste Liebe. Es ist das Verliebtsein.

Da ist jemand, der seine Fehler nicht vertuscht. Schulabbrecher, Alkoholiker. Da ist jemand, der nicht mit Schummel-Doktor-Titeln Karriere macht.

Wir sind verliebt in einen Guttenberg von unten.

Ich mag Schulz, wie er redet. Er entzückt, bezaubert SPD-Wähler.

Ich bin quasi verliebt in ihn. Er verspricht mir so viel, aber ich weiß nicht, was.

Verliebte weinen viele Tränen.

Herzlichst,
F. J. Wagner

Einige Tränen und neun Tage später ist die Romanze allerdings schon wieder zu Ende. Franz Josef Wagner ist nicht mehr “blindverliebt”, plötzlich kann er wieder sehen. Und was er da sieht, lässt ihn erschrecken: einen Bart! Ja, doch, Martin Schulz trägt einen Bart. Wobei, nein, eigentlich ist das nicht mal ein Bart, das ist ein “Spinnennetz”, “ein ausgefranster Teppich”. Wagner schreibt heute:

Lieber Martin Schulz,

der Wert eines Menschen hängt nicht von Äußerlichkeiten ab. Aber bitte, rasieren Sie sich! Ein Kanzlerkandidat sollte nicht so ein Spinnennetz vor seinem Gesicht haben.

Sie wollen das Gesicht Deutschlands werden, mit diesem ausgefransten Teppich im Gesicht.

Warum rasieren Sie sich nicht?

Weil Sie keine Zeit haben? Weil alles wichtiger ist als rasieren? Oder weil Sie mit Ihren 61 Jahren noch immer ein Revoluzzer sein wollen?

Ihr Bart irritiert mich. Ich weiß nicht, was er bedeuten soll.

Eine anständige Rasur dauert zehn Minuten. Man seift sein Gesicht ein, bis die Barthaare weich werden.

Und dann schneidet man von unten nach oben.

Und dann hat man ein glattes Gesicht.

Das glatte Gesicht von Martin Schulz will ich sehen.

Herzlichst,
F. J. Wagner

Dass Franz Josef Wagner mal findet, dass die Fußballer des FC Bayern München in der Kabine auf Deutsch über Goethe und Schiller sprechen sollten, und später schreibt, dass nun wirklich nicht wichtig sei, dass die Fußballer des FC Bayern München in der Kabine auf Deutsch über Goethe und Schiller sprechen, ist typisch für den “Bild”-Kolumnisten. Genauso, dass er das “Dschungelcamp” mal für genau das Richtige und mal für genau das Falsche in Zeiten des Terrors hält.

Meist liegen einige Jahre zwischen widersprüchlichen Wagner-Briefen. Dass er sich dieses Mal innerhalb weniger Wochen erst in einen Menschen verliebt, und seine Gefühle dann mangels Rasur erkalten — das ist selbst für Franz Josef Wagner ein besonderes Dramolett.

Mit Dank an @Thomann_J und @Thosch73 für die Hinweise!

Störungsorgan, Nackte Tatsachen, Willkommensjournalismus

1. Gericht: „Störungsmelder“ ist ein Organ der Presse
(blog.zeit.de, Christoph Dowe)
Die Staatsanwaltschaft Memmingen wollte eine Routine-Anfrage eines freien Journalisten nicht beantworten und bekam dafür Rückendeckung vom Verwaltungsgericht Augsburg: Die Richter erkannten den “Störungsmelder”-Blog der “Zeit” nicht als “Organ der Presse” an. Vielleicht weil die Juristen schlicht den Unterschied zwischen redaktionellem Teil des Blogs und Kommentarbereich nicht verstanden hatten… Jedenfalls ging der Journalist mit Unterstützung der “Zeit” in die nächste Instanz zum Bayerischen Verwaltungsgerichtshof und beantragte eine Eilentscheidung. Diese Eilentscheidung wurde nun in seinem Sinne und dem der Pressefreiheit gefällt.

2. Willkommensjournalismus – wie Formate wie Marharba, NewsforRefugees und WDRforyou Geflüchteten das Ankommen erleichtern wollen
(get.torial.com, Tobias Lenartz)
Mittlerweile haben die Medien einige Formate entwickelt, die geflüchteten Menschen in ihrer Sprache hiesige Werte, Gewohnheiten und Institutionen erklären wollen. “Marhaba – Ankommen in Deutschland” heißt eine Sendung auf n-tv, der SWR startete im Oktober 2015 “News for Refugees” und der WDR lancierte im Januar 2016 “WDRforyou”. Tobias Lenartz stellt die erfolgreichen Formate vor, deren Fortbestehen jedoch nicht garantiert sei: “Die Zukunft der journalistischen Integrationsangebote ist allerdings noch offen. Denn je länger die Menschen hier sind, desto eher könnte auch die Anfangseuphorie der Intendanten erlahmen.”

3. Make Print great again
(taz.de, Daniel Bouhs)
Es ist in der Tat ein gewagtes Projekt, an das sich Magazinmacher Oliver Wurm gemacht hat: Die Teens sollen ihr Smartphone beiseitelegen, sich sein Panini-Album “Webstars 2017” kaufen und es nach und nach mit mehr als 200 Stars von YouTube, Instagram und Co. befüllen. Trotz hoher Initialkosten ist man ins Risiko gegangen und hat 800.000 Tütchen – also vier Millionen Bildchen – gedruckt, dazu 100.000 Sammelalben. Nun muss sich erweisen, ob die Online-Kids auf das Offlineprojekt anspringen.

4. “In diesem Jahr geht es um harte, klare Fakten”
(horizont.net, Ingo Rentz)
Dem Kampf gegen Fake News bekommt im Bundestagswahljahr eine besondere Bedeutung zu. Das “ZDF” will mit einem neuen Projekt Fake News aufspüren und Propaganda entgegenwirken: dem “#ZDFcheck17”. Der ZDF-Chefredakteur Elmar Theveßen erklärt, was es für eine Bewandtnis mit dem sperrigen Kürzel hat

5. Ich kenn’ da jemanden! Wie internationale Journalistenagenturen die Medienbranche verändern könnten
(fachjournalist.de, Franziska Knupper)
Vielen ist nicht bekannt, dass es Agenten nicht nur für Buchautoren, sondern auch für Journalisten gibt. Internationale Journalistenagenturen wie “Storyhunter”, “Paydesk” oder “ARA” vernetzen Freelancer mit Redaktionen und kassieren dafür Vermittlungsgebühren zwischen 10 und 25 Prozent. Franziska Knupper blickt hinter die Kulissen der Online-Auftragsbörsen.

6. Ein Hauch von nichts
(sueddeutsche.de, David Pfeifer)
Der amerikanische “Playboy” bekam vor einem Jahr viel Aufmerksamkeit für seine Entscheidung, keine nackten Frauen mehr abbilden zu wollen. Nun bekommt er sie für seine Rückkehr zu den nackten Tatsachen. “SZ”-Autor David Pfeifer ordnet die Entscheidung ein, die wahrscheinlich vor allem wirtschaftlicher Verzweiflung geschuldet ist.

“Bild” füttert rechte Hetzer mit “Sex-Mob”-Gerücht

Aktuell verspricht ein Medium nach dem anderen, etwas gegen “Fake News” machen zu wollen, erst gestern kündigte das “ZDF” den Start eines “crossmedialen Faktencheck-Projekts” an. Und tatsächlich könnten Medien eine wichtige Rolle spielen beim Versuch, rumgereichte Falschmeldungen in den Griff zu bekommen. Sie können bei dem Thema aber auch eine schreckliche Rolle spielen, so wie “Bild” vor etwas mehr als einer Woche:

Der Artikel erschien auch bei Bild.de, als kostenpflichtiger “Bild plus”-Beitrag:

So viel schon mal an dieser Stelle: Diesen “Sex-Mob” dürfte es, so der aktuelle Kenntnisstand, nie gegeben haben. Er könnte die Erfindung einer einzelnen Person oder einer kleinen Gruppe sein, gut möglich, dass sie damit Stimmung gegen Flüchtlinge machen wollte. Die “Bild”-Medien haben die Geschichte jedenfalls dankbar aufgegriffen, haben sie verbreitet, ohne sie ausreichend zu überprüfen, haben sie selber sogar noch zugespitzt und sie haben mit ihrer Reichweite aus ihr eine Story gemacht, die von Rechten und Nochrechteren in Sozialen Netzwerken rumgereicht wurde, die von anderen Medien aufgegriffen wurde, die es sogar bis nach Großbritannien und zu “Breitbart” schaffte.

Doch dazu später mehr. Fangen wir vorne an.

Am 6. Februar schreibt die Frankfurt-Ausgabe der “Bild”-Zeitung riesengroß:

Eines der “OPFER”, das “IHR SCHWEIGEN” bricht, ist die 27-jährige Irina A. Sie erzählt “Bild”-Reporter Stefan Schlagenhaufer von ihren angeblichen Erlebnissen an Silvester:

Sie schwiegen einen Monat lang, wollten die Vorfälle vergessen — doch jetzt platzt es aus den Opfern heraus: In der Silvesternacht kam es in der Frankfurter Restaurant- und Delikatess-Meile “Freßgass'” zu massiven sexuellen Übergriffen.

“Ich kann froh sein, dass ich eine Strumpfhose anhatte”, erzählt Irina A. (27), die Silvester in der City feierte. “Sie fassten mir unter den Rock, zwischen die Beine, an meine Brüste, überall hin. Mir und meinen Freundinnen. Immer mehr dieser Typen kamen. Ihre Hände waren überall.”

“Diese Typen” seien Araber gewesen, so Jan Mai, ein bekannter Frankfurter Gastronom, der auch die Bar betreibt, in der Irina A. Silvester gefeiert haben soll, und der nach eigener Angabe gegen 1 Uhr in seinen Laden kam:

“First-In”-Chef Jan Mai (49): “Als ich rein kam, war der ganze Laden voll mit einer Gruppe von rund 50 Arabern. Sie sprachen kein Deutsch, tranken den Gästen die Getränke weg, tanzten sie an. Die Frauen baten mich um Hilfe, weil sie angegrabscht werden. Die Stimmung kippte komplett.”

Einen Absatz später wird “Bild” noch konkreter — Nordafrikaner seien es gewesen:

Mai holt Personal aus seinem Restaurant um die Ecke. Ein marokkanischer Angestellter versucht, mit den Nordafrikanern zu sprechen: “Die waren hochaggressiv, es gab Geschrei, Handgemenge.”

Um 3 Uhr sei es dann noch einmal richtig losgegangen, erzählt Jan Mai “Bild”-Reporter Schlagenhaufer. Und der erzählt es seinen Lesern weiter:

Um 3 Uhr der nächste Höhepunkt. Mai: “Zwischenzeitlich drangen die Männer ins ‘Garibaldi’ und andere Läden ein — mit Pyrotechnik. Ich war gerade im ‘Gibson’, als ich angerufen wurde: ‘Wir haben wieder Probleme mit Massen an Flüchtlingen’. Ich rannte mit drei Türstehern auf die Freßgass’.”

Inzwischen also schon “Massen an Flüchtlingen.”

Irgendwann war die Silvesternacht auch rum. Und es passierte einige Wochen erstmal nichts, weil keiner der Beteiligten sich zu den vermeintlichen Vorfällen äußerte. Dann meldeten sich aber Jan Mai und Irina A., die Hauptzeugen in Stefan Schlagenhaufers Text. Dazu kommen zwei Angestellte von Mai. Und es gebe laut “Bild” noch “Informationen”, die alles unterstützen:

Nach BILD-Informationen waren 900 größtenteils betrunkene Flüchtlinge mit dem Zug aus Mittelhessen nach Frankfurt gekommen. Als sie nicht in die Sicherheitszone am Mainufer kamen, zogen sie weiter — in die Freßgass’.

“900 größtenteils betrunkene Flüchtlinge”. Meldungen von “massiven sexuellen Übergriffen”. Fertig ist für “Bild” die “Sex-Mob”-Geschichte. Auf seiner Facebook-Seite hatte Mai recht früh nach Erscheinen der Schlagzeile geschrieben: “Ich habe selbst nie von einem Sex Mob auf der gesamten Fressgass berichtet, sondern von sexuellen Belästigungen, Schlägereien und Diebstahl in meinem Lokal gesprochen.”

Dann ging es allerdings erst richtig los. Andere Medien berichteten. Das “Sat.1 Frühstücksfernsehen” griff das Thema einen Tag später auf und besuchte Irina A. und Jan Mai in Frankfurt. Titel des Beitrags: “Wieder sexuelle Übergriffe an Silvester!”

Mai erzählt in dem Video, es seinen “massiv Syrer hier drin” gewesen, die “Mädels belästigt haben, angefasst haben, sich an die Tische gesetzt haben, einfach mitgetrunken haben, sind ohne Jacke reingekommen, mit Jacke rausgelaufen, Jacken dann draußen versteckt, wieder reingekommen, haben wieder Jacken mitgenommen.”

Irina A. sagt, sie könne aus Angst abends immer noch nicht nach Hause laufen.

Die rechte “Junge Freiheit” berichtete mit Bezug auf den “Bild”-Artikel:

Die “Epoch Times” machte aus dem “Sex-Mob” von “Bild” “Sex-Attacken und Randale”:

Selbst in Großbritannien brachten Redaktionen Artikel über die angeblichen Vorkommnisse in der Frankfurter “Freßgass'”. express.co.uk zum Beispiel:

Und die UK-Ausgabe von “Breitbart”:

In den Sozialen Netzwerken haben rechte Gruppierungen und Hetzer die “Bild”-Geschichte zigmal geteilt. Bei Facebook beispielsweise einzelne “AfD”-Verbände, die “Junge Alternative”, Bürgerprotest-Gruppen, “Einzelfall”-Sammler, das ganze Spektrum:







Und auch bei Twitter drehte der Artikel dank Rechtspopulisten und eines “Bild”-Redakteurs eine ordentliche Runde:



In der Zwischenzeit legte die Frankfurter “Bild”-Redaktion noch einmal mit einem Artikel nach: “ein Sex-Mob tobte Sil­ves­ter in der Freß­gass’. Opfer schilderten ex­klu­siv in BILD FRANK­FURT die trau­ma­ti­sie­ren­de Nacht.” Das Blatt lässt einige Lokalpolitiker Stellung beziehen:

Zum Beispiel Chris­toph Schmitt, den si­cher­heits­po­li­ti­schen Spre­cher der CDU:

“Es darf nicht sein, dass Frauen sich so was gefallen lassen müssen. Wenn Schattenseiten der Flüchtlingspolitik Männer-Massen sind, die die Stadt unsicher machen, dann brauchen wir mehr Polizei auf den Straßen, mobile Videoüberwachung.”

Oder den unabhängigen Oberbürgermeisterkandidaten, Volker Stein:

“Während man um den Eisernen Steg ein hohes Aufgebot von Polizei verzeichnen konnte, wurde der Rest der Innenstadt den randalierenden Halbstarken überlassen. Wer sich in seinem Gastland so verhält, wie es die Berichte belegen, hat keinen Anspruch auf unsere Gastfreundschaft und sein Asylrecht verwirkt!”

“Männer-Massen”, “die die Stadt unsicher machen”. “Randalierende Halbstarke”. “Asylrecht verwirkt”. Und das alles, als noch überhaupt nichts belegt oder geklärt war, und die Polizei noch ermittelte.

Erste Zweifel, ob sich die Silvesternacht in der “Freßgass'” tatsächlich so abgespielt hat, wie von Irina A. und Jan Mai geschildert, kamen bereits am 7. Februar auf. Sebastian Eder schrieb bei FAZ.net über den “Sex-Mob, den keiner gesehen hat”. Eder hatte bei der Polizei angerufen und gefragt, ob Anzeigen zu der Nacht vorliegen, doch da gab es keine. Er wunderte sich, dass keine Videos oder Fotos von den Vorfällen in den Sozialen Netzwerken zu finden waren. Und er fragte bei anderen Gastronomen nach, ob sie an Silvester ähnliches beobachtet haben, wie ihr Kollege Jan Mai in seinem “First In”. Hat aber keiner.

Außerdem hat sich Sebastian Eder mal das Facebook-Profil von Mai angeschaut:

Weil das Thema so brisant ist, muss man auch die Glaubwürdigkeit des Zeugen der “Bild”-Zeitung hinterfragen. Auf seiner privaten Facebook-Seite zeigte der “First In”-Chef bereits Sympathien für die AfD und schrieb zu Bildern “Herrenrunde und die Deutschen in Überzahl”. Außerdem teilte er im Dezember ein Video unter der Überschrift: “Merkel muss weg”. In dem Film marschiert der “Nationale Widerstand” durch Berlin, ruft “Lügenpresse” und “Hurensöhne”. In den Kommentaren steht auch mal “Deutschland, Deutschland über alles”. Veröffentlicht hat den Film Ignaz Bearth, ein Schweizer Politiker, der mal Mitglied einer rechtsextremen Partei und Sprecher von Pegida-Schweiz war.

Auf Eders Anfrage, ob er Sympathien für Rechte habe, antwortete Mai, dass das Unsinn sei, “aber ich bin mit der Einwanderungspolitik von Merkel nicht einverstanden und hoffe, dass der Erfolg der AfD dazu führt, dass die CDU das merkt.”

Einen weiteren Zeugen, den Jan Mai ihm nannte, rief Eder ebenfalls an. Der Mann, genauso wie Mai Gastronom auf der “Freßgass'”, berichtete von einer Massenschlägerei, er selbst habe eine Flasche über den Kopf bekommen. “Die Polizei hat die Identität eines Verdächtigen mittlerweile ermittelt: Es ist ein Georgier. Der andere Verdächtige, gegen den wegen einer Gewalttat auf der Freßgass an Silvester ermittelt wird, ist laut Polizei ein Deutscher”, schreibt Sebastian Eder.

Und auch die “Frankfurter Neue Presse” war recht schnell misstrauisch. Boris Tomic kommentierte dort, auch bereits am 7. Februar:

Die Berichte eines stadtbekannten Restaurantbetreibers über marodierende Banden arabischer Herkunft auf der Freßgass’ entbehren der Glaubwürdigkeit.

Der Titel vom Tomic’ Kommentar: “Fake-News gibt es wohl nicht nur im Internet”.

In “Bild” oder bei Bild.de ist von all diesen Zweifel in den vergangenen Tagen nichts zu lesen.

Am vergangenen Donnerstag fragten wir beim Polizeipräsidium Frankfurt nach, ob inzwischen Anzeigen eingetroffen sind. Ein Sprecher sagte uns, dass nichts vorliege. “FAZ”-Redakteur Sebastian Eder fragte gestern auch noch mal nach — noch immer lag keine einzige Anzeige vor.

Gestern Abend dann die große Wende bei Bild.de:

Die Frankfurt-Ausgabe der “Bild”-Zeitung berichtet heute ebenfalls, allerdings bedeutend kleiner als noch bei der Ursprungsgeschichte:

Das Blatt fragt, ob Jan Mai “alle belogen” habe. Zeugen seien im Verhör zurückgerudert — “es habe sich um eine normale Schlägerei gehandelt und nicht um sexuelle Übergriffe.” Die Polizei ermittle nun “wegen Vortäuschung einer Straftat” gegen den “Promi-Wirt”, so die “Bild”-Medien. Lediglich in einem Absatz schreiben sie, dass Mai den ganzen Mist bei ihnen behauptet hat. Ihre eigene Rolle — das Übernehmen eines Gerüchts, die “Sex-Mob”-Zuspitzung, das Nachlegen mit den Politiker-Statements — erwähnen sie nicht.

Die “Frankfurter Neue Presse” schreibt auch über die neuesten Entwicklungen:

Nach Informationen, die unserer Zeitung am Montagabend per Mail zugespielt wurden, konnten die Behauptungen von Mai und seiner Kollegin “nicht mal im Ansatz” verifiziert werden. Irina A., die behauptete, man habe ihr unter den Rock, zwischen die Beine und an die Brüste gefasst, soll über Silvester nicht einmal in Frankfurt, sondern in Belgrad gewesen sein. Die Polizei habe ihre Flugtickets sichergestellt und suche seit Tagen nach ihr, um sie zu vernehmen, heißt es in der Mail an unsere Zeitung. Auch zu all diesen Ausführungen sagte der Polizeisprecher auf Nachfrage, dass er “nicht widersprechen” könne.

Vermutlich werden die Versuche, das wirkliche Geschehen in der “Freßgass'” nachzuzeichnen, nicht annähernd so viele Leute erreichen wie die hysterischen “Sex-Mob”-Schlagzeilen von “Bild” und Bild.de.

Hätten die “Bild”-Medien von Anfang an sauberer recherchiert, nicht direkt alles geglaubt und verbreitet, was ihnen erzählt wird, hätte das alles vermieden werden können. So, mit all der Folgeberichterstattung und den geteilten Artikeln und Kommentaren in den Sozialen Netzwerken, ist die falsche Nachricht vom “Sex-Mob” in der Frankfurter Silvesternacht kaum noch einzufangen.

Mit Dank an Stefan K., Andreas L., Andrea, @BKD_Schu und @zukunftsheld für die Hinweise!

Nachtrag, 14:13 Uhr: Bild.de entschuldigt sich auf der Startseite für die falsche Berichterstattung:

Das Portal schreibt:

Die BILD-Redaktion entschuldigt sich ausdrücklich für die nicht wahrheitsgemäße Berichterstattung und die erhobenen Anschuldigungen gegen die Betroffenen. Diese Berichterstattung entspricht in keiner Weise den journalistischen Standards von BILD.

BILD wird intern klären, wie es dazu kommen konnte.

Wenn die Redaktion es mit dieser Ankündigung ernst meint, sollte sie auch klären, wie die “Sex-Mob”-Überschrift entstand. Denn der inzwischen beschuldigte Gastronom Jan Mai bestritt sehr früh, je von einem “Sex-Mob” gesprochen zu haben. In der gerade veröffentlichten Entschuldigung von Bild.de steht allerdings:

Die Zeugen (u.a. eine Kellnerin, ein Frankfurter Gastronom und zwei seiner Angestellten) berichteten gegenüber BILD von massiven mobartigen Übergriffen durch angetrunkene Ausländer.

Mit Dank an Mind und Mario für die Hinweise!

Nachtrag, 16. Februar: Bereits gestern veröffentlichte auch die Frankfurt-Redaktion der “Bild”-Zeitung eine “Entschuldigung in eigener Sache”:

Der Text ist identisch mit der “Entschuldigung in eigener Sache”, die Bild.de am Dienstag veröffentlicht hat.

Neonazi-Milieu, Interview-Tabus?, Daily (Hate)Mail

1. „Die Schnüffelei hat mir geschadet“
(taz.de, Jean-Philipp Baeck)
Die Journalistin Andrea Röpke recherchiert in Neonazi-Strukturen. Ihre Recherchen wurden mehrfach ausgezeichnet. Doch sie muss dafür viel in Kauf nehmen: Bei ihrer Arbeit wurde sie von Neonazis angespuckt, beworfen, bedrängt und niedergeschlagen. Und sie wurde sechs Jahre lang durch den Verfassungsschutz überwacht. Zu Unrecht, wie später festgestellt wurde. Im Interview mit der “taz” erklärt sie unter anderem, warum sie sich nicht einschüchtern lässt und welche Themen sie sonst noch interessieren.

2. Frauen böse, Flüchtlinge böse, und die EU auch
(spiegel.de, Mark Rice-Oxley)
“Guardian”-Redakteur Mark Rice-Oxley schreibt über die britische Zeitung “Daily Mail”, die wegen Unglaubwürdigkeit unlängst aus der Referenzliste der Wikipedia geflogen ist. Rice-Oxley findet vieles verwerflich an dem, was die “Daily Mail” tagtäglich fabriziert. “Doch besonders beunruhigend ist an der “Mail” vielleicht die Art und Weise, mit der sie die eigentlich normalen, stoischen, fair denkenden Briten radikalisiert. Wenn Menschen in meinem Umfeld anfingen, die Zeitung zu lesen, konnte man bemerken, wie sie wütend über Einwanderung wurden, sogar wenn es kaum Immigranten in der Nähe ihres Wohnortes gab; wie sie oft auf vermeintlichen EU-Irrsinn hinwiesen, wenn die Wahrheit eigentlich vielschichtiger war; und wie sie plötzlich ein negatives Bild vom Leben in Großbritannien und den Menschen, die dort leben, entwickelten.” Leider werde der Wikipedia-“Klassenbucheintrag” nichts daran ändern, dass das Angst und Hass schürende Blatt weiterhin Großbritanniens einflussreichste Zeitung sei.

3. „So jemanden kann man doch nicht interviewen!“
(fair-radio.net, Ann-Kathrin Büüsker)
„So jemanden kann man doch nicht interviewen!“ Solch einen Satz hört die Journalistin Ann-Kathrin Büüsker immer und immer wieder, wenn es um Gespräche mit umstrittenen Personen oder Leuten vom anderen Ende des eigenen Meinungsspektrums geht. Möglicherweise sei an dieser Beurteilung etwas dran. Aber dann sei es ihre Aufgabe als Journalistin, das im Interview herauszuarbeiten. “Wichtig ist dabei, dass ich jeden Interviewpartner mit der gleichen Vehemenz angehe. Ich konfrontiere sie/ihn mit Gegenargumenten, mit Widersprüchen der eigenen Argumentation. Ganz egal, was meine eigene Position ist, meinem Interviewpartner begegne ich als Gegenspieler. Fair, aber konsequent. Mein Schwert ist die Frage – und ich führe es gegen jeden. Unabhängig davon, was ich für richtig halte. Ich befrage politische Akteure kritisch und fair. Denn das ist mein Job.”

4. Pressefoto des Jahres – Blick auf den Hass in unserer Zeit
(sueddeutsche.de, Carolin Gasteiger)
Die Jury des “World Press Photo Award” konnte dieses Jahr unter mehr als 80.000 Einsendungen wählen. Ausgezeichnet wurde der türkische Fotograf Burhan Ozbilici für sein Bild eines Attentats, das den Moment kurz nach dem tödlichen Schuss zeigt.

5. „Frontalangriff auf den Journalismus“ – Großbritannien will Geheimnisverrat härter bestrafen
(netzpolitik.org, Markus Reuter)
Die britische Regierung will die Berichterstattung über geheime Dokumente zukünftig mit drakonischen Strafen belegen. Gefährdet sind nicht nur die Whistleblower selbst, sondern auch Journalisten. Künftig solle neben dem „Teilen“ der Informationen bereits das „Erhalten und Sammeln“ strafbar werden. Außerdem sollen mit der Novelle auch „sensible Informationen“ über die Wirtschaft, welche die nationale Sicherheit gefährden, unter das Gesetz fallen. Die Gesetzeskommission behauptet, Medien wie den “Guardian” und Bürgerrechtsorganisationen am Konsultationsprozess beteiligt zu haben. Diese streiten dies jedoch ab.

6. Der einsamste Mensch an der Ski-WM
(20min.ch, Sebastian Rieder)
SRF-Kameramann Röbi Furrer filmt die WM-Piste in St. Moritz. Er ist zuständig für Bilder vom Gegenhang und steht dazu einsam und in Eiseskälte auf der anderen Bergseite in über 2700 Meter Höhe.

Keine Recherche für die Tonne

Manchmal reicht eine E-Mail, an die man irgendwie gekommen ist, und schon hat man seine Story. Da braucht’s dann nicht mal mehr Recherche. Der Inhalt der Mail ist so “bizarr”, dass man einfach nur in die Tasten hämmern muss — und schwups steht der Artikel:

Bei diesen “Kloregeln” geht es genau genommen um die Ausstattung der Männertoiletten. Autorin Karina Mößbauer schreibt:

Das Verteidigungsministerium fand es nötig, diese Frage detailliert zu klären: Was genau gehört auf eine Herren-Toilette der Bundeswehr?

Die Antwort lautete unter anderem, dass auch Hygienebehälter auf Männertoiletten gehören. Nicht nur, aber auch deswegen schickte das Verteidigungsministerium, so Mößbauer, bereits im November “Anweisungen zur ‘Ausstattung von Herren-Toiletten’ an die Außenstellen der Bundeswehr”:

Tatsächlich habe es vermehrt “Anfragen bezüglich der Art und Weise der Ausstattung” gegeben. Offenbar wurden ausgerechnet Hygienebehälter nachgefragt, wie man sie von der Damentoilette kennt …

Die “Bild”-Bundestags-Korrespondentin findet das ziemlich “irre” …

Irre, mit was Behörden sich manchmal befassen.

… und “bizarr”:

Bizarr: Empfohlen werden ähnliche Systeme wie die auf den Damen-Toiletten, konkret auch die “Bereitstellung von Hygienebeuteln” und “Anbringung von Halterungen für Hygienebeutel”.

Und warum das Ganze? Das kann Karina Mößbauer auch nicht klären. Der Grund dafür steht ja aber auch nicht in der E-Mail, auf die sie sich beruft. Und selber herausfinden? Neee …

Zu welchem Zweck genau die Hygienebeutel und eigenen Entsorgungsbehälter auf Herrentoiletten nötig sind, lässt die E-Mail des Verteidigungsministeriums übrigens offen …

Weil uns diese “irre”, “bizarre” Geschichte nicht losgelassen hat, haben wir unsere besten Rechercheure beauftragt. Und die sind auf die geniale Idee gekommen, bei Google mal nach “Hygienebehälter Herrentoilette” zu suchen. Siehe da, gleich der erste Treffer: die “Initiative für Hygienebehälter in Herrentoiletten” des Bundesverbands Prostatakrebs Selbsthilfe e.V.

Diese Initiative will Männern, die an Harninkontinenz leiden, den Alltag erleichtern. Das diese häufig Einlagen tragen müssen, die sie diskret und sauber entsorgen können sollen, fordert die Initiative die Bereitstellung von Hygienebehältern auf Männertoiletten.

Auf Nachfrage bestätigte uns das Verteidigungsministerium, dass der Grund für die Vorgabe mit den Hygienebehältern bei der Bundeswehr das Thema “Harninkontinenz bei Männern” sei. Eine Sprecherin des Ministerium verwies auf die “Technischen Regeln für Arbeitsstätten Sanitärräume ASR A4.1”. Unter Punkt “5.4 Ausstattung” steht:

In von Männern genutzten Toilettenräumen ist mindestens ein Hygienebehälter mit Deckel in einer gekennzeichneten Toilettenzelle bereitzustellen.

Diese Regeln, die Karina Mößbauer so “bizarr” findet, gelten nicht nur für die Bundeswehr, sondern auch für alle anderen Arbeitgeber in Deutschland, zum Beispiel “Siemens”, “Audi”, “Lidl” oder “Axel Springer”.

Mit Dank an Dennis S. für den Hinweis!

Verlierer über Verlierer

Es kommt ja nicht so häufig vor, dass wir mit “Bild” und Bild.de ausdrücklich einer Meinung sind. Aber in diesem Fall von heute können wir nur zustimmen: “Peinliche Foto-Panne”.

Alec Baldwin in seiner “Saturday Night Live”-Rolle als Donald Trump für den echten Donald Trump zu halten, wäre so, als würde man Susanne Pätzold in ihrer “Switch reloaded”-Rolle als Inka Bause für die echte Inka Bause halten:

Oder als würde man Martina Hill in ihrer “Switch reloaded”-Rolle als Bill Kaulitz für den echten Bill Kaulitz halten:

Oder als würde man Max Giermann, Michael Müller & Peter Nottmeier, Susanne Pätzold und Michael Kessler in iherer “Switch reloaded”-Rolle als “The Voice of Germany”-Jury für die echte “The Voice of Germany”-Jury halten:

Oder als würde man Susanne Pätzold in ihrer “Switch reloaded”-Rolle als Antonia Rados für die echte Antonia Rados halten.

Was “Bild” wohl dazu meint?

Mit Dank an @dieterjosef für den Hinweis!

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