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“Bild”-Kolumnist begnadigt RAF-Terroristin

Das Stuttgarter Oberlandesgerichts (OLG) hat gestern entschieden, dass die ehemalige RAF-Terroristin Brigitte Mohnhaupt im März nach 24 Jahren Haft entlassen werden soll. Und “Bild” erklärt in einem Seite-2-Text, warum die Freilassung nach “Recht und Gesetz” erfolge:

Denn: Nach dem Strafgesetzbuch (§ 57 a) bedeutet “lebenslange Freiheitsstrafe” nicht unbedingt Haft bis zum Tode. Nach frühestens 15 Jahren kann die Strafe zur Bewährung ausgesetzt werden, wenn nicht die “besondere Schwere der Schuld die weitere Vollstreckung gebietet”. In diesem Fall setzt das Gericht eine Mindesthaftdauer fest — bei Mohnhaupt waren es 24, bei Klar 26 Jahre!

"Post von Wagner: Begnadigte Brigitte Mohnhaupt"“Bild”-Kolumnist Franz-Josef Wagner allerdings hat das entweder nicht gelesen, oder er hat es nicht verstanden. Und offenbar hat er auch sonst nicht viel gelesen.* Denn Wagner schreibt heute an die “Begnadigte Brigitte Mohnhaupt”. Im Text heißt es:

Die deutsche Justiz hat Sie, vielfache Mörderin, Brigitte Mohnhaupt, begnadigt.

Das ist falsch. “Die deutsche Justiz” kann niemanden begnadigen. Eine solche Entscheidung trifft (im Falle von sogenannten “Staatsschutzdelikten”) der Bundespräsident nach freiem Ermessen. Die Entscheidung über die von “Bild” beschriebene Haftentlassung nach Paragraph 57 a StGB hingegen ist an bestimmte, im Gesetz beschriebene, Voraussetzungen gebunden. Darauf wies das OLG Stuttgart gestern in einer Pressemitteilung (die Wagner offenbar auch nicht kennt) sogar ausdrücklich hin:

Es handelt sich nicht um eine Entscheidung im Gnadenweg, sondern um eine an bestimmte gesetzliche Voraussetzungen gebundene richterliche Entscheidung.

Offenbar hat niemand bei “Bild” Wagner auf seinen Fehler aufmerksam gemacht. Aber er passt ja auch ganz gut zur Haltung von “Bild”. So erkennt Hans-Jörg Vehlewald die Mohnhaupt-Entscheidung in seinem Kommentar (“Recht ohne Gerechtigkeit”) zwar als “rechtens” an, findet sie aber ungerecht, weil Mohnhaupt “kein Zeichen von Reue” habe erkennen lassen. Reue allerdings ist keine Voraussetzung für die Freilassung nach Paragraph 57 a StGB. Bei einer Begnadigung hingegen, kann man das so oder so sehen.

Mit Dank an die zahlreichen Hinweisgeber.

*) Es besteht übrigens auch die entfernte Möglichkeit, dass Wagner an die “begnadigte” Mohnhaupt schreibt, weil er sich extrem gut mit dem Thema auskennt. Tatsächlich wird nämlich die Haftentlassung nach Paragraph 57 a StGB in Juristenkreisen offenbar zuweilen als “kleine Gnade” bezeichnet. Aber das sei hier nur der Fairness halber erwähnt.

Moderne Raubritter

“Bild” berichtet heute über “Deutschlands fieseste Radarfalle” und meint eine Tempo-80-Zone zwischen dem Autobahnkreuz Castrop-Ost und Herne-Horsthausen. Laut Auskunft der zuständigen Autobahnpolizei Münster soll sie allerdings, anders als “Bild” schreibt, keine Führerscheine vernichten, sondern Leben retten. Man habe das Tempo-Limit eingerichtet, weil die Strecke als Unfallschwerpunkt gelte.

Das weiß auch “Bild”:

Die Strecke ist vielbefahren, 310 Unfälle ereigneten sich im letzten Jahr.

“Bild”-Mitarbeiter Hans-Jörg Vehlewald aber ignoriert diesen Umstand in seinem Kommentar zum Thema weitgehend. Er konzentriert sich auf andere Aspekte:

Kein Zweifel: Raser und Drängler auf deutschen Straßen gehören bestraft. Aber was sich die Polizei in NRW jetzt geleistet hat, ist die pure Abzockerei und ein schlimmes Beispiel für die Gängelei der Bürger! Da lassen die Behörden ein Stück Autobahn erst jahrelang verrotten. Dann stellen sie, statt die Fahrbahn zu reparieren, ohne Vorwarnung ein Tempo-80-Schild an den Straßenrand, wo vorher keines war. Und lassen binnen 48 Stunden über 2000 Autofahrer in ihre Falle tappen.
Hervorhebung von uns.

Und es stimmt offenbar, dass an der Stelle, wo jetzt ein Tempo-80-Schild steht, vorher kein Tempo-80-Schild stand. Das jedenfalls bestätigt Klaus Laackmann, der auch von “Bild” zitierte Sprecher der Autobahnpolizei:

Dort befand sich seit Jahren eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf 100 Kilometer in der Stunde.

Deshalb sei auch nicht etwa jeder geblitzt worden, der die vorgeschriebenen 80 Kilometer in der Stunde überschritt, sondern man habe “erst ab 100 gemessen”, sagt Laackmann. Außerdem seien die Tempo-80-Schilder bereits am 21. Februar aufgestellt worden. Die erste Radarmessung hingegen habe am Samstag, den 18. März stattgefunden. Also ziemlich genau vier Wochen später. Dennoch wurden in fünfeinhalb Stunden über 1360 Geschwindigkeitsübertretungen festgestellt, woraufhin man “sofort offensiv die Öffentlichkeit gesucht” habe. Bei einer zweiten Kontrolle am Montag, dem 20. März, waren es in drei Stunden immer noch 900 Übertretungen, und die Pressearbeit sei noch verstärkt worden. Weiterhin habe man das Radargerät auch erst “vier bis fünf Kilometer” nach Beginn der Begrenzung aufgebaut. “Da passieren sie drei 80er Schilder und sehen bereits das vierte, wenn das Radar kommt.”

“Bild”-Kommentator Vehlewald kommt trotzdem zu folgendem Urteil:

Aber es ist die nackte Gemeinheit, wenn man Autofahrern auf ihrer gewohnten Pendler-Strecke mit Tempolimits auflauert und ohne jede Schonfrist Geld und Führerscheine abkassiert! Solche Raubritter-Mentalität dient nicht der Verkehrssicherheit. Sie schafft Staatsverdrossenheit!
Hervorhebung von uns.

Mal ehrlich: Wäre ein Raubritter so verfahren, wie es die Polizei offenbar getan hat, er wäre wohl als erfolglosester Raubritter aller Zeiten in die Geschichte eingegangen.

Mit Dank auch an Andreas F.

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