Mit Fehlern kennt Bild.de sich aus

Am kommenden Sonntag werden in Los Angeles die Oscars verliehen, und bei Bild.de sind sie schon ganz aufgeregt:

Was nur wenige wissen: Die Gewinner stehen bereits fest!

“Nur wenige” — also all jene, die die Oscar-Vorberichterstattung von Bild.de in den Jahren 2018, 2014 und 2013 gelesen haben, in der jeweils stand, dass zwei bis drei Mitarbeiter der Prüfgesellschaft PricewaterhouseCoopers schon vorab die Gewinner kennen.

Die hatten auch Schuld an “DEM Oscar-Faux­pas im Jahr 2017”:

Damals händigten Brian Cullinan (59) und Martha Ruiz (46) einen falschen Umschlag aus und die Laudatoren Faye Dunaway und Warren Beatty verkündeten das erste Mal in der Oscar-Geschichte den falschen Gewinner. Und das auch noch in der Königs-Kategorie Bester Film! Für 23 Sekunden war damals “La La Land” der Film des Jahres. Obwohl die Juroren für “Moonlight” gestimmt hatten.

Das stimmt so nicht: Schon 1964 hatte der Sänger Sammy Davis Jr. einen falschen Gewinner verkündet. Als er den Preisträger der Kategorie “Beste adaptierte Musik” nennen sollte, nannte er John Addison für “Tom Jones”, obwohl der in dieser Kategorie gar nicht nominiert war — sondern in der folgenden, “Beste Original-Musik”. Schuld war auch damals ein verwechselter Umschlag:

Und auch die Behauptung von Bild.de, “La La Land” sei “für 23 Sekunden” der Film des Jahres gewesen, ist falsch. Es waren quälende 2 Minuten und 23 Sekunden (im Video von Minute 1:54 bis 4:17), bis klar war, dass “Moonlight” ausgezeichnet werden sollte:

Nachtrag, 21. Februar: Bild.de hat den Absatz unauffällig bereinigt:

Damals händigten Brian Cullinan (59) und Martha Ruiz (46) einen falschen Umschlag aus und die Laudatoren Faye Dunaway und Warren Beatty verkündeten den falschen Gewinner. Und das auch noch in der Königs-Kategorie Bester Film! Und so wurde „La La Land“ als Film des Jahres gekürt – obwohl die Juroren für „Moonlight“ gestimmt hatten.

Jetzt liest es sich halt so, als sei der Fehler damals gar nicht aufgefallen und nicht korrigiert worden …

Framing-Eigentor, “Digitaler Gangster” Facebook, Artikel 13

1. Das Eigentor: Wie die ARD rechten Kritikern in die Karten spielte
(haz.de, Imre Grimm)
Dominierendes Thema in der Medien-Berichterstattung ist derzeit das Framing-Gutachten, das die Sprachforscherin Elisabeth Wehling für die ARD angefertigt hat. Imre Grimm kommentiert: “Die Empörung mag überdreht und bigott sein, doch für die ARD ist das “Framing Manual” ein klassisches Eigentor. Sie wollte ihr Image verbessern — und hat das Gegenteil erreicht.”
Stefan Niggemeier nennt das Ganze auf “Übermedien“ “eine absurde Debatte um ein misslungenes Papier”. Die ARD-Generalsekretärin Susanne Pfab spricht im “Deutschlandfunk” von einen Denkanstoß für die interne Diskussion: “Es ist kein Geheimpapier, sondern es ist schlicht und ergreifend nicht für die Öffentlichkeit gedacht.”
Detlef Esslinger kritisiert in der “SZ” die Kritiker, die in Zusammenhang mit dem Gutachten von “Umerziehung” und “Neusprech” sprechen: “Mehrere Autoren nutzen die Werkzeuge der Linguistik, um eine Linguistin zu diskreditieren, weil sie der ARD empfiehlt, sich mithilfe ihres Fachs gegen die Feinde des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu wehren. Dies ist ebenso raffiniert wie infam.”
Mittlerweile hat die ARD laut “SZ” auch die Kosten für das von ihr beauftragte “Framing Manual” offengelegt: Die “Workshop-Unterlage” (Ulrich Wilhelm, ARD-Vorsitzender) habe in Verbindung mit den veranstalteten Workshops 120.000 Euro gekostet.

2. “Wir überschätzen Desinformation in sozialen Medien maßlos”
(spiegel.de, Patrick Beuth)
Der “Spiegel” hat mit dem in Washington lehrenden Politikwissenschaftler und Geheimdienstexperten Thomas Rid über Geheimdienst-Operationen im Netz gesprochen. Sind staatlich gelenkte Desinformationskampagnen in sozialen Medien tatsächlich ernstzunehmende Angriffe auf unsere Demokratie, wie von manchen westlichen Politikern befürchtet? Rid ist gelassen: “Ich bin zumindest absolut sicher, dass wir Desinformation in sozialen Medien maßlos überschätzen. Gerade im Vergleich zu anderen Ansätzen wie dem Hacken von Politikern und der Veröffentlichung ihrer Daten und Dokumente, dem Hacken von Wahlinfrastruktur oder der Finanzierung von rechtsextremen Parteien.”
Weiterer Lesehinweis: Link 3, der zumindest in Großbritannien anderes befürchten lässt.

3. Massive Rechtsverstöße
(deutschlandfunk.de, Tobias Armbrüster & Mirjam Kid, Audio: 5:38 Minuten)
Welche Rolle spielte Facebook bei Desinformationskampagnen und Wahlbeeinflussung in Großbritannien, und welche Auswirkungen hatten diese beispielsweise auf das Brexit-Referendum? Britische Parlamentarier haben sich mit den Praktiken von Facebook beschäftigt und einen dramatischen Abschlussbericht vorgelegt: Das Unternehmen habe vorsätzlich und wissentlich gegen Datenschutz- und Wettbewerbsrecht verstoßen. Originalzitat: “Unternehmen wie Facebook, die sich selbst vor und über dem Gesetz sehen, sollte es nicht erlaubt werden, sich wie ‘digitale Gangster’ in der Online-Welt aufzuführen”.

4. Uploadfilter waren gestern
(internet-law.de, Thomas Stadler)
IT-Anwalt Thomas Stadler hat sich den umstrittenen Artikel 13 der Richtlinie über das Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt näher angeschaut. Die neue Sprachregelung erfordere nicht nur die Einführung der viel diskutierten Uploadfilter, sondern verpflichte Plattformbetreiber, beim Rechteinhaber eine Lizenz zu erwerben: “Anbieter von User-Generated-Content Plattformen wie YouTube, nach meiner Einschätzung aber auch soziale Netzwerke wie Facebook, Instagram oder Twitter, werden damit also so behandelt, als würden sie die urheberrechtlichen Nutzungshandlungen ihrer User selbst vornehmen, weshalb sie auch originär dafür verantwortlich wären, sich selbst beim Rechteinhaber eine urheberrechtliche Gestattung (Lizenz) zu besorgen.”

5. TÜV für Glaubwürdigkeit?
(sueddeutsche.de, Jakob Maurer)
Das amerikanische Start-Up “NewsGuard” beurteilt die Glaubwürdigkeit und Transparenz von Online-Medien. Ein Ampelsystem soll dem Nutzer im Browser die Vertrauenswürdigkeit von bislang 4500 englischsprachigen Nachrichtenseiten anzeigen. Finanzieren will man sich über die Plattformen und Suchmaschinen, die das Tool in ihr Interface aufnehmen. Mit Microsoft habe man sich bereits zu einer Kooperation verabredet: “NewsGuard” soll Teil des auf Windows-System vorinstallierten Webbrowsers Edge werden. Ob das Ganze zielführend ist, wird kontrovers diskutiert. So ist der Mainzer Kommunikationswissenschaftler Philipp Müller skeptisch und sieht die Gefahr, dass “der Schuss nach hinten losgehen kann”.

6. Lührssen will Spitzenkandidat der Bürger in Wut werden
(weser-kurier.de, Kornelia Hattermann)
Nachdem der Fernsehjournalist Hinrich Lührssen damit gescheitert ist, sich als Spitzenkandidat der Bremer AfD aufstellen zu lassen, hat er die Partei verlassen. Lührssen will nun Karriere bei einer anderen Partei machen, den — Achtung, Realsatire — “Bürgern in Wut”.

Die differenzierte Abschiebe-Debatte in “Bild” – wenn es um Deutsche geht

Bei kaum einem Thema ist die “Bild”-Redaktion so leidenschaftlich wie bei der Abschiebung von Gefährdern, Terrorverdächtigen und Terroristen aus Deutschland in deren jeweilige Herkunftsländer. Wobei, genauer: Vor allem bei Problemen bei diesen Abschiebungen wird sie richtig energisch.

Ausriss Bild-Titelseite - Warum darf so einer bleiben? Schiebt den Bin-Laden-Leibwächter jetzt endlich ab
(Alle Unkenntlichmachungen in diesem Beitrag durch uns.)

… allerdings, das nur am Rande, ist nie endgültig bewiesen worden, dass Sami A. tatsächlich Leibwächter von Osama bin Laden war.

Oder bei diesen Fällen:

Ausriss Bild-Titelseite - Nach Bin Ladens Leibwächter der nächste Abschiebe-Skandal um einen Terroristen - Und wir werden sie einfach nicht los

Screenshot Bild.de - Neuer Abschiebe-Skandal - Auch dieser Gefährder genießt Schutzstatus

Ihn haben die Behörden als Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung eingestuft — und dennoch darf er bei uns bleiben. Ein neuer Abschiebe-Skandal, der wütend macht! (…)

Der Vorwurf gegen ihn: Er soll ISIS-Mitglied sein.

Screenshot Bild.de - Obwohl sie ausreisepflichtig sind - NRW kann 16 Dschihadisten nicht abschieben
Ausriss Bild-Zeitung - Und diese Gefährder sind immer noch hier!

Es müssen aber gar nicht unbedingt Gefährder oder (mögliche) Terroristen sein — es reichen kriminelle Ausländer. Klappen deren Abschiebungen aus Deutschland nicht, wird die “Bild”-Redaktion sogar zur Aktivisten-Truppe:

Screenshot Bild.de - Unterschreiben sie hier die Bild-Petition - Merkel soll Abschiebung zur Chefsache machen! Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin, erklären Sie Abschiebungen von ausreisepflichtigen Kriminellen jetzt zur Chefsache

Eines der wichtigsten Probleme sind die Abschiebungen von ausreisepflichtigen Kriminellen. Das Problem: Jedes Bundesland handhabt die Abschiebung unterschiedlich – während einige Länder die Lage im Griff haben, scheinen andere überfordert.

Deshalb fordert BILD: Das muss Chefsache im Kanzleramt werden!

Wenn Sie das auch wollen: Schreiben Sie eine E-Mail an BILD ([email protected]) mit Ihrem Namen und Ihrer Adresse.

BILD wird Ihre Botschaften im Kanzleramt überreichen. Und Druck machen.

… was ja übersetzt so viel heißt wie: Schiebt die endlich ab!

Wenn dieses Vorhaben dann an den Herkunftsländern scheitert, weil diese nicht wollen oder die Vorgänge verzögern, sind sie bei “Bild” genervt, beleidigt oder sauer:

Screenshot Bild.de - Innere Unsicherheit - Kein Pass, keine Abschiebung

Bis zu 1000 deutsche Bundeswehr-Soldaten sind in Mali stationiert.

Sie helfen wie selbstverständlich, das afrikanische Land zu sichern. Will Deutschland aber Asylbewerber in ihre malinesische Heimat abschieben, stellt sich das Land quer, dauert eine Abschiebung Monate!

(Nur nebenbei: Es heißt “malische Heimat”.)

Ein anderer Fall:

Ausriss Bild-Zeitung - Der Asylantrag von Mortaza D. wurde bereits 2010 abgelehnt - Afghanistan schickt Verbrecher zurück nach Deutshcland

Einmal Kabul — und zurück!

Afghanistan hat einen Straftäter, der aus Deutschland abgeschoben wurde, wieder zurückgeschickt.

Screenshot Bild.de - Kommentar - Afghanistan und Abschiebungen

Es mag eine Ausnahme sein, dass Afghanistan einen Verbrecher nach Deutschland zurückschickt, der schon nach Kabul abgeschoben worden ist.

Keine Ausnahme ist, dass sich das Land am Hindukusch regelmäßig bei Abschiebungen querstellt.

Nun sitzen derzeit in Nord-Syrien und im Irak mehrere Dutzend Deutsche, die sich einst dem sogenannten “Islamischen Staat” angeschlossen haben, in Gefängnissen. Und bei Bild.de ist es plötzlich nicht mehr so glasklar, dass ein Herkunftsland Terroristen oder Terrorverdächtige oder Gefährder oder kriminelle Ausländer zurücknehmen muss. Stattdessen soll erstmal diskutiert werden:

Screenshot Bild.de - Zurückholen oder dort lassen? Was tun mit deutschen ISIS-Mitgliedern?

Die “Bild”-Leserinnen und -Leser, die bei Facebook jede abgebrochene Abschiebung aus Deutschland mit “Raus mit denen” oder “Ab in den nächsten Flieger” kommentieren, sehen die Sache auf einmal auch etwas anders: Die Umfrage am Ende des Bild.de-Artikels “Sollen wir die deutschen ISIS-Mitglieder zurückholen?” beantworten über 70 Prozent mit: “Nein, sie dürften unter keinen Umständen zurück”.

Facebook schließt “In the Now”, Im Reichsbürger-Visier, Entlassungswelle

1. Facebook schließt die Seiten von Russlands heimlicher Medienzentrale
(t-online.de, Lars Wienand & Jan-Henrik Wiebe)
Facebook hat mehrere Seiten geschlossen, die von Russlands heimlicher Medienzentrale in Berlin aus gesteuert wurden. Darunter der erfolgreiche Kanal “In the Now”, der zuletzt rund vier Millionen Fans auf Facebook hatte. Die Begründung sei offenbar, dass in den Profilen die Verbindungen zum russischen Staat verschleiert worden sei.
Weiterer Lesehinweis zum Hintergrund: Mitten in Berlin: Russlands heimliche Medienzentrale in Europa (t-online.de, Jan-Henrik Wiebe).

2. 2018 gingen in den USA über 15.000 Medien-Jobs verloren
(wuv.de, Franz Scheele)
Laut der Analyse einer amerikanischen Outplacement-Firma wurden in der amerikanischen Medienbranche (Fernsehen, Radio, Zeitungen, Zeitschriften, Publishing allgemein und Kino) vergangenes Jahr mehr als 15.000 Arbeitsplätze abgebaut. Wesentlicher Grund dafür seien die um Werbeerlöse konkurrierenden Tech-Konzerne wie Google, Facebook und Amazon sowie die zunehmende Nutzung von Werbeblockern. Paywalls als zusätzliche Einnahmequelle hätten die Verluste nicht abfedern können. 2019 scheint nicht besser zu werden: Das “Reuters Institute” rechne für 2019 mit der “größten Entlassungswelle für Journalisten seit Jahren”.

3. “Sie müssen sich für Ihre Taten verantworten”
(tagesspiegel.de, Sebastian Leber)
“Tagesspiegel”-Reporter Sebastian Leber ist ins Visier von Reichsbürgern geraten und sieht sich zahlreichen Angriffen und Beschimpfungen ausgesetzt: “In den vergangenen Tagen habe ich versucht, einige der Nachrichten zu beantworten. Es hat sich bestätigt, was ich schon bei früheren Gesprächsversuchen erleben musste — als mir ein Verschwörungstheoretiker etwa weismachen wollte, die Erde werde im Geheimen von Satanisten beherrscht, aber auch von Juden, aber auch von Außerirdischen, aber auch von Chinesen, aber auch von Illuminaten. In hellen Momenten war der Mann bereit zuzugeben, dass vermutlich nicht alle Theorien gleichzeitig stimmen konnten. Doch er zog daraus keine Konsequenzen, er hatte schließlich jede einzelne Theorie im Internet gelesen, sie stimmten also.”

4. DJV kritisiert Vorgaben für Fotografen
(taz.de, Frederik Schindler)
Bildjournalisten könnten es bei Veranstaltungen der katholischen Kirche bald schwerer haben: Laut Deutschem Journalisten-Verband (DJV) versuche die katholische Kirche derzeit, Fotojournalisten vorzuschreiben, in welcher Weise bei kirchlichen Veranstaltungen fotografiert oder gefilmt werden darf. In einem der “taz” vorliegenden Vorstandsbeschluss fordere der DJV die katholische Kirche in Deutschland auf, “die Arbeit von Bildjournalistinnen und Bildjournalisten nach den bewährten Grundsätzen des Presse- und Fotorechts ohne weitere Einschränkungen zu gewährleisten”.

5. Wie Google und Amazon die Wikipedia gefährden
(sueddeutsche.de, Adrian Lobe)
Wikipedia kassiert Millionen Euro Spenden von Plattformen wie Google und Amazon, die jedoch auch massiv von den kostenlos zur Verfügung gestellten Daten profitieren. So bezieht Amazons Sprachassistentin Alexa ihre Informationen unter anderem aus Wikipedia. Adrian Lobe stellt die Frage, “ob die Datenverarbeitung mit den angesichts der Milliardenumsätze der Tech-Konzerne eher mickrigen Spenden abgegolten ist — und wie die kommerzielle Nutzung mit dem Commons-Gedanken der Wikipedia vereinbar ist. Die Idee des Gemeinguts beruht ja gerade auf der Nichtexklusivität, auf der nicht kommerziellen Nutzung von Inhalten. Werden die freiwilligen Autoren und Helfer ausgebeutet, wenn sich gewinnorientierte Konzerne an dem Wissensschatz wie an einem Steinbruch bedienen?”

6. Studie: YouTube verantwortlich für Verbreitung von Flat-Earth-Bewegung
(heise.de, Tilman Wittenhorst)
Ja, es gibt sie tatsächlich: Menschen, die an die Flat-Earth-Theorie glauben, wonach die Erde, nun ja, flach ist. Jetzt hat eine Studie herausgefunden, dass die meisten der befragten Plattheitsverfechter erst durch Youtube auf die Theorie gestoßen seien. Flacherdler, die es laut einem bekannten Bonmot, anscheinend rund um die Welt gibt.

“Not open for any stories in your piece of shit paper”

Die “New York Times” berichtete vor eineinhalb Wochen über ein “Obscure German Soccer Team”, das es zum “Brooklyn Cult” geschafft hat. Dass sich in einer Kneipe neben der Williamsburg Bridge, der East River Bar, seit Jahren Fußballfans zum gemeinsamen Gucken treffen, sei vor allem ein “Anti-Fascist Thing”, steht in der Überschrift. In dem Artikel geht es um den FC St. Pauli und seine New Yorker Anhänger, die East River Pirates.

Bild.de fand die Geschichte wohl ganz gut und wollte auch über den Fanklub berichten. Aber der wollte nicht. Und machte das “Bild”-Autor Herbert Bauernebel in einer Antwort auf dessen Anfrage mit ziemlich deutlichen Worten klar:

Screenshot einer Mail der East River Pirates an Bild-Autor Bauernebel - Hi Herbert, Thank you for your email. You are more than welcome to join us privately for the game, but our fan club is not open for any stories in your piece of shit paper. No interviews, no photos, no videos for Bild - YNWA

“YNWA”, You’ll Never Walk Alone, dachte sich offenbar auch Bauernebel, schnappte sich einen Fotografen und suchte am Samstag die East River Bar auf, während das Spiel zwischen dem FC St. Pauli und Erzgebirge Aue gezeigt wurde. Der “Bild”-Reporter führte Interviews, der Fotograf fotografierte — bis die East River Pirates es mitbekommen haben. Dann kam es laut Statement des Fanklubs zu einem hitzigen Streit:

Screenshot eines Facbook Posts der East River PiratesBild.de - STATEMENT As we found out today BILD has posted an article about our fan club today against our will. After the NYTimes published a nice story last week with our consent, BILD in classic copycat manner tried to jump on it. The U.S correspondent for BILD, Mr Herbert Bauernebel, contacted us by email beforehand, but we clearly told him that we would not be open for any interviews, photos or videos. Guess what, he went over our heads and behind our backs and showed up with a photographer at the bar Saturday night anyway. He got the permission from the owner of the bar, who didn’t know who or what BILD was at the time. When they came and started interviewing guests and took photos, we told them again to stop as we were not ok with it. It came to a heated argument or even shouting match and eventually they left the bar mid second halftime. Again the story in BILD online was published against our will and without our consent. We don’t want to be associated to what we feel is a right-wing, populist fucked up newspaper. The East River Pirates

Bild.de brachte die Geschichte gestern, allerdings ohne Hinweis zu all dem Trubel. Im Gegenteil: Man sei “zu Gast bei den St. Pauli-Fans aus der Brooklyn-Bar” gewesen:

Screenshot Bild.de - Rudelgucken in New York - Zu Gast bei den St. Pauli-Fans aus der Brooklyn-Bar

Die Info aus dem Statement der East River Pirates, dass Herbert Bauernebel und der Fotograf die Bar während der zweiten Halbzeit verlassen haben sollen, ist übrigens ganz interessant. Am Ende des Bild.de-Artikels steht:

Der FC St. Pauli hat unterdessen die frühe Führung vergeigt und geht beim Abpfiff als Verlierer mit 1:2 vom Platz. Ein paar enttäuschte Gesichter gibt es schon, aber dann geht der Barbetrieb gleich heiter weiter. Das Sportliche ist dann doch eher nebensächlich …

Woher der Autor das bloß weiß, wenn er die East River Bar früher verlassen haben sollte?

Mit Dank an Niclas P. für den Hinweis!

“Focus Online” fällt auf autonome Abgassammler der “Titanic” rein

Was auf den ersten Blick nach einem schlechten Scherz aussieht, scheinen die Macher des Videos offenbar ernst gemeint zu haben.

… schreibt “Focus Online”.

Linksextreme die Autoabgase einsammeln, um sie zu einer Messstation zu tragen — was wie Satire klingt, war tatsächlich Gegenstand einer Anleitung, die kürzlich auf einer Internetseite von sogenannten Linksautonomen veröffentlicht wurde.

… heißt es bei der “Achse des Guten”.

“schlechter Scherz” — das ist Geschmackssache. Satire — auf jeden Fall! Denn die “Titanic” schreibt zu den linksautonomen Abgassammlern: Wir waren’s!

Die “Titanic”-Redakteure Leonard Riegel und Moritz Hürtgen haben “Focus Online” reingelegt. Sie haben sich unter dem Namen Michael Leitmayr — ein Münchner, “der als Hobby ‘linke Aktivitäten überwacht'” — bei dem Portal mit einem selbst zusammengefrickelten Video gemeldet, das vermeintlich auf der Plattform “Indymedia” veröffentlicht und dort wieder gelöscht wurde:

Wer die “Focus online”-App auf seinem Smartphone installiert hat, weiß, dass die Münchner Vollgasjournalisten jeden Tag zwischen fünf und hundert Push-Mitteilungen zum Thema Pkw ausgeben. Müsste das Faktenmagazin nicht zwingend berichten, wenn das Autohasser-Filmchen z.B. beim linksextremen Portal “Indymedia” auftaucht? Na klar, es müsste!

Das “Filmchen” mit dem Titel “TUTORIAL FEINSTAUBMESSSTATIONEN MANIPULIEREN” zeigt Hürtgen und Riegel mit Sturmhauben, wie sie mit einer Fußpumpe erst Abgase an einem Autoauspuff sammeln und diese dann an einer Frankfurter Messstation verteilen. Dazu die Slogans “Autokonzerne bekämpfen” und “Diesellobby zerschlagen”. Bei “Focus Online” haben sie einen Artikel draus gemacht:

Screenshot Focus Online - Radikale Maßnahmen für Fahrverbote? Autonome verbreiten Anleitung zur Manipulation von Feinstaub-Messstationen

Auf einer Internetseite wurde eine Anleitung verbreitet, wie man Feinstaub- und Stickoxid-Messstationen manipulieren könnte. Das Video liegt FOCUS Online vor.

Die “Achse des Guten” schrieb von “Focus Online” ab. Genauso die “Junge Freiheit”. Und auch “Spiegel”-Autor Jan Fleischhauer glaubte die Geschichte:

Screenshot eines Tweets von Jan Fleischhauer - Ich stelle mir gerade vor, wie der aufrechte Autonome mit einer Fusspumpe am Auspuff seines Autos Abgase einsammelt, um diese zur Messstation zu tragen und da dann wieder freizulassen. Irgendwie war das Autonomenleben auch schon mal glamouröser.

Unter anderem “Welt”-Chef Ulf Poschardt verbreitete Fleischhauers Tweet.

Und ja, es hätte einen relativ leichten Weg gegeben, die Sache vor Veröffentlichung zu überprüfen: Die “Titanic” (beziehungsweise Michael Leitmayr) hat nach eigener Angabe mit einem Mitarbeiter von “Focus Online” telefoniert und ihm erzählt, über Twitter auf den Link zur inzwischen gelöschten “Indymedia”-Seite gestoßen zu sein. Man könne sich aber nicht mehr erinnern, welcher Twitter-Account das genau gewesen ist, so die Notlüge der “Titanic”-Mitarbeiter. Nach diesem Link, der “Focus Online” durch einen Screenshot bekannt war, hätte man bei Twitter suchen können — und nichts gefunden. Dafür hätte man natürlich gewillt sein müssen, auf eine klickträchtige Story zu verzichten.

Alle Hintergrundinfos und ein Protokoll zur Aktion gibt’s bei der “Titanic”:

Geleaktes ARD-Gutachten, Social-Bot-Panikmache, Sachsens Polizei

1. Wir veröffentlichen das Framing-Gutachten der ARD
(netzpolitik.org, Markus Beckedahl)
Für viel Aufregung sorgte in den letzten Tagen das von der ARD bei der Sprachforscherin Elisabeth Wehling in Auftrag gegebene “Framing Manual”. Ziel der Schrift: die Vorzüge des Öffentlich-Rechtlichen Rundfunks durch Erkenntnisse der Framing-Theorie besser zu kommunizieren. Netzpolitik.org ist an das eigentlich nur für den internen Gebrauch gedachte Gutachten gelangt und veröffentlicht es (PDF), damit sich alle Beitragszahlende aus der Originalquelle informieren und an der Debatte informierter teilhaben können. Mittlerweile hat die ARD mit einer “Klarstellung” reagiert: Es handelt sich ausdrücklich weder um eine neue Kommunikationsstrategie noch um eine Sprach- oder gar Handlungsanweisung an die Mitarbeitenden, sondern um Vorschläge aus sprachwissenschaftlicher Sicht. Es ist eine Unterlage, die Teilnehmenden ARD-interner Workshops im Vorfeld als Diskussionsgrundlage und Denkanstoß zur Verfügung gestellt wird. Die Aufregung um dieses Papier funktioniert nur, wenn man diesen Kontext nicht kennt oder ignoriert. Auch deswegen ist die Unterlage von Frau Dr. Wehling zur Weitergabe völlig ungeeignet.”

2. Am lustigsten sind alte Männer
(sueddeutsche.de, Gianna Niewel)
Moritz Hürtgen hat vor einiger Zeit eine Bachelorarbeit über Robert Gernhardt und Thomas Gsella verfasst, der eine war “Titanic”-Gründer, der andere Chefredakteur. Nun ist Hürtgen selbst “Titanic”-Chef (“Außer mir wollte es niemand machen”) und entwickelt mit dem “Titanic”-Team Ideen. Was nicht so lustig ist, wie es sich vielleicht viele vorstellen: “Es ist nicht so, dass wir hier die ganze Zeit lachen. Ein guter Witz ist Handwerk.”

3. Panikmache der Medien
(faz.net, Oliver Weber)
Immer wieder wird in Medien über sogenannte “Social Bots” berichtet. Dabei handelt es sich um Computerprogramme, die darauf programmiert sein sollen, Debatten zu beeinflussen. Nun hat sich eine Forschergruppe damit beschäftigt, inwieweit Bots Stimmungen in sozialen Medien beeinflussen können, und dazu eine Simulation modelliert. Leider wurden die Ergebnisse der “rein hypothetischen Simulationsstudie” von einigen Redaktionen gründlich missverstanden: “Dass die Untersuchung aus Duisburg theoretischer Natur ist, hätte eigentlich jedem auffallen können. Ist es aber nicht. Es scheint, als ähnele die Debatte zum Thema “Desinformation” mittlerweile ihrem Gegenstand.”

4. Vorwürfe auf Twitter: Hat Sachsens Polizei wieder in die Pressefreiheit eingegriffen?
(haz.de)
Wieder einmal steht Sachsens Polizei in der Kritik: In Dresden soll es am Freitagabend bei einem rechten Aufmarsch sowie einer Gegendemonstration zu Behinderungen von Journalisten gekommen sein, so die Kritik von Vertretern der Opposition im sächsischen Landtag. Der innenpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Valentin Lippmann, sagt: “Es gibt eine Vielzahl von Berichten und Videos in den Sozialen Netzwerken über erneute gravierende Behinderungen der freien Medienberichterstattung durch Maßnahmen der Polizei”.
Weiterer Lesetipp: Demo-Berichterstattung #dd1502: Polizisten behindern Journalisten( flurfunk-dresden.de, Peter Stawowy).

5. Am Gesetz vorbeigeguckt
(zeit.de, Manuel Heckel)
Man könnte annehmen, dass mit Streaming-Diensten wie Netflix, Amazon Prime, Maxdome, Sky und Co. das Angebot von illegaler Stream-Ware abnehmen würde, doch dem ist nicht so. Ein Grund: Die Nutzer der illegalen Streams könnten sich immer noch relativ sicher fühlen, so Manuel Heckel in seiner Analyse.

6. Liederkranz erteilt WZ-Redakteurin Hausverbot
(wormser-zeitung.de, Johannes Götzen)
Eine Medien-Posse der etwas anderen Art erreicht uns aus Worms: Dort hat der “Liederkranz” einer Redakteurin der “Wormser Zeitung” Hausverbot erteilt und ihr untersagt, künftig über Veranstaltungen des Vereins zu berichten. Ihre “ausgesprochen wohlwollende, nahezu ausschließlich positive Darstellung des Geschehens” (Zitat “Wormser Zeitung”) war dem “Liederkranz” anscheinend nicht wohlwollend und positiv genug … Wer sich für das, nun ja, aufregende Geschehen um die “Zuckerschnude”, die rassige Spanierin Kirsten, die zuckersüßen Minihoppers und Engel “Biggi” interessiert: Hier geht es zum beanstandeten Artikel.

Auf die Straße gegen Uploadfilter!, Thüringer Rückzug, Ängstliche AfD-JA

1. Uploadfilter: Jetzt hilft nur noch Protest auf der Straße
(netzpolitik.org, Markus Reuter)
In wenigen Wochen stimmt das Europaparlament über die Einführung von verpflichtenden Uploadfiltern und damit über eine automatisierte Inhaltskontrolle ab. Markus Reuters eindringlicher Appell: “Mit den Uploadfiltern wird Europa eine Technik einführen, die schnell in eine Kontroll- und Zensurinfrastruktur umzubauen ist. Noch können wir dieses gefährliche Projekt stoppen. Hashtags und Petitionen sind ganz nett. Aber um Uploadfilter noch zu verhindern, braucht es mehr: Verbündet Euch und geht für Demokratie und freie Gesellschaft auf die Straße.”
Weiterer Lesetipp: Aufbruch ins unfreie Internet (zeit.de, Lisa Hegemann).

2. AfD-Jugendorganisation verweigert taz Akkreditierung
(blogs.taz.de)
Am Wochenende findet in Magdeburg der Bundeskongress der AfD-Jugendorganisation Junge Alternative statt. Während andere Medien dort zugelassen sind, verweigert die JA der “taz” die Akkreditierung. Der Organisation würden anscheinend die Kommentare der zuständigen “taz”-Korrespondentin nicht gefallen.
Weitere Lesetipps: Sabine am Ordes “taz”-Kommentar Überwachung allein reicht nicht (“Der Verfassungsschutz macht die AfD als Ganze zum Prüffall in Sachen Rechtsextremismus. Ein wichtiger Schritt, aber kein Grund zum Aufatmen.”) und ihr Beitrag Mitgliederschwund beim AfD-Nachwuchs: Exodus bei der Jungen Alternative.

3. Der Kampf um Bayern
(faktenfinder.tagesschau.de, Patrick Gensing)
Vor der Landtagswahl in Bayern hat es nach Angaben des britischen Institute for Strategic Dialogue massive Kampagnen von Rechtsextremen in sozialen Medien gegeben. Dabei setzten die Rechts-Aktivisten Strategien aus Handbüchern um, bei denen es um hetzerische Bildmontagen, Troll-Aktionen und das Verwenden von Fake-Accounts geht. Insgesamt erkennten die Forscher bei den Manipulationsversuchen im Wahlkampf eine wachsende internationale Vernetzung von Rechtsradikalen.

4. Immer mehr Schikanen gegen Korrespondenten
(deutschlandfunk.de, Steffen Wurzel, Audio: 5:16 Minuten)
Ständige Kontrollen, intensive Beschattungen, Schikanen und Repressionen: Für ausländische Reporter wird es in China immer schwieriger. Der Pekinger Auslandskorrespondenten-Club hat für seinen neuen Jahresbericht etwa einhundert ausländische Medienvertreter in China befragt. Mehr als die Hälfte habe angegeben, dass sich die Arbeitsbedingungen in China 2018 verschlechtert hätten. Neun von zehn der befragten Auslandskorrespondenten würden davon ausgehen, dass ihre Smartphones angezapft werden. Außerdem werde es immer schwieriger, an Gesprächspartner zu kommen.

5. Bloggen wieder cool: «Medium» is the message
(medienwoche.ch, Adrian Lobe)
Zwischen Amazon-Chef Jeff Bezos und dem amerikanischen Boulevardblatt “National Enquirer” läuft eine heftige Fehde. Die Hintergründe dazu lesen sich wie ein Netflix-Plot (Erpressungsversuch gegen Amazon-Chef: Trumps Feind ist unser Feind, taz.de, Jürn Kruse). Bezos verfasste eine Art offenen Brief an den “Enquirer”-Verlagschef David Pecker, den er auf der Blogging-Plattform Medium publizierte. Für Adrian Lobe ein Anlass, sich mit der zuletzt etwas angeschlagenen Plattform zu beschäftigen.

6. Rückzug auf Raten
(faz.net, Stefan Locke)
Die Funke-Mediengruppe besitzt in Thüringen mit der “Thüringer Allgemeine”, der “Thüringischen Landeszeitung” und der “Ostthüringer Zeitung” quasi ein Monopol. Nun hat der Konzern mit einer zunächst harmlos wirkenden Pressemitteilung für Aufregung gesorgt: “Für die Thüringer Titel werden Szenarien erarbeitet, wie eine Versorgung der Leserinnen und Leser in ländlichen Gebieten mit digitalen Angeboten gewährleistet werden kann.” Werde dieser Plan umgesetzt, könne dies das Ende der Papierzeitung bedeuten, so die Befürchtung. Damit wäre Thüringen das erste Bundesland, in dem keine gedruckte Tageszeitung mehr erschiene.
Dazu entfernt passend ein weiterer Lesetipp: Deutschlands größter Buchgroßhändler ist insolvent — über die Pleite des 185 Jahre alten Traditionshauses KNV, das mit 2000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern den Buchhandel mit Ware versorgt hat.

Update: Ein BILDblog-Leser merkt an: “Hr. Locke irrt, wenn er meint, dass nach dem möglichen Print-Rückzug von Funke keine Tageszeitung mehr in Thüringen erscheinen würde – immerhin gibt es noch das “Freie Wort” aus Suhl mit lt. Wikipedia rund 60.000er-Auflage (inkl. “Meiniger Tageblatt”) und die “Südthüringer Zeitung” mit 11.000er-Auflage. Lustig ist der Fehler Lockes natürlich vor dem Hintergrund des Zitats von Sergej Lochthofen: “Aber in Essen haben sie keine Vorstellung davon, wie die Orte in Thüringen heißen, wer die Leser überhaupt sind und was die hier so machen. Thüringen ist offensichtlich unwichtig.“ In Dresden offenbar genauso wenig…”

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