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Der Papst kommt am Freitag (oder gar nicht)

Der März geht zuende, und außer dem Frühling müsste längst der Papst vor der Tür stehen. Vor einem Jahr, am 4. April 2008, hatte “Bild” seine Ankunft für diesen April avisiert, groß auf der Seite 1 (außerhalb Berlins natürlich mit “Deutschland” statt der Hauptstadt in der Schlagzeile):

Die Grundlage für den Artikel war bei genauerem Hinsehen dünn: Dieter Althaus, der Ministerpräsident von Thüringen, hatte den Papst am Tag zuvor bei einer Privataudienz eingeladen und der Papst hat anscheinend nicht sofort Nein gesagt.

Aber “nach BILD-Informationen” stand nicht nur der voraussichtliche Reisetermin fest (April 2009); die Zeitung wusste aus “gut informierten Kreisen des Vatikans” (also nicht von Andreas Englisch) unter anderem auch,

  • dass der Papst ein Wochenende bleiben möchte,
  • dass er “an einem Freitagabend auf dem militärischen Teil des Flughafens Tegel landen wird”,
  • dass er “in der Vatikanbotschaft neben der St. Johannes-Basilika an der Lilienthalstraße (Neukölln) übernachten wird”,
  • dass er am Sonntag “in Heiligenstadt Station machen will”,
  • dass es vermutlich “auf dem Gelände vor Burg Scharfenstein einen feierlichen Gottesdienst mit Zehntausenden Gläubigen” geben wird
  • und dass er am Sonntagnachmittag “nach Erfurt fliegt” und “den Domberg besucht”.

All das wusste “Bild” damals schon über den Papst-Besuch, nur das winzige Detail, dass der Papst womöglich gar nicht kommt, jedenfalls nicht 2009, das wollte “Bild” nicht wissen.

Dabei hatten unter anderem das Bistum Erfurt und der Vatikan schon am Vortag die Vorabmeldung von Bild.de dementiert und bestritten, dass ein Besuch feststehe. Die “Süddeutsche” schrieb einen Tag später, die Spekulationen von “Bild” und thüringischen Medien “dürften bislang eher den Vorstellungen der hoffnungsfrohen Deutschen entsprechen als denen des Vatikans”.

Inzwischen sieht es so aus, als ob der Papst eventuell 2010 Deutschland besuchen könnte. Vielleicht macht er ja “Bild” sogar eine Freude und kommt an einem Freitag und bleibt bis Sonntag.

“Bild” sind nicht mehr Papst

"Unfehlbar?"Es kommt einigermaßen selten vor, dass der Vorstandsvorsitzende des Axel Springer Verlags Mathias Döpfner sich in der “Bild”-Zeitung zu Wort meldet. Es bedarf schon einer besonderen Gelegenheit: Die Wahl Barack Obamas zum Präsidenten der USA beispielsweise oder der 95. Geburtstag von Ernst Cramer, Springer-Aufsichtsratsmitglied und “engster Weggefährte” des Verlagsgründers Axel Springer. Und auch die “weltweite Kritik am Papst” ist offenbar so eine besondere Gelegenheit.

Papst Benedikt hatte bekanntlich den exkommunizierten Bischof und Holocaust-Leugner Richard Williamson am 24. Januar wieder in die Kirche "Papst-Audienz für kleinen Löwen"aufgenommen und dafür harsche Kritik geerntet. “Bild” hatte die Kontroverse darum, an der kaum ein deutsches Medium vorbeikam, jedoch über mehrere Tage weitgehend ignoriert und lediglich in einer Mini-Meldung mal erwähnt (wir berichteten). Franz Josef Wagner war der erste, der vergangenen Freitag, eine knappe Woche nach der umstrittenen Entscheidung des Papstes, eine Meinung dazu äußern durfte, und er übte scharfe Kritik an Papst Benedikt. Am Samstag endlich berichtete “Bild” schließlich ausführlicher über den “Nazi-Skandal”, Peter Hahne kommentierte in der “Bild am Sonntag” unter einem größeren Artikel über den “Papst in der Krise” den “Fehler eines Unfehlbaren”.

Und heute nun, da es “immer mehr kritische Stimmen” unter hochrangigen deutschen Katholiken gibt, platziert auch “Bild” das Thema wie schon gestern auf der Seite 1 und berichtet endlich groß darüber auf der Seite 2 – und Mathias Döpfner höchstpersönlich äußert sich in einem Kommentar über die vermeintliche Unfehlbarkeit des Papstes:

Bleibt die Frage, warum es so lange gedauert hat, bis “Bild” die Bedeutung des Themas erkannte. Schließlich hätte “Bild” auch vor der Intervention dem Kommentar des Vorstandsvorsitzenden schon wissen können, welche Position der Axel Springer Verlag hierzu vertritt. Von Solidarität mit dem Papst steht schließlich nichts in den Unternehmensgrundsätzen.

P.S.: Bild.de dokumentiert übrigens erst heute per Video das “Interview der Schande” und damit die “unfassbaren Äußerungen des Holocaust-Leugners” Richard Williamson. Es ist das Interview mit dem schwedischen Fernsehen aus dem vergangenen Jahr (wir hatten es hier vergangene Woche verlinkt), über dessen Inhalt seit über einer Woche in anderen Medien als “Bild” diskutiert wird.

“Bild” sind immer noch Papst

Papst Benedikt XVI. hat den exkommunizierten Bischof Richard Williamson, gegen den wegen Holocaust-Leugnung ermittelt wird, wieder in die Kirche aufgenommen. Williamson hat die Existenz von Gaskammern bestritten und behauptet, während der Naziherrschaft seien nicht sechs Millionen Juden umgebracht worden, sondern rund 300.000. Jüdische Organisationen sind dementsprechend schockiert und kritisieren die Entscheidung des Papstes scharf.

Die Nachricht, dass der Papst einen Holocaust-Leugner rehabilitiere, betrifft zwei Kernkompetenzen der “Bild”-Berichterstattung:

  • Papst
  • Juden

Zum einen hofiert “Bild” den Papst bekanntlich wie kein zweites Medium und informiert die Leser akribisch per “Vatikan-Sonder-Korrespondent” wenn Benedikt “aus der Sommer-Residenz” grüßt, “viele Krippen sehen” will, “einen flauschigen Koala” streichelt oder auch darüber, was für ein “überwältigendes Gefühl” es sei, “vor ihm zu knien, den Fischerring zu küssen”. Zum anderen ist der “Bild”-Zeitung das “Herbeiführen einer Aussöhnung zwischen Juden und Deutschen” per Unternehmensgrundsatz verordnet – den “Bild” manchmal zu ernst zu nehmen scheint.

Die Herausforderung, mit der aktuellen Papst-Juden-Nachrichtenlage umzugehen, nahm die “Bild”-Zeitung gestern an, indem sie, wie auch andere Medien, auf der Titelseite darüber berichtete – allerdings etwas kleiner als andere Medien:

"Vergebung für Ex-Bischof"

Und heute, da viele Medien noch einmal über die umstrittene Entscheidung des Papstes berichten, berichtet natürlich auch “Bild” über den Papst – wieder auf der Titelseite:

"Papst reist nach Afrika"

Mit Dank an Michu B. für die Anregung.

Papst im Papamobil erwischt — 5000 Euro!

In der vergangenen Woche war der Papst zu Gast in Deutschland. Begleitend rief “Bild” im Zuge ihrer “BILD-Leser-Reporter”-Kampagne dazu auf, Fotos vom Papstbesuch an “Bild” zu schicken (siehe Ausrisse). Immerhin 5000 Euro war “Bild” das “beste Foto vom Papst-Besuch” wert — zehnmal soviel also wie etwa Fotos von einem urinierenden Fußballer auf einem Parkplatz, einem Ex-Kanzler in Badehose am Strand oder einem “Bild”-Leser beim “Bild”-Lesen.

Am Donnerstag vergangener Woche reiste der Papst wieder ab, und “Bild” stellte “die besten Papst-Fotos der Leser-Reporter im Internet zur Wahl”:

"Stimmen auch Sie ab unter www.bild.t-online.de"

1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10, 11, 12, 13, 14, 15, 16 Fotos (die z.T. auch schon in der Zeitung oder im Internet zu sehen gewesen waren) hatte “Bild” ausgewählt, Fotos vom Papst, urinierend auf einem Parkplatz, in Badehose am Strand oder wenigstens “Bild” lesend, waren nicht dabei.

Und wir freuen uns, allen “Bild”- und Bild.de-Lesern den Gewinner ihres Fotowettbewerbs — quasi exklusiv* — vorstellen zu dürfen: BILD-Leser-Reporter Dominik Rau bekommt offenbar 5000 Euro für dieses Foto!

*) “Bild” hat das Gewinnerfoto bislang noch nicht abgedruckt, weder “Bild” noch Bild.de den Gewinner bekannt gegeben, und bei Bild.de wird auf das abgeschlossene Papst-Leserfoto-Votum nirgends verlinkt oder sonstwie verwiesen — vermutlich, weil “Bild” gerade mit der “Bearbeitung, Archivierung und Weiterveräußerung” des Fotos beschäftigt ist.

Nachtrag, 21.9.2006: Heute nun teilen es auch “Bild” und Bild.de Ihren Lesern mit: Die ausgelobten 5000 Euro für “das schönste, das ergreifendste, das ungewöhnlichste Foto eines BILD-Leser-Reporters vom Papst-Besuch” — kurzum: “das beste Papstfoto” — gehen an Dominik Rau für sein Motiv “Papst im Papamobil”!

Was “Bild” und den Papst verbindet

Andreas Englisch, Vatikan-Korrespondent von “Bild”, erklärte gestern in der ARD-Dokumentation “Benedikt Backstage” die Parallelen zwischen seiner Zeitung und dem Papst:

Andreas Englisch“Bild” covert den Papst selbstverständlich. Den deutschen Papst sowieso. Aber jeden Papst. Das ist eine andere Institution als Politiker. Das gibt den Leuten Vertrauen. Viele sind da ja auch gegen. Aber es hat so etwas, es hat ‘ne Botschaft, die mit “Bild” viel zu tun hat: Es ist knapp, es ist präzise, und es versucht, den Menschen etwas zu geben.

Englisch gab auch Einblicke, worauf es für Journalisten im Gefolge des Papstes wirklich ankommt — etwa an Bord des päpstlichen Flugzeugs:

Man würde eigentlich erwarten, dass da so schick angezogene, brave Menschen drinsitzen, die also alle auch wahnsinnig fromm sind und auch fromm in diese Maschine steigen. Das exakte Gegenteil ist der Fall. Weil: der Papst kommt während des Fluges meistens raus und macht sowas wie ‘ne kurze Pressekonferenz. Und nur die Leute, die ganz vorne sitzen, haben eine Chance mit ihm zu sprechen. Also ‘ne Frage zu stellen, zum Beispiel. Und deshalb ist die einzige Regel, die man beim Papstbesuch beherzigen muss: Rein in den Bus, der einen zum Papstflieger bringt, und dann sich vor die Tür stellen und dann mit allen Mitteln — hauen, kneifen, kratzen! — zu erreichen, dass man als erstes auf der Treppe ist, als erstes in der Maschine drin, und hinter dem Vorhang sitzt. Und dann hat man gewonnen. Und es gibt zwei oder drei, die in der Regel gewinnen. Ich gehöre da übrigens auch zu, ja.

  

“Ich bin der von Wir sind Papst”

Gute PR verschweigt die eigenen Schwächen, betont die Fehler der anderen und erklärt alles zur eigenen Stärke, was kein eindeutiger Fehler ist. Insofern war der gestrige Vortrag des “Bild”-Chefredakteurs Kai Diekmann über den “Erfolg der Marke BILD” beim PR Club Hamburg perfekt. 170 “angemeldete Gäste” lauschten, davon locker 80 Prozent junge Frauen sowie ein Diekmann-Jünger (gleiches rosa Hemd, gleiche Brille — nur die Haare wirkten gewaschen).

“Ich bin ausgesprochen froh”, beginnt Diekmann, “heute Abend etwas für das Image der ‘Bild’-Zeitung tun zu können, denn das ist in der Tat dringend notwendig. Sie wissen alle: Die ‘Bild’-Zeitung ist eine wirklich schlimme Zeitung.” (Erstes leises Kichern im Publikum.) “Das kann man schon daran erkennen, dass ich Hauptarbeitgeber für den deutschen Presserat bin, wenn es darum geht, Beschwerden zu verteilen.”

Ja: Ehrlichkeit kommt immer gut. Schmerzhafte, selbstzerfleischende Ehrlichkeit. Packt Papst-Buddy Diekmann gleich die Geißel aus? Nein. “Als Angela Merkel zur ersten deutschen Bundeskanzlerin gewählt wurde, haben wir sie mit der Schlagzeile begrüßt: Miss Germany. Prompt hat ein Leser den Presserat aufgefordert, uns dafür zu rügen. Jeder wisse, bei der Bundestagswahl sei es gar nicht um eine Miss-Wahl gegangen”, (leises Kichern) “und deswegen hätten wir mit unserer Schlagzeile gegen den Grundsatz der wahrheitsgemäßen Berichterstattung verstoßen.”

Kichern, Lachen, Ho Ho Ho

Bei der Headline “Wir sind Papst” habe sich “ein Deutschlehrer” (weiteres Kichern) “beschwert, die Zeile sei nicht nur grammatikalisch falsch, sondern auch inhaltlich, weil eben nicht alle Deutschen zum Papst gewählt wurden.” (Lachen.) “So geht das übrigens den meisten Eingaben, über 90 Prozent werden zurückgewiesen.”

Wir lernen: Der Presserat ist dazu da, sich mit Lächerlichkeiten zu befassen.

Denn Fehler? Fehler macht “Bild” ja keine. Na gut, keine schwerwiegenden. “Wo gearbeitet wird, werden Fehler gemacht. Macht ‘Bild’ mal einen Fehler, ist es gleich eine bösartige Kampagne, wenn nicht gleich eine Fälschung. Fehler passieren allen.” Nur in der Sportberichterstattung “darf nicht passieren, dass wir einen Fehler haben, darunter würden wir leiden.”

Der einzige “schwere handwerkliche Fehler”, den Diekmann zugibt, sei damals die Trittin-Geschichte gewesen. “Da hat jemand aufs Foto ‘Bolzenschneider’ und ‘Schlagstock’ geschrieben und das an den Texter geschickt. Der Texter dachte sich, dann muss das wohl stimmen und es in den Text übernommen, worauf sich der erste gedacht hat: Ah, hab ich also recht gehabt, steht ja auch im Text.” Onkel Kai hält Märchenstunde, und die Kinderlein lachen ganz brav. So harmlos war das also alles, wie nett!

Fehler machen immer die anderen: “Sport ist nicht die Kernkompetenz der SZ. Ich sehe es ihr nach, wenn sie bei Victoria Beckham nur von zwei Kindern spricht.“ Wo doch Frau Beckham eine so berühmte Sportlerin ist. “Ich nehme es aber der FAS übel, wenn sie beispielsweise den Kanzleramtsminister von Angela Merkel Lothar de Maizière nennt.” Sogar der “New York Times” sei doch vor kurzem wieder ein Fehler unterlaufen, das Foto mit dem “berühmten Mann im Gefängnis im Abu Ghraib”. Da sei ja auch der Spiegel drauf reingefallen.

Mit den Fingern in der Keksdose

Ablenkung ist ein wunderbares PR-Instrument. Auch mit den Fingern in der Keksdose hat man immer noch eine Hand frei, um damit auf jemand anderen zu zeigen. Und wenn einmal jemand anderer die gleichen Fehler macht, die einem selbst regelmäßig passieren, darf man umso lauter davon erzählen. Von diesem Tsunami-Foto vor zwei Jahren, nämlich, das von einem Leser angeboten worden war. Ein “gigantisches Foto von einer Flutwelle mit Menschen, die davonliefen.” Lange und aufwändig recherchiert habe man, bis man das Bild endlich im Internet gefunden habe: “Es war drei Jahre alt. Die Münchner tz ist am nächsten Tag damit erschienen, die haben das nicht erkannt.” Das Internet sei eben “kein journalistisches Medium, sondern ein Medium, in dem zuallererst Gerüchte verbreitet werden, unsortierte, ungeprüfte Informationen. Selbstverständlich müssen Leserinformationen genauso überprüft werden wie alle anderen Informationen auch.” Außer, man gefährdet damit eine tolle Schlagzeile. Die gestrige Headline über “Gerhard Schröders neues Russenbaby war nicht abgesichert”, gesteht Diekmann. “Das kam über einen Leser. Da habe ich lange gezittert.”

Da zeigt der Chefredakteur der drittgrößten Zeitung der Welt (“Ich kann Ihnen nicht sagen, ob Nummer 1 und Nummer 2 die Schlagzeilen noch besser formulieren, dabei handelt es sich um zwei japanische Zeitungen”) also doch auch ein wenig Menschlichkeit. Es sei eben auch ein harter Job. Von Franz Müntefering wurde er während der Bonusmeilen-Affäre angezeigt, “nur wer anstößig ist, kann gegebenenfalls Anstöße geben. Dafür werden wir attackiert, beschimpft, verdammt – aber das muss man aushalten, wenn man Marktführer ist. Wir steigen einer Menge Leute auf die Füße.” Sauerei bleibt Sauerei, bei den Großen wie bei den Kleinen. Die ‘Bild’-Zeitung sei der “Anwalt des Lesers”, und wenn eines der eigenen “Volks”-Produkte Scheiße ist, “dann schreiben wir auch das.”

Nein, es gebe auch Grenzen. Die aktuelle Affäre um Günter Grass hätte man dann doch nicht mit “Gestatten: Grass — mit SS” betitelt. (“Ho ho ho” im Publikum.) Den Ausriss mit dem Diana-Unfallfoto habe man aber sehr wohl gedruckt, “das war ein überaus ästhetisches Bild.”

Pulsmesser und Gemeinschaftserlebnis

Als es nach knapp 50 Minuten Vortrag zur Fragerunde kommt, nimmt Diekmann schon vorab die “Mir doch egal”-Abwehrhaltung ein: Arme verschränkt, leicht schmollend, herumtrippelnd, als ob er ja eigentlich schon viel lieber ganz woanders wäre. Doch er muss sich nicht fürchten. Die Fragen sind mehr als freundlich.

Er hat gewirkt, der Bombenhagel aus Überheblichkeit (“Auf nationaler Ebene ist nur noch ‘Bild’ in der Lage, die großen Themen wirklich zu setzen. Wir sind das letzte mediale Gemeinschaftserlebnis in einer Welt, die immer unübersichtlicher wird”; “Politiker messen mit ‘Bild’ den Puls Deutschlands”), Anekdötchen (“Ich habe zum Papst gesagt: ‘Ich bin der von Wir sind Papst'”) und Gags (“taz — die andere Boulevardzeitung in Deutschland”).

Als Belohnung, weil doch keine kritischen Fragen mehr kommen, wird dann noch eine Einladung ausgesprochen, doch mal eine Redaktionskonferenz zu besuchen. Das Publikum applaudiert dankbar, Diekmann wirkt erleichtert, verschwindet mit Kollegen in der Bar…

… und fast ist man versucht, noch ein wenig Leser-Reporter zu spielen.

Sigrid Neudecker
Die Autorin ist Redakteurin bei “Zeit Wissen” und Bloggerin

(Alle Links von uns.)

Kurz korrigiert (8): Papst und Busenmädchen

Ja, “Bild” hat ein seltsames Weltbild.

Und gelegentlich tritt das sogar offen zutage – vorgestern zum Beispiel, als “Bild” behauptete, Zakynthos sei “eine wunderschöne griechische Insel in der Ägäis”, obwohl Zakynthos doch gar nicht in der Ägäis, sondern im Ionischen Meer liegt.

Oder heute. Da heißt es nämlich bei Bild.de der “Turning Torso” in Malmö sei “Europas höchstes Wohnhaus”. Dabei steht Europas höchstes Wohnhaus doch mitten in Europas größter Hauptstadt.

Und wer sich jetzt glaubt, dass Bild.de mit Europa womöglich die EU gemeint haben könnte: Nee, nee, die EU hat Bild.de nicht gemeint.

Mit Dank an Jan I. und andere für den Hinweis.

“Bild” holt Papst aus der Nazi-Ecke

Die “Bild”-Zeitung. Erst seit einem Tag Papst, und schon alle Hände voll zu tun. Zum Beispiel den Mit-Papst Benedikt XVI. vor fiesen Angriffen zu schützen. Und die sind nirgends schlimmer als im Inland. Außer im Ausland.

Engländer beleidigen deutschen Papst

empört sich “Bild” und regt sich vor allem über die “Sun” auf, die gestern mit der zweifellos grenzwertigen Schlagzeile “Von der Hitler-Jugend zum Papa Ratzi” aufmachte.

“Bild” schreibt:

60 Jahre nach Kriegsende zerrt das Blatt die Jugend des Papstes ins Rampenlicht, drängt ihn in die Nazi-Ecke: “Es gab Fan-Gesänge für den Ex-Feindsoldaten im Zweiten Weltkrieg, der jetzt Papst Benedikt XVI. ist.”

Um zu behaupten, dass die “Sun” den Papst in eine Nazi-Ecke drängt, muss man allerdings, wie “Bild”, den Schluss des “Sun”-Artikels ignorieren. Er lautet:

Er war 14, als er gezwungen wurde, der Hitler-Jugend beizutreten. Später war er deutscher Flak-Helfer — bevor er desertierte.

In ihrem Kommentar fügt die “Sun” in Bezug auf die Position Ratzingers zu moralischen Fragen hinzu:

Wir applaudieren einem Mann, der erkannt hat, dass Werte nicht verhandelbar sind.

Auch skandinavische Zeitungen “verzerren” nach Ansicht von “Bild” Ratzingers Vergangenheit:

Das „Aftonbladet“ (Schweden) schreibt: “Der neue Papst war in Hitlers Armee Kindersoldat. (…) Am Ende packte er es nicht mehr, und er desertierte.”

Fest steht: Der neue Papst war in Hitlers Armee Kindersoldat. Am Ende packte er es nicht mehr, und er desertierte. Offen ist: Welchen Teil dieser Aussage findet “Bild” ehrenrührig?

Päpstlicher als der Papst

Die “Bild”-Zeitung war stolz. Am Freitag meldete sie “exklusiv” unter der Überschrift: “Papst geißelt Feminismus”: “Papst Johannes Paul II. sagt dem weltweiten Feminismus den Kampf an!”

Diesmal war es wirklich eine Exklusiv-Meldung, eine weltweite sogar. Es lag aber nicht an den göttlichen Beziehungen der “Bild”-Reporter. “Bild” hatte nach Angaben der Katholischen Nachrichtenagentur KNA einfach als “einzige ausländische Zeitung in Rom” entgegen der journalistischen Gepflogenheiten “die Sperrfrist für die Berichterstattung über den Text gebrochen”.

Die “Bild”-Meldung war aber auch in anderer Hinsicht “exklusiv”: Ihr Zitat, der Vatikan werfe dem Feminismus vor, “die biologischen Unterschiede zwischen Mann und Frau abzuschaffen” kommt im Text nicht vor. Der deutsche Radio-Vatikan-Chef Pater Eberhard von Gemmingen sagte, die Darstellung von “Bild” sei “völlig falsch”. Es gehe nicht um den Feminismus, sondern ausdrücklich um einen “gewissen Feminismus”, der Papst fordere u.a. die gesellschaftliche Aufwertung der Frau. “Ich glaube”, sagte von Gemmingen, “dass es das Gescheiteste wäre, gegen den ‘Spiegel’ und gegen die ‘Bild-Zeitung’ eine Einstweilige Verfügung zu beantragen!” Gegen den “Spiegel” auch? Aber ja. “Spiegel Online” hat die Meldung, wie üblich, erst einmal aus der “Bild”-Zeitung übernommen. Differenzierter wurde die Berichterstattung erst viel später.

Unwort “Klimaterrorristen”, Lützerath, Servus Morgenmagazin

1. Schikanen und Übergriffe gegen Presse in Lützerath
(netzpolitik.org, Markus Reuter)
Derzeit besteht ein großes mediales Interesse an den Klimaprotesten rund um das kleine Dorf Lützerath, das den Kohlebaggern des Energiekonzerns RWE weichen soll. Für Journalistinnen und Journalisten sei es jedoch nicht einfach, sich einen Überblick über die dortigen Geschehnisse zu verschaffen: Sowohl RWE als auch die Polizei würden die Pressefreiheit vor Ort einschränken. Nun entsende die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union einen Beobachter und Moderator nach Lützerath.

2. Das Recht als politische Waffe
(faz.net, Patrick Bahners)
“Hans-Georg Maaßen bleibt Mitautor eines Grundgesetzkommentars, der bei Beck erscheint. Verlag und Herausgeber sehen darüber hinweg, dass er das Recht als politische Waffe einsetzt.” In der “FAZ” kritisiert Patrick Bahners die Entscheidung des C.-H.-Beck-Verlags, an dem ehemaligen Verfassungsschutzpräsidenten als Autor festzuhalten: “Dr. jur. Maaßen ist der Advokat des teuflischen Zweifels an der Verfassungsmäßigkeit der deutschen Staatsgewalt.”

3. “Klimaterroristen” ist Unwort des Jahres 2022
(tagesschau.de)
Die Jury der “Sprachkritischen Aktion” hat den Begriff “Klimaterrorristen” zum Unwort des Jahres 2022 erklärt. Der Ausdruck werde im öffentlichen Diskurs gebraucht, um Aktivisten und Aktivistinnen und deren Protest zu diskreditieren: “Die Jury kritisiert die Verwendung des Ausdrucks, weil Klimaaktivist:innen mit Terrorist:innen gleichgesetzt und dadurch kriminalisiert und diffamiert werden.”
Weiterer Lesehinweis: Mehr zur Entscheidung gibt es in der offizielle Pressemitteilung.

Bildblog unterstuetzen

4. Ein Morgenmagazin für Leute, die morgens nicht fernsehen
(uebermedien.de, Moritz Hürtgen)
Wie gestern in den “6 vor 9” zu lesen war, kooperiert der zum Besitz des Red-Bull-Konzerns gehörende österreichische Fernsehsender ServusTV seit Neuestem mit Springers WeltN24. Kernstück der Zusammenarbeit sei das zweistündige Magazin “Guten Abend Deutschland”. Moritz Hürtgen hat sich die Sendung angeschaut und staunt: “Das ist doch eine Kopie! Ausgerechnet bei WeltN24, beim verbitterten ‘Zwangsgebühren’-Widerstand vom Verlag Axel Springer, scheinen die größten Fans öffentlich-rechtlicher Magazinformate zu sitzen, die jetzt für die Servus TV einen Klon produzieren, den sie direkt ‘Vorabendmagazin’ (‘Voama’) hätten nennen müssen.”

5. Wie viele junge Leute die ARD-Jugendwellen tatsächlich erreichen
(deutschlandfunk.de, Isabelle Klein)
Die ARD hat neun Radiosender für junge Leute im Angebot, doch Radioanalysen würden zeigen, dass nur ihre wenigsten Hörerinnen und Hörer unter 30 sind. Der Deutschlandfunk hat sich die Zahlen genauer angeschaut und kompakt zusammengefasst.

6. Journalisten bei Parlamentsstürmung angegriffen
(reporter-ohne-grenzen.de)
Beim Sturm auf Regierungsgebäude in Brasilien am Wochenende seien mindestens elf Journalistinnen und Journalisten attackiert worden. Reporter ohne Grenzen ist besorgt: “Die Szenen vom Sonntag zeigen, wie gewaltbereit die Putschisten sind – und das gegenüber Medienschaffenden, die nur ihre Arbeit machten, indem sie über eine beispiellose Attacke auf die brasilianische Demokratie berichteten. Das Klima des Hasses, das Bolsonaro in den vergangenen Jahren befeuert hat, hat dazu geführt, dass Journalistinnen und Journalisten als Feinde wahrgenommen werden, die bekämpft werden müssen.”

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