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“Bild” hatte zwei Jahre lang Unrecht

Diese Gegendarstellung, die “Bild” heute veröffentlicht, ist eine Richtigstellung: “Bild” räumt ein, dass dem wegen schweren Betrugs verurteilten Schauspieler Karsten Speck und seiner Frau und Managerin Cora nie vorgeworfen wurde, 20 Millionen Schaden durch betrügerische Immobiliengeschäfte angerichtet zu haben. Genau das hatte “Bild” vor zwei Wochen noch behauptet.

Die Zeitung räumt damit indirekt auch ein, dass weite Teile ihrer Berichterstattung über den Fall Speck fehlerhaft waren. Denn bereits am 19. Oktober 2004 schrieb “Bild”:

Speck und seiner Frau Cora werden windige Immobiliengeschäfte vorgeworfen. Privatanleger und Banken sollen um 20 Millionen Euro geprellt worden sein.

Am 18. Oktober 2004 schrieb “Bild”:

Karsten Speck werden windige Immobiliengeschäfte vorgeworfen. Er soll Investoren um rund 20 Millionen Euro geschädigt haben.

Am 17. Oktober 2004 schrieb “Bild”:

Schauspieler Karsten Speck sitzt seit Donnerstag in Dortmund im Gefängnis. Ihm werden windige Immobilien- und Kreditgeschäfte vorgeworfen, bei denen er Investoren um 20 Millionen Euro geschädigt haben soll.

Am 16. Oktober 2004 schrieb “Bild”:

Speck, gegen den seit zwei Jahren ein Prozeß wegen Immobilienbetrugs läuft, soll Banken und Privatanleger um rund 20 Millionen Euro geprellt haben.

Am 15. Oktober 2004 schrieb “Bild”:

Seit Januar 2003 sitzt Karsten Speck schon auf der Anklagebank. Ihm werden windige Immobilien- und Kreditgeschäfte vorgeworfen. Speck soll Investoren um 20 Millionen Euro geschädigt haben.

Über Tage hatten die Prozess-Berichterstatter von “Bild” also nicht gemerkt (oder nicht merken wollen), dass niemand den Specks vorwarf oder vorwirft, Investoren um 20 Millionen Euro geschädigt zu haben — der Schaden, der ihnen zur Last gelegt wird, ist sehr viel geringer. Die 20 Millionen sind der Gesamtschaden, der durch eine ganze Gruppe von Angeklagten entstand. Im Jahr zuvor hatte auch “Bild” das noch gewusst, aber dann waren die anderen, nichtprominenten Beschuldigten plötzlich aus den “Bild”-Berichten verschwunden. Und tauchten nie wieder auf.

“Bild” verleumdet Sozialarbeiterin (3)

Am 7. Juni dieses Jahres schrieb “Bild” über die Sozialarbeiterin Fatma Celik:

"Sozialarbeiterin verhöhnt verprügelte Lehrerin!"

Das war unwahr. Celik hatte die “verprügelte Lehrerin” nicht verhöhnt, sondern “Bild” hatte sinnentstellend aus einem Interview mit Celik in der “taz” zitiert. Und aus dem sinnentstellenden und verkürzten Zitat schlussfolgerte “Bild” dann die falsche Überschrift und einen “neuen Skandal um Schulhofschläger Mohamed O.”, weil Celik dem “Prügelkind scheinbar recht” gegeben habe. Entsprechend muss “Bild” (wie kürzlich übrigens auch schon der “Tagesspiegel”) heute die bereits angekündigte Gegendarstellung veröffentlichen. Darin heißt es:

In der Bildzeitung (…) verbreiten Sie unter der Überschrift “Sozialarbeiterin verhöhnt verprügelte Lehrerin” auf S. 5 über mich ein unvollständiges und damit sinnentstelltes Zitat: (…)

Das hätte auch “Bild” natürlich schon bei Veröffentlichung des Artikels klar sein müssen. Und insofern haben wir dem nicht mehr hinzuzufügen als “Bild” der Gegendarstellung:

Fatma Celik hat recht,
die Redaktion

Wogegen sich Kai Diekmann wehrt V

“Bild”-Chefredakteur Kai Diekmann streitet sich mit dem toten Rudi Carrell.

Carrell hatte Diekmann im “SZ-Magazin” vorgeworfen, er habe seinen Tod “herbeigesehnt” und sich nie für die verletzende Berichterstattung der “Bild”-Zeitung über seine Krebserkrankung entschuldigt. Diekmann ging daraufhin juristisch gegen die Zeitschrift vor. Nach dem Tod Carrells verlangte er eine “Richtigstellung”, die das Blatt heute abdruckt.

Aber der Reihe nach.

Am 17. März erschien im “SZ-Magazin” ein langes Gespräch mit Rudi Carrell, das “Bild” in Auszügen nachdruckte und in dem es auch um die “Bild”-Zeitung ging:

SZ-Magazin: Wie kam Ihre Krankheit an die Öffentlichkeit?

Carrell: Ich hatte der Bunten ein ehrliches Interview gegeben. Na gut, ich habe versucht, den Krebs etwas herunterzuspielen. “Ich habe zwar eine schwere Krankheit”, habe ich gesagt, “aber ich lebe, habe keine Schmerzen, kann arbeiten.” Und was hat die Bild-Zeitung daraus gemacht? Haarausfall, schwer abgenommen! Ich war stinksauer. Und dann diese schlimmen Fotos: Ich fand die ganze Sache nicht fair – mir gegenüber und Hunderttausenden, die Angst vor einer Krebsvorsorge haben oder selbst vor einer Chemotherapie stehen.

Hat sich die Bild-Zeitung bei Ihnen entschuldigt?

Nein, obwohl ich mich schriftlich beim Chefredakteur beschwert habe: “Ich lasse mich von euch nicht lebendig begraben!” (…)

Haben Sie eine Antwort auf Ihren Brief bekommen?

Ja. “Sie wissen doch, wir sind Ihre größten Fans!”, hat Kai Diekmann zurückgeschrieben. Zwei Tage zuvor hatte er noch meinen Tod herbeigesehnt.

Diekmann erwirkte u.a. gegen diese Passagen eine einstweilige Verfügung. Sie sind deshalb aus dem Online-Auftritt des “SZ-Magazins” spurlos verschwunden.

Außerdem verlangte Diekmann vom “SZ-Magazin” den Abdruck einer Gegendarstellung. Zunächst unterlag er mit dieser Forderung vor Gericht. Wenige Tage vor der nächsten Gerichtsverhandlung starb Carrell. Diekmanns Anwälte verzichteten daraufhin auf ihre Forderung — doch der Tod Carrells war für Diekmann offenbar kein Grund, die Sache auf sich beruhen zu lassen. Einige Tage später ließ er eine neue Forderung stellen: Das “SZ-Magazin” solle nun eine eigene Richtigstellung abdrucken.

Der Verlag kam dieser Forderung heute nach und stellte im “SZ-Magazin” richtig:

(…) dass der Chefredakteur der Bild-Zeitung, Kai Diekmann, sich in einem Schreiben an Rudi Carrell für die Berichterstattung in Bild über seine Krebserkrankung entschuldigt hat.

(…) dass Kai Diekmann niemals den Tod von Rudi Carrell herbeigesehnt hat.

In der Formulierung, die Diekmann veranlasste, steckt eine erstaunliche Behauptung. Denn wie Carrell können auch wir in Diekmanns Brief keine Entschuldigung für die Berichterstattung entdecken. In seinem Fax vom 22. Dezember 2005 an Carrell räumt er keinerlei Fehlverhalten seiner Zeitung ein. Stattdessen schreibt er:

Sehr geehrter Herr Carrell,

ich finde es sehr bedauerlich, daß Sie sich durch unsere Berichterstattung verletzt fühlen. Das war nicht unsere Absicht. (…)

BILD ist seit Jahren einer Ihrer treuesten Fans. Ich bedaure sehr, daß Sie mit unserer Berichterstattung unzufrieden sind (…).

Was Diekmann bedauert, ist nicht die Berichterstattung von “Bild”, sondern Carrells Unzufriedenheit.

So war das also: In der gleichen Woche, in der Diekmann in seiner Zeitung den Tod “des großen Rudi Carrell”, des “TV-Giganten” und “großen Entertainers” betrauern ließ, beauftragte er seine Anwälte, gegen dessen Aussagen vorzugehen.

“Bild” macht mit Korrekturspalte auf

Hey, gleich zwei Richtigstellungen heute in “Bild”. Die eine Sache korrigiert “Bild” freiwillig, das steht klein auf Seite 2: Ein von Mäusen befallener Supermarkt liegt nicht in dem Ort Westerwald in Niedersachsen, sondern im Westerwald in Rheinland-Pfalz.

Die andere Sache korrigiert die “Bild”-Zeitung nicht freiwillig, sondern weil sie muss. Dafür steht die Richtigstellung nicht klein auf Seite 2, sondern groß auf Seite 1.

Und zwar so:

Gegendarstellung. Zu der Überschrift in Bild vom 2. 5. 2006 "Heide Simonis jetzt ins Dschungel TV?" stelle ich fest: Ich habe stets erklärt, daß ich zur Teilnahme an einer solchen TV-Show nicht zur Vergügung stehe. 2. Mai 2006 RA Johannes Eisenberg für Heide Simonis. Anmerkung der Redaktion: Frau Simonis hat stets erklärt, daß sie zur Teilnahme an einer solchen TV-Show nicht zur Verfügung stehe.

Gegendarstellung
Zu der Überschrift in Bild vom 2. 5. 2006 “Heide Simonis jetzt ins Dschungel TV?” stelle ich fest: Ich habe stets erklärt, daß ich zur Teilnahme an einer solchen TV-Show nicht zur Verfügung stehe.
2. Mai 2006 RA Johannes Eisenberg für Heide Simonis

Darunter steht folgende “Anmerkung der Redaktion”:

Frau Simonis hat stets erklärt, daß sie zur Teilnahme an einer solchen TV-Show nicht zur Verfügung stehe.

Mit anderen Worten: “Bild” muss einräumen, dass die Antwort auf die von ihr gestellte Frage “Heide Simonis jetzt ins Dschungel-TV?” bereits vorher feststand. Sie lautete: Nein.

Die Gegendarstellung ist deshalb so groß, weil auch die Überschrift, auf die sie sich unmittelbar bezieht, so groß war:

Der Artikel war Teil einer längeren Kampagne von “Bild” gegen Simonis. Bereits zwei Tage nach der Veröffentlichung hatte Simonis vor dem Landgericht Berlin eine (vorläufige) einstweilige Verfügung erwirkt, wonach “Bild” diese Gegendarstellung auf der Titelseite drucken muss. Offenbar hat “Bild” sich seitdem juristisch gegen den Beschluss gewehrt.

(“Bild” veröffentlicht solche und ähnliche Gegendarstellungen traditionell meistens samstags, weil dann die Auflage ohnehin niedriger ist als an Werktagen.)

“Bild” führt Korrekturspalte wieder ein

Ende Mai traf sich Springer-Vorstand Mathias Döpfner mit dem Schriftsteller Günter Grass zum Gespräch. Es ging darin auch um die “Bild”-Zeitung und darum, dass Opfern journalistischer Berichterstattung Genugtuung verschafft werden müsse. Döpfner sagte u.a.:

“Ja, wenn falsch berichtet worden ist, muss das korrigiert werden. Und zwar nicht nur durch eine Gegendarstellung, sondern auch durch einen redaktionellen Widerruf. Ich finde die amerikanische Einrichtung der Korrekturspalte am festen Ort ausgesprochen sinnvoll. Das begrüße ich sehr.”

Es gab so etwas ja schon mal in “Bild”. Udo Röbel hatte in seiner Zeit als Chefredakteur eine Korrekturspalte eingeführt. Unter seinem Nachfolger, Kai Diekmann, gab es sie nicht mehr. Aber: Offenbar hat man mittlerweile auch bei “Bild” ihre Notwendigkeit wiederentdeckt und heute die Gelegenheit genutzt, schon mal einen Fehler auf der Seite 1 zu korrigieren und die Korrekturspalte ab morgen als feste Einrichtung anzukündigen (siehe Ausriss).

In einer Pressemitteilung des Axel Springer Verlags heißt es:

Auf Seite 2 der Zeitung werden zukünftig Fehler in der Berichterstattung, die der Redaktion unterlaufen, aufgelistet und korrigiert.

Und entweder “Bild” braucht noch etwas Übung im Fehler-Korrigieren oder, wenn die Redaktion Fehler ungeprüft übernimmt, gelten die nicht als Fehler, “die der Redaktion unterlaufen”. Aus dem heutigen Text wird jedenfalls gar nicht deutlich, dass auch “Bild” gestern behauptet hatte, Andrea Kempter sei die “Sat.1-Wetterfee”.

Und was bedeutet eigentlich “solche oder ähnliche Fehler”? Dass “Bild” nur Geschichten korrigiert, die sich mit einer nackten Frau bebildern lassen?

“Wer Privates schützen will, kann das in der Regel”

Seit fast 40 Jahren boykottiert der Schriftsteller und Nobelpreisträger Günter Grass, wie einst von der Gruppe 47 beschlossen, den Springer-Konzern. Daran hält er weiter fest. Ende Mai traf er sich allerdings erstmals mit dem Vorstandschef Mathias Döpfner zu einem Gespräch, das von dem Publizisten Manfred Bissinger moderiert wurde.

Grass: Für mich ist die “Bild”-Zeitung aus kaltem, offenbar intellektuellem Kalkül ein Instrument des Appells an die niedrigsten Instinkte. Da wird Schadenfreude mobilisiert, da wird ein Personenkult auf der einen Seite betrieben, ebenso wie ein Niedermachen von Personen, wenn sie ihr zu groß geworden sind, da geht es bis ins Privateste hinein. Da wird es regelrecht widerlich. (…)

Döpfner: Größer als die Schlagzeilen der “Bild”-Zeitung ist gelegentlich nur die Heuchelei mancher Prominenter, wenn sie sich als Opfer stilisieren. Erst wollen sie von der Plattform profitieren, und hinterher, wenn’s mal unangenehm wird, kritisieren sie, dass “Bild” immer noch da ist. Wer Privates schützen will, kann das in der Regel auch[1]. (…) Für die “Bild”-Zeitung gilt das Prinzip: Wer mit ihr im Aufzug nach oben fährt, der fährt auch mit ihr im Aufzug nach unten. Diese Entscheidung muss jeder für sich selbst treffen.

Grass: (…) Sie sollten vielleicht in Ihre Grundsätze noch aufnehmen: “Die Würde des Menschen ist unantastbar.”

Döpfner: Das steht doch schon im Grundgesetz.

Grass: Dann sollten Sie das Grundgesetz den “Bild”-Redakteuren näherbringen.

Bissinger: Gehörte nicht in Ihre Grundlinien hinein, dass Opfern journalistischer Berichterstattung Genugtuung verschafft werden muss? Amerikanische Blätter haben die vielgelesene Korrekturspalte.

Döpfner: Ja, wenn falsch berichtet worden ist, muss das korrigiert werden. Und zwar nicht nur durch eine Gegendarstellung, sondern auch durch einen redaktionellen Widerruf[2]. Ich finde die amerikanische Einrichtung der Korrekturspalte am festen Ort ausgesprochen sinnvoll[3]. Das begrüße ich sehr.

[1] Für Ausnahmen von dieser “Regel” vgl. u.a. hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier, hier oder hier.

[2] Üblicherweise korrigiert die “Bild”-Zeitung ihre Fehler entweder gar nicht oder nur in Form unkommentierter Gegendarstellungen oder nur auf Druck von außen oder nur durch eine weitere Verdrehung der Wahrheit.

[3] Unter Chefredakteur Udo Röbel hatte “Bild” eine solche Korrekturspalte. Unter seinem Nachfolger Kai Diekmann gibt es sie nicht mehr.

Der “Spiegel” dokumentiert das Gespräch in seinem aktuellen Heft.

“Bild” verleumdet Sozialarbeiterin (2)

“Im Fall der Kreuzberger Sozialarbeiterin Fatma Celik, die laut Bild-Zeitung eine von einem Schüler geschlagene Lehrerin in der taz ‘verhöhnt’ haben soll, hat das Berliner Landgericht dem Axel Springer Verlag untersagt, diese Behauptung weiter zu verbreiten. Zudem muss die Zeitung eine Gegendarstellung veröffentlichen, wie Celiks Anwalt Johannes Eisenberg gestern mitteilte.”

(Zitiert aus der “taz” vom 16.6.2006, Link von uns.)

Wahrheitsgehalt im Promillebereich

Am 24. August 2005 stand (nur zur Erinnerung) folgende Exklusivmeldung in “Bild”:

"EU schafft Deutsch ab (...) Die EU-Kommission hat die Übersetzung von Dokumenten ins Deutsche gestoppt. (...)"

Heute nun steht in “Bild” wieder eine Exklusivmeldung zur EU-Kommission, diesmal sogar auf der Titelseite:

"EU-Kommission plant Alkohol erst ab 18!"

Ohne Quellenangabe heißt es weiter:

“Die EU-Kommission schlägt jetzt vor, das Mindestalter für den Kauf von Alkohol von 16 auf 18 Jahre heraufzusetzen — eine entsprechende Verordnung ist in Vorbereitung!”

Schlägt sie nicht, ist sie nicht. In einer aktuellen Pressemitteilung der Kommission heißt es:

“Die Europäische Kommission plant keine EU-weit gültige Altersgrenze für den Alkoholverkauf. Medienberichte, dass die EU-Kommission das Verkaufsalter für Bier und Wein von 16 auf 18 Jahre anheben will, entbehren jeglicher Grundlage. (…)”

Außerdem heißt es in einer dpa-Meldung zum Thema unter Berufung auf den EU-Gesundheitskommissar Markos Kyprianou:

“Eine EU-weite Anhebung des Mindestalters für den Alkoholkauf von 16 auf 18 Jahre, von der die ‘Bild’-Zeitung am Donnerstag berichtete, sei aber nicht geplant.

Die Kommission wolle im Sommer Leitlinien zum Thema Alkohol und Gesundheit veröffentlichen, sagte Kyprianous Sprecher Philip Tod. Dabei handele es sich jedoch nur um Empfehlungen in Form einer so genannten Kommissionsmitteilung. ‘Bild’ hatte von einer Verordnung berichtet, die rechtlich bindend wäre. Kyprianou sehe keine Notwendigkeit für eine EU-Gesetzgebung, betonte Tod.”

In diesem Zusammenhang sei den “Bild”-Rechercheuren vor der Abfassung weiterer EU-Falschmeldungen ein Blick auf die Website eu-kommission.de empfohlen. Zum Thema “Alkohol erst ab 18!” etwa stand dort nämlich bereits im Januar:

“Was Beschränkungen für den Verkauf von Alkohol an Minderjährige angeht, so hat die EU-Kommission hier keine Kompetenzen und strebt folglich auch keine EU-weite Regelung an.”

Kurzum: Wir sind gespannt, wann und wie “Bild” ihre heutige Falschmeldung “unverzüglich von sich aus in angemessener Weise richtigzustellen” gedenkt, wie es der Pressekodex empfiehlt. Denn (nur zur Erinnerung) beim letzten Mal, als “Bild” falsch über die EU-Kommission berichtet hatte, sah die angemessene Richtigstellung in “Bild” so aus:

"Gegendarstellung (...) Die EU schafft Deutsch nicht ab."

Mit Dank an Oliver-Sven L. und Michael B. für die Anregungen.

Nachtrag, 17.40 Uhr: Mittlerweile habe wir auch die mutmaßliche Quelle für die mutmaßlich falschen “Bild”-Behauptungen ausfindig gemacht. So stand gestern im Handelsblatt, die EU-Kommission wolle “gegen den Alkoholmissbrauch vorgehen” und “dazu ein Bündel von Vorschlägen machen, etwa die Heraufsetzung des Mindestalters für den Verkauf von Bier und Wein auf 18 Jahre”. Und ein Sprecher der EU-Kommission sagt uns deshalb, die heutige Pressemitteilung beziehe sich durchaus auch auf den “Handelsblatt”-Artikel — in dem sich übrigens auch mehrfach das von “Bild” so fälschlich verwendete Wort Verordnung findet, allerdings, wie man vielleicht dazusagen sollte, in völlig anderem Zusammenhang (“Gestern verabschiedete das EU-Parlament eine Verordnung, welche die nährwert- und gesundheitsbezogene Werbung für Lebensmittel stark einschränkt.”).

Begleiterscheinungen

“Beweist eine Gegendarstellung, dass eine Zeitung falsch berichtet hat? – ‘Nein.'”

So stand es mal in der “Bild am Sonntag”.

Vergangenen Sonntag allerdings stand dort dies:

“Ein schöner Beleg für die bekannte Reiselust unserer Politiker: Grünen-Fraktionschef Fritz Kuhn ist gerade von einer hochoffiziellen Dienstreise zum Amazonas aus Brasilien zurückgekommen. Einzige Begleitung: die Kuhn-Mitarbeiterin Marianne Tritz , eine ehemalige Bundestagsabgeordnete. Mittwoch gab’s dann ein streng vertrauliches Gipfeltreffen in einem Hinterzimmer der Pizzeria ‘Cinque’. (…) Doch um die Dienstreise an den Amazonas ging es dem Vernehmen aus der Grünen-Spitze nach mit keinem Wort. So wichtig kann die ja dann nicht gewesen sein…”

Und sagen wir’s so: Was auch immer uns “BamS”-Chefkolumnist Martin S. Lambeck mit diesem kleinen Textchen mitzuteilen gedachte über Fritz Kuhn — Kuhns “einzige Begleitung” war Marianne Tritz nicht. Mit dabei waren zumindest Kuhns Parteikollege Winfried Hermann und die Vorsitzende der Heinrich-Böll-Stiftung, Barbara Unmüßig, die gemeinsam mit Kuhn am 4. Mai um 19 Uhr (und mehrere tausend Kilometer vom Amazonas entfernt) an einer Diskussionsveranstaltung im Goethe-Institut Sao Paulo teilnahmen.

Allein deshalb kann man durchaus nachvollziehen, dass Kuhn heute bekanntgeben ließ, “eine Gegendarstellung und eine Unterlassungserklärung” gegen die “BamS” durchsetzen zu wollen, deren Meldung, wie es in einer Pressemitteilung heißt, “offensichtlich mit gezielten Falschinformationen den Eindruck einer ‘Vergnügungsreise’ erwecken” sollte.

Mit anderen Worten: Eine Gegendarstellung beweist tatsächlich nicht, dass eine Zeitung falsch berichtet hat. Aber wozu gibt’s schließlich Fakten?

Nachtrag, 22.5.2006: Martin S. Lambeck hat sich nun, eine Woche später, in seiner “BamS”-Kolumne selbst korrigiert. Er schreibt:

“In Sachen Brasilien-Dienstreise des Grünen-Fraktionschefs Fritz Kuhn muß ich mich korrigieren: Kuhn war nicht nur mit der für Außenpolitik zuständigen Referentin Marianne Tritz nach Brasilien gereist, sondern der Delegation gehörten insgesamt sechs Personen, darunter auch der Bundestagsabgeordnete Winfried Hermann, an. Übrigens ging es auch nicht zum Amazonas, sondern in die Hauptstadt Brasilia, nach Rio de Janeiro und São Paulo, wo die Delegation unter Leitung von Kuhn intensive Gespräche über außen-, wirtschafts- und umweltpolitische Themen führte. Die Reise war also politisch doch wichtig.”

Heide Simonis wehrt sich gegen “Bild”

Frau Simonis reicht es jetzt.

Die frühere schleswig-holsteinische Ministerpräsidentin hat vor dem Landgericht Berlin eine einstweilige Verfügung erwirkt. “Bild” muss nach dem Beschluss, der BILDblog vorliegt, folgende Gegendarstellung auf der Titelseite drucken:

Zu der Überschrift in Bild vom 2.5.2006 “Heide Simonis jetzt ins Dschungel TV?” stelle ich fest: Ich habe stets erklärt, daß ich zur Teilnahme an einer solchen TV-Show nicht zur Verfügung stehe.

Über Wochen hatte sich “Bild” über die Teilnahme von Frau Simonis an der RTL-Show “Let’s Dance” in Rage berichtet. Vorläufiger Höhepunkt war dieser gewaltige Aufmacher am Dienstag*:

Heide Simonis jetzt ins Dschungel-TV?

Die Frage hätte “Bild” selbst aus vielerlei Gründen mit “Nein” beantworten können — nicht zuletzt, weil Frau Simonis selbst die Teilnahme an solchen Sendungen längst ausgeschlossen hatte, auch gegenüber “Bild”. Am 11. April hatte die Zeitung schon nachgefragt: “Frau Simonis, haben Sie keine Angst, sich lächerlich zu machen?” Und Heide Simonis hatte den Unterschied erläutert zwischen Tanzen (nicht peinlich) und Ameisen-Essen (peinlich) und erklärt: “Es gibt auch Grenzen. Ich würde z.B. nicht ins Big-Brother-Haus einziehen.”

Mit Fotomontagen illustrierte die “Bild”-Zeitung am Dienstag gleich ihre Fantasie und zeigte Frau Simonis mit Maden, halbnackt im “Big Brother”-Haus, beim Promiboxen. Auch diese Abbildungen will Simonis verbieten lassen, weil damit ihre “Menschenwürde und die Bild- und Persönlichkeitsrechte” verletzt würden. Weil “Bild” freiwillig keine Unterlassungserklärung abgeben wollte, entscheidet darüber nun das Landgericht Berlin. (Bei Bild.de ist der entsprechende Artikel bereits jetzt nicht mehr vorhanden.)

Das ist interessant, was “Bild” unter Berichterstattung versteht: Fragen stellen, die bekannten Antworten ignorieren und das Gegenteil suggerieren. Auch am Mittwoch. “Bild” schrieb:

Bereut Heide Simonis ihre Teilnahme am RTL-Spektakel bereits? Gestern teilte die Deutschland-Vorsitzende von “Unicef” mit: Nach “Let’s Dance” hängt sie ihre Tanzschuhe an den Nagel. Weitere TV-Show mit ihr soll es nicht geben. Simonis: “Noch drei Runden tanzen, dann ist das Thema erledigt.”

Man könnte denken, die Zitate von Simonis seien die Antwort auf die “Bild”-Frage, ob sie ihre Teilnahme an der Show bereue. Und es klingt, als bereute sie es. Dabei gab Simonis gegenüber dpa eine klare Antwort auf die Frage von “Bild”:

Ihre Teilnahme an “Let’s Dance” bereue sie trotz der teils hämischen Kommentare nicht, sagte Simonis (…)

*) Durch diesen “Bild”-Artikel ließ sich auch eine vermeintlich seriöse Zeitung wie der “Kölner Stadtanzeiger” online zu der Schlagzeile animieren: “Heide Simonis soll in den Dschungel”. Erst im Nachhinein wurde der Artikel geändert. Er heißt jetzt: “Heide Simonis will nicht in den Dschungel”.

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