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Die Effenberg-Symbiose

Dies ist die erstaunliche Geschichte von Jan Mendelin, einem glücklichen Mann, der es geschafft hat, gleichzeitig eine Art Manager des Fußballers Stefan Effenberg zu sein und regelmäßig in der “Bild”-Zeitung als scheinbar unabhängiger Journalist über Stefan Effenberg zu schreiben. Erzählt hat sie gestern das NDR-Medienmagazin “Zapp” in einem Schleichwerbe-Special.

Mendelin war früher Redakteur bei RTL. Der “Spiegel” berichtet, 1999 habe der damals 26-jährige als Reporter den Sportler kennengelernt und schnell Freundschaft geschlossen. Schon im ersten Interview habe Mendelin nach fünf Minuten bewundernd festgestellt: “Stefan, Sie sind ja total unkompliziert.”

Ab Herbst 2002 taucht Mendelin in den Medien in einer veränderten Rolle auf. In einem Interview mit “Bild am Sonntag” am 10. November 2002 spricht Effenberg unter anderem über die Trennung von seiner Frau:

“BamS”: Ihre Frau Martina war auch Ihre Managerin. Wer macht das heute?

Effenberg: Ich habe jetzt einen Koordinator — Jan Mendelin. Der kümmert sich auch um meine Memoiren, die im nächsten Jahr rauskommen.

Die “Berliner Zeitung” schreibt wenige Tage später, Mendelins Aufgabe bestehe “vor allem darin, Medienanfragen abzublocken”.

Mendelin schreibt mit und für Effenberg dessen Biographie, die im Frühling 2003 exklusiv von “Bild” vorabgedruckt wird: “Jetzt knallt’s täglich In BILD! Skandal- Fußballstar Stefan Effenberg (34) rechnet ab. (…) Effe so intim wie nie.” Seine Geschäftsbeziehung zu Effenberg wird von vielen Medien diskutiert; sie ist auch kein Geheimnis: Mendelins Name steht mit auf dem Buchcover.

Jan MendelinNun könnte man glauben, dass ihn das disqualifizert, gleichzeitig in der Rolle als scheinbar unabhängiger Journalist über Effenberg zu berichten. Nicht für “Bild”. Am 7. Februar 2004 führt Mendelin mit einem anderen Autor zusammen für “Bild” ein “Interview” mit seinem eigenen Schützling: “EFFE – Abrechnung mit dem FC Arrogant”. Am 8. September 2004 ist Mendelin der Autor eines großen “Bild”-Interviews: “Effenberg & Frau Strunz exklusiv in BILD: Warum wir uns trennen”. Am 20. April 2005 “interviewt” Mendelin Effenberg für “Bild” und setzt davor den einleitenden Satz: “Die Fans in Gladbach lieben ihn”. Am 29. Juni 2005 schreibt Mendelin in “Bild”: “Effes Frau will mehr Geld für die Kinder: Unterhalts-Klage gegen Strunz”. Am 22. Juli 2005 “interviewt” Mendelin für “Bild” Effenbergs Eltern, am 25. Juli 2005 “berichtet” er für “Bild” über Effenbergs Abschiedsspiel.

Zur Höchstform läuft Mendelin in seiner Doppelrolle auf, als Effenberg wegen Polizistenbeleidigung angeklagt wird. “Zapp” zeigt, wie Mendelin als Berater Effenbergs vor und im Gerichtssaal nicht von dessen Seite wich. Gleichzeitig schrieb er für “Bild” die Artikel über den Prozess, z.B.: “Effes Arschloch-Prozess”, “Effe — Das Urteil ist eine Unverschämtheit”, “Effe spuckt Gift und Galle”.

All das widerspricht der Ziffer 7 des Pressekodex, in der es heißt:

Die Verantwortung der Presse gegenüber der Öffentlichkeit gebietet, dass redaktionelle Veröffentlichungen nicht durch private oder geschäftliche Interessen Dritter oder durch persönliche wirtschaftliche Interessen der Journalistinnen und Journalisten beeinflusst werden.

Es widerspricht auch fundamental den angeblich bei der Axel Springer AG geltenden “journalistischen Leitlinien”.

Und was sagt der Verlag zu den Vorwürfen? Offiziell nichts. “Zapp” berichtet, der “Bild”-Sprecher habe ausrichten lassen, man wisse nichts von einer Geschäftsverbindung zwischen Mendelin und Effenberg.

Danke auch an Thomas C.

Nachtrag, 5. November. Wir haben am Donnerstagmittag den “Bild”-Pressesprecher gebeten, uns zu sagen, ob Mendelin auch in Zukunft für “Bild” über Effenberg berichten wird. Wir haben keine Antwort erhalten.

Nachtrag, 30. November. Inzwischen haben wir vom “Bild”-Pressesprecher die Zusage bekommen, noch in diesem Jahr eine Antwort auf unsere Fragen zu erhalten.

Nachtrag, 5. Januar. Tatsächlich hat uns der “Bild”-Pressesprecher noch 2005 geantwortet. Am 24. Dezember teilte er uns mit:

1. Wir haben Ihre Vorwürfe gegen Hr. Mendelin geprüft. Daraus hat sich für uns nach wie vor kein Nachweis für eine Geschäftsbeziehung zwischen ihm und Effenberg ergeben. Als was ihn verschiedene Medien, egal aus welchem Verlag, bezeichnen, sagt ja noch nichts über einen wirklichen Tatbestand aus. Da werden Sie mir sicherlich zustimmen.

Zudem liegt uns eine Eidesstattliche Erklärung von Hr. Mendelin vor. Für uns gibt es keinen Anlaß daran zu zweifeln.

2. Wie bereits erwähnt ist Hr. Mendelin freier Autor, insofern kann ich Ihnen nicht sagen ob, wann oder über was er das nächste Mal für BILD schreibt.

Wir bleiben an der Sache dran.

Angst vor leichten Verletzungen

Der Rennfahrer Heinz-Harald Frentzen hatte am Sonntag bei der DTM in Hockenheim einen schweren Unfall. Er wurde nach Ludwigshafen in die Klinik gebracht, wo eine leichte Gehirnerschütterung diagnostiziert wurde. Das wurde bereits am Sonntag bekannt und von “Bild” geflissentlich ignoriert. Am Montag berichtete das Blatt so:

Im Text heißt es:

Bei einer Computer-Tomografie wird eine Gehirnerschütterung der schwersten Kategorie festgestellt. Frentzen wird sofort auf die Intensivstation gebracht. Er hat außerdem schwere Prellungen und ein Schleudertrauma.

Dazu wäre, erstens, zu sagen, dass es terminologisch gar keine Gehirnerschütterung der “schwersten Kategorie” gibt (eine Gehirnerschütterung ist eine leichte Form des Schädel-Hirn-Traumas). Zweitens ist anzumerken, dass eine Gehirnerschütterung nicht per Computer-Tomographie nachweisbar ist (es lassen sich lediglich schwerere Gehirnverletzungen nachweisen und somit ausschließen). Und drittens hieß es dann gestern in einer Mitteilung der DTM:

Frentzen auf dem Weg der Besserung

Doch auch das wurde von “Bild” ignoriert. Heute steht also folgendes im Blatt:

Auffällig daran ist nicht nur, dass im Text jetzt schon von “Hirnprellungen” die Rede ist (die “Angst vor Hirnblutungen” dürfte ein Zitat des behandelnden Arztes im Handelsblatt zerstreuen), sondern auch, dass Frentzen selbst in “Bild” zitiert wird. Und zwar so:

“Ich habe noch sehr starke Kopfschmerzen. An den Unfallhergang kann ich mich nicht erinnern.”

Nicht, dass er das nicht gesagt hätte, das hat er durchaus. Allerdings klingt das vollständige Zitat, wie es sich in der bereits erwähnten Besserungs-Meldung auf der DTM-Internetseite nachlesen lässt etwas anders:

“An den Unfallhergang kann ich mich nicht erinnern”, sagt Frentzen. “Generell geht es mir gut außer, dass ich noch starke Kopfschmerzen habe. (…)”

Und eigentlich wäre die Geschichte hiermit zuende. Ist sie aber nicht. Denn erstens hat man sich bei Focus-Online dummerweise entschieden, die heutige Hirnblutungs-Geschichte aus “Bild” ungeprüft zu übernehmen. Und zweitens wusste man bei Bild.de offenbar schon gestern, dass alles halb so schlimm ist. Mit Datum vom 24. Oktober wurde nämlich diese Geschichte veröffentlicht:

Mit Dank für die zahlreichen sachdienlichen Hinweise

  

Auszüge aus dem “Influenzapandemieplan (Teil II)”

1.2 Ziele des Pandemieplans

Der Plan soll einerseits Eckpunkte für die notwendigen Maßnahmen zur Vorbereitung auf eine Pandemie vorgeben und andererseits Richtlinien für das fachlich-organisatorische Management in der Frühphase und während des eingetretenen Pandemiefalls bereitstellen. Es sollen damit folgende Ziele erreicht werden:

  • die Reduktion der Morbidität und Mortalität in der Gesamtbevölkerung,
  • die Sicherstellung der Versorgung erkrankter Personen,
  • die Aufrechterhaltung essentieller, öffentlicher Dienstleistungen,
  • die zuverlässige und zeitnahe Information für politische Entscheidungsträger, Fachpersonal, die Öffentlichkeit und die Medien.

Wichtig ist zur Minimierung der Gesamt-Morbidität und -Mortalität auch die Aufrechterhaltung einer adäquaten Gesundheitsversorgung und der öffentlichen Ordnung. Essentielle Dienstleistungen wie die Versorgung mit Trinkwasser und Nahrungsmitteln, Energie, die Kommunikation und Information, das Transportwesen und nicht zuletzt die innere und äußere Sicherheit, insbesondere auch das Gesundheitswesen sind durch pandemiebedingten Personalausfall gefährdet. Daher muss der Influenza-Prophylaxe der entsprechenden Berufsgruppen ein besonderer Stellenwert eingeräumt werden.

4 Rechtliche Aspekte

[…] Die Frage der Priorisierung bestimmter Bevölkerungsgruppen bei der Prophylaxe setzt aufgrund der Einschränkung des Gleichbehandlungsgrundsatzes im Grundgesetz das Vorliegen sachlicher Gründe, wie z. B. der Aufrechterhaltung der Patientenversorgung und der Öffentlichen Ordnung, voraus. […]

6.2.3 Impfstrategie im Pandemiefall

Ziel der Impfprävention im Rahmen einer Pandemie ist der möglichst rasche und vollständige Impfschutz der gesamten Bevölkerung vor dem pandemischen Virus. Jedoch wird auch bei deutlich beschleunigter Impfstoffproduktion und Zulassung zunächst nicht ausreichend Impfstoff für die gesamte Bevölkerung zur Verfügung stehen. Hieraus ergibt sich die Notwendigkeit einer Priorisierung der zu impfenden Gruppen. Dies empfiehlt auch die WHO in ihrem Pandemieplan von 1999. Die Kriterien für eine Priorisierung müssen klar und transparent sein und begründet werden. Die Entscheidungen müssen bundesweit nach einer einheitlichen Praxis gefällt und im gesellschaftlichen Konsens getroffen werden.

Eine Prioritätensetzung kann prinzipiell unter verschiedenen Gesichtspunkten erfolgen:
1. politisch-sozialer Aspekt: Impfung von
(1) dem in der Akutmedizin beschäftigten medizinischen und Pflegepersonal, nachrangig aber auch sonstiges medizinisches und Pflegepersonal.
(2) Beschäftigten, die für die öffentliche Ordnung wichtig sind,
(3) Berufstätigen.

Ziel hierbei ist die Aufrechterhaltung der medizinischen Versorgung und der staatlichen Infrastruktur sowie der Minimierung der wirtschaftlichen Folgen einer Pandemie.

[…] Ziel einer Prioritätenliste muss eine Impfstoffverteilung sein, die den höchsten Nutzen für die Minderung der Morbidität und Mortalität verspricht. Dies kann am ehesten durch ein funktionierendes Gesundheitswesen erreicht werden. Die Expertengruppe ‘Influenza-Pandemieplanung’ am RKI hat sich dafür ausgesprochen, dass der Aufbau eines ausreichenden Immunschutzes im Falle sehr knapper Impfstoffressourcen prioritär für das Personal im (akuten) ambulanten und stationären medizinischen Versorgungsbereich gewährleistet werden soll. Dafür gibt es drei Begründungen:

(1) durch den ständigen Kontakt zu erkrankten Patienten, Kollegen und Besuchern besteht für diese Berufsgruppe eine erhöhte Gefahr einer Influenzainfektion,
(2) durch ihre eigene Infektion kann die Influenza auf Personen mit erhöhtem Risiko, Kollegen sowie Angehörige und andere Bevölkerungsgruppen übertragen werden.
(3) Der letztendlich krankheitsbedingte Ausfall gefährdet nicht nur die medizinische Versorgung von Influenzakranken, sondern auch von Kranken, die nicht Influenza-infiziert sind und den Arzt aufsuchen oder in ein Krankenhaus eingeliefert werden. Zum medizinischen Personal zählen in Deutschland insgesamt etwa 3,8 Millionen Personen.

An zweiter Stelle stehen die Berufsgruppen zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Infrastruktur und Sicherheit, deren Arbeitsfähigkeit für die Allgemeinheit besonders wichtig ist. Zu dieser Berufsgruppe zählen in Deutschland bundesweit ca. 3,1 Millio-nen Menschen. Die Reihenfolge, in der diese Berufsgruppe geimpft werden kann, hängt von der Menge der verfügbaren Impfstoffdosen ab. Auf Landesebene kann im Bedarfsfall bei einer Pandemie eine weitere Priorisierung innerhalb dieser Berufsgruppen erfolgen. Insgesamt müssten zur Sicherstellung der medizinischen Versorgung und Aufrechterhaltung der essentiellen Infrastruktur ca. 7 Millionen Personen vorrangig geimpft werden. Dies entspricht 8,5% der Gesamtbevölkerung.

7.2.1 Prioritäre Gruppen

[…] Solange kein Impfstoff zur Verfügung steht und bis ein Immunschutz aufgebaut werden kann, können besonders gefährdete und exponierte Berufsgruppen durch eine ausreichende und frühzeitige Prophylaxe vor einer Infektion geschützt werden (Langzeitprophylaxe). V.a. für die Funktionsfähigkeit des Gesundheitswesens und die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung wäre die Prophylaxe der Beschäftigten sinnvoll und wünschenswert. Krankenhaus- und Pflegepersonal haben durch die Versorgung Erkrankter nicht nur ein erhöhtes Krankheitsrisiko, sondern stellen auch eine nicht zu unterschätzende Infektionsquelle dar. Dies ist bei der Influenza von besonderer Bedeutung, da bereits vor Beginn der klinischen Symptomatik ein Infektionsrisiko bestehen kann. Das Medizinpersonal ist entscheidend für die Aufrechterhaltung der medizinischen Versorgung aller übrigen Bereiche. Bei einer Influenzapandemie ist ohnehin mit extremen Personalengpässen zu rechnen, so dass ein Ausfall des medizinischen Personals möglichst zu vermeiden ist. Selbst wenn diese Beschäftigten unmittelbar keiner höheren Gefährdung unterliegen, an der Krankheit zu sterben, sind andere Patienten mittelbar durch eine fehlende Krankenversorgung gefährdet. Gleiches gilt für den Bereich der Sicherstellung der öffentlichen Ordnung. Ein erhöhter Ausfall an Sicherheits- und Ordnungspersonal (Polizei/Berufsfeuerwehr) durch hohen Krankenstand ohne die Möglichkeit einer Umschichtung gefährdet das öffentliche Leben. Die Bund-Länder-Arbeitsgruppe hatte sich deshalb dafür ausgesprochen, dass langfristig als Teil der Strategie auch eine Bevorratung für die Prophylaxe der Beschäftigten im Gesundheitswesen im Bereich der öffentlichen Sicherheit und Ordnung angestrebt werden sollte. Nach den Modellrechnungen des RKI (vgl. Kap 2.5) könnten bei einer Therapie aller Erkrankten mit antiviralen Arzneimitteln je nach Erkrankungsrate ca. 90.000-300.000 Hospita-lisierungen und ca. 24.000 bis 80.000 Todesfälle verhindert werden (Erkrankungsrate zwischen 15 und 50%). Eine zusätzliche Prophylaxe für die priorisierten Berufsgruppen könnte neben der Aufrechterhaltung der Arbeitsfähigkeit ca. 5,2-17,3 Millionen Arztkonsultationen und weitere ca. 18.000-60.000 Hospitalisierungen sowie ca. 4.800-16.000 Todesfälle vermeiden.

Quelle: “Nationaler Influenzapandemieplan (Teil II): Analysen und Konzepte für Deutschland – Ein Bericht der Expertengruppe ‘Influenza-Pandemieplanung’ am Robert Koch-Institut”

Kurz korrigiert (23)

“Eine Fehlgeburt (…) ist das verfrühte Ende einer Schwangerschaft durch (…) Verlust des weniger als 500 g wiegenden Fetus, ohne dass extrauterine Lebensfähigkeit gegeben ist, also vor Ablauf der etwa 22. bis 24. Schwangerschaftswoche.”
(Quelle: Wikipedia)

“Eine Totgeburt liegt vor, wenn das geborene Kind mindestens 500 g wiegt und im Mutterleib (intrauterin) oder während der Geburt verstorben ist. Eine Totgeburt ist meldepflichtig. Die Mutter erhält für ihr totgeborenes Kind eine Geburtsurkunde und einen Totenschein. Ein totgeborenes Kind unterliegt (…) der Bestattungspflicht.”
(Quelle: Wikipedia)

Anders als “Bild” annimmt, bedeuten die Worte Fehlgeburt und Totgeburt also nicht dasselbe.

PS: Eher unwahrscheinlich ist darüber hinaus die “Bild”-Behauptung, dass Jenny Elvers-Elbertzhagen, die vor fünf Wochen in der achten Schwangerschaftswoche eine Fehlgeburt hatte, am 3. September (also in der sechsten Schwangerschaftswoche) “ihr Bäuchlein kaum noch verbergen” konnte.

Mit Dank an Gudrun S. und Simon K. für die Hinweise.

Nachtrag, 7.11.2005:
Immerhin: Zweieinhalb Wochen später hat “Bild” den Unterschied offenbar begriffen und schreibt an anderer Stelle ausdrücklich: “In Deutschland werden jährlich rund 4000 Babys tot geboren. Dazu zählt man aber nicht solche, die vor der 25. Schwangerschaftswoche zur Welt kommen. Diese bezeichnet man als Fehlgeburt.”

Mit nachträglichem Dank an Tobias M.

Offener Brief an Dr. Mathias Döpfner

Berlin, den 10. Oktober 2005

Herrn Dr. Mathias Döpfner
Axel Springer AG
Axel-Springer-Straße 65
10888 Berlin

Sehr geehrter Herr Dr. Döpfner,

in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa haben Sie in der vergangenen Woche die Vermischung kommerzieller und redaktioneller Inhalte “brandgefährlich” genannt. Sie sagten, Medien, die die Grenzen aufweichten, drohten sich damit selbst den Ast abzusägen. Sie plädierten für eine “sehr strikte” Trennung.

Herr Döpfner, kennen Sie das Internetangebot von Bild.T-Online? Es handelt sich dabei um ein Joint Venture, an dem das von Ihnen geführte Unternehmen Axel Springer 63 Prozent der Anteile hält. Es gibt dort eine Rubrik namens “Erotik”, die sich in ihrer Aufmachung in keiner Weise von Rubriken wie “Nachrichten” oder “Sport” unterscheidet. Die einzelnen Menüpunkte sind wie redaktionelle Menüpunkte gestaltet; die einzelnen Teaser in diesem Ressort sehen exakt so aus wie Teaser, die in anderen Ressorts zu redaktionellen Beiträgen führen.

Der “Aufmacher” im Ressort Erotik heißt aktuell (10. Oktober, 21 Uhr): “Richtig dicke Möpse! Dicke HUPEN”. Ein Klick führt zum gleichnamigen Angebot der Firma Telecall unter der Adresse “sexdate.de”, das unter anderem “heißen Livesex” verspricht.

Der im Stil eines Artikelanreißers gestaltete Teaser daneben zeigt eine Frau, die unter der Überschrift “Das Privatcam-Portal” verspricht: “Ich schenk’ Dir bis zu 40 Euro!” Ein Klick führt zum Angebot “Sex and the Web” der Schweizer Firma Aximus, die unter anderem “aufwendig produzierte Erotikfilme in der Hardcore-Version: ungeschnitten und unzensiert” verkauft.

Der scheinbar redaktionelle Teaser darunter lockt mit einer “Neuen Erotik-Videothek: XXX-Movies — 40.000 Filme online”. Er führt zu einem kostenpflichtigen Angebot von Telecall.
Wer auf den Teaser “Nur ein Klick zum Seitensprung” klickt, bleibt zunächst auf den Seiten von Bild.T-Online. In der Aufmachung eines redaktionellen Artikels heißt es dort: “Weil’s so schön anonym ist… Seitensprung bei Bild.T-Online! (…) Mit dem neuen Seitensprung-Service auf Bild.T-Online geht’s jetzt ganz einfach, sicher und unbemerkt!” Das Wort “Werbung” oder “Anzeige” steht nicht auf dieser Seite. Auch nicht über dem Link, mit dem man “zu deinem Seitensprung” kommt. Er führt zum kostenpflichtigen Angebot flirtpub.de der Firma Bosner Onlineservice.

Der Teaser mit den Worten “Neue Reality-Serie: Frauen ab 30 wollen mehr” führt zur “Babeslounge.de” mit kostenpflichtigen Videos. Wer auf “Brandaktuell: Bundesweite Kontaktanzeigen” klickt, gelangt zur “Erotik-Online-Zeitung” “Ladies.de”, deren “Topmeldung” aktuell lautet: “Am 11. Oktober Gang-Bang mit Kyra Shade”.

Die weiteren “Überschriften”, die im redaktionellen “Erotik”-Ressort von Bild.T-Online zu finden sind, führen unter anderem zu den sämtlich kostenpflichtigen Angeboten “stripfun.com”, “Lesbenspecial Chrissy & Mia” (Beate Uhse), “Sex Trainingskamp” und “videodevil.de”. Die redaktionell wirkende “Seitensprung-Suche”, bei der der Nutzer eingeben kann, ob er männlich oder weiblich ist, einen Mann oder eine Frau sucht und er Wert auf ein Bild legt — sie führt ebenfalls zu flirtpub.de.

Keiner der genannten Teaser und Artikel ist an irgendeiner Stelle auf Bild.T-Online mit den Worten “Anzeige”, “Werbung”, “Shop” o.ä. gekennzeichnet. Es gibt bei Bild.T-Online keine Trennung von redaktionellen und werblichen Inhalten. Einige Werbelinks sind zwar mit dem Wort “Anzeige” gekennzeichnet. Das führt allerdings dazu, dass die vielen Werbelinks, die nicht mit dem Wort “Anzeige” gekennzeichnet sind, in ihrer Gestaltung noch irreführender sind.

Beim “Erotik”-Ressort handelt es sich übrigens, anders als bei der Rubrik “Shopping”, nicht um ein reines Werbeportal. Einige der redaktionell gestalteten Teaser führen nicht zu kommerziellen Angeboten, sondern tatsächlich zu redaktionellen Texten, etwa über Themen wie “Welche Sex-Pille soll man(n) nehmen?” oder: “Was Männer im Bett wirklich wollen”. Ähnlich vollständig ist die Vermischung im Ressort “Singles”, das gerade eine redaktionell gestaltete “neue Serie” über “Sexy Singles” begonnen hat, hinter der sich in Wahrheit Werbung für “Friendscout24” verbirgt. Auch hier gibt es keine Möglichkeit, Werbung und Redaktion voneinander zu unterscheiden.

Auf den Seiten, mit denen der “Verband Deutscher Zeitschriftenverleger” (VDZ) für “Crossmedia”-Werbung wirbt, finden sich unter anderem die Kampagnen “Kochbuch für Deutschland” und “Küche für Deutschland” von Bild.T-Online mit jeweils einem Werbepartner. Dort wird als einer der Vorteile dieser Aktionen genannt:

“Aktionen für Deutschland” werden im Stil redaktioneller Beiträge erklärt und beworben.

In der “Animation der Kampagnenmechanik” wird die Grenzen verwischende Technik detailliert demonstriert. Zum Angebot gehört ein “Online-Special mit eigener Subnavigation” — gemeint ist ein Menüpunkt in der Seitennavigation, der nicht als Anzeige gekennzeichnet ist, sondern wie ein Menüpunkt aussieht, der zu redaktionellen Angeboten führt. Als Teil der Werbekampagne führte Bild.de (im redaktionellen Teil) ein “Gewinnspiel” durch, bei dem die Bild.T-Online-Leser in einem “großen Foto-Wettbewerb” “Deutschlands schönstes Küchengirl” wählten.

In der Demonstration, wie für das “Kochbuch für Deutschland” geworben werden konnte, ist von der “Anbindung an redaktionell gestaltete, werbliche Artikel zum Thema” die Rede. Das Internetportal Bild.T-Online verwischt also nicht nur die Grenzen zwischen redaktionellen und werblichen Artikeln, sondern wirbt auch noch damit, dass und wie es die Grenzen verwischt.

Herr Döpfner, weil wir gerne glauben wollen, dass es sich bei Ihren Aussagen vergangene Woche gegenüber dpa nicht nur um wohlfeile Worte handelt, die keine Bedeutung für die tatsächliche Arbeit in der Axel Springer AG haben, möchten wir Sie fragen:

  • Gilt der Trennungsgrundsatz von Werbung und Redaktion, der auch in den “journalistischen Leitlinien” von Axel Springer festgelegt ist, nicht für Online-Angebote?
  • Inwiefern entsprechen die oben geschilderten Beispiele Ihrer Vorstellung davon, wie Werbung und Redaktion “sehr strikt” getrennt werden?
  • Wie lässt es sich mit Ihren Vorgaben vereinbaren, dass bei Bild.T-Online nicht nur einzelne Werbebotschaften nicht als Werbung gekennzeichnet sind, sondern anscheinend ganze Bereiche des Angebotes auf einer systematischen Verwechselbarkeit von werblichen und redaktionellen Botschaften aufgebaut sind?

Mit freundlichen Grüßen
BILDblog.de

Kurz korrigiert (19)

“Bild” berichtet, dass heute im Länderspiel gegen China “ein neuer Frings” auftreten wird. Unwahrscheinlich ist dennoch, dass Torsten Frings deshalb gleich von Bremen nach Gladbach wechselt, neun Jahre jünger wird und ihm 43 Länderspiele aus der Statistik gestrichen werden. Dann hätte man ja gleich Marcell Jansen aufstellen können.

Danke an Philipp W. und Leo E.

15

Vielleicht erinnern wir noch einmal kurz an den Fall der 15-jährigen Anne. “Bild” berichtete mehrmals über einen angeblichen “Behörden-Skandal”, weil das Jugendamt nicht verhinderte, dass das Mädchen mit einem viel älteren Mann zusammenlebte — offenbar freiwillig. “Bild” veröffentlichte Bilder der 15-jährigen, bezeichnete den Mann als “tätowiertes Liebesmonster”, behauptete wahrheitswidrig “Ihre Liebe ist verboten!” und stöhnte: “Keiner tut etwas dagegen”.

Und damit zu einem ganz anderen Thema. Die Golferin Michelle Wie ist 15 Jahre alt. Die “Bild”-Zeitung berichtet über ihr erstaunliches Talent. Bei Bild.de haben sie ihr eine Bildergalerie gebaut. In den Texten ist die Rede vom “süßen Schulmädchen”. “Bild” schreibt: “Sie ist bildhüsch! Sie ist erst 15! Und beim Golf lehrt sie die Männer das Fürchten!” Und: “Beim Putten muß man schon genau hinschauern, damit der Ball auch ins Loch paßt.” Und: “Oh Michelle, was für ein Blick! Kein Wunder, daß die 15jährige den Männern den Kopf verdreht.”

“Bild” findet Südkorea nicht

Na, das kann ja lustig werden. Morgen erscheint nämlich der vierte Teil von Franz Beckenbauers “WM-Tagebuch” in “Bild”. Thema: “Franz in Seoul/Südkorea”.

Und wenn Beckenbauer sich auf seinem Weg dorthin anhand der Karte orientiert hat, die “Bild” heute abdruckt, und auf der sie sich bemüht, seine Reiseroute nachzuzeichnen (siehe Ausriss), dann wird der arme Präsident des Koreanischen Fußballverbands (KFA), Chung Mong-Joon, wohl etwas bedröppelt am Flughafen gestanden haben, während der Franz, im Flugzeug über Vietnam, Thailand, Laos und Kambodscha kreisend, vergeblich Ausschau nach Seoul gehalten hat. Asien ist aber auch unübersichtlich.

Mit Dank für den sachdienlichen Hinweis an Andre E.

Allgemein  

Rückwärts in die Zukunft

Kennen Sie das auch? Sie laufen mühsam einen steilen Berg rauf und denken sich, Mensch, wenn es doch nur einen Trick gäbe, sich diese Strapazen zu ersparen. Wir haben da — inspiriert durch Bild.de — eine Empfehlung: Drehen Sie sich einfach um. Und gehen Sie rückwärts. Dann laufen Sie nicht bergauf, sondern bergab. Quasi.

Und damit zu einem neuen Elektroauto namens “Pivo” von Nissan. Dessen Fahrgastzelle lässt sich komplett auf dem Fahrgestell drehen. Das ist praktisch beim Einparken, weil man in alle Richtungen gucken kann. Unter anderem berichten “Auto Motor und Sport”, “Kronen-Zeitung” und “Blick” über dieses Gefährt. Aber nur “Bild” kommt auf die Idee, dass durch diese Konstruktion der Rückwärtsgang überflüssig würde…

Danke an largoplecs für den Hinweis.

Nachtrag, 3. Oktober: Womöglich hat “Bild” den Unsinn mit dem Rückwärtsgang doch nicht selbst erfunden, sondern einfach gedankenlos von AFP übernommen.

“Bild” verwechselt Frankfurt mit San Diego

Was haben San Diego und Frankfurt/Main gemeinsam?

In beiden Städten gibt es beispielsweise Hochhäuser.

Die Skylines von Frankfurt/Main und San Diego sehen sich aber trotzdem nicht ähnlicher als die von, sagen wir, Lübeck und Bremen.

Doch bei “Bild” und insbesondere auch bei Bild.de verwechselt man ja gerne mal was. So auch die Stadt am Main mit der Stadt am Pazifik. Jedenfalls behauptete man bei Bild.de spontan, dass ein dort abgebildetes Foto den Triathleten Normann Stadler beim Training “vor der Kulisse von San Diego” zeige (siehe Ausriss), obwohl es ihn doch vor der Kulisse von Frankfurt zeigt. Irgendjemandem muss der Fehler dann aber aufgefallen sein. Inzwischen wurde der falsche Satz geändert, und jetzt steht dort nur noch: “Normann Stadler beim Training”. Hm. Gut möglich, dass das immer noch falsch ist. Dafür, dass das Foto Stadler ganz und gar nicht beim Training zeigt, sondern beim “Opel Ironman Germany Triathlon”, spricht nämlich einiges. Zum Beispiel die Startnummer auf der rechten Hüfte.

PS: Anlass für die Geschichte über Stadler war übrigens eine kleine Meldung in der gestern erschienenen “Sport Bild”. Das Blatt berichtet, dass Stadler beim Training in San Diego von einem unter Drogen stehenden Autofahrer angegriffen wurde. Und “Bild” beruft sich auch explizit auf die Schwesterzeitschrift. Allerdings unnötiger Weise. Denn Stadler selbst hatte schon vor zwei Wochen, also am 15.9., auf seiner Internetseite darüber berichtet.

Mit Dank für den Hinweis an Helmut R. und Markus Z.

Nachtrag, 30.9.2005, 13:35 Uhr:
Wir müssen uns ein klein wenig korrigieren. Die spontaneBehauptung, das abgebildete Foto zeige Normann Stadler “vor der Kulisse von San Diego”, stammt gar nicht ursprünglich von Bild.de. Vielmehr taucht die falsche Bildunterschrift schon in Teilen der Print-Ausgabe von “Bild” auf (siehe Ausriss). Bild.de hat sie wohl bloß ungeprüft übernommen. Richtig ist es dagegen übrigens u.a. in der Regionalausgabe für Berlin und Brandenburg, oder zumindest nicht falsch. Dort wurde nämlich komplett auf eine Fotounterzeile verzichtet.

Mit herzlichem Dank für den Scan an Markus Z.

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