Fotoscheue “Querdenker”, Kirsten Boies VDS-Absage, Durchgestochen

1. Polizei soll Presse unterstützen
(deutschlandfunk.de, Annika Schneider & Sascha Borowski, Audio: 5:55 Minuten)
Bei den “Querdenker”-Demos wollen viele Teilnehmende nicht gefilmt oder fotografiert werden. Da wird gepöbelt, geschubst, gespuckt und geschlagen. Das Recht ist jedoch auf Seiten der Medien: Bilder von Demonstrationen dürfen auch ohne Einwilligung der Betroffenen veröffentlicht werden, solang es um die Darstellung des Geschehens geht und die Aufnahmen nicht aus dem Kontext gerissen werden. Medienverbände fordern von der Polizei, die Pressefreiheit entschiedener durchzusetzen. Der Deutsche Presserat hat dazu einen Entwurf mit Verhaltensgrundsätzen für Medien und Polizei (PDF) veröffentlicht – “zur Vermeidung von Behinderungen bei der Durchführung polizeilicher Aufgaben und der freien Ausübung der Berichterstattung”.

2. Warum werden so viele Interna aus den Corona-Runden publik?
(uebermedien.de, Jürn Kruse)
Immer wieder beraten die Kanzlerin und die 16 Ministerpräsidentinnen und -präsidenten der Länder über die Anpassung der Corona-Maßnahmen. Und immer wieder dringen vertrauliche Zwischenstände aus den Beratungen an die Öffentlichkeit. Florian Gathmann ist Korrespondent im “Spiegel”-Hauptstadtbüro und kennt das Geschäft mit den durchgestochenen Informationen: “Wenn Akteure im politischen Raum nicht ohne Hirn agieren – und davon sollte man immer ausgehen -, dann ist mit dem Durchstechen von Informationen grundsätzlich ein Interesse verbunden.” Auffällig oft würden die “Bild”-Medien Zugang zu Infos über den Fortschritt der Verhandlungen haben und die Zwischenstände über ihre Kanäle verbreiten.

3. “Barack Obama Book”: Mit simplem SEO und Fake Reviews zu Tausenden von Amazon-Buch-Sales
(omr.com, Roland Eisenbrand)
Der erste Teil der Autobiografie von Barack Obama dürfte sich zum weltweiten Bestseller entwickeln. Allein die Startauflage in den USA beträgt drei Millionen Exemplare. Entsprechend hoch ist die Medienaufmerksamkeit, was wiederum die Verkäufe fördert … Ein dubioser Verlag hat sich an den Erfolg des Originals angehängt und, vermutlich auf Verwechslung spekulierend, eine inoffizielle Biografie auf den Markt gebracht, die gerade mal 61 Seiten lang ist. Dabei hat der Schmu-Publisher wahrscheinlich allerlei Suchmaschinentricks und gefälschte Bewertungen verwendet, wie Roland Eisenbrand erklärt.

Bildblog unterstuetzen

4. Grundbuchamt nennt Kaufpreis für Spahns Millionen-Villa in Berlin-Dahlem
(tagesspiegel.de, Jost Müller-Neuhof)
Das Berliner Amtsgericht Schöneberg hat dem “Tagesspiegel” Informationen über den Erwerb einer Villa durch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn und dessen Ehemann zukommen lassen und dabei auch den Preis der Immobilie genannt. Dennoch wehrt sich Spahn mit Unterlassungsklagen gegen die Nennung des Preises in Medien. Für Jost Müller-Neuhof kommen dafür verschiedene Gründe in Betracht.

5. Urheberrechtsreform: Künstler laufen Sturm gegen freie Inhalte-Schnipsel
(heise.de, Stefan Krempl)
Der Entwurf des Bundesjustizministeriums zur Urheberrechtsreform führt zu einem klassischen Konflikt verschiedener Interessen: Auf der einen Seite eine Allianz von Künstlerinnen und Künstlern, die sich per Brief gegen die geplante Bagatellausnahme für nicht-kommerzielle Nutzungen wehren. Auf der anderen Seite Youtuber, Social-Media-Größen und Verbraucherschützer, die gegen Uploadfilter zu Felde ziehen.

6. Kirsten Boie lehnt Preis des Vereins Deutsche Sprache ab
(zeit.de)
Kirsten Boie ist eine herausragende Autorin von Kinder- und Jugendliteratur. Sie hat rund 100 Bücher veröffentlicht, von denen viele in diverse Sprachen übersetzt wurden. Nun wollte der Hamburger Landesverband des Vereins Deutsche Sprache (VDS) sie mit einem Preis auszeichnen, doch Boie lehnte ab. Sie störe sich an den rechtspopulistischen Äußerungen des VDS-Bundesvorsitzenden Walter Krämer. In ihrer Absage heißt es weiter: “Aber mehr noch als die verkürzte und realitätsfremde Vorstellung von Sprache, die sich in vielen Äußerungen zeigt, erschreckt mich, wie genau sie sich ausgerechnet in einer Zeit, in der wir mit Sorge einen Rechtsruck in Teilen der Bevölkerung beobachten müssen, in deren Argumentationsgänge einfügt”.

Googles Geld, Brandbeschleuniger Corona, König Karl

1. Zugreifen oder verzichten
(taz.de, Jann-Luca Künssberg)
Die stolze Summe von einer Milliarde US-Dollar will der Technologiekonzern Google in den nächsten drei Jahren weltweit in Journalismusprojekte investieren. Das Programm nennt sich “Google News Showcase” und findet in Deutschland unter der Beteiligung von 20 Verlagen statt. Ein großes Problem bei den Kooperationen mit dem Suchmaschinengiganten sei die Intransparenz: “Es bedarf einer öffentlichen Debatte. Schließlich wollen die Verlage auch weiterhin Geld von ihren Leser*innen, da sollten diese wenigstens darüber informiert werden, mit wem sie sich die Kosten für den Journalismus teilen.”

2. “Wie ein Brandbeschleuniger”
(sueddeutsche.de, Lisa Priller-Gebhardt)
In der sogenannten Produzentenallianz haben sich mehrere hundert Film- und Fernsehproduzenten zu einer Interessenvertretung zusammengeschlossen. Die “Süddeutsche” hat mit dem stellvertretenden Vorsitzenden Markus Schäfer über die derzeitigen Schwierigkeiten der Branche gesprochen. Bereits 2018 hätten viele Unternehmen an der Rentabilitätsgrenze gewirtschaftet, doch jetzt drohe eine Pleitewelle: “Meist wird der Gewinn aus der aktuellen Produktion gleich in die Entwicklung der nächsten gesteckt. Wenn diese Produzenten an ihr Kapital gehen müssen, um Schadensfälle oder die sinkenden Margen abzudecken, dann drohen sie, in prekäre und existenzbedrohende Lagen zu rutschen. An der Stelle wirkt die Pandemie wie ein Brandbeschleuniger.”

3. Das vorläufige Ende einer Liebe
(zeit.de, Klaus Brinkbäumer)
Tucker Carlson ist das rechts-konservative Aushängeschild des US-amerikanischen Fernsehsenders Fox News. In seiner Sendung zur Primetime hat er über viele Jahre Donald Trump den Rücken gestärkt. Nun sei Carlson selbst als Erbe Trumps im Gespräch, so USA-Kenner Klaus Brinkbäumer, “als künftiger Führer des sogenannten Trumpismus”. Brinkbäumer wirft einen Blick auf den bei rechten US-Amerikanern so beliebten TV-Moderator, zeichnet dessen Werdegang nach und beschreibt seine Methoden.

Bildblog unterstuetzen

4. Wer fördert die Medien bei Innovationen?
(verdi.de, Günter Herkel)
Günter Herkel kritisiert das 220 Millionen Euro schwere Hilfsprogramm der Bundesregierung für die Verlage: “Mit Innovationsförderung hat das Ganze wenig zu tun. Eher schon mit staatlich unterstützter Pressekonzentration, wie vor allem Mediensprecher der Grünen und der Linken im Bundestag kritisierten. Warum nicht als Förderkriterium antragstellende Verlage auf Tarifbindung und Verzicht auf Personalabbau verpflichten? Oder eine Förderung abhängig machen von der gewissenhaften Einhaltung des Pressekodex? Aber qualitative Kriterien hatten bei dieser Hauruck-Aktion des Bundeswirtschaftsministeriums keine Chance.”

5. Corona: Brancheninfo 92
(out-takes.de, Peter Hartig)
In Peter Hartigs aktuellen Informationen zur Film- und Fernsehbranche geht es diesmal unter anderem um die Probleme der AfD mit der Diversität. Die AfD-Fraktion der Hamburgischen Bürgerschaft störe sich an den Regeln der Filmförderung zur Vielfalt der abgebildeten Menschen. Das lässt Hartig seufzen: “Hätte sie doch bloß mal ins Grundgesetz geschaut. Oder ihren Bundesvorstand gefragt.”

6. König Karl
(spiegel.de, Alexander Kühn)
Der Komiker Karl Dall ist im Alter von 79 Jahren an den Folgen eines Schlaganfalls, den er während eines TV-Drehs erlitt, gestorben. Dall hat viele Jahrzehnte sein Publikum bespaßt: in den 70er-Jahren als Bestandteil der Komödiantengruppe Insterburg & Co., danach als Solokünstler. An seinem mitunter recht brachialen Humor schieden sich die Geister. Alexander Kühn erinnert in seinem Nachruf an die laute, aber auch an die leise, sensible Seite Dalls.

“Voldemort-Journalismus”, Grabtourismus, Trittbrettfahrer-Bio

1. “Dieser Voldemort-Journalismus ist doch magisches Denken”
(uebermedien.de, Jürn Kruse)
Anfang November tötete ein Attentäter in der Wiener Altstadt vier Menschen und verletzte viele weitere. In unmittelbarer Nähe befand sich “Falter”-Chefredakteur Florian Klenk, der aus den Redaktionsräumen des Wochenmagazins seine 300.000 Twitter-Follower mit Informationen zum Tathergang versorgte. Klenk verbreitete dabei auch einen Falschalarm der Polizei. Jürn Kruse hat Klenk interviewt: “Für die einen bin ich ein wichtigtuerischer Vollhonk und die anderen meinen, dass das vorbildlich gewesen sei. Die Wahrheit liegt wohl irgendwo dazwischen.” Ein Gespräch, das nicht nur spannende Fragen zu dem konkreten Fall aufwirft, sondern die Schwierigkeiten von Live-Berichterstattung bei ähnlichen Situationen aufzeigt.

2. Viel Pfeffer, kein Salz
(taz.de, Simone Schmollack)
Der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach ist ein Medienphänomen: Als Politiker und Mediziner ist er derzeit auf nahezu allen Kanälen präsent – ob als Dauergast bei Anne Will, Markus Lanz, Sandra Maischberger oder Maybrit Illner, in den klassischen Medien oder auf Twitter. Wer ist dieser Mann, der seit 30 Jahren in jedem Restaurant darauf besteht, ungesalzenes Essen serviert zu bekommen, der von Termin zu Termin hetzt und sich erheblicher Kritik (bis hin zu Morddrohungen) aussetzt? Simone Schmollacks Porträt bringt einem den omnipräsenten Lauterbach etwas näher und versucht zu ergründen, warum er derart polarisiert: “Lauterbach ist beides, Rechthaber und Spielverderber.”

3. Presse darf Schaulust am Grab des Kopiloten nicht fördern
(faz.net)
“Bild” berichtete 2015 über die nichtöffentliche Beerdigung des für das Germanwings-Unglück verantwortlichen Co-Piloten. Dabei veröffentlichte die Redaktion auch Fotos des Grabs. Dies wurde nun vom Bundesgerichtshof beanstandet, es würde einen “Grabtourismus” fördern: “Privatheit und die berechtigte Erwartung, nicht zum Objekt von Schaulust und Sensationsgier in Momenten der Trauer beim Besuch des Grabes eines nahestehenden Verstorbenen zu werden, bestehen auch auf einem öffentlichen Friedhof und haben am Schutz des Rechts auf Privatsphäre teil.”

Bildblog unterstuetzen

4. Hohe Hürden für Beschlagnahme der Kamera
(verdi.de)
Ein nebenberuflicher Fotojournalist begleitete im Sommer eine Demo. Er habe dabei, wie von Seiten der Polizei behauptet, durch Aufnahmen nichtöffentlicher Gespräche “die Vertraulichkeit des gesprochenen Wortes” verletzt. Daraufhin beschlagnahmten die Beamten seine Kamera mitsamt der Ausrüstung. Die Klage auf Herausgabe wurde zunächst von Amtsgericht und Landgericht abgewiesen. Nun hat das Bundesverfassungsgericht anders entschieden, für den Fotojournalisten.

5. 15 Jahre Metaebene
(metaebene.me, Tim Pritlove)
Man kann Tim Pritlove getrost als Podcast-Pionier bezeichnen: Lange bevor sich in Deutschland Medienhäuser überhaupt nur Gedanken darüber machten, startete er eine ganze Reihe von Podcasts. Aktuell feiert Pritlove sein 15-jähriges Schaffen in dem Bereich und erzählt, was in den vergangenen fünf Jahren alles bei ihm passiert ist. Eine Übersicht zu den ersten zehn Jahre gibt es in einem früheren Resümee. Dieser Beitrag liegt zwar fünf Jahre zurück, kann Interessierten aber immer noch empfohlen werden, da er ein Stück deutsche Podcast-Geschichte abbildet.

6. Die verdächtige Trittbrettfahrer-Biografie über Obama
(welt.de, Christian Meier)
Bei Amazon erfreut sich eine zweifelhafte Obama-Biografie eines obskuren Verlags großer Beliebtheit. Es bestehe der Verdacht, die Biografie sei mit der Hilfe von Künstlicher Intelligenz (KI) zusammengestöpselt worden. Christian Meier erklärt den Fall, der viele spannende Aspekte hat. Sein Fazit: “Eins ist klar – völlig unabhängig davon, ob das ‘Barack Obama Book’ nun von einer KI geschrieben wurde oder nicht: computergenerierte Texte werden besser, und die Technologie dahinter ist ein Geschäftsmodell.”

Bringt Julian Reichelt die Familien der Bundesliga-Mitarbeiter in Gefahr?

Was haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Fußball-Bundesligaklubs FC Bayern München, Borussia Dortmund, Borussia Mönchengladbach, RB Leipzig und Hertha BSC gemeinsam? Ihre Familien sind seit dieser Woche in Gefahr – jedenfalls nach Logik von Julian Reichelt.

Als das Medienmagazin “kress” 2017 Reichelts Gehalt schätzen wollte, sagte der “Bild”-Chef, dass er das nicht wolle, weil – so schrieb “kress” – “eine Schätzung seines Gehalts das Risiko finanziell motivierter Straftaten gegen seine Familie erhöhen würde”.

Doch was laut Julian Reichelt für Julian Reichelt gilt, muss aus Sicht von Julian Reichelt ja nicht für andere Menschen gelten. Und so gibt es seit Montag eine neue “Bild”-Serie: “DIE GEHEIMEN GEHÄLTER DER BUNDESLIGA”. Bisher waren die fünf oben genannten Klubs dran. “Bild” verrät, was die Team-Managerin des FC Bayern München oder der Stadionsprecher von Hertha BSC oder der Jugendkoordinator des BVB oder der Busfahrer von RB Leipzig oder der Chef-Greenkeeper von Borussia Mönchengladbach pro Monat “nach BILD-Informationen” so verdienen:

Screenshot Bild.de - Die geheimen Gehälter der Bundesliga - Bei welchem Job man neben den Stars schläft - Wie viel Team-Managerin Kathleen Krüger bekommt - In welchem Bereich Ex-Soldaten für zwölf Euro arbeiten - Das verdient man bei Bayern!
Screenshot Bild.de - Die geheimen Gehälter der Bundesliga - Für welchen Job es 11000 Euro gibt - Wer mit 70 noch 8000 Euro kriegt - 6500 Euro für ein Sprach-Wunder - Was Lars Ricken bekommt - Das verdient man beim BVB
Screenshot Bild.de - Die geheimen Gehälter der Bundesliga - Was der Stadionsprecher kassiert - Wofür man 7000 Euro im Monat kriegt - Was 24 Euro für 90 Minuten gibt - Das verdient man bei Gladbach!
Screenshot Bild.de - Die geheimen Gehälter der Bundesliga - Das kriegen Physio, Busfahrer und Zeugwart - In welchem Bereich die Gehälter gekappt wurden - Welche ungewöhnliche Mitarbeiter-Prämie es gab - Das verdient man bei RB Leipzig!
Screenshot Bild.de - Die geheimen Gehälter der Bundesliga - Was die Stadionsprecher pro Spiel kriegen - Welches Urgestein knapp 5000 Euro kassiert - Wieviel man schon als U9-Trainer bekommt - Das verdient man bei Hertha!

Bei den übrigen 13 Bundesligaklubs gibt es noch reichlich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, deren Familien die “Bild”-Redaktion nach Logik ihres eigenen Chefs in den kommenden Tagen in Gefahr bringen kann.

Bildblog unterstuetzen

Wen Julian Reichelt nach Julian-Reichelt-Logik sonst noch in Gefahr gebracht haben könnte:

Mit Dank an die vielen Hinweisgeber!

“Bunte”-Widerruf, Der Papst und das Nacktmodel, Beliebigkeitsparodie

1. “Bunte” widerruft Titelgeschichte über Helene Fischer und den Vater ihres Freundes
(uebermedien.de, Boris Rosenkranz)
Karl May hat sich seine Wildwest-Geschichten wenigstens komplett ausgedacht. Die stellvertretende “Bunte”-Chefredakteurin Tanja May (nicht verwandt und nicht verschwägert) fantasiert sich zwar auch eine Menge zusammen, verwendet dabei aber real existierende Menschen und schlägt Profit aus ihnen. Aktuell muss die “Bunte” eine von May verfasste Titelgeschichte über Helene Fischer und den Vater ihres Freundes widerrufen. Boris Rosenkranz ist der Sache auf “Übermedien” nachgegangen.

2. Gnihihi, Parodie
(zeit.de, Matthias Kalle)
Matthias Kalle nimmt auf lesenswerte Weise die Kabarett-Disziplin Politikerimitation auseinander. Anlass ist für ihn der Kabarettist Florian Schröder, der mit seiner Karl-Lauterbach-Imitation bei Dieter Nuhr im Ersten vor allem eines bewiesen habe: “Politiker-Imitationen sind das Unlustigste, was es gibt. Die Kunstform scheint komplett aus der Zeit gefallen zu sein, vielleicht war es sie aber schon immer, nur ist es einem in den Achtziger- und Neunzigerjahren einfach nicht aufgefallen.” Kalle weiter: “Florian Schröder will nichts aufdecken. Er will einfach nur so sein wie Karl Lauterbach. Oder wie irgendjemand sonst.”
Weiterer Lesehinweis: Beim “journalist” gibt es aktuell ein ausführliches Interview mit Florian Schröder: “Jeder gute Satiriker braucht einen noch besseren Journalisten” (journalist.de, Thilo Komma-Pöllath).

3. Heftige Kritik an Kurzfilmwettbewerb von ARTE
(beta.blickpunktfilm.de, Frank Heine)
Der deutsch-französische Kulturkanal Arte hat eine Ausschreibung gestartet (“Regisseurin gesucht”), die aus gleich mehreren Gründen auf Ablehnung stößt. Die Autorinnen und Regisseurinnen Pary El-Qalqili und Biene Pilavci haben sich mit einem Offenen Brief direkt an den Sender gewandt. Ihre Hauptvorwürfe: Die Ausschreibung fördere keine strukturelle gleichberechtigte Teilhabe von Regisseurinnen. Die Vorgabe des Themas “Unbeschreiblich weiblich” reduziere die Einreichungen auf die Themen der vermeintlichen Weiblichkeit. Die Ausschreibung sei auf Nachwuchsregisseurinnen beschränkt, und der Sender erwarte die unentgeltliche Anfertigung der Beiträge. Ihrem Offenen Brief haben sich zahlreiche Verbände, Vereine und namhafte Regisseurinnen angeschlossen.

Bildblog unterstuetzen

4. Die eigentlichen Corona-Opfer kommen in den Medien viel zu kurz
(riffreporter.de, Peter Spork)
Der Wissenschaftsjournalist Peter Spork denkt über die Corona-Berichterstattung nach, deren Fokus oft auf Menschen liege, die in ihrer Freizeitgestaltung beeinträchtigt sind oder die um das wirtschaftliche Überleben kämpfen: “Verstehen Sie mich nicht falsch: Viele dieser Schicksale sind hart. Sie sind auch berichtenswert. Aber der Gedanke drängt sich auf, hier wird gesamtgesellschaftlich etwas verdrängt. Ist die wahre Krise nicht eine andere, sehr viel bedrohlichere? All den betroffenen Menschen, denen die deutschen Medien derzeit so gerne zuhören, ist eines gemein: Sie haben keine Coronainfektion. Sie sind gesund. Sie leben in der Lockdown-Krise. Von der Corona-Krise erfahren wir fast nichts.”

5. Berliner Justiz übernimmt den Fall Attila Hildmann
(sueddeutsche.de, Florian Flade & Ronen Steinke)
Der Kochbuchautor Attila Hildmann ist nicht nur Objekt der Medienberichterstattung, sondern so etwas wie ein eigenes Medium: Auf seinem Telegram-Kanal (ca. 120.000 Abonnenten) sendet er nahezu ohne Unterlass verschwörungsideologische Botschaften in die Welt, die teils als antisemitisch und rechtsextrem eingestuft werden. Nachdem sich bei der Brandenburger Justiz seit Monaten mehr oder weniger folgenlos die Anzeigen gegen Hildmann angesammelt hätten, habe nun die Staatsanwaltschaft Berlin den Fall übernommen. Die Akten aus Brandenburg seien bereits in Berlin eingetroffen – angeblich 60 Bände sowie weitere 33 Fallakten.

6. Instagram-Account von Papst Franziskus liked Bild von Nacktmodel
(futurezone.at)
Es steht noch nicht fest, ob Papst Franziskus höchstpersönlich auf Instagram ein Foto des brasilianischen Models Natalia Garibotto geliket hat. Was jedoch feststeht: Dass sein Instagram-Account das (mittlerweile zurückgezogene) Like für ein Bild des Nacktmodels gesetzt hat. Der Vatikan habe eine Untersuchung eingeleitet und wolle herausfinden, wie es dazu kam.

Franz Josef Wagner fährt mit Jogi Löw Achterbahn in der Pampa

“Bild”-Briefonkel Franz Josef Wagner hat einen Helden: Bundestrainer Jogi Löw. Und Helden …

Helden schicken wir nicht einfach so in die Pampa.

Soll heißen: Wagner findet, dass Löw nach der 0:6-Niederlage der deutschen Fußballnationalmannschaft gegen Spanien bitte, bitte nicht zurücktreten soll. In seinem heutigen Brief schreibt er:

Ausriss Bild-Zeitung - Post von Wagner - Lieber Jogi Löw - viele erwarten, dass Sie aufgeben nach dem Spanien-Debakel. Bitte geben Sie nicht auf!

Lieber Jogi Löw,

viele erwarten, dass Sie aufgeben nach dem Spanien-Debakel. Bitte geben Sie nicht auf! Was für ein Leben wäre es für Sie, wenn Sie aufgeben? Ein Leben der Leere. Ein Einsamkeitsgrauen. Ein Leben von Gott und den Menschen verlassen.

Ein Mensch, der aufgibt, ist verloren. Ich bin verliebt in Sieger, noch mehr verliebt bin ich in Nicht-Aufgeber.

Wenn Jogi Löw sich nicht aufgibt, dann kann vielleicht die Nationalelf wieder siegen.

Jogi Löw war ein Held. Helden schicken wir nicht einfach so in die Pampa.

Herzlichst
Franz Josef Wagner

Vor gut einem Monat, am 13. Oktober, schreibt Franz Josef Wagner ebenfalls an Jogi Löw. Auch da bestimmt im Ton, inhaltlich aber etwas anders:

Wie schnell das Licht erlischt, das einmal brannte. Jogi Löw, der Weltmeister. Jogi Löw, die Stilikone im weißen, taillierten Hemd. Populärer war kein Bundestrainer.

Leider, lieber Joachim Löw, gibt es keinen Ewigkeitsruhm. Ihre Mannschaft spielt schlecht. Sie stellen schlecht auf, sie wechseln schlecht aus. (…)

Wenn mich jemand fragt, ob ich einen neuen Bundestrainer will, dann sage ich Ja.

Die Verbindung Wagner-Löw ist wie eine Achterbahnfahrt. Im März 2019 schreibt Wagner an den Nationaltrainer und über die Spieler Serge Gnabry und Leroy Sané:

Warum hat Jogi Löw die jungen tollen Spieler nicht mit zur WM 2018 nach Russland genommen?

Sein Fehler war, dass er nicht an die Jugend glaubte. Jogi Löw ist 59. Es fällt ihm schwer, alt zu sein.

Die Spieler haben ihm seine Jugend wiedergegeben. Sie sind sein zweiter Frühling.

… was aus rein biologischer Sicht ein kleines Wunder darstellt, schließlich war der Zweite-Frühling-Jogi laut Wagner eigentlich schon längst “verwelkt”. Vier Monate vor der Löw-Auferstehung, im November 2018, schreibt der “Bild”-Kolumnist:

Lieber Joachim (Jogi) Löw,

ich muss die Natur bemühen, um Sie zu beschreiben. Es gibt die Zeit, wo die Natur erblüht, und die Zeit, wo sie verwelkt. Sie befinden sich in der Zeit des Welkens. (…)

Was mich wundert, ist, dass Sie immer noch Bundestrainer sind. Eigentlich geben nach Misserfolgen Männer, Frauen ihr Amt auf. Ich mag Joachim Löw persönlich sehr. Er ist ein netter, unterhaltsamer Mann. Aber er ist eine verwelkte Blume.

Wagners aktuelle Löw-Verteidigung ist auch deshalb eine überraschende Wendung (gut, bei Wagner vielleicht nicht so ganz überraschend), weil seine Ansage im Oktober 2018 nicht klarer hätte sein können:

Jogi Löw, das ist das Ende des Traums. Wachen Sie auf und treten Sie zurück.

Und auch im Juni 2018 klang es bei Wagner so, als könnte man Helden doch “einfach so in die Pampa” schicken:

Lieber Jogi Löw,

wenn ich jetzt schreibe, dass Sie zurücktreten sollen, dann ist mein Motiv nicht Rache, Vergeltung. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, wie Sie jetzt weitermachen wollen. Sie sind ein geschlagener Mann.

Mit Dank an Andreas W. für den Hinweis!

Bildblog unterstuetzen

Caffiers Schweigen, Wodargs Drohung, Fotografieren unerwünscht

1. Caffier-Rücktritt: Ein Minister stolpert über sein Schweigen
(ndr.de, Tim Kukral, Video: 4:39 Minuten)
Über viele Monate befragte Christina Schmidt, Reporterin der “taz”, Lorenz Caffier, den mittlerweile zurückgetretenen Innenminister von Mecklenburg-Vorpommern, erfolglos zu dessen Waffenkauf. Der Politiker entzog sich bis zuletzt allen kritischen Fragen und ließ für ihn unangenehme Medienanfragen ins Leere laufen. Der Beitrag des Medienmagazins “Zapp” dokumentiert das zweifelhafte Verhalten des Ex-Ministers, der sich bis zuletzt als Opfer des “erbarmungslosen Mediengeschäfts” inszenierte.

2. 250.000 Euro wegen Corona-Berichterstattung?
(deutschlandfunk.de, Michael Borgers, Audio: 5:57 Minuten)
Die Galionsfigur der Pandemie-Leugner, Corona-Maßnahmen-Kritiker und “Querdenker” Wolfgang Wodarg hat das unabhängige Blog “Volksverpetzer” wegen dessen Corona-Berichterstattung auf 250.000 Euro Schadensersatz abgemahnt. Thomas Laschyk vom “Volksverpetzer” kommentiert den juristischen Angriff: “Also das Feindbild und die Methoden sind sehr ähnlich wie von Rechtspopulisten.” Auch der Münchner Kommunikationswissenschaftler Carsten Reinemann wundert sich über das rabiate Vorgehen Wodargs: “Wenn ich mich mit starken Äußerungen, starken Behauptungen, die unter Umständen dem kompletten Konsens der Wissenschaftsgemeinde widersprechen, wenn ich mich damit in die Öffentlichkeit begebe, muss ich natürlich damit rechnen, dass ich dort auch entsprechenden Gegenwind bekomme.”

3. “Wir brauchen eine zweite Säule von Meinungsjournalismus”
(fachjournalist.de, Florian Beißwanger)
Jochen Bittner ist einer der Leiter des sogenannten “Streit”-Ressorts der “Zeit”. Im Interview mit dem “Fachjournalist” spricht er über seinen Arbeitsalltag und erzählt, woher der Trend zu mehr Meinungsjournalismus kommt. Auf die Frage, ob es im “Streit”-Ressort “auch Tabus” gebe, antwortet Bittner: “Das ist eine Frage, die wir intensiv diskutiert haben und auch weiter diskutieren. Für uns gibt es Grenzen.” Man würde beispielsweise “keine Spinner” einladen. Ob er selbst nochmal Journalist werden würde, wenn er die Wahl hätte? Eher nicht: “Ich hätte Zweifel, ob mich der Journalismus ähnlich anziehen würde wie er das vor 30 Jahren getan hat. Weil ich ihn inzwischen bisweilen als zu aktivistisch wahrnehme.”
Korrektur: In einer früheren Version haben wir geschrieben, Bittner “erzählt, welche ‘Tabuthemen’ es gebe”. Das tut er aber nicht – den Begriff “Tabuthemen” verwendet er auch gar nicht. Pardon dafür!

Bildblog unterstuetzen

4. Streit um die Empfehlung vertrauenswürdiger Informationen durch Google
(netzpolitik.org, Leonard Kamps)
Das Bundesgesundheitsministerium betreibt im Internet ein “Nationales Gesundheitsportal”, das es in Kooperation mit Google prominent bewirbt. Die Verlage sehen darin eine unzulässige Konkurrenz: “Das Ministerium deklassiert die freien marktwirtschaftlich organisierten Gesundheitsportale und setzt alle Mechanismen der freien Information und damit der freien Meinungsbildung in unserer Demokratie außer Kraft”, so Burda-Vorstand Philipp Welte. Nun hat die Landesmedienanstalt Schleswig-Holstein angekündigt, die Einleitung eines Verfahrens gegen Google zu prüfen. Leonard Kamps ordnet den Vorgang ein, der mehr Auswirkungen haben könne, als zunächst offensichtlich.

5. Tweets waren gestern: Warum Twitter jetzt “Fleets” startet
(rnd.de, Imre Grimm)
Twitter führt “Fleets” ein, das sind sich selbst zerstörende Nachrichten nach dem Vorbild von Snapchat und Instagram. Welche Strategie verfolgt der Kurznachrichtendienst mit der Einführung des neuen Features? Und warum lässt Twitter Inhalte an manchen Stellen nicht mehr ungefiltert durchs Netz und bietet sogar dem US-amerikanischen Präsidenten Paroli? Imre Grimm erklärt den Sinneswandel des Unternehmens.

6. Fotografieren ist unerwünscht
(verdi.de, Reiner Wandler)
Seit Wochen kommen vermehrt Boote mit Geflüchteten vom afrikanischen Festland auf den Kanarischen Inseln an. Von mindestens 15.000 Menschen seit Jahresbeginn ist die Rede. Wenn wir davon relativ wenig mitbekommen, könnte dies an den Restriktionen liegen, denen die Pressefotografen und Kameraleute auf den Kanaren unterliegen: “Wir müssen aus einer Distanz von 150 Metern und mehr arbeiten. In anderen Häfen ist es bis zu einem Kilometer”, so der Fotograf und Pulitzer-Preisträger Javier Bauluz.

Ende von “Ende-zu-Ende”?, Macht der Bilder, Gefahren von Umfragen

1. Verschlüsselung von Messenger-Diensten nicht aushebeln!
(netzwerkrecherche.org)
Die Organisationen Netzwerk Recherche und Reporter ohne Grenzen sorgen sich aufgrund der gesetzliche Verpflichtung für Softwareanbieter, “Generalschlüssel” bereitzuhalten, um die Vertraulichkeit von Messenger-Gesprächen. In ihrem Offenen Brief an den Rat der Europäischen Union, das Bundesministerium der Justiz und das Bundesministerium des Innern heißt es: “Die Beibehaltung der Ende-zu-Ende-Verschlüsselung ist für den Schutz der Pressefreiheit von entscheidender Bedeutung.”

2. Neue digitale Heimat für Trump-Anhänger
(deutschlandfunk.de, Sinje Stadtlich, Audio: 5:05 Minuten)
Seit Facebook und Twitter verstärkt gegen Falschinformationen vorgehen, wechseln viele Anhänger von Donald Trump zu alternativen Netzwerken wie Parler. Bekannte Politiker wie der Republikaner Newt Gingrich wechseln mit. Kommunikationswissenschaftler Adam Chiara sieht darin jedoch keine Massenbewegung und warnt: “Wir dürfen uns durch diese alternativen Plattformen nicht von dem Grundproblem ablenken lassen. Nur weil Facebook jetzt etwas genauer hinguckt und einige Gruppen löscht, bietet die Plattform ja trotzdem private Gruppen und Messenger, die nicht überwacht werden, wo Nutzer in einem geschützten Raum Falschinformationen verbreiten können.”

3. Die Macht der Bilder
(tvthek.orf.at, Video: 10:43 Minuten)
Vor etwa zwei Wochen hat der Terroranschlag in Wien gezeigt, wie verantwortungslos manche Redaktionen in ihrer Berichterstattung vorgehen. Obwohl das österreichische Innenministerium und die Wiener Polizei aus guten Gründen darum gebeten hatten, keine Videos oder Fotos vom Tathergang zu veröffentlichen, wurde teilweise ungefiltert alles übertragen, was sich irgendwie übertragen ließ. Der ORF-Beitrag beleuchtet die verschiedenen Aspekte des medialen Vorgehens.

Bildblog unterstuetzen

4. Googles Macht im Medienmarkt
(de.ejo-online.eu, Roman Winkelhahn)
Ingo Dachwitz und Alexander Fanta haben im Auftrag der Otto-Brenner-Stiftung untersucht, welche Medienhäuser und journalistischen Projekte in Deutschland von Google finanziell unterstützt wurden beziehungsweise werden. Roman Winkelhahn hat mit Fanta über die Ergebnisse sowie über Googles Innovationsförderung gesprochen. Die Absicht des Datenkonzerns sei offensichtlich, so der Studienautor: “Das Geld von Google ist ja eine PR-Kampagne, das sagen selbst Leute, die Teil der Förderprogramme sind. Ich glaube, dass es sogar mehr als das ist. Es ist eine Art Stakeholder-Lobbying, bei dem quasi gezielt Schlüsselakteure angesprochen werden und über das Geld eine Art Gesprächsbrücke geschlagen wird. Man hat auf einmal eine strukturierte und durch Großzügigkeit ausgestaltete Beziehung.”

5. Wie Umfragen unseren Denkhorizont beschränken
(medienwoche.ch, Marko Ković)
Bei der aktuellen US-Wahl hätten die Umfragen und Prognosen ziemlich danebengelegen, teilweise noch weiter als bei der Wahl vor vier Jahren. Abgesehen von der geringen Aussagekraft, würden Umfragen der Demokratie schaden und den Fortschritt hemmen, so Marko Ković in seiner lesenswerten Argumentation: “Der Nutzen von Umfragen ist weitaus geringer als ihr Schaden. Unsere politische Kultur wäre ziemlich sicher ein Stück weit offener, wilder, ideenreicher, würden wir nicht so an den Lippen der Umfrage-Auguren hängen. In einer Welt, in der wir nicht darauf konditioniert sind, gut zu finden, was eine vermeintliche Mehrheit in Umfragen gut findet, hätten wir viel mehr intellektuelle Freiheit, uns stärker mit Inhalten und Argumenten zu beschäftigen; auch dann, wenn diese auf den ersten Blick weit hergeholt wirken mögen.”

6. Tweets, Fleets & Flops
(gutjahr.biz)
Twitter erweitert seine Funktionen: Unlängst kamen Sprachnachrichten (“Voice Tweets”) hinzu, nun sind es die “Fleets”, die sich nach 24 Stunden von selbst wieder löschen. Nächstes Jahr sollen “Spaces” folgen. Dabei handelt es sich um geschlossene Gruppen, die dem Austausch von Audio-Nachrichten dienen. Richard Gutjahr ordnet die neuen Möglichkeiten ein: “Sie zielen alle nicht allein auf Reichweite, sondern auf ein diverseres, User*innen-freundlicheres Umfeld. Vor allem Frauen werden in Sozialen Netzwerken häufig von Männern sexualisiert und gedemütigt. Durch Fleets, Spaces und weitere Funktionen (zum Beispiel die Möglichkeit, die Kommentierung unter den eigenen Tweets einzuschränken), versucht Twitter, die Plattform bunter und freundlicher zu gestalten.”

Wortkarger Waffenkäufer, Nachgerufen, Hintergrundgespräche

1. “Auf unsere Nachfrage kam dann irgendwann gar nichts mehr”
(deutschlandfunk.de, Brigitte Baetz, Audio: 6:32 Minuten)
Vor allem der Hartnäckigkeit der “taz” ist es zu verdanken, dass Mecklenburg-Vorpommerns Innenminister Lorenz Caffier zugeben musste, sich eine Waffe bei mutmaßlichen Rechtsradikalen besorgt zu haben. Der Deutschlandfunk hat sich mit Christina Schmidt aus dem “taz”-Rechercheressort über den bedenklichen Fall unterhalten, den der CDU-Politiker als “Privatsache” verstanden haben will.

2. Einzelfälle
(journalist.de, Sebastian Pertsch & Udo Stiehl)
Wenn Medien und dienstliche Stellen in letzter Zeit von einem “Einzelfall” sprechen, so ist dies beileibe kein Einzelfall: Das Wort sei seit rund 20 Jahren ein Evergreen in den Nachrichtenmedien, schreiben Sebastian Pertsch und Udo Stiehl. In Ihrer Rubrik “Floskel des Monats” erklären die Autoren, was es mit dem Begriff auf sich hat, wann er sich anbietet, und welche Alternativen in Frage kommen.

3. “Informationen in den Vordergrund”
(taz.de, Christian Rath)
Jost Müller-Neuhof, Korrespondent des Berliner “Tagesspiegel”, hat ein Urteil gegen das Kanzleramt erwirkt. Danach haben Journalisten und Journalistinnen das Recht zu erfahren, mit wem sich die Kanzlerin zu sogenannten Hintergrundgesprächen getroffen hat und worum es dabei ging. Müller-Neuhof sei Transparenz wichtig: “Es muss für die Öffentlichkeit erkennbar sein, wenn die Kanzlerin von ihr ausgewählte Medien mit Regierungsinformationen versorgt, die diese dann als eigene Recherche verbreiten, ohne die wahre Quelle zu nennen.”

Bildblog unterstuetzen

4. Staatsnahe Besetzung
(sueddeutsche.de, Benedikt Frank)
Die Landesmedienanstalt Saarland hat im Januar die CDU-Politikerin Ruth Meyer zur neuen Direktorin gewählt. Eine Wahl, die umstritten ist: Ein juristisches Gutachten habe das Wahlprozedere als verfassungswidrig eingestuft. Benedikt Frank erklärt den Vorgang, bei dem es – wie sollte es anders sein – um Politik zu gehen scheint.

5. Die Frage des richtigen Formats
(verdi.de, Günter Herkel)
Auf der Konferenz “Formate des Politischen 2020” ging es auch um die Berichterstattung in der Corona-Pandemie. Neben zahlreichen Medienschaffenden war der Virologe Christian Drosten eingeladen, der von den Schwierigkeiten und Fallstricken der Wissenschaftskommunikation berichtete. Bei einer anderen Gesprächsrunde ging es um Verbesserungspotenziale in der Corona-Berichterstattung.

6. Französischer Radiosender erklärt versehentlich Hunderte Promis für tot
(spiegel.de)
Pelé, Königin Elisabeth II. und Brigitte Bardot – die Internetseite des französischen Radiosenders RFI war plötzlich voll von Texten über angeblich verstorbene Persönlichkeiten der Zeitgeschichte. Aufgrund eines technischen Fehlers seien Hunderte von vorbereiteten Nachrufen online gegangen.

Gendern im Radio, Umstrittene Innovationsförderung, Gammel-Videos

1. Die unsichtbare Welle
(freitag.de, Lorenz Matzat)
In der Corona-Berichterstattung geht es oft darum, wie Daten visuell aufbereitet werden können, ob mit Daten-Dashboards, Diagrammen oder Karten. So hilfreich Datenvisualisierungen sein können, so sorgsam müssen sie erstellt und gelesen werden. Lorenz Matzat hat dazu zwei Experten befragt: Marcel Pauly, Leiter des Bereichs Datenjournalismus beim “Spiegel”, und Juliane Leopold, Chefredakteurin Digitales von ARD-aktuell. Außerdem geht es in Matzats Text um die Rolle des Robert-Koch-Instituts als “Datenlieferant” und dessen mögliche Versäumnisse.

2. Gendern im Radio – Muss das sein?
(deutschlandfunk.de, Ann-Kathrin Büüsker, Audio: 62 Minuten)
In einer Sonderausgabe von “Deutschlandfunk – Der Tag” geht es um ein oft hitzig diskutiertes Thema: geschlechtergerechte Sprache im Radio. Ann-Kathrin Büüsker hat sich dazu mit Christoph Schmitz, dem Leiter der Deutschlandfunk-Musikredaktion, und Bettina Schmieding, der Leiterin der Medienredaktion des Dlf, zusammengesetzt: “Wieso sprechen einige im Deutschlandfunk das Gendersternchen und andere nicht? Wie diskutieren die Redaktionen? Wie finden es die Hörer*innen?” Eine überaus lohnenswerte Hörstunde, in der alle Argumente und Gegenargumente zur Sprache kommen.

3. Was besser wäre, als das Geld des Datenkonzerns zu nehmen
(netzpolitik.org, Ingo Dachwitz & Alexander Fanta)
Die Bundesregierung will den Verlagen demnächst eine “Innovationsförderung” von 220 Millionen Euro zukommen lassen. Christopher Buschow hat sich mit dem Thema intensiv auseinandergesetzt – er ist einer der Autoren des Gutachtens zur “Innovationslandschaft des Journalismus in Deutschland”. Im Interview mit netzpolitik.org zeigt sich Buschow skeptisch, was die Zielrichtung der Fördermaßnahme angeht: “Die Definition von Innovation im Förderkonzept ist so weit gefasst und so allgemein, dass jeder Verlag ein ohnehin geplantes Projekt finden wird, was ihn zur Förderung berechtigt. Noch dazu kann die ausgesprochene breite Definition unerwünschte Nebenwirkungen haben: So will das Wirtschaftsministerium u.a. ‘Online-Shops und Rubrikenportale’ fördern – und damit gewissermaßen die Abkehr der Verlage vom eigentlich förderungswürdigen Kerngeschäft des Journalismus. Das muss man erstmal verdauen.”
Weiterer Hörhinweis: Im “Was mit Medien”-Podcast geht es um die Frage: “Wie steckt Google Millionen Euro in den Journalismus, Alex Fanta und Ingo Dachwitz?” Die beiden netzpolitik.org-Journalisten sind Autoren der Studie “Medienmäzen Google – Wie der Datenkonzern den Journalismus umgarnt”.

Bildblog unterstuetzen

4. Das Filmen einer Vergewaltigung ist keine “Sex-Falle”, liebe Kronen Zeitung
(facebook.com/momentat)
In der aktuellen Folge der Rubrik “Gegengelesen” setzt sich das österreichische Magazin “Moment” mit der Berichterstattung der “Kronen Zeitung” über einen Vergewaltigungsfall auseinander. Das Fazit: “Die Berichterstattung über sexualisierte und häusliche Gewalt sowie Frauenmorde ist meist verharmlosend und problematisch. Eine Täter-Opfer-Umkehr und verharmlosende Beschreibungen helfen nicht bei dem Aufzeigen von sexueller Gewalt. Ganz im Gegenteil.”

5. Neue Ideen für den Lokaljournalismus
(infosperber.ch, Rainer Stadler)
Der US-amerikanische Lokaljournalismus befindet sich seit längerer Zeit im Niedergang. In den vergangenen Jahren hätten hunderte Blätter den Betrieb eingestellt, es seien zehntausende Stellen gestrichen worden. Doch nun entstehen neue Mitteilungsformen: Newsletter und Podcasts würden in die entstandenen Lücken stoßen. Rainer Stadler berichtet von den neuartigen Versuchen, den Lokaljournalismus zu beleben. Dabei wird klar, dass auch die neuen Ansätze nicht alle Probleme lösen werden.

6. Corona-Clips #besondereHelden: Das ist nicht lustig
(rnd.de, Jan Sternberg)
Die Bundesregierung hat zwei ironisch-satirische Videos zur Corona-Pandemie produzieren lassen, bei denen man jungen Leuten beim Gammeln zusehen kann. Die Clips werden recht unterschiedlich aufgenommen. Jan Sternberg kann darüber zum Beispiel nur eingeschränkt lachen: “Wie sollen das Eltern finden, die seit März im Homeschooling-/Homeoffice-/Hotspot-Unterricht-Stress sind? Wie sollen das die wahren Helden finden, für die schon lange keiner mehr klatscht – also Krankenschwestern und Pfleger? Wie diejenigen, die zu Hause nicht Langeweile und Hähnchenschenkel finden, sondern Stress und Gewalt?” Sein Kollege Jonas Leppin vom “Spiegel” ist etwas nachsichtiger: “Würde man alle vorgebrachten Bedenken in einem einzigen Video unterbringen, dann wäre es wohl der langweiligste Spot der Welt.”

Blättern:  1 ... 130 131 132 ... 1143