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Der falsche “Vergewaltiger”

Machen wir es kurz, denn wir wollen uns gar nicht lange ausmalen, was in einem vorgeht, wenn man plötzlich ein Foto von sich in der Zeitung entdeckt, das einen als mutmaßlichen Vergewaltiger zeigt:

Aber so stand es am 1. März in “Bild”. Und die Antwort auf die gestellte Frage könnte eindeutiger kaum ausfallen. Sie lautet: Nein! Der Mann auf dem Foto (das von uns zusätzlich verfremdet wurde, weil die von “Bild” vorgenommene Verfremdung uns etwas dürftig erschien) ist nicht der “Vergewaltiger aus der Jungfernheide”! Er ist auch nicht der “mutmaßliche Täter”, der per DNA-Test “überführt” wurde, wie “Bild” schrieb. Der abgebildete Mann hat überhaupt nichts mit den Vergewaltigungen, die laut “Bild” “immer gewalttätiger” wurden, zu tun. “Bild” hat vielmehr, und leider nicht zum ersten Mal, ein falsches Foto veröffentlicht, weshalb sie heute eine Richtigstellung abdrucken musste:

Bei der Veröffentlichung kam es bedauerlicherweise zu einer Fotoverwechslung. Das Bild zeigt nicht den mutmaßlichen Vergewaltiger. Wir entschuldigen uns bei dem fälschlicherweise abgebildeten Mann.

Und vielleicht sollte man sich bei “Bild” mal darüber Gedanken machen, ob es nicht möglich ist, solche “bedauerlichen Fotoverwechslungen” von vorne herein zu verhindern – zum Beispiel, indem man ein klitzekleines bisschen gewissenhafter arbeitet.

Bestseller Visa-Affäre

Was da gestern in “Bild” auf den Seiten eins und zwei stand, klang nach einem astreinen Polit-Thriller:

Visa-Affäre: Wichtiger Zeuge ermordet

Bedeutungsvoll fragte “Bild”: “Mußte er für immer schweigen, weil er zuviel über illegalen Menschenhandel nach Deutschland wußte?” Und: “Mußte er sterben, weil er zuviel wußte?”

Sie wissen schon, wegen der sogenannten “Visa-Affäre” steht Außenminister Joschka Fischer ziemlich unter Druck. Er soll verantwortlich sein für eine Praxis der Visa-Vergabe, die illegalen Menschenhandel zumindest vereinfacht haben könnte. Deshalb gibt es einen Untersuchungsausschuss im Bundestag. Tja, und jetzt “fand die Polizei die Leiche eines der wichtigsten Zeugen in der Visa-Affäre!” So stand es jedenfalls gestern in “Bild”.

Es handelt es sich bei dem Toten zwar nicht um einen Zeugen, der beispielsweise vor dem Untersuchungsausschuss zur Visa-Affäre hätte aussagen sollen, sondern um einen Zeugen – äh … na ja, eigentlich war … also eigentlich war er kein Zeuge im technischen Sinne, sondern… ach, egal, vermutlich meint “Bild” das Wort “Zeuge” eher im übergeordneten Sinn. Jedenfalls war dieser “Zeuge” ein mutmaßlicher Menschenhändler, der also möglicherweise von der Visa-Vergabe-Praxis profitiert hat. Und wegen Menschenhandels war Nicolaj B. auch angeklagt.

Und jetzt wird es für “Bild” spannend: Unmittelbar bevor der “Zeuge” im November letzten Jahres verschwand, hat er offenbar seinen Anwalt aufgesucht. In “Bild” liest sich das Ganze dann so:

Wollte er auspacken?
Tatsache ist: Am 2. November, unmittelbar bevor er spurlos verschwand, hatte Nicolaj B. seinen Verteidiger besucht. Sein Rechtsanwalt: “Er sagte er habe neue Beweise, die ihn entlasten. Die wollte er am nächsten Tag vorbeibringen.”

Und vielleicht halten wir an dieser Stelle mal kurz inne, und fragen uns mal ganz ernsthaft dies: Wie genau soll der Tod von Nicolaj B. eigentlich im Zusammenhang mit der Visa-Affäre stehen? Will “Bild” etwa den Eindruck erwecken, es handele sich bei dem Mord an Nicolaj B. um einen politisch motivierten Mord? Ja, was glaubt “Bild” eigentlich, wer den Mord begangen oder in Auftrag gegeben hat?

Und: Was gibt es sonst noch so zu dem Fall?

Nicolaj B. wurde am 3. November 2004 getötet, unabhängig davon wurde am 9. November 2004 die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses beantragt, der am 17. Dezember beschlossen wurde und im Februar die Arbeit aufnahm. Nicolaj B. wurde offenbar von seinem Leibwächter ermordet, der gestanden hat, dass es dabei um Geld-Streitigkeiten ging. Das weiß auch “Bild” und nennt es ein “angebliches Motiv”. Der Sprecher der Staatsanwalt sagte dazu gestern der Nachrichtenagentur AP, “Ob das das wahre Motiv ist, weiß ich nicht. Doch habe ich keine Anhaltspunkte für ein anderes Motiv”. Der Nordrheinwestfälische Landeskriminaldirektor sagte gestern zu AP: “Der Mord hat nichts damit zu tun, dass das Opfer mundtot gemacht werden sollte.” Und der Anwalt von Nicolaj B. sagte gestern zu Spiegel Online, dass sein Mandant lediglich angekündigt habe, er wolle weitere Unterlagen für einen anstehenden Prozess bereitstellen. Von der “Bild”-Meldung sei er überrascht gewesen, denn er habe nie mit “Bild”-Reportern über den Fall gesprochen.

Die haben sich dafür offenbar zu viele Gedanken über den Fall gemacht, und bei Polit-Thrillern ist es ja nunmal so, dass sich selbst die unwahrscheinlichsten Konstrukte am Ende doch als ungemein plausibel herausstellen – jedenfalls im Roman.

Mit Dank für den sachdienlichen Hinweis an Hatem F.

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Wie “Bild” recherchiert

Heute stellen wir uns vor, wir wären Patricia Dreyer. Wir würden bei “Bild” arbeiten und müssten als Urlaubsvertretung von Christiane Hoffmann ihre “Ich weiß es!”-Kolumne füllen. Bislang hätten wir nur wenig aufregende Modeaufnahmen von Liz Hurley und die Nachricht, dass sich Herr Effenberg und Frau Effenberg auf einer Party öffentlich geknutscht haben, aber damit leider den Platz noch nicht gefüllt. Nun würde uns die sensationelle Nachricht erreichen, dass sich die Hollywood-Legende und Oscar-Preisträgerin Shirley MacLaine (70) das Gesicht operieren ließ, um auszusehen wie ihre jüngere Kollegin Sharon Stone. Behaupten würde das irgendeine Fotoagentur, die auch gleich einen “Beweis” für diese sensationelle Nachricht mitgeliefert hätte: Ein Foto von einer älteren Frau, die nicht aussieht wie Shirley MacLaine, aber ein bisschen wie Sharon Stone, sogar mit ganz ähnlicher Brille.

Was würden wir als Patricia “Ich weiß es vertretungweise” Dreyer tun? Recherchieren? Nachfragen? Kollegen losschicken, um herauszufinden, ob die sensationelle Nachricht stimmt und sich die große Shirley MacLaine wirklich per Extreme Makeover in Sharon Stone verwandeln ließ?

Oder einfach das Foto abdrucken und behaupten: “Die Schauspielerin [Shirley MacLaine] fährt mit nigelnagelneuem Sharon-Gesicht durch L.A.”?

Hier ist, wofür sich Frau Dreyer am 17. Februar 2005 entschieden hat:

Und hier ist, was deshalb heute in “Bild” stand:

Und wir hoffen, dass die “Bild”-Leute nicht ernsthaft selbst glauben, dass es sich hier bloß um eine “Fotoverwechslung” handelt (und nicht um die Vernachlässigung elementarer journalistischer Sorgfaltspflichten), sondern das nur behaupten.

Schnellstmögliche Aufklärung

Stiftung Warentest hat herausgefunden, dass in Gläsern mit Babynahrung der möglicherweise gesundheitsschädliche Stoff Semicarbazid enthalten sein kann, der beim Aufschäumen von Kunststoffdichtungen in Metalldeckeln entsteht.

“Bild” schreibt deshalb auf Seite 1 unter der Überschrift “Krebsgefahr aus Baby-Gläschen?”: “In Tierversuchen wirkt die Substanz krebserregend” (weist aber anders als Stiftung Warentest nicht darauf hin, dass “bisher nicht geklärt” ist, ob sich diese Erkenntnis auf den Menschen übertragen lässt). Außerdem zitiert “Bild” den “FDP-Ernährungs-Experten” Hans-Michael Goldmann, der fordert, dass sich die Verbraucherministerin schnellstmöglichst um “Aufklärung” bemühen solle.

Was da nicht steht, ist, dass das offenbar längst geschehen ist. “Bild” weiß lediglich, dass der Hersteller Alete “sofort” auf den Test reagiert habe und “nach eigenen Angaben inzwischen andere Deckel auf die Gläser” schraube.

Stimmt. Nach eigenen Angaben ist das, wie dpa herausgefunden hat, allerdings “schon vor längerer Zeit” geschehen, nicht erst jetzt. Dem Verbraucherministerium ist die Problematik bereits seit 2003 bekannt. Die Industrie wurde aufgefordert, unbedenklichere Stoffe bei der Deckelherstellung zu verwenden. “Seit einigen Monaten wird bereits ein alternativer Deckel eingesetzt”, hat Alete-Pressesprecher Hartmut Gahmann dpa verraten.

Und Alete schreibt auf seiner Website unter Bezug auf den Test:

“Von den hier festgestellten Spuren der Substanzen sind (…) keine Auswirkungen auf die Gesundheit zu befürchten. Darüber sind sich Gesetzgeber und Lebensmittelindustrie einig. Aus Vorsorgegründen haben Babynahrungs- und Deckelhersteller dennoch umgehend nach Lösungen geforscht, um auch diese unerwünschten Spuren zu vermeiden.”

Sowie weiter unten:

“Unabhängig davon können alle Babynahrungsgläschen auf dem Markt ohne Einschränkung verwendet werden.”

Sicher, man muss der Industrie und ihren Pressemitteilungen nicht immer alles glauben. Aber Nachfragen hätte auch nicht geschadet. Für ein Telefonat mit Herrn Goldmann von der FDP hat die Zeit ja schließlich auch gereicht.

Um weitere Verwirrung zu verhindern

Vielleicht sind wir zu streng. Bei vielen Ereignissen, über die “Bild”-Mitarbeiter schreiben müssen, waren sie gar nicht dabei. Oft haben sie von ihnen nur aus älteren Ausgaben anderer Zeitungen erfahren, die manchmal sogar in fremden Sprachen verfasst sind. Und manche Sachen müsste man sich erst langwierig von jemandem erklären lassen, der sie versteht. Kein Wunder, dass nicht jeder “Bild”-Artikel stimmt. Gut, dass es manchmal Themen gibt, bei denen man dabei ist, die man selbst veranstaltet, wo man sich auskennt, kurz: über die man endlich einmal wirklich genau berichten kann.

Wie diese “Bild-Ted”-Aktion Anfang der Woche, deren Ergebnis “Bild” gestern mit diesen Worten verkündete:

Kein Pardon für Joschka Fischer! 87 Prozent der BILD-Leser können dem Außenminister seine Fehler in der Visa-Affäre nicht vergeben, wollen seinen Rücktritt.

Okay, das ist ein klitzekleines bisschen ungenau. Denn es waren nicht 87 Prozent der “Bild”-Leser (das wären rund zwölf Millionen), sondern 87 Prozent der “Bild-Ted”-Anrufer (das waren rund 38.000). Und auch die haben mit ihrem Anruf eigentlich nicht gesagt, dass sie dem Außenminister nicht vergeben können, sondern dass sie meinen, “die Deutschen sollen” ihm nicht verzeihen. Und von einem Rücktritt war überhaupt nicht die Rede. Aber der “Bild”-Artikel geht noch weiter:

Viele Anrufer zeigten sich von der Standard-Ansage der Telekom (“Dieser Anruf kostet 62 Cent pro Minute”) irritiert. Doch keine Sorge: Wer aus dem deutschen Festnetz beim BILD-TED angerufen hat, zahlt — wie in BILD angekündigt — nicht mehr als 6 Cent pro Anruf. Um weitere Verwirrung zu verhindern, beendete BILD den TED schon um 14 Uhr.

Eigentlich hatte “Bild” angekündigt, dass man bis 18 Uhr anrufen könne. Aber besser man bricht die Wahl ab, als noch mehr Verwirrung zu stiften. Das entsprechend unbrauchbare Ergebnis muss man natürlich wegwerfen abdrucken.

Wetten, dass nicht…?

Es gibt Themen, bei denen man nun wirklich denken sollte, dass “Bild” sich auskennt. Die ZDF-Sendung “Wetten, dass” zum Beispiel ist exklusiver Partner der Internet-Schwester von “Bild”, die für die Show einen eigenen “Channel” eingerichtet hat (siehe Ausriss rechts). Beste Voraussetzung dafür, gut informiert zu sein. Theoretisch.

Am vergangenen Sonntag berichteten “Bild am Sonntag” und Bild.de, dass “Europas erfolgreichste Unterhaltungssendung” im Mai “erstmals nicht an einem Samstag ausgestrahlt werde”:

Das gab es noch nie in der 24jährigen Geschichte von “Wetten, dass . .?”.

staunte “Bild” und spekulierte ausführlich über die Konkurrenz zwischen ARD-Volksmusik-Moderator Florian Silbereisen und ZDF-Mann Thomas Gottschalk. Was auch immer hinter der Entscheidung des ZDF für den Sonntags-Termin steckt: Eine Premiere ist es nicht. “Wetten, dass” lief schon drei Mal an einem Sonntag: am 20. Dezember 1987, am 3. April 1988 und am 2. Dezember 1996.

Der Bild.de-Teaser (Ausriss links) ist sogar gleich doppelt falsch, weil die Sendung aus der Türkei, um die es geht, keineswegs das “nächste Mal” ist. Das nächste “Wetten, dass” kommt aus Berlin — klassisch am Samstag.

Danke an Richard J. für den sachdienlichen Hinweis.

Nachtrag, 21.50 Uhr: Anstatt die Fehler zu korrigieren, hat Bild.de den Artikel heute Abend kurzerhand ganz entfernt.

Tröpfchenweise

Folgende Geschichte steht heute in der Berliner “Bild”-Ausgabe:

Das wird ja im allgemeinen ganz interessant gefunden, wenn Prominente Clubs aufmachen, lesen wir mal weiter:

Jetzt macht Schauspielerin Mariella Ahrens (35) Werbung für einen Club erfolgreicher junger Frauen.

Aha, Ahrens macht also doch keinen Club auf, sondern bloß Werbung für einen. Lesen wir noch weiter:

“Mariella Ahrens ist nur eines von über hundert festen Mitgliedern unseres Clubs”

Aha. Ahrens macht also weder einen Frauen-Club auf, wie in der Überschrift behauptet wird, noch macht sie offenbar Werbung für einen, wie im ersten Absatz behauptet wird, sie ist lediglich Mitglied im “Women’s Cats Club”, wie dessen Sprecherin endlich im dritten Absatz klarstellt. Und da ist es nur gut, dass “Bild” die Sprecherin überhaupt befragt hat, und der Text auch kurz danach endet, sonst wäre womöglich noch herausgekommen, dass Mariella Ahrens noch nie von dem Club gehört hat, den sie doch eigentlich aufmacht.

Die Dummen

In der vergangenen Woche zeigten ARD und ZDF probeweise Fußballspiele im 16:9-Format, weswegen bei vielen TV-Geräten, die ein Bild im Verhältnis 4:3 zeigen, am oberen und unteren Bildschirmrand schwarze Balken zu sehen waren.

“Bild” motzte daraufhin (wieder) über den “Balken-Fußball”:

“So ein Nerv-Bild droht uns auch bei der WM 2006!”

Fakt ist: Die Fifa hat vor, die WM 2006 im Format 16:9 zu produzieren. Die Sender aber, darauf weist auch “Bild” hin, dürfen selbst entscheiden, ob sie das Format übernehmen.

Nach der Probe-Ausstrahlung waren die Zuschauerreaktionen eher negativ. Die Nachrichtenagentur ddp zitiert etwa die ARD-Zuschauerredaktion damit, dass das Format “beim größten Teil der Bevölkerung (…) nicht besonders gut angekommen” sei.

Auch “Bild” berichtet von “überwiegend negativen Reaktionen”, kann sich allerdings nicht so recht darüber freuen, dass das (anderswo empfohlene) “Quetsch-TV” bzw. die “geplante 16:9-Ausstrahlung der Spiele (…) angesichts der überwiegend negativen Zuschauerreaktionen nicht wahrscheinlicher geworden” ist, wie ddp vermutet. Denn:

“Entscheiden sich die Sender bei der WM für das alte 4:3-Format, ärgern sich die Besitzer der 16:9-Fernseher. Die haben dann rechts und links schwarze Balken. Wie gesagt – der Fan ist immer der Dumme…

Mit anderen Worten: Für welches Format auch immer sich die Sender entscheiden, sie entscheiden sich – zumindest wenn man der merkwürdigen Argumentation von “Bild” folgt – falsch. Und sind damit immer die Dummen.

Dank an Axel W. für den sachdienlichen Hinweis.

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Immer am Limit

Am Dienstagabend überfährt ein Mercedes-Testfahrer in Mittelschweden eine Fußgängerin. Am Donnerstag kennt “Bild” bereits die Unfallursache:

Mercedes-Testfahrer rast Mutter tot

Die Überschrift lässt keinen Zweifel: Der Mercedes war zu schnell.

Auch am Tag darauf tut “Bild” alles, um diesen den Eindruck zu verstärken (alle Hervorhebungen von uns):

Mußte eine Mutter sterben, weil sich ein Mercedes-Testfahrer überschätzte? Am Dienstag rauschten elf schicke Mercedes (neue S-Klasse, neue R-Klasse) durch die Kleinstadt Ytterhogdal in Mittelschweden. (…)

Geht jetzt die ganze Raser-Diskussion wieder los?

Samstag. “Bild” setzt seine Berichterstattung mit einem Artikel über Testfahrer fort. Tenor: Die rasen und trinken; kein Wunder, dass es zu solchen Unfällen kommt.

Sie führen ein Leben auf der Überholspur, immer am Limit, immer in Gefahr: Testfahrer, die für internationale Automobilkonzerne, für Reifenhersteller oder Bremsenbauer Prototypen probefahren. Jetzt starb in Schweden eine Passantin, weil ein Mercedes-Testfahrer von der Straße abkam (BILD berichtete). Traumberuf oder lebensgefährliche Raserei? (…)

Mit schwarz getarnten Autos jagen sie über Teststrecken und öffentliche Straßen: die Testfahrer der Automobilkonzerne.

Ja: Vielleicht, möglicherweise, eventuell ist der Mercedes zu schnell gefahren. Radio Schweden International berichtet allerdings, dass die Wagenkolonne, in der der Unglückswagen fuhr, nach Zeugenaussagen nur mit etwa 55 Stundenkilometern auf einer 70er-Strecke unterwegs war. Auch Alkohol sei nicht im Spiel gewesen. Stattdessen wird in Schweden über eine mögliche Unglücksursache diskutiert, die die “Bild” in ihrer Fixierung aufs “Rasen” bislang nicht einmal erwähnt hat*: Der Unglückswagen fuhr mit Ganzjahresreifen, die angesichts der Witterung in Schweden eine äußerst schlechte und gefährliche Wahl seien.

Am Freitag veröffentlicht “Bild” außerdem dieses Foto mit der Überschrift “Hier wird der Todes-Fahrer abgeführt”. Richtig ist, dass gegen den Mann ermittelt wird und er befragt wurde. Dass er in Gewahrsam genommen worden sein soll, wie die “Bild”-Überschrift behauptet, also quasi verhaftet, ist eine “Information”, die “Bild” exklusiv hat. Überhaupt können vermutlich nur “Bild”-Redakteure auf diesem Foto einen Polizisten erkennen, der den Mercedes-Fahrer gerade abführt.

(Inzwischen ist bei Bild.de das Foto entfernt worden, die falsche Überschrift ergibt nun gar keinen Sinn mehr.)

Danke an Jörg J. und Uwe K.

Nachtrag, 27.2.: Offenbar ist uns entgangen, dass “Bild” in der allerersten Meldung einen Polizisten zitiert, der dort bereits auf das Reifenproblem zu sprechen kam. Um so unverständlicher aber, dass “Bild” diesen Umstand hernach zu Gunsten der angeblichen “Raserei” komplett aus den Augen verlor.

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Kylie wächst über “Bild” hinaus

Am 30. Januar erschien in der britischen Boulevardzeitung “The People” eine Meldung, dass Kylie Minogue in ihrem neuen Video ein paar Zentimeter wachsen werde: Dank eines Computertricks werde sie auf ihren Wunsch hin statt 5 Fuß (1,52 Meter) dann 6 Fuß (1,83 Meter) groß erscheinen.

Heute, am 25. Februar, taucht die Meldung bei Bild.de auf:

Kylie (…) trällert plötzlich mit Modelmaßen ihren neuen Song.

Wie das Briten-Blatt “The People” berichtet, wurde Kylie mit Hilfe modernster Video-Technik gestreckt. So wurde aus dem 1,50 Meter “kleinen” Pop-Floh ein 1,80 Meter großes Super-Model gemacht. Damit erfüllten die Produzenten der Sängerin einen ihrer sehnlichsten Wünsche: Endlich lange Beine! Und sogar noch mehr Kylie-Knack-Po.

Das Deutschen-Blatt hat also die vier Wochen seit der Veröffentlichung in “The People” dazu genutzt, die Geschichte ein bisschen auszuschmücken. Es hat die vier Wochen nicht dazu genutzt, zu recherchieren, ob sie stimmt. Sie stimmt nicht. Jedenfalls nicht ganz.

Kylie wird, wie der Screenshot ahnen lässt und das Video eindeutig zeigt, nicht 1,80 Meter groß, sondern mindestens 2,50 Meter. Und das wäre nun relativ egal, wenn dadurch nicht auch der ganze Rest der “Bild”-Geschichte, all das mit den “Modelmaßen” und den lange lang gewünschten Beinen und dem XXL-Kylie-Knack-Po, als das entlarvt würde, was es ist: Quatsch.

Quatsch, den Bild.de bei “The People” abgeschrieben hat, und den “Focus Online” nun seinerseits bei Bild.de abschreibt, mit der Überschrift “Kylie plötzlich 1,80 Meter groß”, einem alten Foto und dem Bildtext: “Superlange Beine sind Kylies Traum”.

Mit Dank an Dan für den sachdienlichen Hinweis.

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