Marco W. hat gestanden, im vergangenen Sommer in Erfurt eine Ärztin mit ihrem Auto entführt und dann getötet zu haben. Und er hat nach Aussagen eines Freundes gerne stundenlang das Computerspiel “GTA Vice City” gespielt.
Nach Ansicht der “Bild”-Zeitung hat das eine unmittelbar mit dem anderen zu tun (siehe Ausriss). Dabei sollte der Gedanke selbst für eine “Bild”-Überschrift zu abwegig sein, dass jemand dafür “übt”, ein Opfer zu erdrosseln, indem er ein Spiel spielt, in dem Auto gefahren und geschossen wird.
Aber halt, natürlich ist nichts zu abwegig für eine “Bild”-Überschrift. Zur Diskussion um das neue Computer-Spiel “Getting Up“, in dem man einen Sprayer in der fiktiven Millionenmetropole New Radius spielt, der (auch mit Gewalt) gegen Konkurrenten, Polizisten und Aufseher kämpft, stand am Montag in “Bild” die Zeile: “Videospiel ruft auf zum Töten von Putzfrauen”. Mit der gleichen Logik könnte man titeln, dass die Lara-Croft-Spiele dazu “aufrufen”, unangemessen spärlich bekleidet frühgeschichtliche Funde zusammenzutragen und dabei auch nicht vor dem Abschlachten mythologischer Pferdemenschen zurückzuschrecken.
Danke an Fabian S., Michael H., Sven S., Paul K. — und spielkultur.net für den Scan!
Sie haben einen Leserbrief an “Bild” geschrieben, den die Zeitung heute veröffentlicht:
Zu: Warum ist unser Theater so versaut?
Je mehr Zuschüsse fließen, desto mehr kommen solche Entgleisungen vor. Da hilft nur eines: Sämtliche Mittel streichen! Man wird sich wundern, wie schnell die Theater wieder zu einem normalen Niveau zurückkehren.
Herr Haf, wir können verstehen, wie Sie zu diesem Urteil gekommen sind. Es liegt an der Zeitung, die Sie lesen und der Sie vertrauen. “Bild” schrieb gestern:
“Pinkelnde” Schauspielerinnen, abgehackte Kaninchen-Köpfe, rausgerissene Zungen: In Deutschlands Theatern geht es so eklig und brutal wie noch nie zu!
BILD zeigte gestern Fotos einer Berliner Bühnenshow, in der zwei Kaninchen mit einem Fleischerbeil der Kopf abgehackt wurde.
Was “Bild” Ihnen in diesem Artikel nicht verrät, Herr Haf, ist, dass es sich bei der Kaninchen-“Bühnenshow” nicht um ein Theaterstück handelt, sondern um eine einmalige Aktion zur Eröffnung einer Ausstellung. Sie fand auch nicht in einem Theater statt, sondern in den Räumen des Hauses Schwarzenberg, das ausdrücklich betont, keine Subventionen oder Förderungen der öffentlichen Hand zu bekommen.
“Bild” macht die Kunstaktion zum “Theater”, um sie irgendwie mit dem Theaterskandal verquirlen zu können, in den am vergangenen Donnerstag der FAZ-Theaterkritiker Gerhard Stadelmaier verwickelt wurde, der “Bild” nun scheinbar als Kronzeuge dient.
“Bild” ist der Meinung, dass Bilder von geköpften Kaninchen und scheinbar urinierenden Schauspielerinnen nicht auf die Bühne gehören, sondern in die Zeitung und ins Internet, wo sie alle sehen können. Zur Illustration der angeblichen aktuellen Versautheit “unseres Theaters” griffen “Bild” und Bild.de dabei allerdings vor allem auf interessantes Archivmaterial zurück:
“Bild” und Bild.de zeigen ein Foto aus der Inszenierung der “Entführung aus dem Serail” von der Komischen Oper Berlin, dessen Premiere am 20. Juni 2004 war — und über die sich “Bild” ebenfalls bereits erregt hat (“alles von unseren Steuergeldern”). Gespielt wird das Stück laut Spielplan nicht mehr.*
“Bild” und Bild.de zeigen ein Foto von “Die Philosophie des Boudoir” — im August 2004 als Gastspiel einer katalanischen Gruppe auf “Kampnagel” in Hamburg aufgeführt.
Bild.de zeigt ein Foto vom Gastspiel der slowenischen Gruppe “Via Negativa” ebenfalls auf Kampnagel — dieses Gastspiel fand im Mai 2004 statt.
Und Bild.de zeigt — immer noch unter der Überschrift “So versaut ist unser Theater” — ein Foto der umstrittenen Kunstaktion vom vergangenen Wochenende, die, wie gesagt, gar kein Theaterstück ist.
Wir fanden, Herr Haf, das sollten Sie wissen.
Mit freundlichen Grüßen
etc.
Danke an Andy W., Thorsten W. und die anderen Hinweisgeber!
*) Nachtrag, 11 Uhr.Das Foto aus Calixto Bieitos Inszenierung der “Entführung aus dem Serail” stammt nach Angaben der Komischen Oper aus der Orchesterhauptprobe, bei der die Presse fotografieren durfte. Die Szene sei dann aber noch vor der Generalprobe geändert und so nie öffentlich aufgeführt worden.
Anders als wir geschrieben haben, sei die beim Publikum sehr erfolgreiche Inszenierung aber weiter im Spielplan.
Die Nachrichtenagentur AP berichtet heute über den Prozess gegen den sogenannten “Kannibalen von Rotenburg”:
Der überwiegende Teil der 304 in seinem Haus in Rotenburg sichergestellten VHS-Kassetten und anderer Speichermedien habe mit Kannibalismus zu tun, sagte eine Beamtin (…).
Außerdem hatte der Angeklagte Armin Meiwes 35 Pornofilme mit homosexuellen Darstellungen gesammelt. Nach ihren Angaben nahm Meiwes zahlreiche sadomasochistische Rollenspiele auf Video auf — sowohl mit einem Partner oder einer Puppe als auch allein. Zusätzlich zu den selbst aufgenommenen Videos speicherte Meiwes Fernsehberichte über Leichenöffnungen, über den amerikanischen Mörder Jeffrey Dahmer, der 17 junge Männer tötete und Teile ihrer Körper im Kühlschrank aufbewahrte, oder auch über den Leichen-Plastinator Gunther von Hagens.
Bild.de nennt die Videosammlung das “Horror-Archiv” und meint damit in einer Aufzählung ausdrücklich auch die schwulen Pornos. In der Dachzeile über dem Artikel stehen “Mord” und “Homosexualität” scheinbar gleichberechtigt nebeneinander:
Jetzt kann man natürlich spekulieren, ob da nur ein blöder Fehler beim Formulieren passiert ist, ober ob für “Bild” beides gleichermaßen ins “Horror-Archiv” gehört.
Danke an Sven W. und Julian F.!
Nachtrag, 24. Februar. Bild.de hat die schwulen Pornos aus der Aufzählung des “Horror-Archivs” entfernt. Die Dachzeile hat Bild.de geändert in: “304 Filme über Mord und Sado-Maso-Sex gesammelt”. Auch diese scheinbare Gleichsetzung ist problematisch, führt aber schon eher zum Kern dessen, was bei dem Prozess gegen den “Kannibalen” verhandelt wird.
steht neben der “geheimen Geld-Tabelle”, mit der “Bild” heute aufmacht. Vermutlich darf man deshalb nicht davon ausgehen, dass “unsere Olympia-Stars” wirklich das verdienen, was die “Bild”-Zeitung in ihrem Huren-Pranger ihrer großen Gehaltsliste (“Viele Helden kriegen nur einen Bruchteil von dem, was mancher Versager erhält”) behauptet.
Nachtrag, 15 Uhr. Bild.de hat das Foto ausgetauscht, das falsche Alter aber natürlich belassen.
Nachtrag, 17.30 Uhr. Nun stimmt auch das Alter. Bei dem in “Bild” abgebildeten Sportler scheint es sich übrigens um Marcels Bruder Sascha Goc zu handeln.
Am Montag fand in Madrid eine Pressekonferenz mit dem brasilianischen Stürmer Ronaldo statt. Es war der Vortag des Champions-League-Spiels von Real gegen Arsenal London, deshalb waren viele internationale Journalisten dabei. Sie hatten danach Aufregendes zu berichten: Ronaldo deutete an, dass er den Verein vielleicht zum Ende der Saison vorzeitig verlässt. Er beschwerte sich, dass ihn die Fans nicht mögen, er sprach von seiner großen Traurigkeit und davon, dass er mit dem Vereinspräsidenten darüber geredet hätte, und er sagte auf die Frage, ob England ein mögliches Ziel wäre, dass jeder Ort eine Option wäre.
Auch Bild.de berichtete am Montag von dieser Pressekonferenz und zitierte Ronaldo ausführlich; “Bild” brachte am Dienstag eine kurze Meldung. Am Mittwoch aber legten “Bild” (in einem Teil der Auflage; siehe Ausriss) und Bild.de noch einmal nach. “Bild”-Reporterin Cathrin Gilbert muss einen besonderen Zugang zu dem Stürmerstar haben, denn:
“Exklusiv in BILD spricht er über seine Gründe.”
Das Exklusiv-Interview ist kurz und knackig. Ronaldo beschwert sich darin, dass ihn die Fans nicht unterstützen, er spricht von seiner großen Traurigkeit und davon, dass er mit dem Vereinspräsidenten darüber geredet hätte, und er sagt, England sei, falls er geht, ein mögliches Ziel.
“Bild” “exklusiv”
Pressekonferenz
Die Fans sind so verdammt eigen. Sie verlangen das Unmögliche von uns Spielern.
Entweder hat Ronaldo also all das, was er am Montag der Weltpresse erzählt hat, am Dienstag noch einmal fast wörtlich exklusiv der “Bild”-Reporterin erzählt. Oder nicht.
Die “Bild”-Zeitung wird den rheinland-pfälzischen Bundestagsabgeordneten Gert Winkelmeier nicht mehr “Puff-Politiker” nennen. Sie gab am vergangenen Freitag eine entsprechende Unterlassungserklärung ab. Alle ArtikelüberWinkelmeier sind inzwischen aus dem Angebot von Bild.de entfernt worden.
Winkelmeier wurde vor rund zehn Jahren Miteigentümer eines Hauses in Neuwied. Zu den Mietern gehörten unter anderem auch Prostituierte, die dort ihrer Arbeit nachgingen. Nachdem die Rhein-Zeitung darüber berichtet hatte, griff “Bild” den Fall groß auf. Drei Tage in Folge berichtete das Blatt — an jedem Tag stand das Wort “Puff-Politiker” in der Überschrift, meist noch mehrere Male im Artikel selbst.
Dass das unzulässig ist, stehe außer Frage, sagt uns Winkelmeiers Anwalt Jony Eisenberg. Nicht nur, weil dem Politiker keineswegs vorgeworfen werde, selbst als Zuhälter gearbeitet oder das Bordell betrieben zu haben. Sondern auch, weil es sich um eine unzulässige “Schmähung” handele, mit dem Ziel, den Mann verächtlich zu machen. Offensichtlich sei das auch “Bild” bewusst gewesen – das Blatt habe nach einer Abmahnung die Unterlassungserklärung abgegeben, ohne dass ein Gerichtsurteil nötig gewesen sei.
Die “Bild”-Zeitung darf Winkelmeier, der inzwischen die Fraktion der Linkspartei verlassen hat, also nicht mehr “Puff-Politiker” nennen. Aber sie war ja ohnehin mit ihm fertig.
Foto-Verwechslungen findet “Bild” offenbar schlimm. Zumindest wird, wer bedauerlicherweise einen Text falsch bebildert und sich anschließend (anders als “Bild”) öffentlich dafür entschuldigt, schnell mal zum “Verlierer” des Tages.
Heute indes präsentiert “Bild” ihren durchschnittlich über elf Millionen Lesern auf der Titelseite den venezolanischen Präsidenten Hugo Chavez als “Verlierer”. Das Foto allerdings, mit dem “Bild” (wie auch Bild.de) die “Verlierer”-Meldung illustriert (siehe Ausriss), zeigt bedauerlicherweisenichtHugoChavez.
Wer der Mann wirklich ist, dessen Konterfei “Bild” heute auf der Titelseite unter dem Stichwort “Verlierer” den durchschnittlich elf Millionen Lesern zeigt, wissen wir allerdings (noch) nicht.
Mit Dank an Boris G., Kolja S., Martin und kuzy für den Hinweis.
Nachtrag, 16.30 Uhr:Bild.de hat das falsche Chavez-Foto inzwischen durch ein richtiges ersetzt. Und “Bild” korrigiert das morgen gaaanz bestimmt auch noch — hat ja schließlich auf der Titelseite rechts neben dem “Gewinner” des Tages eine eigene Rubrik dafür…
Nachtrag, 16.49 Uhr: Der ursprünglich abgebildete Mann ist übrigens der peruanische Präsidentschaftskandidat Ollanta Humala.
Mit Dank an Dirty Harry, Roland S., Jonas und Harald N. fürs Wiedererkennen.
Die “Bild”-Zeitung hat sich dazu entschieden, den Namen der Psychologin nicht mehr zu nennen, die sie unter anderem unter der Überschrift “Stephanies Vergewaltiger – Diese Gutachterin ließ ihn laufen” zeigte. Stattdessen hieß die Frau in “Bild” gestern nur noch “Dr. Michaela H. (58)”.
Bei Bild.de musste man in diesem Artikel allerdings nur auf einen Link unter dem Foto der Frau klicken, um ihren wahren Namen zu erfahren (siehe Ausriss; schwarze Balken von uns). Auf unsere Frage an Bild.de, ob das Absicht ist, erhielten wir keine Antwort. Der entsprechende Archiv-Artikel wurde allerdings ersatzlos entfernt.
Am 28. Oktober 2005 berichtete “Bild” zum wiederholten Mal über ein Elternpaar (von “Bild” kurz “Eis-Eltern” genannt), das die Leiche eines seiner Kinder zweieinhalb Jahre lang in einer Kühltruhe versteckt hatte. Anders als in den vielen vorangegangenen Berichten illustrierte das Blatt den seitenfüllenden Bericht vom 28. Oktober unter anderem mit nebenstehendem Foto und schrieb dazu:
“In dieser Kühltruhe wurde die Kinderleiche entdeckt.”
(Hervorhebung von uns.)
Dabei konnte es schon bei Veröffentlichung des Fotos als unwahrscheinlich gelten, dass die Kinderleiche tatsächlich in “dieser Kühltruhe” entdeckt wurde. Ja, “Bild” selbst hätte es wissen müssen. Bereits am 23. Juni 2004 hatte “Bild” schließlich ein Foto aus der Wohnung der “Eis-Eltern” veröffentlicht (siehe Ausriss) und auf dem Foto diejenige Stelle rot markiert, an dem “diese Kühltruhe” bzw. “die Kühltruhe mit dem toten Jungen” gestanden haben soll — und “diese Kühltruhe” hätte an der rot markierten Stelle gar keinen Platz gehabt.
Weil heute aber — aus aktuellem Anlass — andere Medien wie die Nachrichtenseite N24.de ein Foto der tatsächlichen Kühltruhe veröffentlichen, die “dieser Kühltruhe” nicht im geringsten ähnlich sieht (siehe Ausriss), steht damit endgültig fest, dass die “Bild”-Zeitung am 28. Oktober 2005 ihre vielen, vielen Leser einfach mal wieder schamlos belogen hat.
Mit Dank an Sascha E. für den sachdienlichen Hinweis!
Nachtrag, 21.28 Uhr: Natürlich berichtet auch Bild.de aktuell über die “Eis-Eltern von Cottbus” – und illustriert die Nachricht…
… naja, wie wohl?
Nachtrag, 21.2.2006: Aus dem aktuellen Artikel hat Bild.de die falsche Truhe mittlerweile ersatzlos entfernt. In der Online-Version des ursprünglichen “Bild”-Berichts vom 28. Oktober aber findet sie sich leider noch immer.
Man könnte glauben, das Alter der Menschen sei für “Bild” und Bild.de wichtig — so konsequent, wie sie hinter jeden Namen eine Klammer mit einer Zahl schreiben. Doch dieser Gedanke lässt sich fast täglich leicht widerlegen.
Zum Beispiel so:
Und so:
Oder auch so:
In Wahrheit wird die Zahl zwischen den Klammern wohl täglich unter Aufsicht eines Ziehungsbeamten ausgelost. Didi Knoblauch (21, 24) bekam sogar eine Zusatzzahl. Wenn man auf den oberen Link klickt, ist er der .
Danke an Enno W. und Michael K.!
Nachtrag, 14.30 Uhr. Oh Gott, was haben wir da angerichtet? Bild.de hat die Zahlen sehr schnell korrigiert, oder genauer: es versucht. Doreen Steinert von “Nu Pagadi” ist nun nicht mehr (18) und (20), sondern (19)! Das ist anscheinend ihr tatsächliches Alter heute — aber nicht im vergangenen August, als der Bild.de-Artikel erschienen ist. Das wäre insoweit konsequent, als der Artikel nun auch das Datum von heute trägt (zwar nicht in der Adresszeile, aber unten auf der Seite), allerdings hätte Bild.de dann natürlich auch die anderen Zeitangaben ändern müssen, zum Beispiel die, dass Doreen “seit zwei Monaten” mit Sido zusammen sei. Sido und Didi Knoblauch sind nun beide konsequent 25 — fast konsequent: Vor einem Monat war der “Superstar”-Kandidat immer noch 21.
Nachtrag, 14.42 Uhr. Jetzt hat Bild.de Didi Knoblauch und Doreen Steinert in den Archivartikeln alterslos gemacht — vielleicht eine gute Entscheidung.