“Bei der Berichterstattung über Ermittlungs- und Strafverfahren gegen Jugendliche (…) soll die Presse mit Rücksicht auf die Zukunft der Betroffenen besondere Zurückhaltung üben.” (Pressekodex, Richtlinie 13.2)
Es gibt ein Foto, das den 16-jährigen, der am vergangenen Freitag bei einem Amoklauf in Berlin mehrere Dutzend Menschen verletzt hat, mit einem süßen Hund im Arm zeigt. Die “Bild”-Zeitung mag dieses Foto sehr. “Bild” und “Bild am Sonntag” haben es nun an vier Tagen in Folge groß im Blatt gezeigt.
Gestern und heute war dies die Augenpartie:
Am Sonntag und Montag sah dieselbe Stelle auf dem demselben Foto noch so aus:
Wir wissen nicht, was “Bild” dazu bewogen hat, seit gestern keine unverpixelten Fotos des Jugendlichen mehr zu zeigen. Wir wissen nur: Wenn die “Bild”-Zeitung den 16-jährigen heute nicht erkennbar zeigen darf, hätte sie es vorgestern auch nicht tun dürfen.
Aber für den Zeitungsverkauf ist das womöglich am besten: Erst mal einfach alle Gesichter unverfremdet zeigen, und dann im Nachhinein in Ruhe überlegen, welche eigentlich doch verpixelt werden müssen. Als könne man jemanden nachträglich anonymisieren.
PS: Dass es noch andere gute Gründe gibt als das Persönlichkeitsrecht, Kinder und Jugendliche, die einer Straftat verdächtigt werden, nicht groß und erkennbar abzubilden, zeigt der Fall des zwölfjährigen Jungen aus Berlin, der seine Lehrerin angegriffen haben soll. Ein Beitrag in den Nachrichten von RTL, die ein Interview mit dem Jungen gezeigt hatten, hatte erhebliche Proteste zur Folge — unter anderem von der Familie des Opfers. Die RTL-Chefredaktion versprach daraufhin, den Jugendlichen nur noch verpixelt zu zeigen, “um ihm kein unnötiges Forum zur Selbstdarstellung zu geben”.
Bei “Bild” guckte der Zwölfjährige am Dienstag cool aus der Schlagzeile auf Seite 1 — und war auch heute wieder unverfremdet im Blatt.