“Bild” schreibt Rechtschreibung wieder ohne Schl

Eine Zeitung, die ihren Lesern gegenüber aufrichtig ist, hätte heute vielleicht so etwas geschrieben wie:

Ja, wir haben die letzten Jahre gegen die neue Rechtschreibreform gekämpft, wir haben sie “Schlechtschreibreform” genannt — und auch in der reformierten Fassung, die morgen in Kraft tritt, sind noch viele Schreibungen enthalten, die wir vor kurzem noch “Wortmonster” genannt haben. Aber die Vorschläge des Rates für deutsche Rechtschreibung sind ein Kompromiss, mit dem wir leben können, und deshalb schreiben wir ab jetzt wieder so, wie es unsere Kinder in den Schulen lernen.

Doch das ist nicht die Variante, für die sich “Bild” entschieden hat. “Bild” hat sich dafür entschieden, so zu tun, als habe es bislang keine neue Rechtschreibung gegeben. Nicht in den Schulen (wo sie die ersten Schüler schon 1996 beigebracht bekamen) und nicht in den Zeitungen (wo sie von August 1998 bis Oktober 2004 auch von “Bild” und den anderen Springer-Zeitungen angewandt wurde). “Bild” vermischt systematisch die ursprüngliche Reform mit den aktuellen Überarbeitungen und tut so, als gehe das mit der neuen Rechtschreibung überhaupt erst morgen los. Und spart sich so das Eingeständnis, dass sie sich mit vielen Forderungen ihrer “Stoppt die Schlechtschreibreform!”-Kampagne nicht durchgesetzt hat.

Natürlich kommt bei so einem Kraftakt schnell die Wahrheit unter die Räder. Zum Beispiel behauptet “Bild” heute allen Ernstes:

Es gibt eine neue Regel, wann mit "ß" und "ss" geschrieben werden muss.

Nein, die gibt es nicht.

Richtig ist zwar, dass die Rechtschreibung, die ab morgen gilt, in einigen Punkten von der abweicht, die “Bild” bislang “Schlechtschreibung” nannte. Es gibt es aber keine Änderung, die “ß” und “ss” betrifft.

“Nach langen Vokalen (Selbstlauten) schreibt man ß, nach kurzen ss” — so formuliert “Bild” die “neue Schreibregel”. Dabei gilt diese Regel seit 1996. Genau wie die, dass sich “nach kurzen Vokalen” die “Konsonanten verdoppeln”, was “Bild” ebenfalls eine “neue Schreibregel” nennt.

Der Rat für deutsche Rechtschreibung hat in diesem Bereich (“Laut-Buchstaben-Zuordnungen”) keine einzige Änderung vorgenommen. Dass “überschwänglich”, “Stängel” und “Gräuel” mit “ä” statt “e” geschrieben werden — alles Regeln, die schon bisher galten und von “Bild” nur zuletzt nicht angewandt wurden.

Als Beispiele für die “neue” Regel, dass bei zusammengesetzten Wörtern “alle Konsonanten” geschrieben werden, “auch wenn drei aufeinander folgen”, nennt “Bild” putzigerweise auch die Wörter “Kaffeeernte” und “Hawaiiinsel” (vermutlich nach der internen “Bild”-Regel “Vokale? Konsonanten? Sind doch alles Buchstaben”).

Kein Wort verliert “Bild” über das Schicksal der Wörter “Delfin” und “Majonäse”, “Ketschup” und “Portmonee”, die “Bild” in den vergangenen Jahren immer als zwingende Schreibweisen und Beispiele für das Böse an der Rechtschreibreform genannt hat. Dabei hat sich an den vermeintlichen “Wortmonstern” nichts geändert: Diese eingedeutschten Varianten sind weiter möglich — neben den fremdsprachigen Schreibungen. Aber das war bislang auch schon so.

PS: Für langjährige “Bild”-Leser muss der heutige Artikel ein merkwürdiges Déjà vu sein. Denn am 15. Juli 1997 berichtete ihre Zeitung:

Rechtschreibreform kommt!

Durch die Rechtschreibreform müssen wir uns an neue Regeln gewöhnen. Aber keine Panik! Es ändern sich nur 185 von rund 12000 Wörtern. Vieles wird einfacher. Es gibt weniger Sonderfälle, weniger Komma-Regeln. (…)

Was ändert sich konkret? 1. “Daß” und “dass”: Nach kurzen Vokalen steht ss statt ß: “dass”, “Schluss”, “nass”. …

Danke für die vielen Hinweise.

Nachtrag, 1.8.2006: Die Verwechslung von Konsonanten und Vokalen in “Kaffeeernte” und “Hawaiiinsel” korrigiert die “Bild”-Zeitung heute in ihrer “Korrekturspalte”. Bild.de dagegen bleibt bei seiner Darstellung.

“Bild” bezahlt Spanner und Schaulustige (2)

Na, haben wir diese Foto nicht schon mal irgendwo gesehen?

Aber ja: Es war – zumindest in Teilen der Auflage – schon vor zwei Wochen in “Bild” abgedruckt, eingesandt von einem “Bild”-Leser bzw. “BILD-Leser-Reporter”, der schaulustig der Unfallszene am unteren Bildrand (von uns nicht abgebildet) beigewohnt und u.a. die dort zu sehenden hilflosen, schwer verletzten Unfallopfer fotografiert hatte, wofür er von “Bild” mit 500 Euro belohnt worden war.

Und am vergangenen Samstag, zwei Wochen nachdem der abgebildete Unfall passiert war, druckte “Bild” dasselbe Leserfoto noch einmal — diesmal in anderen Teilen der Auflage als zuvor, also quasi dort, wo es bislang den “Bild”-Lesern erspart vorenthalten geblieben war. Mit anderen Worten: “Bild” zahlt ihren Lesern offenbar nicht nur 500 Euro für die Einsendung irgendwelcher Schnappschüsse, die schon seit geraumer Zeit im Internet kursieren. Nein, bei Bedarf druckt und honoriert Europas größte Tageszeitung auch ohne aktuellen Bezug und Nachrichtenwert irgendwelche geilen Unfallfotos. Gut zu wissen auch das.

Kurz korrigiert (245)

In einem Stück darüber, dass sich Popstars “manchmal” verwandeln, schreibt “Bild am Sonntag” heute:

Mit süßen 17 startete Jeanette Biedermann beim Grand Prix.

Ja: Davon hatte “Bild” geträumt. Das “Schnuckelchen” war im Januar 1999 “BILD-Schlagerkönigin” und “strahlende Siegerin des großen BILD-Talentwettbewerbs” geworden, und “Bild” wollte sie zum Eurovision Song Contest schicken. Aber es blieb ein Traum: Biedermann schaffte im deutschen Vorentscheid nur den vierten Platz.

Nachtrag, 21 Uhr. Und selbst wenn Jeanette Biedermann an jenem Grand Prix 1999 teilgenommen hätte, wäre sie auch nicht “süße 17”, sondern 18 gewesen. Sie war auch schon beim deutschen Vorentscheid im März 18 Jahre alt.

Umgekehrt gab “Bild” ihr Alter im Januar 1999 während des großen “BILD-Talentwettbewerbs” erstaunlicherweise mit “(18)” an, obwohl Biedermann erst am 22. Februar 1999 volljährig wurde.

Danke an Torben F. und Mathias V. für die Hinweise!

Kein Ende der Schleichwerbung bei Bild.de

Der Satz im aktuellen Urteil des Berliner Kammergerichts über Schleichwerbung bei Bild.T-Online (pdf) ist sogar für Laien unmissverständlich:

Ein Link, der aus einem redaktionellen Zusammenhang auf eine Werbeseite führt, muss so gestaltet sein, dass dem Nutzer erkennbar ist, dass auf eine Werbeseite verwiesen wird.

Der Link “Sind Sie der ‘Soccer Star’?” im folgenden Ausriss steht aktuell im redaktionellen Zusammenhang auf der Startseite von Bild.de. Er verweist auf eine Werbeseite. Nichts an seiner Gestaltung macht dies für den Nutzer erkennbar.

Bild.de weigert sich also weiterhin, Werbung wie vorgeschrieben “eindeutig” vom übrigen Inhalt zu trennen und verstößt gegen geltendes Recht.

Kurz korrigiert (243-244)

3,5 Millionen verschiedene Menschen (unique users) lesen angeblich monatlich Bild.de. Die Mitarbeiter von Bild.de selbst gehören anscheinend nicht dazu.

Jedenfalls wird seit Stunden die Meldung über einen Unfall in Konstanz mit diesem und ähnlichen Teasern angekündigt:

Koblenz: 14jähriger steuert sich und freund in den Tod

Und bei der Meldung, dass Tommy Haas beim ATP-Turnier in Los Angeles das Halbfinale erreicht hat, müsste man nur die Überschrift mit dem Artikel vergleichen, um zu merken, dass eines von beiden nicht stimmt:

Haas im Halbfinale

(…) Zwei Jahre nach seinem Finalsieg gegen Landsmann Nicolas Kiefer steht der gebürtige Hamburger beim 500 000-Dollar-Turnier erneut im Endspiel.

Im Halbfinale gab’s ein lockeres 6:3 und 6:4 gegen Lokalmatador Paul Goldstein.

(Hervorhebungen von uns.)

In diesem Fall stimmt die Überschrift.

Danke für die vielen Hinweise!

Nachtrag, 20.35 Uhr. Bei Bild.de liest man vielleicht nicht Bild.de, aber BILDblog: Plötzlich sind beide Fehler korrigiert.

Liegt ein Fluch über dem Sommer?

Es ist Sommer. Ein Sommer der Wiederwiederwiederholungen. Und heute fragt “Bild” anlässlich Elisabeth Volkmanns Tod:

Liegt ein Fluch über der Klimbim-Familie?

Und wir zitieren auszugsweise:

“Sie machten die Menschen glücklich — und wurden selbst so unglücklich.”

“Regisseur Michael Pfleghar († 58) erschoß sich 1991 in der Badewanne seiner Düsseldorfer Wohnung – er war des Lebens überdrüssig.”

“Im November 2005 erlitt Peer Augustinski einen schweren Schlaganfall – 14 Tage Intensivstation, Schädel-Akupunktur. Seitdem ist er halbseitig gelähmt, kämpft sich mit harter Therapie zurück ins Leben.”

“Ingrid Steeger hatte nie Glück mit den Männern. Sie war mit Michael Pfleghar liiert, der sie ausnutzte – wie alle anderen auch. Heute lebt sie mit ihrem Dackel zurückgezogen in einer Zweizimmerwohnung in München.”

Und jetzt? Jetzt zitieren wir auszugsweise aus einem Artikel der “Bild am Sonntag”, erschienen vor fast genau zehn Wochen:

"Der Klimbim-Fluch"

“Muß man selber unglücklich werden, wenn man Millionen andere glücklich macht?”

“Am 23. Juni 1991 erschoß sich der lebensüberdrüssige Pfleghar in der Badewanne seiner Düsseldorfer Wohnung.”

“Peer Augustinski hat immer sehr gesund gelebt. (…) Im November vergangenen Jahres dann ein Schlaganfall, einer von der schweren Sorte. 14 Tage Intensivstation, linksseitige Lähmung, Schädel-Akupunktur. Augustinski kämpft sich durch. Beißt sich durch die Therapie:”

“Und dann ist da noch immer Ingrid Steeger, heute 59. (…) War mit dem genialischen Michael Pfleghar liiert – der hat sie ausgenutzt wie alle ihre anderen Männer auch. Lebt jetzt mit einer alten Dackelhündin in einer Münchner Zweizimmerwohnung, die sie kaum verläßt.”

Und nur zum Vergleich wiederholen wir nun noch ein paar “Bild”- und “BamS”-Aufregersätze der vergangenen zehn Jahre:

“Das ist der Gipfel aller TV-Unverschämtheiten! Erst im April wurden die Gebühren fürs öffentlich-rechtliche Fernsehen (…) erhöht. Und jetzt bekommen wir von ARD und ZDF trotzdem einen TV-Sommer voller Wiederholungen.”
(“Bild” vom 30.7.2005)

“Der TV-Sommer der Wiederwiederwiederholungen: TV-GÄHN! Egal, wohin man zappt – fast nur noch Wiederholungen. Gähnende TV-Langeweile. (…) Wofür zahlen wir eigentlich noch TV-Gebühren!”
(“Bild” vom 16.7.2003)

“(…) jeden Sommer der gleiche Ärger über Wiederholungen im TV. (…) Deshalb fordert jetzt Hans-Joachim Otto, medienpolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion: Runter mit den TV-Gebühren während der Sommermonate!”
(“BamS” vom 14.7.2002)

“Gähn-TV immer schlimmer: Das Sommer-Gähn-TV. Nur Wiederholungen, fast alle Show- und Talkmaster im Urlaub.”
(“Bild” vom 3.8.2001)

“Wofür zahlen wir im Sommer eigentlich Gebühren? Politiker fordern weniger Gebühren wegen Gähn-TV”
(“Bild” vom 28.7.2001)

“Noch nie sendete das Fernsehen so viele Wiederholungen wie im kommenden Sommer: Der trostlose TV-Sommer”
(“BamS” vom 2.7.2000)

“Ab Juni fast nur noch Wiederholungen: Das Fernsehen fällt in den Sommerschlaf”
(“BamS” vom 30.5.1999)

“Nur noch Wiederholungen: Frechheit: Fernsehen fällt drei Monate in Sommerschlaf”
(“BamS” vom 1.6.1997)

Kurz korrigiert (241-242)

Die “Bild”-Frage, ob Tour-de-France-Sieger Floyd Landis tatsächlich “Hoden-Doping” betrieben hat, oder doch eher Schulter- oder Oberkörperdoping (pdf) lassen wir besser mal unbeantwortet. Wir wissen schließlich genauso wenig wie “Bild”, ob Landis überhaupt gedopt hat. Nicht korrekt ist deshalb diese “Bild”-Behauptung:

"Floyd Landis (30) gedopt! Erstmals in der Geschichte der Tour de France ist ein Sieger des Dopings überführt worden."

Landis ist nämlich noch nicht des “Dopings überführt worden”. Bislang war lediglich die A-Probe positiv. Als des Dopings überführt gilt man jedoch erst, wenn auch die B-Probe positiv ist.

Und Doping mal hin oder her, so schnell wie “Bild” schreibt, war Landis auf der 17. Etappe der diesjährigen Tour nun auch wieder nicht:

Am Tag zuvor war der Ami böse eingebrochen, hatte in der Gesamtwertung 8:08 Minuten Rückstand. Nach der 17. Etappe plötzlich 5:42 Minuten Vorsprung.

Landis gewann zwar die 17. Etappe mit 5:42 Minuten Vorsprung. In der Gesamtwertung lag er danach jedoch noch 30 Sekunden hinter dem Führenden auf Platz drei.

Mit Dank an Philip M. und Christoph S. für die Hinweise.

Nachtrag, 29.7.2006: “Bild” hat den “Vorsprung”-Fehler heute in ihrer Korrekturspalte berichtigt und sogar noch einen weiteren kleinen Fehler (“In der Rubrik „Ich weiß es“ (27. Juli) wurde das Alter von Thomas Gottschalk in einer Bildunterschrift mit 57 Jahren angegeben. Gottschalk ist erst 56 Jahre alt.”) entdeckt. Dass darüber hinaus Radost Bokel als “Momo” natürlich nicht, wie “Bild” behauptete, der “Kinderstar aus der ‘Unendlichen Geschichte’ war, ist “Bild” offenbar auch im Nachhinein nicht aufgefallen. Und der “Vorsprung”-Fehler selbst steht nach wie vor unkorrigiert bei Bild.de

Schleichwerbung: Bild.de verliert vor Gericht

“Bild” und Bild.de haben mit der Art, wie sie für das “Volks-Sparen”-Angebot der Deutschen Bank geworben haben, unzulässige Schleichwerbung betrieben. Das Kammergericht Berlin erließ in zweiter Instanz eine einstweilige Verfügung (pdf), die es Bild.T-Online untersagt, in gleicher Weise in redaktionell gestalteten Beiträgen für einzelne Unternehmen zu werben. Andernfalls muss Bild.T-Online Ordnungsgeld von bis zu 250.000 Euro zahlen. Geklagt hatte ein Journalist, der Internet-Seiten mit Verbraucherinformationen betreibt und sich als Wettbewerber von Bild.de sieht.

Für das “Volks-Sparen” wurde im Februar 2005, wie bei diesen Aktionen üblich, in einer Beilage in der “Bild”-Zeitung und auf Bild.de geworben. Auf der Internetseite war neben der Überschrift “Dieser Zins bringt’s” ein Sparschwein mit dem “Volks-Sparen”-Logo zu sehen — sauber durch das Wort “Anzeige” als Anzeige gekennzeichnet. Unter diesem Werbelink stand — wie als Trenner — eine Leiste, die zu anderen Bild.de-Seiten führte. Danach folgten redaktionelle oder scheinbar redaktionelle Artikel (“Umfrage: Für welchen Traum sparen Sie?”, “Wissenswertes rund um den Zaster” …) sowie die Ankündigung: “Prominente Sparfüchse nehmen das Volks-Sparen unter die Lupe” (statt Prominenten waren Max Schautzer und Jochen Sattler abgebildet).

Dieser vermeintliche Test war (wie weitere “Artikel”) Teil der Anzeige — aber nach Ansicht des Gerichtes “nicht hinreichend eindeutig als Werbung erkennbar”. Die Deutsche Bank als werbendes Unternehmen werde nicht einmal genannt. Und der schwarze Balken mit dem Wort “Anzeige”, der über dem Sparschein-Teaser steht, könnte “von einem unbefangenen Durchschnittsleser ohne weiteres” nur auf diesen bezogen werden.

Auch die Bild.T-Online-Werbebeilage der “Bild”-Zeitung enthielt nach Meinung des Gerichts “unerlaubte Schleichwerbung”. Die Aufmacherseite gebe sich zum Beispiel “den Anschein einer redaktionellen Zeitungsseite”. Dass ganz oben auf der Seite sehr klein “Sonderveröffentlichung” stand, helfe auch nicht, im Gegenteil: Das verstärke eher den Eindruck einer objektiven Sonderberichterstattung.

Bereits im Juli 2005 hatte das Landgericht Berlin in einem Fall die Praxis der Trennung (oder genauer: Vermischung) von Werbung und Redaktion bei Bild.de für unzulässig erklärt. Das Kammergericht bestätigte jetzt, dass im Internet zwar bei einem werblichen Inhalt nicht zwingend das Wort “Anzeige” stehen muss. Der Nutzer muss aber in jedem Fall klar erkennen können, welche Inhalte werblicher Natur sind. Und er muss vor jedem einzelnen Klick wissen, ob er auf eine Anzeigenseite kommt oder auf redaktionelle Inhalte.

Diese Vorgabe erfüllt Bild.de von sich aus nach wie vor nicht. Die samstags erscheinende Bild.T-Online-Beilage in “Bild” ist allerdings inzwischen (klein) als “Anzeige” gekennzeichnet.

Die “Bild”-Zeitung hat sich bislang nicht entschieden, ob sie sich uns gegenüber zu dem Gerichtsbeschluss äußern will. Auch ob sie Rechtsmittel einlegen wird, konnte oder wollte uns der “Bild”-Sprecher noch nicht sagen.

Nachtrag, 30. Juli. Inzwischen hat sich “Bild” entschieden: Man werde sich nicht zu dem Urteil äußern.

Verrechneter Sommer

“Bild” ist ja gerade wieder mal dabei, “Die Große Geld-Debatte” zu führen. Heute sind die Beamten dran:

"Soviel verdienen deutsche Beamte"

Im Text heißt es:

Es ist das Top-Thema in Deutschland: Die großen Gehalts-Listen von BILD! Heute sagt BILD, wie viel unsere rund zwei Millionen Staatsdiener verdienen (…) Ihr Job ist sicher, Kündigung ausgeschlossen. (…) Pensionen: Im Alter 71,75 % des letzten Gehaltes (steuerpflichtig).

Huch?! Nee, Verzeihung! Das war ja der Text, den “Bild” vor ziemlich genau zwei Jahren unter der Überschrift “So viel verdienen deutsche Beamte” druckte. Heute steht in “Bild”:

Die große Geld-Debatte: Ganz Deutschland diskutiert, wer wieviel Geld für seine Arbeit bekommt. Heute sagt BILD, was die rund zwei Millionen deutschen Beamten verdienen (…) Nicht jeder Staatsdiener verdient sehr viel — dafür hat er einen sicheren Arbeitsplatz, weniger Abgaben und eine gute Pension (71,75 % vom letzten Brutto).

Und was vor zwei Jahren irreführend war, ist es noch immer. Zum Beispiel die “Bild”-Angabe zu den Pensionen. Zwar beträgt die höchstmögliche Beamten-Pension tatsächlich 71,75 Prozent, allerdings muss man dafür 40 Jahre verbeamtet gewesen sein. Denn das Ruhegehalt berechnet sich nach § 14 BeamtVG. Bei 30 Dienstjahren kommt man so auf rund 54 Prozent “vom letzten Brutto”, bei 20 Dienstjahren nur auf 36 Prozent.

Anders als vor zwei Jahren, als “Bild” bei den meisten Einkommen noch eine Einkommensspanne angegeben hatte, will sie es diesmal ganz genau wissen und gibt dafür im Kleingedruckten “Berechnungs-Annahmen” an:

35jähriger verheirateter Beamter, der mit 23 Jahren verbeamtet wurde; ohne Weihnachtsgeld und Zulagen

Wir haben mal ein paar Stichproben gemacht und festgestellt, dass die Annahmen bei manchen Berufsgruppen zu recht abenteuerlichen Konstellationen führen. Wer z.B. nach 12-jähriger Dienstzeit mit 35 Jahren immer noch Gefreiter ist, der hat definitiv was falsch gemacht. Andererseits sind Generalbundesanwälte oder Richter am Bundesgerichtshof für gewöhnlich etwas älter als 35.

Noch weiter neben der Realität liegt “Bild” beim Staatsanwalt:

Staatsanwälte werden nach Besoldungsgruppe R1 [pdf] bezahlt. Demnach kommt man in Westdeutschland als 35-Jähriger auf 3.695,38 Euro und im Osten auf 3418,23 Euro Grundgehalt. Der Familienzuschlag für Verheiratete beträgt 105,28 Euro, bzw. 97,38 Euro. Wie “Bild” auf die eigenen Zahlen (s.o.) kommt, ist uns ehrlich gesagt schleierhaft.

Ähnlich sieht’s beim Richter am Landessozialgericht (Besoldungsgruppe R2) aus:

Nach unserer Rechnung ergibt sich für einen 35-Jährigen ein Bruttoeinkommen von 4.261,50 Euro (West) und 3.941,88 Euro (Ost). “Bild” hat auch hier sehr viel höhere Beträge raus (s.o.).

Und wenn “Bild” schon möchte, dass “ganz Deutschland” darüber diskutiert, “wer wieviel Geld für seine Arbeit bekommt”, dann wünschte man sich dafür doch wenigstens eine korrekte Grundlage. Sonst kann man sich ja die Infos gleich selber zusammensuchen.

Mit Dank an Robert T., Oliver H., Marcel H., Jan G. und Benjamin S. für die sachdienlichen Hinweise.

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