Archiv für Februar 6th, 2025

“Von wegen!”

Für eine erfolgreiche Desinformationskampagne braucht es Leute, die das Lügenkonstrukt verbreiten. Da können reichweitenstarke Accounts auf Social-Media-Plattformen hilfreich sein oder, noch besser, Redaktionen mit einem Millionenpublikum.

Und damit zu “Bild”.

Gestern brachte die Redaktion diese Geschichte bei Bild.de:

Screenshot Bild.de - Von wegen Klima-Kriminelle! Russland soll Auspuff-Sabotage in Deutschland gesteuert haben

Der Artikel basiert auf einer Recherche, die der “Spiegel” ebenfalls gestern veröffentlicht hatte (nur mit Abo lesbar). “Bild”-Redakteur Matteo Tomada schreibt bei Bild.de mit Blick auf eine Sabotageserie, bei der im Dezember vergangenen Jahres an verschiedenen Orten in Deutschland Auspuffrohre mit Bauschaum verstopft wurden:

Mehr als 270 Autos wurden in nur wenigen Tagen mit Bauschaum stillgelegt und mutwillig zerstört. Dazu prangten Habeck-Aufkleber auf den Karossen. Was zunächst aussah, wie Vandalismus seitens Klimakrimineller, scheint jetzt weit größere Kreise zu ziehen.

Hinter der Auspuff-Sabotage soll Russland stecken!

Wie der “Spiegel” berichtet, soll die Spur der Saboteure nach Moskau führen.

Leider erwähnt Tomada an keiner Stelle, wer den Spin mit den “Klimakriminellen” in die Welt gesetzt hat. Aber er verlinkt dankenswerterweise einen Bild.de-Artikel vom 12. Dezember zum Thema. Dessen Überschrift, die bis heute unverändert online ist, lautet:

Screenshot Bild.de - Bei 100 Fahrzeugen den Auspuff verstopft - Klima-Radikale attackieren Autos mit Bauschaum

Es handele sich um eine “neue Chaos-Taktik von Klima-Aktivisten”, schreiben “Bild”-Reporter Hagen Stegmüller und “Bild”-Chefreporter Michael Behrendt. Sie zitieren zwar einen Polizeisprecher, laut dessen Aussage es zu dem Zeitpunkt keine heiße Spur “zur Bauschaum-Bande” gebe. Doch das hält Stegmüller und Behrendt nicht davon ab, solche Sätze zu schreiben:

In der zweiten Nacht weiteten die Klima-Radikalen ihre Aktion auf Ulm, Blaustein und Neu-Ulm (Bayern) aus.

Noch sei unklar, wie viel Geld ihn die Straftat der Klima-Kriminellen koste.

Desinformationskampagnen haben es dann besonders leicht, wenn ihr scheinbarer Inhalt in ein festgezurrtes Weltbild passt. Dann wird munter geteilt und weiterverbreitet, ohne Abwägen, ohne Zweifel, ohne Einschränkung. Die “Bild”-Redaktion ist ein dankbarer Abnehmer.

Noch einmal zurück zu “Bild”-Redakteur Matteo Tomada. Der schreibt zum “mutmaßlichen Motiv” hinter der wahrscheinlich russisch gesteuerten Bauschaumaktion:

Die Öffentlichkeit solle gezielt auf eine falsche Fährte gelockt werden, um im Bundeswahlkampf Hass auf die Grünen und ihren Kanzlerkandidaten Robert Habeck zu schüren.

Sollte es sich bei der Auspuffaktion tatsächlich um eine russische Desinformationskampagne handeln und sollte damit tatsächlich die Öffentlichkeit “gezielt auf eine falsche Fährte gelockt werden”, dann können sich die Urheber in Moskau recht herzlich bei der “Bild”-Redaktion für die tatkräftige Unterstützung bedanken.

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Bauschaum aus Russland, Schwere Folgen für Medien, Filmfördermodell

1. Nicht die Klimaaktivisten sind schuld, sondern die Russen
(taz.de, Valérie Catil)
Die “taz” berichtet, dass nicht, wie von “Bild” im Dezember gemeldet, Klimaaktivisten hinter zahlreichen Attacken mit Bauschaum auf Autos stecken sollen, sondern von Russland angeleitete Akteure. Dies habe eine Recherche des “Spiegel” ergeben (nur mit Abo lesbar). Demnach seien die Taten Teil einer gezielten russischen Manipulationskampagne im Bundestagswahlkampf, bei der über Soziale Medien Amateure für solche Aktionen rekrutiert worden seien. Die “taz” kritisiert die Berichterstattung der “Bild”-Redaktion, die den ursprünglichen Artikel auch nach der neuesten Entwicklung online gelassen habe.
Weiterer Hörtipp in eigener Sache: Bei radioeins kommentiert der “6-vor-9”-Kurator: “Die Bauschaum-Aktionen […] zielen darauf ab, im Bundestagswahlkampf Hass gegen die Grünen zu schüren – getarnt als radikale Klimaschutz-Aktion. Die Kalkulation dahinter ist klar: Je tiefer die Gräben in der deutschen Gesellschaft, desto schwächer unsere Position gegenüber Russland.” (radioeins.de, Lorenz Meyer, Audio: 3:45 Minuten)

2. Schwerwiegende Folgen für Medien weltweit
(reporter-ohne-grenzen.de)
Die Organisation Reporter ohne Grenzen (RSF) zeigt sich besorgt wegen der Aussetzung fast aller Auslandshilfen der USA. RSF-Geschäftsführerin Anja Osterhaus stellt fest: “Sollte diese Unterstützung langfristig wegfallen, können viele Medien ihre wichtige Aufgabe nicht mehr erfüllen, den Menschen freie und unabhängige Informationen zur Verfügung zu stellen. Vor allem in autoritären Ländern spielt solch eine Entwicklung staatlicher Propaganda in die Hände.”

3. Österreichisches Filmfördermodell in schweren Turbulenzen
(dwdl.de, Timo Niemeier)
Timo Niemeier berichtet bei “DWDL”, dass das österreichische Filmfördermodell FISA+ aufgrund der laufenden Regierungsverhandlungen derzeit keine neuen Anträge annehme. Produzenten würden vor einer möglichen Abwanderung von Filmproduktionen ins Ausland warnen, da Investoren Standorte in Ländern mit stabileren Fördermodellen bevorzugen könnten.

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4. Google gibt explizite Ablehnung von KI-Waffen auf
(tagesschau.de)
Google habe seine frühere Selbstverpflichtung, keine Künstliche Intelligenz (KI) für Waffen und Überwachung zu entwickeln, aus den aktualisierten KI-Grundsätzen entfernt, ohne diese Änderung konkret zu begründen. Das Unternehmen investiere massiv in KI-gestützte Suchfunktionen sowie Rechenzentren. Ein Wachstumstreiber seien Google zufolge die Ausgaben für Werbung zur US-Präsidentenwahl im November gewesen.

5. “Tägliche Gruppenvergewaltigungen”: Keine Belege für Merz’ Behauptung zur Kriminalität von Asylbewerbern
(correctiv.org, Max Bernhard)
In der Bundestagsdebatte vor der Abstimmung zum sogenannten “Zustrombegrenzungsgesetz” hatte der Kanzlerkandidat der CDU/CSU Friedrich Merz unter anderem damit argumentiert, dass es “täglich stattfindende Gruppenvergewaltigungen aus dem Milieu der Asylbewerber” gebe. Diese Aussage wurde vielfach medial verbreitet. “Correctiv” hat Merz’ Behauptung zu Asylbewerbern einem Faktencheck unterzogen und kommt zu folgendem Ergebnis: “Unbelegt. Für die Behauptung von Merz finden sich keine Belege. Auch Quellen, auf die sein Sprecher auf Rückfrage verweist, sind kein Beleg für die Aussage.”

6. Spotify schreibt erstmals übers ganze Jahr hinweg schwarze Zahlen
(spiegel.de)
Der Musikstreamingdienst Spotify sei 2024 erstmals über das gesamte Jahr hinweg profitabel gewesen und habe mit einem Nettogewinn von 1,1 Milliarden Euro einen Rekord in seiner Firmengeschichte erreicht. Das Wachstum sei vor allem auf steigende Abozahlen, höhere Abopreise und erfolgreiche Engagement-Strategien wie den Jahresrückblick “Wrapped” zurückzuführen.