Archiv für August 20th, 2024

Für “Bild” potenziell gefährlich

Die Grünen-Co-Vorsitzende Ricarda Lang und ihr langjähriger Partner Florian Wilsch haben geheiratet. Und das wäre auch schon die ganze Nachricht.

Doch die “Bild”-Redaktion hat einige Fotos von der Feier (oder genauer: von der Straße vor der Feier) in die Finger bekommen. Und so veröffentlichte sie in den vergangenen Tagen weltbewegende Informationen. Etwa dass Klimaaktivistin Luisa Neubauer zu den Gästen zählte. So, so. Oder dass Grünen-Politiker und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck mit dem Rad zur Feier kam. Schau an. Oder dass Luisa Neubauer beim Eintreffen zur Party Sandalen trug und beim Verlassen der Party Sneaker. Dinge gibt’s.

Gestern dann der vorläufige Höhepunkt des “Bild”-Irrsinns zur Hochzeitsfeier, wieder nur auf Grundlage eines Fotos:

Screenshot Bild.de - Nach Hochzeitsparty - Fahrer trug Palästinenser-Tuch - Wie gefährlich war Ricarda Langs Taxifahrt?

Die “Bild”-Medien haben das Foto ohne Unkenntlichmachung veröffentlicht, die Verpixelung stammt von uns. Zu sehen sind Ricarda Lang und Florian Wilsch auf dem Rücksitz eines Taxis. Auch der Fahrer ist zu erkennen. Er trägt eine offenbar grüne Kufiya, die er um seinen Kopf gebunden hat.

Mehr weiß die “Bild”-Redaktion nicht. Sie hat keine Ahnung, wer der Mann ist. Sie weiß nicht, welche Ansichten er hat (“Wie der Fahrer politisch tickt, ist nicht bekannt.”). Sie kennt nicht seine Herkunft, nicht seine Religion, nichts. Sie weiß nur, dass er eine umgangssprachlich oft als “Palästinenser-Tuch” bezeichnete Kufiya trägt. Das reicht “Bild”, um einen Menschen vor einem Millionenpublikum als potenziell gefährlich darzustellen – man wird ja wohl noch fragen dürfen:

Befand sich Lang in Gefahr, ohne es zu wissen?

Im Bild.de-Artikel bringt die Redaktion den Taxifahrer direkt oder indirekt mit “Israel-Feinden” (“Ihr Fahrer trug ein Palästinenser-Tuch, ein Erkennungszeichen der Israel-Feinde”), “der pro-palästinensischen Szene” (“Ein Foto zeigt: Der Taxi-Fahrer der Grünen-Chefin gehört offenbar der pro-palästinensischen Szene an.”), “Israel-Hassern” (“Das Palästinenser-Tuch ist unter Israel-Hassern beliebt”), Personen, die auf propalästinensischen und antiisraelischen Protesten die Hamas feiern und den Hitlergruß zeigen, “Judenfeinden und Terror-Verharmlosern”, “Islamisten” (“Das Palästinenser-Tuch ist unter Israel-Hassern beliebt: Islamisten und Linksextreme tragen es auf den pro-palästinensischen Protesten.”) und “Antisemiten” (“Klar ist nur, dass er ein Kleidungsstück trägt, das als Erkennungszeichen von Israelhassern und Antisemiten verwendet wird.”) in Verbindung. Der Bundesvorsitzende der Polizeigewerkschaft DPolG Rainer Wendt darf dann noch jeglichen Ansatz von Zweifel, ob der Taxifahrer “der Szene” angehört, wegwischen:

“Jeder muss selbst entscheiden, ob er sich zu einer der Szene zugehörigen Person ins Taxi setzt.”

Ricarda Lang wollte zu all dem verständlicherweise nichts sagen:

Fühlte Ricarda Lang sich sicher? Die Grünen-Co-Chefin ließ eine BILD-Anfrage unbeantwortet.

Was bleibt einem auch übrig, wenn die eigene Hochzeit von “Bild” für Unsinnsmeldungen, Generalverdacht und Stimmungsmache missbraucht wird?

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MDR muss ausstrahlen, Rechte Influencer, KI-Podcast-Experiment

1. “Wird schon die richtigen treffen”: MDR muss PARTEI-Wahlspot ausstrahlen
(beck.de)
Wie gestern in den “6 vor 9” berichtet, habe der MDR die Ausstrahlung eines Wahlwerbespots der Satirepartei Die Partei abgelehnt, da dieser das Erschießen von AfD-Wählern und -Wählerinnen suggeriere. Die Partei habe daraufhin angekündigt, rechtliche Schritte einzuleiten. Dies ist offensichtlich geschehen – mit positivem Ausgang für Die Partei: Wie das Rechtsportal “beck-aktuell” berichtet, habe das Verwaltungsgericht Leipzig den MDR nun zur Ausstrahlung des Wahlwerbespots verpflichtet.

2. Rechte Influencer auf YouTube: Welche Werbung ideologische Botschaften finanziert
(correctiv.org, Shammi Haque & Jean Peters & Michael Trammer & Nadja Bascheck)
Ein Netzwerk rechter Influencer verbreite auf Youtube extremistische Ideologien und werde dabei von verschiedenen Werbetreibenden finanziert, darunter auch Unternehmen mit Verbindungen zur AfD. Recherchen von “Correctiv” und dem “Y-Kollektiv” würden zeigen, dass diese Influencer mit teilweise fragwürdiger Werbung Einnahmen generieren. Die Verbreitung von Hassrede und extremistischer Propaganda verstoße zwar gegen die Community-Richtlinien von Youtube, doch die Video-Plattform sehe das in den konkreten Fällen anscheinend anders: “Auf Anfrage teilte YouTube zugleich mit, dass sie nach interner Prüfung der Kanäle keinen Verstoß gegen ihre Community-Richtlinien feststellen konnten.”

3. KI-Podcast: Kann AI Hosts und Redaktionen ersetzen?
(youtube.com, Tessniem Kadiri, Video: 56:05 Minuten)
Die an die re:publica angekoppelte Tincon versteht sich als “Festival für digitale Jugendkultur, Spitzenunterhaltung und Gedankenkombination”. Auf einer Veranstaltung in Berlin gab es ein interessantes, wenn auch etwas chaotisches Live-Experiment: “Mit der Hilfe des Publikums werden live auf der Bühne Podcasthosts und Gäste digital geklont und mit Stimme und Persönlichkeit zum Leben erweckt. Stück für Stück sollen die KI-Bots immer selbstständiger werden – und am Ende den ganzen Podcast komplett selbstständig wuppen, sodass er für alle Zeiten automatisch weiterlaufen kann.”

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4. Buchrezension: Neue Perspektiven auf Cross-Border-Journalism
(de.ejo-online.eu, Susanne Fengler)
Susanne Fengler stellt den 500 Seiten umfassenden Sammelband “The Palgrave Handbook of Cross-Border Journalism” vor, der umfassende Einblicke in das Phänomen des grenzüberschreitenden Journalismus biete und theoretische, historische und technologische Aspekte beleuchte. Mit Beiträgen von über fünfzig internationalen Expertinnen und Experten würden die Bedeutung und die Herausforderungen des cross-border journalism in einer globalisierten Welt detailliert dargestellt. Eine besondere Stärke des Buches sei die Vielfalt der Perspektiven, schreibt Fengler, allerdings fehle eine abschließende Zusammenfassung der Themen.

5. “El Hotzo” sagt “Tschüss”: Podcast “Hotz & Houmsi” wird eingestellt
(tagesspiegel.de, Kurt Sagatz)
Der Satiriker Sebastian Hotz, bekannt als “El Hotzo”, habe angekündigt, den gemeinsam mit Salwa Houmsi präsentierten Podcast “Hotz & Houmsi” nach zwei Jahren zu beenden, da ihm die vergangenen Jahre “ganz schön viel” gewesen seien. Die letzte Folge trägt den Titel “Tschüss” und ende, ohne auf die jüngste Kontroverse um Hotz’ Trump-Tweets einzugehen, die auch politische Reaktionen hervorgerufen hatten.

6. So erobern schneller gespielte Versionen von Popklassikern die Charts neu
(spiegel.de)
Der TikTok-Trend, Songs in beschleunigten “sped-up”-Versionen zu verwenden, führe oft dazu, dass diese Versionen viral gehen und Künstlerinnen und Künstlern helfen, die Charts zu erobern, wie im Fall des Songs “Escapism” der Sängerin Raye. Dieser Trend sei eine Weiterentwicklung des “Nightcore”-Phänomens der frühen 2000er-Jahre und habe dazu geführt, dass viele Musikerinnen und Musiker ihre alten Songs remixen, um auf TikTok erfolgreich zu sein. Die Verbreitung der “sped-up”-Versionen führe jedoch auch dazu, dass die Originalsongs oft in den Hintergrund treten und stark verfremdet werden, was nicht bei allen Beteiligten gut ankomme.