Archiv für August 3rd, 2023

“Bild” verlegt Vergewaltigungen in den Görlitzer Park

Im Görlitzer Park in Berlin soll es eine Gruppenvergewaltigung gegeben haben. Die Ermittlungen dazu laufen, die Polizei hat bisher zwei Verdächtige festgenommen. Die mutmaßliche Tat soll sich bereits im Juni dieses Jahres ereignet haben, öffentlich bekannt wurde sie erst vergangene Woche. Die “Bild”-Redaktion erklärte den Görlitzer Park jedenfalls vor wenigen Tagen zu:

Screenshot Bild.de - Allein dieses Jahr acht Vergewaltigungen! Deutschlands Park der Angst

Dass die Dachzeile “ALLEIN DIESES JAHR ACHT VERGEWALTIGUNGEN!” so nicht stimmt, wird bereits beim Lesen des ersten Absatzes desselben Artikels klar:

Er ist Berlins Horror-Park: Allein acht Vergewaltigungen und sexuelle Übergriffe gab es von Januar bis Ende Juni im Görlitzer Park.

Also: bisher “acht Vergewaltigungen und sexuelle Übergriffe” im Görlitzer Park im Jahr 2023 laut “Bild”. Diese Zahl taucht in aktuellen Berichten der Redaktion immer wieder auf:

Allein von Januar bis Ende Juni gab es im Görlitzer Park acht schwere Taten unter dem Stichwort “Vergewaltigung/sexuelle Nötigung/sexueller Übergriff”

Laut einer aktuellen Polizeistatistik gab es von Januar bis Ende Juni im Görlitzer Park acht schwere Taten unter dem Stichwort “Vergewaltigung/sexuelle Nötigung/sexueller Übergriff”.

Doch auch das ist falsch.

Die Polizeistatistik, die die “Bild”-Redaktion erwähnt, findet man in einer Antwort der Berliner Senatsverwaltung für Inneres und Sport (PDF) auf eine Anfrage der Linken-Politiker Niklas Schrader und Ferat Koçak. Darin geht es um “Neue Entwicklungen am sogenannten kriminalitätsbelasteten Ort ‘Görlitzer Park/Wrangelkiez'”. Tatsächlich findet man in der Statistik die acht Fälle von “Vergewaltigung/sexuelle Nötigung/sexueller Übergriff”, die sich von Januar bis einschließlich 26. Juni ereignet haben sollen. Aber längst nicht alle im Görlitzer Park.

Die Bezeichnung “kriminalitätsbelasteter Ort” (“kbO”) geht auf eine Einordnung der Berliner Polizei zurück, die in der Stadt insgesamt sieben solcher Gebiete als Kriminalitäts-Hotspots sieht. Dort gelten für die Beamten besondere Befugnisse. Sie können beispielsweise verdachtsunabhängige Kontrollen durchführen. Der Name “kbO Görlitzer Park/Wrangelkiez” deutet ja schon an, dass das Gebiet, um das es in der Polizeistatistik geht, nicht nur den Görlitzer Park umfasst. Dieser ist etwa 140.000 Quadratmeter groß; die gesamte von der Polizei Berlin als “kbO Görlitzer Park/Wrangelkiez” deklarierte Fläche umfasst aber mehr als 300.000 Quadratmeter. Wo genau die Grenzen verlaufen, verrät die Berliner Polizei aus taktischen Gründen nicht. Auf jeden Fall gehört aber ein beachtlicher Teil des belebten Wrangelkiezes, in dem es viele Wohnhäuser, Hostels und Firmen gibt, zum “kbO”.

Unter den acht Fällen von “Vergewaltigung/sexuelle Nötigung/sexueller Übergriff” befinden sich laut Polizeistatistik sechs Vergewaltigungen oder versuchte Vergewaltigungen. Dazu hat “taz”-Redakteur Erik Peter bei der Polizei genauer nachgefragt. Mit dem Ergebnis:

Einzig die mutmaßliche Gruppenvergewaltigung aus dem Juni fand tatsächlich im Görlitzer Park statt. Sie ist zudem die einzige der registrierten Vergewaltigungen, die im öffentlichen Raum geschah.

In den fünf anderen Fällen vergewaltigten die mutmaßlichen Täter demnach in Privaträumen im umliegenden Kiez: Laut der Polizei kam es demnach zu einer versuchten Vergewaltigung in einem Gewerbebetrieb, zwei Vergewaltigungen in Hostels sowie zwei Vergewaltigungen in Wohnhäusern. Nähere Auskünfte zu den Ermittlungsständen gab die Polizei mit Verweis auf laufende Ermittlungsverfahren nicht.

Natürlich macht der Ort einer Vergewaltigung diese nicht weniger schrecklich. Aber wenn die “Bild”-Redaktion schreibt: “Allein acht Vergewaltigungen und sexuelle Übergriffe gab es von Januar bis Ende Juni im Görlitzer Park”, ist das grob falsch. Sie heizt damit eine eh schon hitzige Debatte mit falschen Behauptungen weiter an.

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“Linksunten”-Razzia, Journalismus fürs Gemeinwohl, UN-Radios

1. Razzia bei mutmaßlichen Betreibern von »Linksunten.indymedia«
(spiegel.de)
In Freiburg wurden die Wohnungen von fünf mutmaßlichen Betreiberinnen und Betreibern der längst verbotenen Internetplattform “Linksunten.indymedia” durchsucht. Sie stünden im Verdacht, die linksradikale Seite trotz Verbots weiter betrieben zu haben. Bei der Razzia wurden unter anderem Handys, Laptops und andere Speichermedien beschlagnahmt, die nun ausgewertet werden. “Linksunten.indymedia” war im August 2017 nach den Krawallen am Rande des G20-Gipfels in Hamburg vom Bundesinnenministerium verboten worden. Für weitere Hintergrundinformationen siehe auch: Was ist eigentlich Linksunten.indymedia?

2. WDR-Frau als vermeintliche Penny-Kundin: Peinlicher als der Lapsus ist die fehlende kritische Distanz
(tagesspiegel.de, Kurt Sagatz)
Dass in einem Nachrichtenbeitrag über eine Aktion des Discounters Penny, der vom WDR produziert wurde und unter anderem in der “Tagesschau” lief, eine WDR-Mitarbeiterin als Penny-Kundin präsentiert wurde (siehe die “6 vor 9” von gestern), sei “für die Kritiker des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und Fake-News-Krakeeler” ein Fest gewesen, kommentiert Kurt Sagatz. Noch bedenklicher als “der peinliche Lapsus” sei “allerdings die insgesamt fehlende kritische Distanz des Penny-Beitrags.”

3. Journalismus für die Gesellschaft
(journalist.de, Alexander von Streit)
Alexander von Streit, Gründer und Herausgeber des unabhängigen Online-Magazins “Krautreporter” und einer der Köpfe von “Vocer”, dem “Institut für Digitale Resilienz”, setzt sich für einen am Gemeinwohl orientierten Journalismus ein. Von Streit ist der Meinung, dass Journalismus einen positiven Einfluss auf die Gesellschaft haben sollte, und dass die Beziehung zwischen Medienkonsumenten und journalistischen Angeboten gestärkt werden müsse: “Wir benötigen ein neues Koordinatensystem, in dem sich Medien mit einer konsequenten gesellschaftlichen Verantwortung für das Gemeinwohl bewegen und daran ihre Arbeit ausrichten.”

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4. Hurra, die Welt geht unter
(taz.de, Arabella Wintermayr)
Arabella Wintermayr hat sich angeschaut, wie die Gaming- und Streaming-Industrie mit dem Thema Klimakrise umgeht. Ihr Fazit: Es werde in Serien und Spielen bislang überraschend selten aufgegriffen, obwohl dystopische Szenarien und Endzeitstimmung sonst beliebte Settings seien. Der vom UN-Umweltprogramm initiierten Allianz “Playing for the Planet” steht Wintermayr abwartend bis skeptisch gegenüber: “Inwiefern sich hinter der Initiative mehr als bloßes ‘Greenwashing’ verbirgt, wird die Zeit zeigen. Ebenso, ob es Serien und Spielen gelingen wird, eine erzählerische Herangehensweise an den Klimawandel zu entwickeln, die mehr ist als ästhetische Weltuntergangskulisse für schaurig-schönen Grusel.”

5. UN-Radios in Friedenseinsätzen: Öffentlicher Rundfunk oder PR?
(de.ejo-online.eu, Roja Zaitoonie)
Roja Zaitoonie berichtet über die Rolle von UN-Radios in Friedensmissionen. Seit dem ersten Einsatz von Radio UNTAC in Kambodscha 1992 hätten sich einige UN-Sender zu den beliebtesten Radiostationen in ihren Ländern entwickelt. Dennoch seien die UN-Radios nicht unumstritten, insbesondere im Hinblick auf ihren Einfluss auf die lokale Medienlandschaft und die Frage, was mit ihnen geschieht, wenn ein Friedenseinsatz beendet ist.

6. Autorenstreik in Hollywood: Kommt nun Bewegung rein?
(dwdl.de, Uwe Mantel)
Seit drei Monaten streiken die TV- und Film-Autorinnen und -Autoren in den USA. Nun scheint Bewegung in die festgefahrene Situation zu kommen: Die Writers Guild of America habe bestätigt, dass der Verband der Produzenten und Produzentinnen AMPTP ein persönliches Treffen vorgeschlagen habe, um die Möglichkeit offizieller Verhandlungen zu erörtern. Laut Uwe Mantel halten Beobachter eine schnelle Einigung jedoch für unwahrscheinlich, da die Positionen zu weit auseinander lägen.