Archiv für November 24th, 2015

n24.de  

Über tote Flüchtlinge lachen mit N24

Am Wochenende berichtete N24 auf seiner Onlineseite:

Wegen der hohen Zahl von Flüchtlingen haben in Südschweden in der Nacht zum Freitag einige Menschen unter freiem Himmel übernachten müssen. Im südschwedischen Malmö liegen die Temperaturen nachts derzeit knapp über dem Gefrierpunkt.

Zuvor hatte die Ausländerbehörde mitgeteilt, dass das Land nicht mehr allen Asylbewerbern ein Dach über dem Kopf anbieten könne.

Und wie reagierten die Leser auf diese Nachricht?

(“belustigt”, “inspiriert”, “überrascht”, “informiert”, “egal”, “erschreckt”, “traurig”, “verärgert”)

Eine ähnliche Emotions-Funktion (“Lachen”, “Weinen”, “Wut”, “Staunen”, “Wow”) gab es bis vor Kurzem auch bei den Springer-Kollegen von Bild.de. Der Unterschied: Die Leser von N24 lachen (im Gegensatz zu denen von Bild.de) nicht über alles. Wenn Menschen Deutsche zu Schaden kommen, reagieren sie sogar meist “erschreckt” oder “traurig”. Wenn jedoch Flüchtlinge die Leidtragenden sind, kommt Freude auf:




































Der Presserat hat sich in seiner letzten Sitzung mit diesem Emotions-Tool beschäftigt. Im konkreten Fall ging es nicht um N24, sondern um Bild.de, und zwar um einen Artikel mit der Überschrift “Schläger attackieren homosexuellen Politiker” (224-mal “Lachen”). Es schade dem Ansehen der Presse, so der Presserat, “wenn ein Medium bei einem Beitrag, der sich mit einer Gewalttat gegen einen Menschen beschäftigt, den Usern die Möglichkeit eröffnet, den Artikel mit einer Emotion wie ‘Lachen’ zu bewerten”. Darum sprach der Presserat einen folgenlosen “Hinweis” gegen Bild.de aus; inzwischen gibt es die Funktion dort nicht mehr.

Bei N24 muss man fairerweise dazusagen: Nicht bei allen Artikeln über Flüchtlinge reagieren die Leser mehrheitlich belustigt.


Mit Dank an Thomas O.!

Nachtrag, 25. November: N24 hat die Funktion jetzt komplett von der Seite entfernt. Übrigens kam die hohe “belustigt”-Zahl im ersten Screenshot (“In Schweden schlafen Flüchtlinge nun in der Kälte”) vor allem dadurch zustande, weil auf der Plattform “pr0gramm” jemand auf die Voting-Funktion hingewiesen hatte.

NPD, Olympia, Snowden

1. Bewährungschance missachtet: taz-Autor darf nicht vom NPD-Bundesparteitag berichten
(blogs.taz.de, Andreas Speit)
“Leider gehören Sie zu der Sorte ‘Journalisten’, die im Umgang mit der NPD bzw. der nationalen Opposition notorisch den presserechtlichen Pflichten zuwider handeln und die journalistischen Sorgfaltspflichten chronisch missachten.” Mit dieser Begründung schloss die NPD den “taz”-Autor Andreas Speit 2010 vom Bundesparteitag aus. Auch fünf Jahre später verweigert ihm die Partei den Zugang, da Speit “in den letzten Jahren nicht dazu beigetragen [habe], dass wir unsere Beurteilung Ihrer Tätigkeit seit dem letzen Akkreditierungswunsch aus dem Jahre 2010 ändern konnten.”

2. No, 1 in 5 British Muslims doesn’t have sympathy with ISIS — here’s why
(mirror.co.uk, Mikey Smith, englisch)
In bester Knallblattmanier titelte “The Sun” gestern: “1 in 5 Brit Muslims’ sympathy for jihadis”. Mikey Smith erkennt an der Geschichte allerdings ein ganz gravierendes Problem: Die Boulevardzeitung frage in ihrem selbsternannten “shock poll” nach etwas ganz anderem als nach “sympathy for jihaids”. Bei der “Independent Press Standards Organisation” seien für die “Sun”-Titelgeschichte bereits mehrere Hundert Beschwerden eingegangen.

3. SPIEGEL blamiert sich mit Social Media-Schelte für @RegSprecher
(jensrehlaender.com)
Der “Spiegel” ärgert sich darüber, durch die Facebook-Seite der Bundesregierung nun vollends die Informationshoheit verloren zu haben. Das wiederum stört Jens Rehländer, der jede Kritik des Nachtrichtenmagazins an Regierungssprecher Steffen Seibert nur als vorgeschoben ansieht. Da werde mit BVerfG-Urteil von 1977 argumentiert, obwohl damals wohl noch niemand soziale Medien für Regierungsposts für möglich gehalten hätte. Rehländer findet: Der “Spiegel”-Artikel ende “als Blamage für das Autoren-Duo”.

4. Presserat bewertet Fotos von Aylan und Leichen in LKW unterschiedlich
(derstandard.at)
Ende August und Anfang September sorgten zwei Fotos für heftige medienethische Diskussionen: die Leichen von Flüchtlingen im Laderaum eines LKWs und der ertrunkene Aylan Kurdi. Der österreichische Presserat hält die Abbildung von Aylan Kurdi für “angemessen” und stellt das Verfahren gegen die Medien ein, die das Bild zeigten. Für den Abdruck des LKW-Fotos erhält die “Kronen Zeitung” dagegen eine Rüge, zuvor waren mehr als 180 Beschwerden eingegangen.

5. Mit Sonne
(sueddeutsche.de, Thomas Hahn)
Thomas Hahn sieht in der Berichterstattung der Hamburger Lokalmedien rund um die Olympiabewerbung der Stadt — ganz im Sinne der sportlichen Veranstaltung, um die es geht — “eine Art Rekordversuch des abhängigen Journalismus”.

6. Citizenfour
(mediathek.daserste.de, Laura Poitras, Video, 1:46:17 Stunden)
Einen Oscar hat er bekommen, einen Emmy und noch eine ganze Reihe weiterer Auszeichnungen. Jetzt (und noch bis zum 30. November) ist der Dokumentarfilm “Citizenfour” in der ARD-Mediathek abrufbar. In aller Kürze: Es geht um Edward Snowden und den NSA-Skandal. Der Journalist Glenn Greenwald und die Dokumentarfilmerin Laura Poitras spielen dabei wichtige Rollen.