Archiv für Oktober 1st, 2014

Bild  

Sticker gegen die “Bild zum Mauerfall”

In etwas über fünf Wochen soll die nächste Gratis-“Bild” verteilt werden. Wie immer ungefragt und wie immer flächendeckend, “an über 40 Millionen Haushalte”, wie der Axel Springer Verlag stolz angekündigt hat (BILDblog berichtete):

Der Verlag inszeniert sich bei diesen Aktionen immer gerne als der große, selbstlose Wohltäter; als scheue er weder Kosten noch Mühen, um das Volk mit seinem kostenlosen Superblatt zu beglücken.

Aber der, der am meisten davon profitiert, ist in Wahrheit natürlich er selbst. Millionenfach bringt er sein Blatt mitsamt seinen Ansichten unters Volk, eine gigantische Werbeaktion in eigener Sache. Und finanziell scheint es sich auch zu lohnen, immerhin ist es schon die vierte Aktion dieser Art. Und eine ganzseitige Anzeige in der “Bild zum Mauerfall” kostet stolze vier Millionen Euro.

Nun können Sie diese Aktion freilich ignorieren und die Zeitung einfach wegschmeißen. Sie können dem Verlag aber auch zeigen, dass Sie sein Blatt nicht haben wollen. Sie können sich gegen die Zustellung wehren und ihm das Leben damit zumindest ein bisschen schwerer machen.

Wenn Sie die “Bild zum Mauerfall” nicht haben wollen, müssen Sie eine Widerspruchsmail an [email protected] schicken.

Die Mail sollte Ihren Namen, ihre vollständige Adresse und eine Widerspruchserklärung enthalten — etwa so:

Max Mustermann
Musterstraße 1
12345 Musterstadt

Sehr geehrte Damen und Herren,
Sie haben für November 2014 die bundesweite kostenlose Verteilung einer „BILD zum Mauerfall“ angekündigt. Hiermit untersage ich der Axel Springer SE, ihren Tochtergesellschaften, Beauftragten und anderen Vertragspartnern ausdrücklich, mir an die oben genannte Anschrift „BILD zum Mauerfall“ (auch nicht als Bestandteil einer anderen Publikation) zuzustellen oder in den Briefkasten einzulegen oder durch Dritte zustellen oder in den Briefkasten einlegen zu lassen. Ferner untersage ich Ihnen ausdrücklich, meine persönlichen Daten zu einem anderen Zwecke zu verwenden, als es für die logistische Umsetzung des hier ausgesprochenen Zustellverbotes sowie der Vermeidung von Missbrauch zwingend notwendig ist, und fordere Sie auf, anschließend sämtliche Daten umgehend und restlos zu löschen.

Wenn Sie mögen, schicken Sie den Widerspruch doch auch an uns (bitte an: [email protected]), dann können wir ungefähr abschätzen, wie viele Menschen sich am Protest beteiligt haben. Ihre Daten werden wir nach Beendigung der Aktion selbstverständlich löschen und nicht an Dritte weitergeben.

Alternativ (oder wenn Sie auf Nummer sicher gehen wollen: zusätzlich) zum Widerspruch können Sie auch an Ihrem Briefkasten darauf hinweisen, dass Sie keine Gratis-“Bild” haben wollen. In einer internen Anweisung der Deutschen Post hieß es bei der letzten Aktion:

Haushalte, die allgemein kostenlose Zeitungen/Anzeigenblätter oder spezifisch die BILD nicht erhalten möchten, und dies durch einen entsprechenden Hinweis an ihrem Briefkasten erklären, erhalten keine Ausgabe.

Und da kommen Sie jetzt ins Spiel. Wir wollen nämlich einen Sticker-gegen-“Bild”-Wettbewerb starten und suchen dafür Motive (ganz egal ob Zeichnungen, Sprüche oder andere Basteleien), die man sich an den Briefkasten kleben kann, um sich gegen die Gratis-“Bild” zu wehren.

Die schönsten Vorschläge werden wir hier veröffentlichen, und die Druckerei INnUP hat sich bereiterklärt, den besten Aufkleber für unsere Leser kostenlos zu drucken. Also, liebe Designer, Photoshopper und Bastelfreunde: immer her mit den Ideen! Einfach per Mail an: [email protected].

Es gibt nur zwei Bedingungen: Die Sticker sollten nicht zu groß sein (maximal ca. 10×4 cm) und den ausdrücklichen Hinweis enthalten, dass die “Bild”-Zeitung bzw. die “Bild zum Mauerfall” nicht erwünscht ist. Und falls Sie unser Logo brauchen: voilà (.png) und voilà (.svg).

Wir freuen uns auf Ihre Ideen!

Bild.de, dpa  etc.

Die Sabberjournaille und der Sex von Reese Witherspoon

In vielen Medien ist heute vom neuen Kinofilm mit Reese Witherspoon zu lesen. Das ist an sich nicht ungewöhnlich, der Zeitpunkt aber schon: Der Film startet hierzulande erst in vier Monaten, da ist es für Vorbesprechungen eigentlich noch viel zu früh.

Dass heute trotzdem schon intensiv darüber berichtet wird, liegt auch nicht am Film selbst, sondern an diesem Bild.de-Artikel von gestern Abend:

Darin heißt es:

Die brave Blondine rüttelt an ihrem Sweetheart-Image …

Reese Witherspoon (38) spricht im Interview mit der US-Zeitschrift „Vogue“ über ihren neuen Film „Wild“ (ab 5. Februar 2015 im Kino). Sie verrät, dass sie beim Dreh der Sexszenen auf echtem Sex bestand! (…)

Der Sex (…) war echt. „Ich wollte, dass es wahrhaftig und real ist“, sagt Witherspoon im „Vogue“-Interview.

Und das macht die Sache für die deutsche Sabberjournaille natürlich schon jetzt höchst interessant.

So dauerte es auch nicht lange, bis auch die dpa aufsprang und heute Morgen verkündete:

US-Schauspielerin Reese Witherspoon (38) wollte beim Dreh ihres neuen Films „Wild“ echten Leinwand-Sex und keine Schummelei. „Ich wollte, dass es wahrhaftig, dass es roh und dass es real ist“, sagte sie dem US-Magazin „Vogue“.

Inzwischen findet man die Story (mal im Newsticker, mal als redaktionell bearbeiteten Beitrag) unter anderem bei Stern.de, “Focus Online”, Welt.de, Tagesspiegel.de, “RP Online”, oe24.at, Bunte.de, den Online-Auftritten von n-tv, N24, der “Berliner Zeitung”, der “Passauer Neuen Presse”, den “Ruhrnachrichten”, des “Merkur”, des “Schwarzwälder Boten”, der “Intouch”, der “Augsburger Allgemeinen”, des “Kölner Stadt-Anzeigers” und der “Abendzeitung”.

Der Haken ist aber: Das stimmt alles gar nicht.

In dem “Vogue”-Interview, auf das sich Bild.de und die dpa berufen, sagt Witherspoon lediglich:

“I just didn’t want to hear, ‘Oh, we don’t want to see Reese have sex. . . . Oh, can we not have any profanity?’ ” says Witherspoon. “I wanted it to be truthful, I wanted it to be raw, I wanted it to be real.”

Das bedeutet aber keinesweg, dass sie echten Sex hatte. Es sollte nur auf der Leinwand echt wirken.

Allem Anschein nach wollte Witherspoon bloß ausdrücken, dass die Sexszenen in ihrer Härte und Deutlichkeit über das hinausgehen sollten, was sie bisher gemacht hat. Das wäre auch eine Erklärung dafür, warum ausschließlich deutschsprachige Medien über “echten Sex beim Filmdreh” schreiben. Englischsprachige Portale stürzen sich zwar auch auf das Zitat, aber nur, weil sie auf den Imagewechsel der Schauspielerin hinauswollen (“The girl next door is suddenly a girl gone Wild”). Von echtem Sex ist dort nicht mal ansatzweise die Rede.

Mit Dank an Björn S., Jonas G., Jan W., Markus, CL und Martin S.

Nachtrag, 15 Uhr: Die dpa hat schon vor Erscheinen unseres Eintrags eine korrigierte Version der Meldung verschickt, die inzwischen von stern.de, welt.de, pnp.de, ruhrnachrichten.de, schwarzwaelder-bote.de und merkur-online.de übernommen wurde. Die Online-Redaktion von n-tv.de hat (im Gegensatz zu den gerade genannten) auch darauf hingewiesen, dass sie ursprünglich falsch berichtet hatte. Bei allen anderen hat sich gar nichts getan.

Witwenschütteln, Computer Bild, Günther Oettinger

1. “Death knocks: the dark side of journalism”
(irishtimes.com, Anonymous, englisch)
Ein anonymer Autor erzählt von der im deutschen Sprachraum als Witwenschütteln bekannten Praxis des Belagerns von Angehörigen nach Unglücksfällen: “Welcome to the death knock, part of the secret life of a tabloid journalist. It’s a practice carried out by at least one Irish newspaper reporter every day of the week. After the death or serious injury of any Irish person, the same modus operandi applies in newsrooms across Dublin.”

2. “Bendgate: Computer Bild bekommt keine Testmuster mehr nach iPhone-6-Video”
(macnotes.de, Alexander Trust)
Alexander Trust kommentiert einen offenen Brief des Chefredakteurs von “Computer Bild” an den CEO von Apple. Die Firma will der Zeitung künftig weder Testgeräte zur Verfügung stellen noch an offizielle Anlässe einladen.

3. “Das Geld reicht nicht für alle”
(medienwoche.ch, Nick Lüthi)
Nick Lüthi rechnet aus, wie viel ein festangestellter NZZ-Redakteur schreiben müsste, wenn er mit Honoraren bezahlt würde, die freie Mitarbeiter im Feuilleton erhalten (116 Euro für 6000 Zeichen).

4. “‘Journalisten scheinen sich förmlich im Schützengraben einzubuddeln'”
(heise.de/tp, Marcus Klöckner)
Ein Interview mit Max Uthoff und Claus von Wagner von “Die Anstalt”. Uthoff: “Die Leser werden es sich nicht auf Dauer gefallen lassen, bei Kritik oder abweichenden Meinungen wahlweise ignoriert oder denunziert zu werden.”

5. “Die Hölle, das sind die anderen”
(sueddeutsche.de, Anant Agarwala)
Anant Agarwala berichtet vom “Kotzhügel” am Oktoberfest: “Selfie-Jäger grasen den ganzen Hügel nach Beute ab, legen sich neben alles, was bewusstlos scheint, und grinsen in die Kamera.”

6. ” Günther Oettingers Netzkompetenz: Der Digitalkommissar und die Dummheit”
(spiegel.de, Christian Stöcker)
Christian Stöcker befasst sich mit Aussagen des designierten EU-Kommissars für Digitale Wirtschaft und Gesellschaft, Günther Oettinger: “Oettingers Einlassung belegt nicht nur, dass er keine Ahnung von aktuellen Ereignissen und Zusammenhängen hat, die in den Kernbereich seines künftigen Ressorts fallen. Sie reflektiert auch eine Grundeinstellung, die sich in etwa so zusammenfassen ließe: Wer das Internet benutzt, ist selbst schuld.”