Darunter prangt das unvorteilhafte Foto eines Mannes, den “Bild” in der Stuttgarter Regionalausgabe als “Lokalpolitiker” bezeichnet. Diese politische Tätigkeit, so “Bild”, stehe auch im direkten Zusammenhang mit den “42 unheimlichen Bränden”:
Die Kripo-Beamten gehen davon aus, dass der Täter “seinen Frust”, möglicherweise wegen der Wahlniederlage, abreagieren wollte.
Die Ermittler selbst waren laut “Reutlinger General-Anzeiger” von dieser Nachricht überrascht:
Wie es dazu kam, dass der Brandstifter samt Bild und Namen in dem Boulevardblatt erschien, kann sich Wolfgang Ebert von der Pressestelle nicht erklären. “Das entzieht sich vollkommen meiner Kenntnis.” Vieles im Artikel treffe nicht zu. Vor allem aber stimmten die von der Bild-Zeitung beschriebenen Tatmotive nicht, sagte Ebert. Das Massenblatt vermutete Frust aufgrund seines Wahlergebnis bei den letzten Kommunalwahlen. Von der Polizei könne die Zeitung das jedenfalls nicht haben. “Bei uns hat niemand von Bild angerufen. Wir sind selber aus allen Wolken gefallen”, sagt Ebert.
Die Bürgermeisterin erklärt, die Motive für die Taten seien im persönlichen Umfeld zu suchen, auch die Bezeichnung als “Öko-Politiker” sei falsch.
Der ganze Artikel beim “Reutlinger General-Anzeiger”:
Seit die “Costa Concordia” vor der Insel Giglio auf Grund lief und dort auf der Seite liegt, berichten die Medien nicht nur über das merkwürdige Verhalten des Kapitäns, sondern auch über das Konzept “Kreuzfahrt” an sich.
Bei “Zeit Online” erschien am Montagabend ein Artikel, der die “riskanten Manöver” hinterfragte, bei denen “die Schiffe wenige Hundert Meter von der Küste entfernt wie Models auf dem Laufsteg” posierten.
Darin kam auch der Bürgermeister Venedigs zu Wort:
Venedigs Bürgermeister Giorgio Orsoni warnte schon im vergangenen Dezember vor der Gefahr durch Kreuzfahrtschiffe in PR-trächtiger Küstennähe. In seiner Stadt ist der Anblick von Touristentankern hinter dem Kirchenturm von San Marco keine Seltenheit. “Wir müssen mit den Reedereien über die Durchfahrt dieser Monster durch den Canal Grande dringend diskutieren”, sagte Orsoni damals. “Sie stellen eine Gefahr sowohl für die Umwelt als auch für die Stadt dar.”
Es ist weitgehend unwahrscheinlich, dass sich Giorgio Orsoni dergestalt geäußert hat — als Bürgermeister der Lagunenstadt sollte er zumindest wissen, dass der Canal Grande (ja: “Canal”, nicht “Canale”, das könnte Ihnen bei “Wer wird Millionär?” mal helfen!) zwischen 30 und 70 Metern breit und bis zu 5 Meter tief ist und von vier eher flachen Brücken überspannt wird.
Diese Merkwürdigkeit ist auch einem Leser von “Zeit Online” aufgefallen, der schon am Montagabend in den Kommentaren schrieb:
Die ganze Geschichte ist schlimm genug, da muss nicht auch noch behauptet werden, dass sich solche Schiffe um der Show willen durch den Canal Grande schlängeln. Der Versuch würde gleich am Canaleingang, etwa auf Höhe der Santa Maria della Salute durch Stecken Bleiben scheitern und nach 650 m steht die Accademia Brücke im Weg. Der Bürgermeister hat mit Sicherheit vom 3 bis 4 x so breiten Canale della Giudecca gesprochen, durch den die riesigen Kreuzfahrschiffen tatsächlich fahren.
Der Autor des Artikels reagierte darauf, indem er wortlos einen Link zu einem italienischsprachigen Artikel postete, in dem weder die Worte “Canal Grande” noch der Name des Bürgermeisters vorkam.
Nachdem wir den Autor gestern auf diese Merkwürdigkeit hingewiesen hatten, erklärte er uns, er nehme inzwischen auch an, die Passage falsch wiedergegeben zu haben, und werde sich um eine Korrektur kümmern.
Inzwischen hat “Zeit Online” das Zitat überarbeitet und weist auf die Korrektur hin:
Anmerkung: Der Bürgermeister von Venedig, Giorgio Orsoni, wurde ursprünglich im Text falsch zitiert. Wir bedanken uns bei unseren Lesern, die auf den Fehler hingewiesen haben.
Nur die unwahrscheinliche Bildunterschrift, die haben sie übersehen:
Mit Dank an Tobias M.
Nachtrag, 15.20 Uhr: Auf dem Foto sehen wir laut Bildunterschrift jetzt “Ein Kreuzfahrtschiff vor Venedig”.
Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].
1. “Zoom auf die Tränen” (taz.de, Jenny Bauer)
Jenny Bauer besucht Teilnehmer einer Scripted-Reality-Serie, eine Familie mit fünf Kindern in einem Plattenbau einer deutschen Großstadt. “Einmal musste sich Melinda nach einem gestellten Streit mit ihrer Mutter auf die Couch legen und ohne Unterlass eine ganze Tüte Marshmallows in sich hineinstopfen. ‘Dabei mag ich die gar nicht’, sagt sie. Ja, sie wiege zu viel, aber sie bevorzuge eher herzhaftes Essen. Außerdem sollte Melinda laut Drehbuch von der Familie vernachlässigt und verhöhnt werden. ‘Das war eigentlich das Schlimmste’, sagt Beate Meyer heute.”
2. “Verdeckte PR – Videos auf Zeitungsportalen” (ndr.de, Video, 6:41 Minuten)
Online-Videos auf Zeitungsportalen sind teilweise kaum voneinander abgegrenzt. Werbliche Inhalte stehen nicht näher gekennzeichnet neben redaktionellen Inhalten.
3. “Affäre Hildebrand: Der Fluch von Onkel Siggi” (handelszeitung.ch, Beat Balzli)
Beat Balzli beschreibt das Vorgehen eines kleinen Kreises schmerzfreier Spindoctors: “Personell ausgedünnte Redaktionen dienen als Einfallstore. Getarnt als exklusive Meldung findet die trojanische Botschaft dort oft einen Abnehmer. Manchmal werden gar ganze Dossiers samt vertraulichen Bankunterlagen wie Tiefkühlpizzas angeliefert. Das Material muss nur in den Redaktionsofen geschoben werden – fertig ist die Investigativgeschichte.”
5. “Die Salami-Taktik der ‘Bild’-Zeitung” (spiegel.de, Stefan Niggemeier)
Die Informationspolitik von “Bild” in der Causa Wulff: “Man könnte denken, ‘Bild’ parodierte so immer noch das Verhalten des Bundespräsidenten; vermutlich handelt es sich aber eher um die eigene, seit längerem erprobte Taktik der Desinformation.”
6. “Wann stirbt die BILD? So schnell nicht!” (medienrauschen.de, Thomas Gigold)
Thomas Gigold erinnert an die Online-Aktivitäten der Marke “Bild”: “Und siehe da: 20 Jahre bis zum Verschwinden der BILD reichen (leider) doch nicht ganz …”