Archiv für September, 2011

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Der Mond von Wanne-Eickel

“Was wissen Sie wirklich über Sonne, Mond & Sterne?” fragt “Bild” heute ihre Leser und die erwartete Antwort ist offenbar “nicht viel” — sonst hätte die Zeitung Markus Landgraf von der Europäischen Weltraumagentur ESA nicht so viele Fragen gestellt.

Damit die Leser wenigstens wissen, wie unser Sonnensystem grob aussieht und was da so für Planeten rumeiern, hat “Bild” diese Grafik im Angebot:

Was wissen Sie wirklich über Sonne, Mond & Sterne?

Dieses Bild ist natürlich nicht maßstabsgetreu — die Planeten würden sonst zusammenstoßen, wenn sie aneinander vorbei ziehen.

Mehr noch, wie “Bild” selbst dazu schreibt:

Die Grafik zeigt die Planeten unseres Sonnen-Systems. Pluto zählt seit 2006 nicht mehr zu den Planeten. Der Mond ist für das Bild zu klein.

Demnach gäbe es zwei Gründe, Pluto auf dieser Grafik nicht zu zeigen: Erstens ist er, wie gesagt, kein Planet mehr — und zweitens ist er mit einem Durchmesser von 2.390 km noch kleiner als der Mond, der mit seinen 3.476 km “für das Bild zu klein” war.

Mit Dank an Michael L.

Günter Grass, Fahrradfahrer, Charles Moore

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Israelischer Historiker verteidigt Günter Grass”
(spiegel.de, Stefan Kuzmany)
Eine falsche Aussage von Günter Grass in einem Interview mit der Zeitung “Ha’aretz” wird von verschiedenen Medien skandalisiert. Der Historiker und Holocaust-Forscher Tom Segev erklärt, wie es dazu kam: “Er hat eben eine falsche Zahl genannt. Hätte ich es bemerkt, hätte ich ihn darauf hingewiesen, dann hätte er sich sofort korrigiert.”

2. “Was dürfen Autofahrer sich alles erlauben?”
(criticalmass-hamburg.de, Malte)
“Auto Bild” stellt sich die Aufgabe, darüber aufzuklären, was Fahrradfahrern im Straßenverkehr erlaubt ist – “und scheitert wie erwartet”.

3. “Der ORF verabschiedet sich”
(kobuk.at, Hans Kirchmeyr)
Der ORF strahlt den Film “9/11 Mysteries” aus, “distanziert sich jedoch von anfälligen [sic!] Aussagen, die dem ORF-Gesetz, insbesondere dessen Objektivitätsgebot, widersprechen”. ORF-Sprecher Martin Biedermann sagt dazu auf diepresse.com: “Verschwörungstheorien ziehen sich durch den gesamten Themenkomplex des 11. September. Deswegen hat eine solche Doku in einem breit angelegten Programmschwerpunkt ihren Platz.”

4. “‘Twitter terrorists’ face 30 years after being charged in Mexico”
(guardian.co.uk, Jo Adetunji and agencies, englisch)
Wegen Verbreitung der Falschmeldung, eine Schule werde von Bewaffneten angegriffen, drohen einem Lehrer und einer Radiomoderatorin 30 Jahre Haft. “The resulting panic caused dozens of car crashes after parents rushed to save their children from schools across the city and jammed emergency telephone lines, which ‘totally collapsed’ under the pressure.”

5. “Warum der Streit zwischen Assange und Domscheit-Berg kein Zickenkrieg ist”
(wolfgangmichal.de)
Wolfgang Michal fragt, warum sich gerade jetzt so viele Journalisten und Kommentatoren gegen Wikileaks wenden. “Die Reduktion der Enthüllungsplattform WikiLeaks auf ein ‘neutrales’, vermittelndes Medium, das seine journalistischen Sorgfaltspflichten verletzt, blendet die Tatsache aus, dass WikiLeaks von Anfang an darauf aus war, geheimes Material zu publizieren, um bestimmte politische, militärische und finanzielle Machenschaften nicht nur aufzudecken, sondern zu bekämpfen.”

6. Interview mit Charles Moore
(welt.de, Thomas Kielinger)
Aufbauend auf einer Kolumne von Charles Moore wurde im August in deutschsprachigen Medien eine ausführliche Debatte geführt: “Ich habe Ende Juli gerade einmal zwei Kolumnen geschrieben, die eine bis heute andauernde Debatte auslösten, aber man hat immer nur die erste zitiert: ‘Ich fange an zu glauben, dass die Linke tatsächlich Recht haben könnte.'”

Bravo  

Haarentfernfreundschaften

Es ist nicht so, dass die Jugendzeitschrift “Bravo” ihre redaktionellen Inhalte nicht deutlich von bezahlten Werbeanzeigen trennt:

Moment, in dieser Größe sieht man es vielleicht nicht so gut.

Besser?

Wenn “Marie” die Frage “Wie führe ich eigentlich einen Tampon richtig ein?” von “Lena” mit “Mein Tipp: Probier doch mal die o.b. Pro-Comfort Tampons” beantwortet und daneben o.b.-Produkte abgebildet sind, ist das also eindeutig eine “Anzeige”. (Die Frage, ob die zumeist minderjährigen LeserInnen diesen Unterschied auch bemerken würden, ist womöglich eine für Dr. Sommer.)

So gesehen müsste es sich bei der Frage “Fernfreundschaften — funktioniert das?” eindeutig um redaktionellen Inhalt handeln, denn das Wort “Anzeige” steht hier nirgends:

Und tatsächlich liest sich der Text, in dem Jana Beller (“Gewinnerin von ‘Germany’s next Topmodel’ und aktuelles Werbegesicht von Gillette Venus”) Tipps gibt, wie man mit Freunden und Familie in Kontakt bleiben kann, erst einmal wie ein ganz normaler Artikel.

Andererseits irritiert beim Thema “Fernfreundschaften” dann doch die Produktabbildung des “Gillette Venus Embrace” und der Hinweis, dass es “mehr” im Internet bei Gillette gebe:

Wir haben vergangene Woche deshalb bei der “Bravo”-Redaktion nachgefragt, ob es sich um redaktionellen Inhalt oder Werbung handle. Eine Antwort haben wir bisher nicht erhalten.

Mit Dank an Sebastian K.

Alter Wein in alten Schläuchen

In ihrer Samstagsausgabe hat die “Leipziger Volkszeitung” einen Coup gelandet: Sie konnte als erstes Medium von einem neuen Kompromissangebot der Union an die FDP im lange schwelenden Streit um die Vorratsdatenspeicherung berichten.

Vorratsdatenspeicherung: Union kommt Liberalen weit entgegen

Die Redaktion versandte gar einen Vorbericht per Pressemitteilung, so dass alle Welt über die Neuentwicklung berichten konnte. Der Innenexperte der Union im Bundestag, Clemens Binninger, hatte der “LVZ” nämlich verraten, dass er sich bei der umstrittenen Vorratsdatenspeicherung “eine von sechs auf drei Monate verkürzte Speicherfrist” vorstellen könne.

Und nicht nur das:

Zugleich erklärte Binninger, statt einer generellen Datenspeicherung könne man sich auch auf einen ganz konkreten begrenzten Straftatenkatalog beschränken. Bisher hatten die Union und das Bundesinnnenministerium eine Mindest-Speicherfrist von sechs Monaten als zwingend notwendig erachtet, um sachlich den Anforderungen der Behörden zu genügen.

Das wäre nicht nur eine politische Sensation, sondern vor allem auch eine technische: Es ist unmöglich, die Datenspeicherung im Rahmen der Vorratsdatenspeicherung auf bestimmte Straftaten zu beschränken. Da Kriminelle ihre Datentransfers nicht vorher bei der Polizei anmelden, wollen Innenpolitiker und Leute wie BKA-Chef Jörg Ziercke einfach die Daten von allen Kommunikationsvorgängen abspeichern lassen und später die Spuren zu den Kriminellen aussortieren. Ohne “generelle Datenspeicherung” ist keine Vorratsdatenspeicherung möglich. Wie Binninger das eine fordern und das andere ablehnen kann, hat die “Leipziger Volkszeitung” gar nicht erst hinterfragt.

An der Position der Union hat sich also wenig geändert: Weiterhin sollen umfassende Kommunikations- und Positionsdaten aller Menschen in Deutschland gespeichert werden, lediglich der Abruf der Daten kann beschränkt werden. Die Politiker vertrauen darauf, dass die Behörden mit den Daten schon verantwortungsvoll umgehen werden — und sich nicht irgendwelche Sicherheitslücken auftun oder die Daten auf andere Weise in die falschen Hände geraten.

Das vermeintliche Zugeständnis der Union an die FDP, den Datenabruf auf bestimmte Straftaten zu beschränken, ist auch kein neuer Einfall von Clemens Binninger. Vielmehr hat das Bundesverfassungsgericht diese Beschränkung bereits vor anderthalb Jahren gefordert. Jeder, der sich auch nur ansatzweise mit dem Thema beschäftigt hat, müsste das wissen.

Nachtrag, 6. September: Auch die in Aussicht gestellte Verkürzung der Speicherdauer war alles andere als neu. Bereit im Mai berichtete Welt.de über entsprechende Äußerungen von Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier. Von einem “Entgegenkommen” kann also aktuell gar nicht nicht gesprochen werden.

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Fakten schaffen ohne Waffen

Weil sich die Anschläge vom 11. September 2001 am kommenden Samstag Sonntag zum zehnten Mal jähren, hat “Bild” den Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich befragt, wie es eigentlich so aussieht mit der Gefahr von Terroranschlägen in Deutschland.

BILD: Wie viele Islamisten und Gefährder mit Terror-Ausbildung gibt es hier bei uns?

Friedrich: Wir haben fast 1000 Personen, die man als mögliche islamistische Terroristen bezeichnen könnte. Davon wiederum sind 128 Gefährder, also Personen, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie erhebliche Straftaten begehen könnten, das schließt auch einen Anschlag mit ein. Ungefähr 20 dieser Gefährder waren zudem eindeutig in einem Terrorcamp zur Ausbildung. Wir wissen also, wer die Leute sind und die Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern tauschen ständig Informationen aus und stimmen die notwendigen Maßnahmen aufeinander ab.

“Fast 1000 Personen, die man als mögliche islamistische Terroristen bezeichnen könnte” — aber wer würde das schon tun? Also: Wer, außer “Bild”?

Innenminister Friedrich in BILD-Interview: In Deutschland leben 1000 islamistische Terroristen!

Mit Dank an DerPhi.

Nachtrag, 18.20 Uhr: “Spiegel Online” hat die “fast 1000 Personen” des Ministers und die “1000 Terroristen” von “Bild” mal ein bisschen unter die Lupe genommen:

9/11, Yvonne, Photoshop

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Leitmedien und die Gegenöffentlichkeit des 11. Septembers”
(heise.de/tp, Marcus Klöckner)
In einem ausführlichen Beitrag stellt Marcus Klöckner den Umgang von Leitmedien wie “Spiegel”, “Zeit” oder “Süddeutsche Zeitung” mit 9/11 in Frage. Zweifler seien vorschnell diffamiert und psychiatrisiert worden. “Stattdessen konnte ein Journalismus beobachtet werden, der Wissen durch Glauben ersetzte und die scheinbar unerschütterliche Überzeugung der eigenen politischen Weltsicht an die Stelle des Prüfens und Hinterfragens treten ließ.”

2. “Wie wird man eigentlich ‘Journalist’?”
(print-wuergt.de, Michalis Pantelouris)
“Bild”-Kritiker werden in einer Bildergalerie als “Experten” in Anführungszeichen dargestellt. “Es handelt sich nach Ansicht von Bild bei Menschen wie dem Wirtschaftsminister Thüringens, Roland Koch und Sigmar Gabriel nicht um Experten, sondern nur um so genannte.”

3. “Wenn Schlagzeilen in die Irre führen”
(nachtwach.blog.sf.tv, Franziska von Grünigen)
Die Produzentin der Call-In-Ratgebersendung “Nachtwach” antwortet auf den “Blick”-Titel “SF bezahlt Psycho-Doc für Talkerin”: “Die Geschichten, die die Redaktoren am Telefon, ich als Produzentin und Barbara Bürer direkt in der Sendung zu hören bekommen, wühlen bisweilen auf, irritieren, machen nachdenklich. Eine sorgfältige Vor- und Nachbereitung ist für uns daher oberstes Gebot.”

4. “Pleiten, Pech und Pannen: Unsere größten Flops”
(dwdl.de, Thomas Lückerath)
“DWDL” erinnert sich zum zehnjährigen Jubiläum an die größten Flops und die bittersten Falschmeldungen.

5. “The head of photography on… picture manipulation and trust in news imagery”
(guardian.co.uk, Roger Tooth, englisch)
“Our rule about the use of Photoshop and other picture-manipulating software is that cropping and toning – basically anything that might have been done in a darkroom – is OK, but the moving of pixels or ‘cutting and pasting’ is forbidden.”

6. “Yvonne – die arme Werbe-Kuh”
(rp-online.de, Dieter Dormann)
Hätte die Kuh Yvonne, das diesjährige Sommertier der Medien, nicht schon viel früher eingefangen werden können? Bernhard Rüb von der Landwirtschaftskammer Rheinland: “Die vom Gut Aiderbichl haben viel PR für sich gemacht, anstatt das Problem zu lösen.”

FM4-Hörer bringt Opernball-Schönheit um

Wenn es nach den Autoren der österreichischen Boulevardzeitung “Österreich” geht, hätte sich der junge Mann, der in Wien unter Mordverdacht steht, wenigstens ein hässliches Opfer suchen können: In etwa jedem zweiten Satz betonen sie, dass seine ermordete Freundin eine “hübsche”, ja gar “bildhübsche” Frau gewesen sei. Und damit sich die Leser selbst überzeugen können, ob “Österreich” mit dieser Einschätzung richtig liegt (Geschmäcker sind ja auch bei toten jungen Frauen verschieden), hat die Zeitung in ihrem Internetportal genügend Fotos der “Opernball-Schönheit” aufgefahren, die entweder den Copyright-Vermerk “privat” tragen oder aus der Opernball-TV-Übertragung des ORF stammen, in der die Frau zu sehen war.

Wie mag die Redaktion wohl an diese Fotos gekommen sein? “Österreich” liefert eine naheliegende Erklärung:

Ein junges Traumpaar, das auch gern Privat- und Urlaubsfotos im Internet zeigt. Ihr Beziehungstraum: “Liebe ist … jemanden zu haben, der dich nimmt, wie du bist.”

Über den jungen Mann scheint “Österreich” nicht ganz so viel herausgefunden zu haben, und so muss als Charakterisierung reichen, dass er ein “leidenschaftlicher FM4-Hörer” sei — diese Information ist dann auch wichtig genug für eine Zwischenüberschrift und eine Erwähnung in der Folgeberichterstattung.

“Österreich” zeigt aber nicht nur das Opfer, sondern nennt auch noch das Alter, den Vor- und den abgekürzten Nachnamen der jungen Frau und des jungen Mannes, sowie Hintergründe zu deren Elternhäusern und gibt – jetzt ist’s offenbar eh egal – die exakte Adresse der Wohnung an, in der die Frau erstochen wurde.

Der Täter, daran lässt die Überschrift kein Zweifel, muss der Freund der Toten sein. Blöderweise gilt aber auch Österreich (das Land) als Rechtsstaat, weswegen “Österreich” (die Zeitung) zu dieser kreativen “Distanzierung” greifen muss:

Wie die Polizei später feststellte, hatten die beiden zunächst eine Flasche Wein geleert, danach wurde […] im Schlafzimmer durch mindestens acht Stiche in den Oberkörper getötet – […] (für den die Unschuldsvermutung gilt) rannte nach den schrecklichen Szenen auf die Straße und irrte in Wien-Margareten umher.

Und wenn Sie das alles schon beunruhigend fanden, dann warten Sie mal ab, wie “Österreich” die Geschichte am Donnerstag weiter erzählte:

Jetzt sitzt er da, der FM4-Fan und […]student […] in der U-Haft […] in Wien – geknickt und voll Selbstmitleid und bekommt mehr Besuch, als er erwartet hat. Fast stündlich klopft ein anderer Anwalt an die Zelle, um den Aufsehen erregenden Fall zu übernehmen. Dabei betet der Verdächtige (für den die Unschuldsvermutung gilt) immer dieselben Worte herunter: “Ich kann mir das alles nicht erklären. Ich hab sie doch so geliebt.”

Unterhält man sich ein paar Minuten mehr mit dem […], liefert er dann doch (s)ein Motiv für die Bluttat an der hübschen […], mit der er seit zwei Jahren zusammen war und mit der er seit einem Jahr in Wien in einer gemeinsamen Wohnung zusammenlebte.

Entweder, der Reporter von “Österreich” hat eine sehr lebhafte Phantasie — oder er war tatsächlich bei dem jungen Mann (für den die Unschuldsvermutung gilt) in der U-Haft-Zelle und hat sich von dem Tatverdächtigen, der offensichtlich noch ohne anwaltlichen Beistand ist, ein mutmaßliches Motiv und eine ebensolche Tatbeschreibung geben lassen.

Wir sind uns nicht sicher, was beunruhigender wäre.

Mit Dank an den Hinweisgeber.

Wat dem einen sin Uhl

Was unterscheidet eigentlich “Die Welt” von “Welt kompakt”? Der “axel springer mediapilot” erklärt es so:

DIE WELT ist die nationale Qualitätszeitung für traditionelle Eliten, die sich Herausforderungen stellen. WELT KOMPAKT im modernen Tabloidformat ist die Zeitung für die Entscheidungsträger der modernen Generation.

Doch wie kann die Junior-Ausgabe eine andere Zielgruppe ansprechen, wenn sie die wesentlichen Inhalte doch nur von der älteren Schwester übernimmt? Nun — ganz einfach. Heute zum Beispiel haben beide Blätter die selbe Geschichte über Wikileaks-Gründer Julian Assange auf den Titel gehoben. Mit einem kleinen Unterschied.

“Die Welt” titelt für die “traditionellen Eliten” so:

Ende eines Egomanen

“Welt kompakt” hingegen charakterisiert Assange für die “moderne Generation” ganz anders:

Der Untergang eines Visionärs

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Kodex-Exegese

Der Pressekodex, jenes Regelwerk, zu dessen Einhaltung sich die deutschen Print- und Onlinemedien selbst verpflichtet haben (und dessen Nicht-Einhaltung für sie quasi folgenlos ist), gibt eine eher freudlose Lektüre ab. Wie richtige Gesetzestexte auch, ist der Kodex recht trocken gehalten.

Was soll man sich zum Beispiel unter der Richtlinie 12.1 vorstellen?

Richtlinie 12.1 – Berichterstattung über Straftaten
In der Berichterstattung über Straftaten wird die Zugehörigkeit der Verdächtigen oder Täter zu religiösen, ethnischen oder anderen Minderheiten nur dann erwähnt, wenn für das Verständnis des berichteten Vorgangs ein begründbarer Sachbezug besteht.

Besonders ist zu beachten, dass die Erwähnung Vorurteile gegenüber Minderheiten schüren könnte.

Und Ziffer 1 ist dann vielleicht doch ein bisschen allgemein formuliert:

Ziffer 1 – Wahrhaftigkeit und Achtung der Menschenwürde

Die Achtung vor der Wahrheit, die Wahrung der Menschenwürde und die wahrhaftige Unterrichtung der Öffentlichkeit sind oberste Gebote der Presse. (…)

Grau ist alle Theorie, schön bunt ist die “Bild”-Zeitung — und die zeigt heute auf ihrer Seite 3 gleich an mehreren Stellen recht anschaulich, wie der Pressekodex gemeint sein könnte:

Rumänische Geldautomaten-Bande in Dortmund geschnappt - Läuft in Remscheid ein Sex-Schwein frei herum?
Immerhin haben sie es geschafft, die Gesichter notdürftig zu anonymisieren.

Tripolis, Mathe-Nachhilfe, Zentralbanken

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Die Verleger leisten einen unternehmerischen Offenbarungseid”
(leistungsschutzrecht.info, Philip Banse)
“Die Verleger wollen für ihre Unternehmen ein bedingungsloses Grundeinkommen”, sagt Mario Sixtus über das geplante Leistungsschutzrecht für Presseverleger. Siehe dazu auch eine Antwort von Christoph Keese auf presseschauder.de.

2. “Mit Helm und Schutzweste”
(berlinonline.de, Thomas Schmid)
Thomas Schmid berichtet aus Tripolis, dass nur zwei Hotels offen stehen. “Beide hatten kein fließendes Wasser, keine Klimaanlage, kein Zimmerservice, kein Restaurant und verlangten um die 200 Euro pro Nacht. Viele Journalisten schliefen zu zweit in einem Bett, manche sogar zu dritt.”

3. “Das langweiligste Interview des Jahres”
(evangelisch.de, Christian Bartels)
Christian Bartels entdeckt “das langweiligste Interview des Jahres” – ein Gespräch mit Ulrich Wilhelm, dem Intendanten des “Bayerischen Rundfunks”, in der “Zeit”: “Dieses Interview hätte der Zeit-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo jedem Interviewer um die Ohren gehauen und es dann um 90 bis 100 Prozent gekürzt, wenn er es nicht selbst geführt hätte.”

4. “Die vierte Gewalt ist nicht mehr die Presse”
(infosperber.ch, Christian Müller)
“Sie sind eher zu Durchlauferhitzern professioneller Polit-PR und von Lobby-Informationen geworden”, schreibt Christian Müller über die “quotengeilen” Medien. Nicht sie, sondern die Zentralbanken seien heute die vierte Gewalt.

5. “Daumen hoch für Khan”
(zeit.de, Christoph Gurk)
Mathe-Nachhilfe ist unbeliebt? Nicht auf YouTube.

6. “Zwischen Sorgenkind und Superkrüppel”
(raul.de, Raúl Aguayo-Krauthausen)
Raúl Aguayo-Krauthausen schreibt auf, wie Menschen auf ihn reagieren: “Viele Menschen bemühen sich im Umgang mit Menschen mit Behinderung, nichts falsch zu machen und wirken manchmal etwas hilflos und verkrampft. Als überkompensatorisches Verhalten dient mitunter übertriebene Freundlichkeit, Fröhlichkeit und Bewunderung. Erfolge, die ich zu verzeichnen hatte, wurden stets übergebührlich hervorgehoben und übertrieben gelobt.”

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