Archiv für September, 2011

Tod, Facebook, Korinthenkacker

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Der Tod in der Timeline”
(bjoern-sievers.de)
Björn Sievers fragt sich, wie wir in den Zeiten von internetbasierten sozialen Netzwerken mit dem Tod in unseren “Timelines” umgehen sollten. Auch Lucas Negroni beklagt in der Frankfurter Rundschau, dass der Umgang mit dem Tod in sozialen Netzwerken nicht richtig geklärt sei. Negroni hat aber die Hoffnung, dass ein “Trauerportal”, an dem die Süddeutsche Zeitung angeblich arbeitet, genau das ändert.

2. Facebook ist nicht AOL 2.0, Facebook ist das Gegenteil
(neunetz.com, Marcel Weiss)
Marcel Weiss widerspricht Frank Rieger, der in der FAZ behauptete, Facebook habe sich zum Ziel gesetzt, dass seine Nutzer im Web möglichst nirgendwo anders mehr hingehen und auf Facebook selbst verbleiben. Facebook sei laut Marcel Weiss eine Plattform, die deshalb gewinne, weil sie “Verbindung zwischen Facebook und dem Rest des Webs” und anderen “Webdiensten” ermögliche. Das Wort “offen” kommt aber auch Marcel Weiss nicht über die Lippen.

3. “Facebook responds to allegations of privacy violations via cookie tracking”
(venturebeat.com, Tom Cheredar, englisch)
Facebook hat auf die Vorwürfe von Nik Cubrilovic reagiert (siehe auch 6 vor 9 von gestern) und besteht darauf, dass man ausgeloggte Facebooknutzer zwar über das Netz verfolgen könne, das aber nicht tue. Die Trackingmechanismen würden ausschliesslich dem Wohl und der Sicherheit der Benutzer dienen.

4. “LandIdee redux: Jede Ähnlichkeit mit lebenden oder toten Magazinen ist rein zufällig”
(wortvogel.de, Torsten Dewi)
Offensichtlich lassen sich Gartenbilder aus der Datenbank von Getty Images sowohl als Herbst-, als auch als Frühlingsmotive verwenden.

5. “DFB bestraft vorlaute BVB-Kommentatoren”
(spiegel.de)
Weil sie in einem vom Bundesligaverein Borussia Dortmund finanziertem Netzradio einen Schiedsrichter unter anderem als Blinden, Arschloch und Korinthenkacker bezeichnet haben, hat der DFB-Kontrollausschuss zwei BVB-Mitarbeiter mit einer Geldstrafe und einem Kommentarverbot belegt.

6. “Immer wieder Sonntags”
(kochsiek.org)
Jens Kochsiek zitiert Jan Georg Pambor, der sich auf Facebook fragt, ob das ZDF Humor habe oder häufig Leute mit eigenartig kontextsensitiven Namen beschäftige.

Bild, Sky  

Riesendruckerzeugnisse

Seit Ralf Rangnick vergangene Woche wegen eines Erschöpfungssyndroms überraschend vom Amt des Cheftrainers bei Schalke 04 zurückgetreten ist, haben hierzulande 82 Millionen potentielle Bundestrainer eine Schnellumschulung zum Psychologen absolviert.

So wurde auch am Sonntag auf dem Bezahlsender Sky in der Fußballtalkshow “Sky90” über Rangnick und das Thema Burnout diskutiert. Zu Gast war unter anderem der heutige Schweizer Nationaltrainer Ottmar Hitzfeld, der nach der völlig vergeigten EM 2004 heißer Kandidat für den Posten des deutschen Bundestrainers gewesen war — “Bild” hatte damals unter der Überschrift “Es geht um die Zukunft des deutschen Fußballs: Herr Hitzfeld, unterschreiben Sie hier” sogar einen symbolischen “Arbeitsvertrag” abgedruckt. Doch Hitzfeld sagte ab, weil er sich nach sechs Jahren beim FC Bayern München “ausgebrannt und verbraucht” fühlte.

Bei Sky erinnerte sich Hitzfeld gestern so an jene Zeit:

Es war ein immenser Druck 2004. Ich wurde entlassen bei Bayern München und danach eine Woche später ruft Franz Beckenbauer wieder an, nicht in Funktion von Bayern München, sondern als Funktionär vom DFB und sagte: “Jetzt wirst du unser Bundestrainer” und da sag ich “Das kann ich nicht machen, weil ich bin ausgelaugt und ich brauche eine Pause”. Er hat da wenig Verständnis gehabt und sagt “das ist kein so stressiger Job wie Bundesliga-Trainer oder Bayern München-Trainer. Das kannst du doch machen!” Aber ich habe gesagt, ich kann das nicht und das war sicherlich auch eine schwierige Entscheidung, weil die BILD-Zeitung hatte zu der Zeit auch Riesendruck aufgesetzt und gesagt “Ottmar, mach des!” – haben sogar eine Schlagzeile und mich auch von außen unter sehr viel Druck gesetzt. Und ich glaube das war für mich auch eine schwierige und mutige Entscheidung Deutschland abzusagen.

(Zitiert nach “Alles außer Sport”.)

Sky fand diese Aussagen so bemerkenswert, dass der Sender sie anschließend im Wortlaut in einer Pressemitteilung weiterverbreitete.

Also, fast im Wortlaut:

“2004 war ein immenser Druck. Ich wurde beim FC Bayern entlassen und eine Woche später rief Franz Beckenbauer an in Funktion vom DFB und sagte,: ‘Du wirst jetzt unser Bundestrainer.’ Da sagte ich, ich kann das nicht machen, ich bin ausgelaugt und ich brauche eine Pause. Dafür hatte er wenig Verständnis und sagte, es ist kein so stressiger Job wie Bundesliga-, bzw. Bayern-Trainer – das kannst du doch machen. Es war eine sehr schwierige Phase, weil auch die Medien einen riesigen Druck aufgebaut haben. Ich glaube, das war für mich damals eine schwierige aber mutige Entscheidung, Deutschland abzusagen. Ich habe mich zurückgezogen und über ein Jahr gebraucht, um zu regenerieren, um wieder richtigen Appetit zu haben und um mich wieder am Leben zu erfreuen.”

(Hervorhebung von uns.)

Via “Alles außer Sport”, mit Dank an Stefan M.

Das Totenkopffähnchen im Wind

“Wie soll ich Dich empfangen?” heißt es in einem alten Kirchenlied und diese Frage treibt dieser Tage auch die “Bild”-Familie um — natürlich nicht im Hinblick auf den Papst, da ist der Empfang klar, aber im Bezug auf die Piratenpartei.

Die “Bild am Sonntag” verkündete gestern stolz:

Unser Reporter Adrian Pickshaus besuchte die Kultpartei ohne Scheu- und Augenklappe.

Gut, dieser Kalauer ist jetzt vielleicht ein bisschen bemüht. Oder wie es Bild.de vor ein paar Tagen ausgedrückt hat:

Peinlich: Anne Will eröffnet ihre Sendung mit altbackenen Piraten-Witzen, fragt Christopher Lauer zuerst: “Wo ist denn Ihre Augenklappe?”

Doch wofür stehen die Piraten, die “Polit-Sensation des Jahres”, eigentlich? Adrian Pickshaus erklärt es den “BamS”-Lesern:

Im Berliner Wahlkampf machten die Piraten vor allem mit drei Forderungen Welle: straffreies Kiffen, fahrscheinloses Bahnfahren und ein bedingungsloses Grundeinkommen, weit über dem Hartz-IV-Regelsatz.

Nimmt man die Forderungen unter die Lupe, stellt man fest: Vieles ist nicht verrückt, sondern gut durchdacht. Beispiel Bahnfahren: Nach Piraten-Willen soll jeder Berliner eine Jahres-Pauschale für den öffentlichen Nahverkehr bezahlen. Eine Bus-und-Bahn-Maut sozusagen. Touristen würden über eine Hotel-Abgabe zur Kasse gebeten.

Eine Woche zuvor, als die Piraten überraschend mit 8,9 Prozent der Wählerstimmen ins Berliner Abgeordnetenhaus einzogen, waren die Leute bei Bild.de noch skeptischer, was den Erfolg der Piraten anging — und deutlich kritischer:

Das Wahl-Programm könnte von der Hacker-Vereinigung “Chaos Computer Club” stammen – ein seltsames Sammelsurium ziemlich abstruser Forderungen:

– Nahverkehr in Bus und Bahn zum Nulltarif

– keine Verfolgung von Schwarzfahrern mehr

– „Rauschkunde“-Unterricht in der Schule

– die Einführung von Mindestlohn und Grundeinkommen

Mit Dank an Nico S.

Deutungshoheit, Facebookangst, großer Geist

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Manchmal auch ein bisschen später. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Die Piraten und die Macht der alten Medien”
(sprengsatz.de)
Michael Spreng meint, die Piratenpartei habe mit ihrem “sensationellen 8,9-Prozent-Erfolg” bei der Berliner Abgeordnetenhauswahl die Deutungshoheit über ihr Bild in der Öffentlichkeit verloren. Jetzt würden “das Fernsehen, die Zeitungen und Zeitschriften” das Bild der Piraten in der Öffentlichkeit prägen — mehr als es das Internet könne.

2. “Facebook is scaring me”
(scripting.com, Dave Winer, englisch)
Dave Winer nennt die neuen Facebookfunktionen, die es erlauben, Statusmeldungen, zum Beispiel über gelesene Artikel, ohne Zutun des Facebook-Benutzers öffentlich zu machen “cyber-stalking”. Facebook nennt das “reibungsloses Teilen” (frictionless sharing). Dave Winer empfiehlt sich stets aus Facebook auszuloggen, Nik Cubrilovic weist nach, dass das nicht ausreicht: “Even if you are logged out, Facebook still knows and can track every page you visit.”

3. “Großer Geist mit großer Verspätung”
(wahrheitueberwahrheit.blogspot.com, Thomas Steinschneid)
Thomas Steinschneid fragt sich was den Papst zu so einem angeblich so brillanten Intellektuellen unserer Zeit mache, freut sich aber darüber, dass “schlappe 465 Jahre” nach seinem Tod auch Martin Luther von einem Papst gewürdigt wird.

4. “Big media’s shameful news brownout on the Wall Street protests”
(philly.com, Will Bunch, englisch)
Will Bunch sieht in der kaum vorhandenen Berichterstattung über die Proteste an der Wall Street eine Art amerikanischen Tahrir-Moment. Selbst über die freundlichen Hinweise auf die Gefahren der Folgen der Finanzkrise berichtet kaum jemand.

5. “Wie ich Piratin wurde”
(faz.net, Julia Schramm)
Julia Schramm über ihren Weg von der FDP zu den Piraten und ihre Erfahrungen mit der Äußerung von “eigenwilligeren Gedanken” in (Piraten-) Parteistrukturen. Michael Seemann schlägt in eine ähnliche Kerbe und behauptet: “Das Konzept »Partei« und das Konzept »eigene Meinung« passen nur sehr bedingt zueinander.”

6. “Mönch gerät mit Plasberg aneinander”
(extratipp.com, Rubrik “Stars und Sternchen”)
Rhein-Main Extra Tipp berichtet am 25. September darüber, dass es in der ARD-Sendung “Hart aber Fair” vom 19. September tatsächlich zu Meinungsverschiedenheiten und Streit gekommen sei. Die Sendung lässt sich in der ARD-Mediathek bestaunen.

Dümmer als die Physik erlaubt

Nicht, dass das irgendjemand vermutet hätte, aber jetzt ist es offiziell: Friedrich Dürrenmatt arbeitet nicht für die Online-Redaktion des “Hamburger Abendblatts”.

Folgende Überschrift steht jedenfalls seit vielen Stunden online:

Neutrinos:
Schneller als das Licht? Partikel verblüffen Polizei. Offenbar überlichtschnelle Partikel verblüffen derzeit Physiker am europäischen Teilchenforschungszentrum Cern bei Genf.

Mit Dank an Matti, Markus S., Thomas Sch. und Henry W.

Nachtrag, 16.50 Uhr: abendblatt.de hat die Überschrift geändert. Waren wohl doch Physiker, die da verblüfft waren.

Piraten überspringen die Fünf-Prozent-Würde

Es ist der Umfrage-Hammer:

Umfrage-Hammer: 19 % würden Piraten wählen

19 Prozent würden also Piraten wählen, schreibt Bild.de und setzt noch ein Ausrufezeichen dahinter. Doch wann “würden” sie das tun? Wenn Sonntag Bundestagswahl wäre?

Gefragt wurde nach der aktuellen politischen Stimmung:

Können Sie sich theoretisch vorstellen, Ihre Stimme der Piraten-Partei zu geben? Jeder Fünfte antwortete mit JA!

“Theoretisch vorstellen” können sich die meisten Menschen viel, wenn der Tag lang ist — vermutlich auch, neben den Piraten noch ganz andere Parteien zu wählen.

Immerhin haben die Piraten bei dieser Frage einen etwas höheren Wert erzielt als vor einem Jahr die hypothetische Sarrazin-Partei und vor zwei Jahren Horst Schlämmer.

Mit Dank auch an Giovanni und jw.

Bild  

Wario Basler

Jeder Fußballfan weiß: Es gibt nur ein’ Rudi Völler. Was viele jedoch nicht wissen: Es gibt mindestens zwei Mario Baslers.

Einer dieser Mario Baslers wurde von bundesliga.de interviewt, ist nicht so leicht zu überraschen und hat folgende Meinung zum erfolgreichen Saisonstart von Werder Bremen:

bundesliga.de: Wie sehr überrascht Sie das gute Abschneiden?

Basler: Für mich kommt das nicht ganz so überraschend. Denn Werder ist ja seit Jahren eigentlich immer im Kampf um die internationalen Plätze mit dabei. (…)

bundesliga.de: Ist die Truppe von Thomas Schaaf für Sie ein ernsthafter Meisterschaftskandidat?

Basler: Nein, ich glaube nicht, dass Werder bereits ein Titelkandidat ist. (…) Aber einen Platz unter den ersten Vier (…) traue ich den Bremern schon zu.

Der andere Mario Basler schreibt unter dem Titel “SUPER MARIO gibt Gas” eine krawallige Kolumne bei “Bild” und hat die Lage seines Ex-Vereins am Anfang der Saison so eingeschätzt:

Hottentottenwerder! Wer da in Bremen noch von der Champions League oder so träumt, der sollte besser nie mehr aufwachen …

Die fetten Jahre in Bremen sind vorbei. (…)

Der Thomas Schaaf muss es also wieder richten. Mit seinen Interview-Ikonen und Invaliden muss er in eine schwierige Saison starten. Der Thomas macht mit dem hoffentlich bald fitten Naldo hinten drin das Beste draus, wird Neunter.

Normalerweise wäre das für Werder-Verhältnisse eine völlig verkorkste Saison. Nun ist es das Maximum!

Mit Dank an Daniel M.

Trolle, Thomas Knüwer, Bleisatz

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Vom Elend der Nutzerkommentare”
(sueddeutsche.de, Leo Lagercrantz)
Leo Lagercrantz berichtet, wie ihn die Auseinandersetzung mit Leserkommentaren dazu gebracht hat, den Job aufzugeben: “Eines gibt es, was alle Trolle gemein haben: Sie geben nicht auf. Der durchschnittliche Troll liefert zehnmal so viel Textmenge wie ein gewöhnlicher Journalist. Und die Qualität seiner Arbeit ist, trotz allen Gerüchten, oft nicht schlechter als die eines etablierten Journalisten.”

2. “Fundiertes Wissen statt Baggerberichte”
(faz.net, Lisa Becker)
Technische Themen werden in Deutschland entweder mit Angst oder mit unkritischer Begeisterung aufgenommen, schreibt Lisa Becker.

3. “Wired – ein Anlass für olle Kamellen”
(nikolaus-roettger.de)
Nikolaus Roettger, Chefredakteur von “Business Punk”, wendet sich gegen einen vor rund zwei Jahren erschienenen Text von Thomas Knüwer, in dem er das damals neu herausgekommene Magazin in “ungerechtfertigter Weise der Lüge” bezichtigte.

4. “Was sich über die Bild-Zeitung in Bleisatz sagen läßt”
(blog.druckerey.de, Martin Z. Schröder)
“Aus dem Buch ‘Der Krapfen auf dem Sims’ von Max Goldt überließ mir der Autor einen Text für eine Karte, die in den letzten Tagen gesetzt und gedruckt wurde.”

6. “Akte 37/11: Kaputtgeschrieben auf BILD.de”
(mediensalat.info, Ralf Marder)

Nachtrag, 24. September: Ursprünglich hatten wir an Nummer 5 einen Artikel der “Jungen Freiheit” verlinkt. Obwohl der Text selbst nicht zu beanstanden war, haben wir uns nach längerer Überlegung entschieden, dass wir ein Medium wie die “Junge Freiheit” grundsätzlich nicht verlinken wollen, und den Link entfernt.

Lukas Heinser

Irrsinn, wem Irrsinn gebührt

Seit Monaten sind die öffentlich-rechtlichen Sender in Deutschland in einer Art permanentem Alarmzustand, weil sie eine große Kampagne von “Bild” gegen ihre Häuser befürchten. Es spricht wenig dafür, dass der heutige Artikel über den “Gebührenirrsinn” den Auftakt zu einer solchen Kampagne darstellt — dafür ist zur Zeit einfach zu viel Papst in Deutschland und in “Bild”, der die Aufmerksamkeit auf sich zieht. Aber auch für sich genommen ist der Artikel bemerkenswert.

Gebühren-Irrsinn: ARD und ZDF fordern 1,3 Milliarden mehr!

Unter Berufung auf die “Zeit” schreibt “Bild”, dass “das teuerste öffentlich-rechtliche Fernsehen der Welt” noch teurer werden solle. Und zwar zum Beispiel so:

Die ARD kassiert in diesem Jahr 5,52 Milliarden Euro Zwangsgebühren. Demnächst will der Sender 225 Millionen Euro mehr. Für die Jahre 2013 bis 2016 hat die ARD bei der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs (KEF) einen Mehrbedarf von 900 Millionen Euro angemeldet.

“225 Millionen Euro mehr” hört sich natürlich nach viel Geld an. Bezogen auf die 5,52 Milliarden sind es knapp vier Prozent, die die ARD zusätzlich “will” — etwas mehr als ein Inflationsausgleich (über die vier Jahre Laufzeit gerechnet, entspricht das einer jährlichen Steigerung von rund 1 Prozent).

Beim ZDF vergleicht “Bild” gleich die Einnahmen eines Jahres mit den Mehrforderungen über den Vierjahreszeitraum, damit letztere höher wirken:

Das ZDF bekommt in diesem Jahr 1,82 Milliarden Euro. Für die nächste Gebührenperiode fordert das Zweite 429 Millionen Euro mehr.

Tatsächlich “bekommt” das ZDF in diesem Jahr auch keine 1,82 Milliarden aus den Gebühreneinnahmen, sondern 1,72. Das geht aus der “internen Finanzvorschau der Sender” (PDF) hervor, die “exklusiv auf BILD.​de” zu sehen sind und mit denen Bild.de die “Transparenz” schaffen will, “die die öffentlich-rechtlichen Anstalten in ihren Finanzangelegenheiten verweigern”.

Außerdem hat Bild.de ein paar vermeintlich namhafte Kritiker des öffentlich-rechtlichen Fernsehens gefunden, die ganz im Sinne der Axel Springer AG gegen “das gebührenfinanzierte Engagement von ARD und ZDF im Internet und bei Apps” (so der Geschäftsführer der SPD-Medienholding ddvg Jens Berendsen) wettern oder sich wie “CDU-Kulturpolitiker Peter Tauber” und “FDP-Medienexperte Burkhard Müller Sönksen” (ein alter Freund der “Bild”-Zeitung) am Begriff “Grundversorgung” verheben dürfen.

Doch zurück zum “teuersten öffentlich-rechtlichen Fernsehen der Welt” und seinen “Irrsinns”-Forderungen:

Jeder Haushalt müsste dann statt 17,98 Euro bisher, monatlich 18,86 Euro Rundfunkgebühren zahlen, so “Die Zeit”.

Zum Vergleich: Die Briten zahlen für ihr öffentlich-rechtliches Fernsehen monatlich 12,98 Euro, die Franzosen 9,66 Euro, die Italiener sogar nur 9,08 Euro.

Da hat “Bild” natürlich drei sehr renommierte öffentlich-rechtliche europäische Sendeanstalten ausgewählt (wobei Frankreich und Italien jetzt eher schlechte Beispiele für die gewünschte Staatsferne des öffentlich-rechtlichen Rundfunks abgeben) — und drei sehr günstige.

Zum Vergleich: Die Österreicher zahlen im Monat durchschnittlich 22,03 Euro, die Dänen 25,74 Euro (191,67 Dänische Kronen) die Schweizer sogar 31,34 Euro (38,53 Schweizer Franken).

Mit Dank auch an Sebastian.

Nachtrag/Korrektur, 16.10 Uhr: In der ersten Version dieses Artikels hatten wir uns verrechnet, was die Mehrforderungen der ARD angehen.

Autojournalismus, WAP, Boris Rhein

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Gelenkte Berichte – Autokonzerne und Journalisten”
(ndr.de, Video, 5:57 Minuten)
Wie sich Autojournalisten von BMW neue Produkte vorführen lassen: “Kritisches findet sich in den Artikeln der Journalisten nach der Veranstaltung wenig. Bezahlte Reise oder nicht – nicht immer wird das klar.”

2. “Offener Brief an Bundeskanzlerin Merkel: Warum beleidigen Sie Menschen, die ein Grundrecht wahrnehmen?”
(pushthebutton.de, Hardy Prothmann)
“Qualitätsjournalismus lässt sich durch Blogger und Leserreporter nicht ersetzen, sondern nur ergänzen”, sagte Angela Merkel gemäß bundesregierung.de in einer Rede am BDZV-Kongress. Etwas anders (“Qualität lässt sich durch Blogger nicht ersetzen”) wird sie von ftd.de zitiert, was Hardy Prothmann zu einer Gegenrede veranlasst.

3. “Waperlapapp – der Gratis-Humbug des SF”
(20min.ch, Oliver Wietlisbach)
Als Alternative zu kostenpflichten Rufnummern bei Gewinnspielen bietet das Schweizer Fernsehen die “Uralttechnologie” WAP an. “Eine Farce. Die Teilnehmer werden so zum kostenpflichtigen Anruf verleitet.”

4. “Als die Bild mir eine Mail schrieb”
(grafsusanne.de)
Susanne Graf von der Berliner Piratenpartei schreibt an einen Chefreporter von Bild.de: “ich bin nicht bereit, der Bild ein Interview zu geben. Das wendet sich nicht gegen Sie persönlich sondern gegen Ihren Arbeitgeber.”

5. “Huren gegen Höllenengel”
(sueddeutsche.de, Marc Widmann)
CDU-Politiker Boris Rhein, ein “Bild”-Reporter und die Hells Angels. “Am Ende kann man dem Minister allenfalls vorhalten, dass er es mit der Lektüre der Bild-Zeitung übertrieben hat.”

6. “Ilse Aigner twittert (nicht)”
(netzpolitik.org, markus)

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