Archiv für September 6th, 2011

Gestern, heute, morgen

Der 11. September 2001 war ein Tag, der die Welt veränderte. Doch wie sah diese Welt eigentlich aus, bevor sie verändert wurde?

Bild.de möchte ab heute über die Tage berichten, “in denen sich unsere Welt noch in Frieden und Sicherheit wähnte”, und erzählt deshalb zehn Jahre alte “Bild”-Meldungen nach. Da geht es dann zum Beispiel um die Flugaffäre des damaligen Bundesverteidigungsministers Rudolf Scharping, die Basketball-EM in der Türkei und die Flitterwochen von Ex-Bundespräsident Roman Herzog.

Doch es geht auch um einen Fall, der bis heute in den Medien ist:

Wulsbüttel (Niedersachsen): Schon wieder wird ein Kind in Deutschland vermisst: Der blonde Dennis (damals 9) ist am 5. September nachts aus dem Schullandheim in Wulsbüttel verschwunden. 300 Einsatzkräfte durchkämmen seitdem die Umgebung. Mit dem Foto, auf dem Dennis mit seinem Pokemon zu sehen ist, wird nach ihm gesucht. Der Verdacht fällt auf den sogenannten “Schwarzen Mann”, der den Jungen entführt haben soll. Erst zehn Jahre später, im April 2011, wird der Täter endlich festgenommen werden. Er wird gestehen, ab Oktober 2011 vor Gericht stehen und schließlich zu lebenslänglich verurteilt werden.

Äh, Stopp!

Die Leute von Bild.de haben auf dem Weg zurück in die Gegenwart soviel Gas gegeben, dass sie in der Zukunft ausgekommen sind: Der Prozess beginnt ja erst im Oktober, da kann Bild.de jetzt noch gar nicht wissen, wie er irgendwann danach ausgehen wird.

Andererseits:

Mit Dank an Johannes G.

Nachtrag, 21:50 Uhr. Puh, Bild.de kann doch nicht in die Zukunft sehen, hat den Artikel korrigiert und schreibt:

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Fassung des Artikels entstand der Eindruck, das Urteil gegen den mutmaßlichen Mörder stehe bereits fest. Wir bitten den Fehler zu entschuldigen und danken unseren Lesern für die Hinweise.

Bild  

Der Mond von Wanne-Eickel

“Was wissen Sie wirklich über Sonne, Mond & Sterne?” fragt “Bild” heute ihre Leser und die erwartete Antwort ist offenbar “nicht viel” — sonst hätte die Zeitung Markus Landgraf von der Europäischen Weltraumagentur ESA nicht so viele Fragen gestellt.

Damit die Leser wenigstens wissen, wie unser Sonnensystem grob aussieht und was da so für Planeten rumeiern, hat “Bild” diese Grafik im Angebot:

Was wissen Sie wirklich über Sonne, Mond & Sterne?

Dieses Bild ist natürlich nicht maßstabsgetreu — die Planeten würden sonst zusammenstoßen, wenn sie aneinander vorbei ziehen.

Mehr noch, wie “Bild” selbst dazu schreibt:

Die Grafik zeigt die Planeten unseres Sonnen-Systems. Pluto zählt seit 2006 nicht mehr zu den Planeten. Der Mond ist für das Bild zu klein.

Demnach gäbe es zwei Gründe, Pluto auf dieser Grafik nicht zu zeigen: Erstens ist er, wie gesagt, kein Planet mehr — und zweitens ist er mit einem Durchmesser von 2.390 km noch kleiner als der Mond, der mit seinen 3.476 km “für das Bild zu klein” war.

Mit Dank an Michael L.

Günter Grass, Fahrradfahrer, Charles Moore

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Israelischer Historiker verteidigt Günter Grass”
(spiegel.de, Stefan Kuzmany)
Eine falsche Aussage von Günter Grass in einem Interview mit der Zeitung “Ha’aretz” wird von verschiedenen Medien skandalisiert. Der Historiker und Holocaust-Forscher Tom Segev erklärt, wie es dazu kam: “Er hat eben eine falsche Zahl genannt. Hätte ich es bemerkt, hätte ich ihn darauf hingewiesen, dann hätte er sich sofort korrigiert.”

2. “Was dürfen Autofahrer sich alles erlauben?”
(criticalmass-hamburg.de, Malte)
“Auto Bild” stellt sich die Aufgabe, darüber aufzuklären, was Fahrradfahrern im Straßenverkehr erlaubt ist – “und scheitert wie erwartet”.

3. “Der ORF verabschiedet sich”
(kobuk.at, Hans Kirchmeyr)
Der ORF strahlt den Film “9/11 Mysteries” aus, “distanziert sich jedoch von anfälligen [sic!] Aussagen, die dem ORF-Gesetz, insbesondere dessen Objektivitätsgebot, widersprechen”. ORF-Sprecher Martin Biedermann sagt dazu auf diepresse.com: “Verschwörungstheorien ziehen sich durch den gesamten Themenkomplex des 11. September. Deswegen hat eine solche Doku in einem breit angelegten Programmschwerpunkt ihren Platz.”

4. “‘Twitter terrorists’ face 30 years after being charged in Mexico”
(guardian.co.uk, Jo Adetunji and agencies, englisch)
Wegen Verbreitung der Falschmeldung, eine Schule werde von Bewaffneten angegriffen, drohen einem Lehrer und einer Radiomoderatorin 30 Jahre Haft. “The resulting panic caused dozens of car crashes after parents rushed to save their children from schools across the city and jammed emergency telephone lines, which ‘totally collapsed’ under the pressure.”

5. “Warum der Streit zwischen Assange und Domscheit-Berg kein Zickenkrieg ist”
(wolfgangmichal.de)
Wolfgang Michal fragt, warum sich gerade jetzt so viele Journalisten und Kommentatoren gegen Wikileaks wenden. “Die Reduktion der Enthüllungsplattform WikiLeaks auf ein ‘neutrales’, vermittelndes Medium, das seine journalistischen Sorgfaltspflichten verletzt, blendet die Tatsache aus, dass WikiLeaks von Anfang an darauf aus war, geheimes Material zu publizieren, um bestimmte politische, militärische und finanzielle Machenschaften nicht nur aufzudecken, sondern zu bekämpfen.”

6. Interview mit Charles Moore
(welt.de, Thomas Kielinger)
Aufbauend auf einer Kolumne von Charles Moore wurde im August in deutschsprachigen Medien eine ausführliche Debatte geführt: “Ich habe Ende Juli gerade einmal zwei Kolumnen geschrieben, die eine bis heute andauernde Debatte auslösten, aber man hat immer nur die erste zitiert: ‘Ich fange an zu glauben, dass die Linke tatsächlich Recht haben könnte.'”