Archiv für Juli 26th, 2011

Sie sind der Meinung, das war Doppelspitze

Die Deutsche Bank bekommt eine sogenannte Doppelspitze: Anshu Jain und Jürgen Fitschen werden im Mai 2012 einfach beide Vorstandsvorsitzende.

“Spiegel Online” fand das gestern Abend bemerkenswert:

Zum ersten Mal wird damit das größte deutsche Geldinstitut ab dem kommenden Jahr von einem Duo geführt.

Das war falsch: Nach dem Rückzug des legendären Vorstandsprechers Hermann Josef Abs 1967 waren Doppelspitzen bei der Deutschen Bank für mehr als 20 Jahre quasi die Regel. Das wussten sie bei “Spiegel Online” offenbar nicht, aber ein Leser wusste es und kommentierte es.

Und was machte “Spiegel Online”? Ersetzte den oben zitierten Satz unauffällig durch diesen:

Damit wird das größte deutsche Geldinstitut ab dem kommenden Jahr von einem Duo geführt.

Mit Dank an Nils.

Tankstellen errichten Luft-Schlösser

Geld für Luft! Die Autofahrer-Verbände in Deutschland sind fassungslos über die neueste Abzocke an den Tankstellen!

Das schreit nach maximalem Einsatz von Großbuchstaben in der Überschrift:

Autoverbände entsetzt! Erste Tankstellen verlangen Geld für LUFT! Abgezapft bis zum letzten Tropfen – das kannten Deutschlands Autofahrer bisher nur vom Benzin-Tanken. Jetzt sollen sie auch noch für LUFT zahlen. Verbraucherverbände sind entsetzt.

Die “neueste Abzocke” an deutschen Tankstellen ist dann ganz so neu aber auch nicht mehr.

Schon im März 2010 hatte sich Bild.de darüber echauffiert:

5 Minuten kosten 1 Euro: Tankstellen nehmen jetzt schon Geld für Luft

Mit Dank an Christian P. und Steffen S.

Norwegen, EHEC, CSD

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Ein Täter darf nicht abgebildet werden”
(wuv.de, Jochen Kalka)
Jochen Kalka betrachtet die Berichterstattung zu den Anschlägen in Norwegen und zieht Vergleiche zum Amoklauf von Winnenden: “Den Medien sind die Opfer egal. Für sie ist der Täter Opfer. Die Medien suchen nach Antworten, wie es zu der Tat kommen konnte. Der Täter als Opfer der Gesellschaft. Immer die gleiche Debatte.”

2. “The news coverage of the Norway mass-killings was fact-free conjecture”
(guardian.co.uk, Charlie Brooker, englisch)
Auch Charlie Brooker widmet sich der Berichterstattung zum Anschlag. Er erklärt, warum er den Täter nicht beim Namen nennt. “Presumably he wanted to make a name for himself, which is why I won’t identify him. His name deserves to be forgotten. Discarded. Deleted. Labels like ‘madman’, ‘monster’, or ‘maniac’ won’t do, either. There’s a perverse glorification in terms like that. If the media’s going to call him anything, it should call him pathetic; a nothing.”

3. “Elmar Theveßen und der ‘saubere Journalismus’ der Terrorismusexperten”
(faz-community.faz.net, Stefan Niggemeier)
Wie sollte ein Terrorismusexperte auf drängende Fragen von Journalisten antworten, wenn die Umstände eines Ereignisses noch nicht einzuschätzen sind? So: “Nein, Frau Illner, man kann das wirklich noch nicht sagen / Es ist zu früh dafür / Wir wissen es noch nicht / Seriös lässt sich das nicht beantworten / Lassen Sie uns da nicht spekulieren.”

4. “Gurken, Keime, Kolportagen”
(message-online.com, Michael Haller)
“Warum deutsche Medien dem EHEC-Fieber verfielen” ist die aktuelle Titelgeschichte der Zeitschrift “message” (Leseprobe als PDF-Datei). Michael Haller kommentiert: “Statt nachzufragen, haben die Journalisten auch der tonangebenden Medien nur kolportiert. Und sich immer neue Aufhänger für Panikgeschichten ausgedacht.”

5. “Angemessene Staatsferne und Praxis”
(ksta.de, Jan-Philipp Hein)
Die Besetzung des Programmdirektors des Deutschlandfunks steht an. “Medienpolitik ist auch Personalpolitik. Die geht zwischen CDU und SPD meist nach dem Prinzip ‘Einen für euch, einen für uns'”.

6. “Wie schwul hätten Sie’s denn gerne?”
(alexandervonbeyme.net)
Am Wochenende finden mehrere Christopher-Street-Days in Deutschland statt. Alexander von Beyme denkt nach über das Inszenieren der eigenen Sexualität: “Heterosexuelle Männer tragen ihre Orientierung auch vor sich her, wenn sie ungefragt von ihrer Frau erzählen. Neulich habe ich auf der Straße einen Mann und eine Frau gesehen – und sie hatten tatsächlich ein Kind dabei, als biologischen Beweis, dass sich die beiden auch im Schlafzimmer gut verstehen!”