Archiv für Juli 15th, 2011

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Wer stoppt diesen EU-Irrsinn?

Irgendwann wird vielleicht auch der letzte Journalist verstanden haben, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) kein “EU-Gericht” ist.

Heute jedoch nicht:

Denn der EU-Gerichtshof in Straßburg urteilte im Mai 2010, dass alle nachträglich zur Sicherungsverwahrung verurteilten Täter freizulassen sind.

Mit Dank an Moritz, Martin E., Jan C. und Frank Sch.

Schon wieder Milchmädchen verschwunden!

Thomas Hinrichs, zweiter Chefredakteur von “ARD aktuell” hatte uns gestern noch erklärt, wie die “Tagesschau” mit inhaltlichen Fehlern umgeht. Er sagte dazu, dass Fehler natürlich immer passieren können, sich die Redaktion aber natürlich größte Mühe gebe, dass ihr keine unterliefen.

So gesehen hat die Redaktion von “ARD aktuell” offenbar eine Pechsträhne. Denn auch die gestrige Ausgabe der “Tagesthemen” musste im Archiv auf tagesschau.de gekürzt werden:

Hinweis: Der Beitrag "Ratingagentur Moody

Der Beitrag hatte behauptet, die Schuldenobergrenze der USA sei bei “14,3 Milliarden Dollar” erreicht. In Wahrheit liegt die Staatsverschuldung der USA derzeit bei 14,3 Billionen Dollar.

Womöglich wollte da jemand den klassischen Fehler vermeiden, das englische “billion” (Milliarde) mit dem deutschen “Billion” zu übersetzen — und hat dann einfach die deutsche “Billion” mit “Milliarde” “übersetzt”. Im Englischen belaufen sich die Staatsschulden der USA derweil auf “14.3 trillion dollars”.

Mit Dank an Klaus Sch. und Niels.

Interview-Promotion

Selten wurde in der breiten Öffentlichkeit soviel über richtiges Zitieren diskutiert wie heute. Der FDP-Europaabgeordnete Jorgo Chatzimarkakis etwa musste gerade schmerzhaft erfahren, dass Anführungszeichen nicht ganz so bedeutungslos sind, wie ihr Spitzname “Gänsefüßchen” nahelegen könnte; andere prominente Politiker stolperten darüber, dass sie Aussagen anderer in ihren Promotionen als eigene ausgegeben haben.

Im Journalismus ist das alles anders, wie uns “Zeit Online” beweist, wo sich seit gestern folgende, relativ dramatische Überschrift findet:

ZDF-Sportchef: "Der Frauenfußball wird wieder von der Bildfläche verschwinden"

Die Anführungszeichen sind brav an ihrem Platz, und man kann “Zeit Online” auch nicht vorwerfen, sich die Aussagen des ZDF-Sportchefs Dieter Gruschwitz angeeignet zu haben. Eher…

…umgekehrt:

ZEIT ONLINE: Der Frauenfußball wird nach der WM in Deutschland also wieder von der Bildfläche verschwinden? Ihre Bundesligaspiele werden weiterhin wohl nicht im bundesweiten TV zu sehen sein und die Olympia-Qualifikation fürs kommende Jahr haben die Frauen verpasst.

Gruschwitz: Da haben Sie Recht. Schon bei den Olympischen Spielen in Peking 2008 waren die Frauenfußballspiele eine attraktive Programmware für uns. Aber auf dieser großen Bühne werden die deutschen Fußballerinnen in London 2012 nicht vertreten sein. Das Ausmaß des Olympia-Startverlusts wird in seinen vielschichtigen Auswirkungen von einigen noch gar nicht so richtig wahrgenommen.

Mit Dank an Jakob V.

Nachtrag, 17.15 Uhr. Der Interviewer sagt, im Gespräch habe Gruschwitz seine Aussage “Der Frauenfußball wird wieder von der Bildfläche verschwinden” wiederholt und gesagt, dass er sie teile.

Marko Arnautović, Christoph Keese, Busen

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Irgendwas mit Medien: Vermischte Bemerkungen zur Krise des Journalismus”
(novo-argumente.com, Tobias Prüwer)
Tobias Prüwer fasst verschiedene Diskussionen über den Journalismus erhellend zusammen. Zum Beispiel zum iPad: “Mit Erstaunen konnte man feststellen, wie sich seit Anfang des letzten Jahres Journalisten wie Verleger überschlugen mit Prognosen für ein prosperierendes Geschäft dank iPad. Keiner kannte das Gerät, aber die Redaktionen wurden nicht müde, schon vor Erscheinen zu schwärmen und Zukunft zu erträumen, und bei der Präsentation applaudierten Journalisten zuhauf! Das war ja auch zu schön: Man muss nichts ändern, mit Apple-Magie würden schon genug Anwender plötzlich für Publikationen zahlen, die sie in Printform nie erworben hätten. Nun, da das Coffee-Table-Accessoire auf dem Markt ist, scheint diese Euphorie verflogen zu sein.”

2. “Google plant die Super-Datenbank”
(tarzun.de, Klaus Peukert)
Klaus Peukert analysiert Texte mit Schlagzeilen wie “Google plant die Super-Datenbank” (sueddeutsche.de) und “Google will Nutzerprofile direkt verkaufen” (zeit.de, inzwischen geändert).

3. “Alles Lüge!”
(taz.de, Judith Pape)
“Bild” behauptet, es gäbe “konkrete Pläne” von DFB und ARD, Frauenfußball zukünftig in der “Sportschau” am Samstag zu senden. Axel Balkausky, Sportkoordinator der ARD, dementiert: “Alles falsch, ich halte es derzeit für ausgeschlossen, dass wir regelmäßig Spielberichte aus der Frauen-Bundesliga zeigen. Wie bisher werden wir den Frauen-Fußball in den dritten Programmen abbilden.”

4. “Arnautovic vs. Seitenblicke-Magazin”
(derstandard.at, red)
Hat Fußballspieler Marko Arnautović ein Interview geführt mit dem Magazin “Seitenblicke”? Auf seiner Website ist zu lesen: “Marko Arnautovic weist darauf hin, dass er mit keiner österreichischen Zeitung ein Interview geführt hat und die Behauptungen daher vollkommen aus der Luft gegriffen sind.”

5. “Lieber Christoph Keese”
(sixtus.cc)
Mario Sixtus schickt Christoph Keese, Konzerngeschäftsführer Public Affairs bei Axel Springer, eine Rechnung in der Höhe von 1070 Euro, weil dieser in einem Beitrag für sein Blog presseschauder.de die Lizenzbedingung eines von ihm geschossenen Fotos nicht eingehalten hat. Keese hält dagegen den Betrag von 50 Euro angemessen, denn “dies hier ist ein privater Blog mit ein paar hundert Lesern” (in den Kommentaren).

6. “Riesen-Busen steht gutem Journalismus im Weg”
(antimedien.de, Hektor Haarkötter)
Hektor Haarkötter prüft die Schlagzeile “Riesen-Busen rettet Urlauberin vor Ertrinken” (tz-online.de) auf ihren Wahrheitsgehalt.