Archiv für April, 2011

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Lena von der Lippe

Lena (fast) allein zu haus.Seit Lena Meyer-Landrut ihre Deutschland-Tour begonnen hat, bemühen sich Journalisten, vor allem aber auch “Bild”, diese Tour als riesigen Flop zu beschreiben. “Nur 6000 Fans” waren zum Tourauftakt in die Berliner O2 World gekommen, die bis zu 17.000 Zuschauern Platz bieten könnte. Als Kylie Minogue die gleiche Halle mit 8.000 Fans ebenfalls nicht füllte, war das “Bild” allerdings keine kritische Zeile wert.

Vergangenen Dienstag hatten “nur 5500 Fans” den Weg in die Dortmunder Westfalenhalle 1 gefunden, was die Ruhrgebietsausgabe von “Bild” zu der gewagten Formulierung verleitete, es seien wie schon bei ihren vorherigen Konzerten “kaum Besucher” gekommen.

Doch nicht nur das:

In Dortmund sang Lena Lieder aus ihren beiden Alben "My Cassette Recorder" und "Good News". Und einige Fans staunten: Wollte sie ihre Stimme für die Titelverteidigung in Düsseldorf schonen oder warum sang sie Playback? Manche ihrer Lippenbewegungen passten einfach nicht zum Text!

Der harmlosere Fehler: Lenas Debütalbum hieß “My Cassette Player”. Der schwerwiegendere: Die Behauptung, Lena habe Playback gesungen, ist falsch, wie uns Lenas Management auf Anfrage bestätigte. “Lena singt natürlich live!”

Lena Meyer-Landrut hat “Bild” deshalb abgemahnt. Ihr Anwalt Heiko Klatt begründete diesen Schritt uns gegenüber damit, dass die in “Bild” verbreiteten Behauptungen inhaltlich nicht den Tatsachen entsprächen, da Lena “selbstverständlich” live und nicht Playback singe. Bis heute 18 Uhr hatten “Bild” und Bild.de Zeit, die Verbreitung dieser falschen Behauptungen zu unterlassen — bei Bild.de ist der Artikel inzwischen offline.

PS: Nur wenige Minuten, nachdem die Anwaltskanzlei am vergangenen Donnerstag die Abmahnung von Brainpool verschickt hatte, tauchte bei Bild.de auf der Startseite dieser Teaser auf:

Bushido: Raab hat mich wie einen "Kanaken" behandelt

Stefan Raab ist Gesellschafter bei Brainpool und Lenas Mentor. Die Überschrift des Artikels über Bushido hatte zunächst “Ich polarisiere nicht mehr, weil ich nicht mehr will” gelautet.

Mit Dank auch an Anonymous und Janine K.

Niveau ist keine Hautcreme (2)

Eine Doppelseite ihrer “Stil”-Rubrik hat die “Welt am Sonntag” an Ostern Joachim Löw eingeräumt, dem Trainer der deutschen Fußballnationalmannschaft und offensichtlich ein toller Typ:

Montagmittag, Kaiserwetter. Mit dem Kirchturmschlag (Punkt zwölf) steht er in der Tür des Hotels “Colombi”: Jeans, hellblaues Hemd. Fester Händedruck, man will gar nicht mehr loslassen. Sein Blick ist offen, sein Lachen ansteckend. Ein Naturbursche mit Stil. Kein Wunder, dass ihn Nivea als Markenbotschafter verpflichtet hat: Ab Mai wird er zum dritten Mal in einer Kampagne für die Kosmetik-Männerlinie zu sehen sein.

Autorin Dagmar von Taube gelingt die Meisterleistung, sich gleichzeitig unterwürfigst vor Löw zu werfen und das Gespräch immer wieder auf Nivea zu lenken. Ihre Einstiegsfrage macht die Marschrichtung klar:

Welt am Sonntag: Herr Löw, Deutschland liebte Sie auf Anhieb. Das hat nicht nur mit Ihrem Erfolg zu tun, man mag Ihre Person, Ihre Erscheinung. Sie gelten als modisch, aufgeschlossen, erfrischend unkonventionell. Die Werbeangebote müssten sich stapeln auf Ihrem Schreibtisch. Warum jetzt Hautcreme?

So wie Löw antwortet, muss sich die Beiersdorf AG keine Sorgen machen, den falschen Werbeträger verpflichtet zu haben:

Jogi Löw: Es gibt immer wieder Anfragen, das meiste kommt für mich nicht infrage. Aber Nivea, damit kann ich mich identifizieren, das kenne ich von klein auf. Wir Kinder, meine drei Brüder und ich, sind praktisch mit der blauen Dose aufgewachsen – die Handcreme, die man für alles benutzt hat, die Sonnencreme im Freibad. Wir waren ja viel draußen, wir Jungs.

Und so geht das, von gelegentlichen thematischen Schlenkern abgesehen, weiter: Löw erzählt, wie lange er morgens im Bad braucht (nicht länger als eine halbe Stunde), er berichtet, wie das damals war in einem Haushalt mit fünf Männern (“Eine Vielfalt an Produkten wie heute gab’s damals für uns ja noch gar nicht. Wasser und Seife, das war’s praktisch.”) und wie es war, als er mit 17 das Elternhaus verließ (“Meine Mutter war schon besorgt damals. Sie hat übrigens auch immer Nivea benutzt.”).

Bevor das Gespräch allzu sehr vor sich hin plätschert, fragt Taube investigativ nach (“Stellen Sie im Bad Ihre Nivea-Kosmetika auf wie Ihre Spieler auf dem Grün?”) und schafft noch die abwegigsten Überleitungen (“Nivea duftet nach Maiglöckchen, Jasmin. Wie schmeckt die Luft bei Löws – nach Leder?”).

Es wäre eine weitere gelungene Werbekampagne zum hundertsten Geburtstag der Marke Nivea, doch das Interview firmiert auch bei der “Welt am Sonntag” als redaktioneller Inhalt.

Mit Dank an stickytape und Jonathan O.

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Gartenzwergsteuer

Zu den vielen klugen Sätzen, die mein Lateinlehrer so vor sich hin gesagt hat, gehörte auch der Hinweis, man dürfe bei einem Wort nicht nur auf den ersten und ein paar weitere Buchstaben gucken, sondern solle sich jedes Wort genau ansehen.

Offenbar ist niemand aus der “Bild”-Redaktion in den Genuss dieses besonderen Pädagogen gekommen, denn die Ankündigung der designierten grün-roten Landesregierung in Baden-Württemberg, die Grunderwerbsteuer erhöhen zu wollen, schlug sich heute auf Seite 1 so nieder:

Grüne und SPD in Baden-Württemberg sind sich über ihren Koalitionsvertrag einig. Für eine umfassende Bildungsreform soll die Gewerbesteuer von 3,5 auf 5% erhöht werden.

(Hervorhebung von uns.)

Mit Dank an Carsten H.

Handelsblatt, Klaus Kocks, Ralph Grosse-Bley

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Sport Bild-Watch (17)”
(el-futbol.de, Sidan)
Fußball: “Sport Bild” kritisiert Bastian Schweinsteiger: “Sport Bild-Kenner wissen, wer die absoluten Lieblingsspieler der Sport Bild sind bzw. waren: Platz 1. Lahm. Klar. Auf den nächsten 238 Plätzen erstmal niemand, dann aber, immerhin: Schweinsteiger. Doch das ist Vergangenheit.”

2. “Du bist bewaffnet bis über beide Backen”
(tagesspiegel.de, Markus Ehrenberg)
Die eigentlichen Vorbilder von Fußball-Kommentator Wolff-Christoph Fuss sind “die guten Rhetoriker”: “Ehrlich, häufig wird schlechtes Deutsch verwendet. Auch wenn ich manchmal vielleicht etwas flapsig herüberkomme, das alles passiert idealerweise in hundertprozent korrektem Deutsch.”

3. “Eintritt frei”
(juliane-wiedemeier.de)
Juliane Wiedemeier fragt sich, warum PR-Berater Klaus Kocks im Deutschen Journalisten-Verband DJV Mitglied ist.

4. “Handelsblatt versucht sich als iPad2-Discounter – und mogelt mit den Fakten”
(stenographique.wordpress.com, philipp)
Philipp rechnet das iPad2-Angebot von “Handelsblatt” nach und kommt auf eine zu hoch ausgewiesene Ersparnis von fast 1000 Euro.

5. “The People misleads on William’s ‘stag do'”
(tabloid-watch.blogspot.com, englisch)
Die britische Sonntagszeitung “The People” füllt seine Titelseite mit einem Bild von Prinz William aus dem Jahr 2002. “The implication, of course, is that these are pictures from Prince William’s stag do, in advance of his wedding on Friday.”

6. “Star für einen Tag – Wie aus Frauen Blick-Girls werden”
(videoportal.sf.tv, Video, 26:17 Minuten, teilweise Dialekt)
Die Sendung “Reporter” begleitet zwei Frauen, die sich für die Titelseite von “Blick” bis auf die Unterwäsche ausziehen. Die Auswahl der Fotos ist dabei Chefsache, wie ab 16:30 Minuten zu sehen ist. “Blick”-Chefredakteur Ralph Grosse-Bley (Ex-“Bild”): “Wo kommt die Frau her? Aus dem Emmental. Hausfrau und Mutter. Okay. Ich finde das Höschen ein wenig gewöhnungsbedürftig. Ich würde es versuchen mit dem Querformat, also Ganzkörper. Ich find das ganz gut mit den Stiefeln. Gefällt mir ganz gut. (…)”

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Der späte Hase versteckt das Ei

Heute ist Ostern, jener Feiertag, über den “Bild” vor 11 Tagen geschrieben hatte:

In 11 Tagen feiern wir Ostern – so spät war das wichtigste christliche Fest zur Auferstehung Jesu Christi seit 152 Jahren nicht mehr.

Das stimmt so nicht: 1943, also vor 68 Jahren, fiel der Ostersonntag sogar auf den 25. April, den spätest möglichen Termin.

Am 24. April allerdings war zuletzt im Jahr 1859 Ostersonntag — was “Bild” dann auch noch so gerade richtig hingekriegt hat:

24. April — Wie zuletzt vor 152 Jahren.

Wir wünschen allen Lesern ein frohes, fehlerfreies Osterfest!

Mit Dank an Johannes.

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Dicke Schamlippe riskiert

Drogen! Korrupte Bullen! Schamlippen!

Bei einem angeblichen “Drogen-Skandal im Polizeipräsidium” waren zwei “Bild”-Redakteure derart in ihrem Element und dazu auch noch so urteilsschnell, dass man sich fragt, warum überhaupt noch ermittelt wird.

Bereits die Überschrift lässt eigentlich keinen Zweifel daran, dass die Schuldigen bereits überführt sind:

Mainzer Polizisten klauen Rauschgift und Geld aus Asservatenkammer: Drogen-Skandal im Polizei-Präsidium

“Bild” spart nicht an Superlativen, Ausrufezeichen und Vorwürfen:

Es ist DER absolute Sicherheits-Gau, ein Polizei-Skandal unfassbaren Ausmaßes! Im Mainzer Polizeipräsidium sollen Ermittler Drogen und Geld aus der Asservatenkammer geklaut haben! Um sich zu bereichern – und den Stoff zu konsumieren!

Doch die Situation stellt sich dann doch deutlich anders dar, wie die “Rhein-Zeitung” heute schreibt:

Wenn bei der Polizei 1200 Euro und ein Tütchen mit Aufputschmitteln verschwinden, ist das sicherlich eine ernste Sache.

Fünf Kamerateams und ein Dutzend Zeitungs- und Rundfunkreporter strömen deshalb noch lange nicht ins Präsidium. Dafür muss schon der Boulevard mit einem “Drogen-Skandal” titeln, gewürzt mit Details tief im Schambereich der Betroffenen. Das füllt die eiligst anberaumte Pressekonferenz, bei der der Leitende Oberstaatsanwalt Klaus-Peter Mieth versichert: Der Artikel in der “Bild”-Zeitung sei “relativ wenig zutreffend”.

Dabei schien “Bild” doch so genau Bescheid zu wissen. Oder zumindest irgendwelche “Informationen” aufgespürt zu haben, inklusive der “Details tief im Schambereich”:

Nach BILD-Informationen sollen die Polizisten Heroin, Kokain, Amphetamin, Hasch und Geld geklaut haben! Unglaublich: Die Polizistin soll Heroin selbst konsumiert haben, es sich in die Schamlippen gespritzt haben – um Einstichspuren an den Armvenen zu vermeiden.

Bei der Pressekonferenz stellen Oberstaatsanwalt und Polizeipräsident klar:

Drogen sind außer den 116 Gramm Amphetamin auch nicht verschwunden. Kein Heroin, kein Kokain, wie “Bild” behauptet hat.

Und das Spiel geht so weiter. “Bild” behauptete:

Die drei Beamten wurden nach Polizeiangaben an einen anderen Arbeitsplatz versetzt. Die Polizistin wurde in die Psychiatrie der Rheinhessen-Klinik eingewiesen.

Oberstaatsanwalt und Polizeipräsident sagen laut “Rhein-Zeitung”:

Zwar werde ermittelt, aber gegen unbekannt.

Vier Beamte seien im Fokus, aber eben nur deshalb, weil gerade sie Zugang zu der Asservatenkammer des Präsidiums haben. Suspendiert ist keiner, er habe die drei hauptamtlichen Mitarbeiter der Asservatenkammer “aus Fürsorgegründen” in andere “Verwendungen” innerhalb der Kriminaldirektion geschickt. (…)

Es wurde auch keine Beamtin in die Nervenklinik “eingewiesen”. Vielmehr habe die stationäre Behandlung der Frau schon begonnen, bevor Geld und Drogen überhaupt vermisst wurden.

“Bild”:

Alle 3 erwartet ein Strafverfahren, der Ausschluss aus dem Polizeidienst sowie der Verlust der Beamtenpension.

Dabei ist nach derzeitigem Stand noch nicht einmal sicher, ob überhaupt Drogen verschwunden sind. Der Oberstaatsanwalt gegenüber “Spiegel Online”:

Zum verschwundenen Amphetamin sagte Mieth, er gehe nicht zwingend von einem Diebstahl aus. “Es ist aus meiner Sicht nicht ausgeschlossen, dass das Material tatsächlich zu uns gelangt ist.” Im täglichen Dienst geschehe es immer wieder, dass Asservate bei ihrem Weg in andere Behörden falsch zugeordnet würden.

Egal, zu welchem Ergebnis die Ermittlungen führen, einen Skandal gibt es tatsächlich schon jetzt: die reißerische und vorverurteilende Berichterstattung von “Bild”.

Mit Dank an die vielen Hinweisgeber!

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Knapp bekleidet ist auch vorbei

Wenn “Bild” so überhaupt keine Argumente hat, fragt die Zeitung gerne mal, ob es denn sonst keine Probleme gäbe.

Barbara Steffens, die Ministerin für Gesundheit, Emanzipation, Pflege und Alter in NRW, bekam diese Frage gestern gleich mehrfach um die Ohren gehauen:

Verlierer: 
Hat die keine anderen Sorgen? NRW-Emanzipationsministerin Barbara Steffens (49, Grüne) kämpft gegen internationale Turnier-Vorschriften, die z.B. für Badminton-Spielerinnen Röcke und für Beachvolleyballerinnen Bikinis vorschreiben. Das sei "jämmerlich", "inakzeptabel" und "sexistisch". BILD meint: Balla-balla! Keine anderen Probleme...? Ministerin schießt gegen kurze Sport-Röcke. Düsseldorf - Haben Sie keine anderen Sorgen, Frau Ministerin?

Die Ministerin hatte eine neue Regelung der Badminton World Federation kritisiert, die vorsieht, dass Frauen ab dem Grand-Prix-Level nur noch Röcke und Kleider tragen dürfen. In ihrer Pressemitteilung schrieb Steffens:

Ob in Shorts oder in Röcken, die Leistung muss stimmen, nicht die Kürze des Rockes! Von oben herab etwas zu dirigieren und die Sportlerinnen für eigene Zwecke zu instrumentalisieren darf einfach nicht sein! Umso erfreulicher ist es, dass der Deutsche Badminton-Verband diese Regeln bisher nicht aufgegriffen hat, hier können Frauen noch in dem Dress spielen, in dem sie möchten.

Steffens ist also gegen die Vorschrift, dass die Sportlerinnen knappe Kleidung tragen müssen, nicht gegen die Kleidung an sich. Aber schon der Gedanke, dass die Spielerinnen keine “sexy Badminton-Röcke” mehr tragen könnten, muss “Bild” schwer getroffen haben — denn wenn sich die männlichen Redakteure eines nicht nehmen lassen wollen, dann ja wohl Sexismus beim Sport.

Nahezu folgerichtig, dass “Bild” die Ministerin deshalb als Spielverderberin der männlichen Zuschauer an den Pranger stellt:

Kurze Röcken und knappe Bikinis auf sportlich trainierten Körpern – was vor allem die männlichen Zuschauer von Sportarten wie Beach-Volleyball erfreut, bringt NRW-Emanzipationsministerin Barbara Steffens (49, Grüne) aus der Fassung.

Interessanterweise ist es ausgerechnet der “erfreuende” Dresscode im Beach-Volleyball, den Barbara Steffens als “Extrembeispiel” bezeichnet hatte:

Die offizielle Kleidervorschrift für Frauen beim Beachvolleyball ist, dass die Bikini-Höschen an der Seite nur sieben cm breit sein dürfen. Ich bezweifele, dass diese Regelung nur aus sportlichem Gedanken im Sinne der Bewegungsfreiheit getroffen wurde.

“Bild” hat derweil schon ganz andere Gedanken:

Als Regierungsmitglied könne Steffens übrigens jederzeit ein Gesetz zur “Kleiderordnung in Frauensportarten” auf den Weg bringen – oder am besten gleich für alle Frauen eine solche Ordnung entwerfen.

Natürlich könnte Steffens ein solches Gesetz “auf den Weg bringen”: Dafür müsste sie einen Referentenentwurf über eine Kleiderordnung im Frauensport entwickeln lassen, diesen ins Kabinett einbringen und beispielsweise einen Fachausschuss darüber beraten lassen — ihr stünde also ein langer Weg bis ins Plenum bevor. Wie ein Gesetzentwurf zu einer Kleiderordnung aussähe, den die “Bild”-Redakteure entwickelt haben, dürfte klar sein.

Mit Dank an I.M.

Tür an Tür in Donnice

Die Website der “Hamburger Morgenpost” schreibt über Howard Carpendale:

Auch der Schlager-Star, der in Donnice Pierce in Florida lebt, liebt seinen Sohn: "Wayne ist mein bester Freund. Er hat mir einmal das Leben gerettet, als es mir psychisch sehr schlecht ging."

In Donnice Pierce, aha.

Mit Dank an Thomas.

Nachtrag, 12.40 Uhr: mopo.de schreibt jetzt vom “Schlager-Star, der mit seiner Frau Donnice Pierce in Florida lebt”.

Statistiken, Streubomben, Ghostwriter

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Yang ohne Yin”
(heise.de/tp, Reinhard Jellen)
Buchautor Jens Jürgen Korff gibt Tipps, wie man manipulierte Statistiken erkennen kann: “Schauen Sie zum Beispiel bei einer Grafik, wo die y-Achse beginnt. Wenn Sie eine Trendlinie sehen, schauen Sie nach, auf wie vielen Werten sie beruht. Liegen die Daten zur Grafik auch als Tabelle vor? Wenn nein, warum nicht?”

2. “Mensch statt Maschine”
(timklimes.de, Video, 2:44 Minuten)
Wie Redakteure von tagesschau.de zur Recherche auf Twitter gekommen sind. Und wie sie selbst twittern.

3. “BILD hetzt wieder gegen Hartzer”
(blog.atari-frosch.de)
Eine kritische Auseinandersetzung mit der Berichterstattung von “Bild” zu Sanktionen gegen Hartz-IV-Empfänger: “Ich möchte mal BILD-Mitarbeiter sehen, die zum 50. Mal einen Einführungskurs in Word oder ein Bewerbertraining mitmachen sollen, ob sie nicht irgendwann mal durchdrehen und sagen, ihr könnt mich mal.”

4. “Letzte Fragen zu Medienkompetenz und Facebook”
(carta.info, Robin Meyer-Lucht)
An einer Diskussionsveranstaltung wird Dietrich von Klaeden vom Axel-Springer-Verlag mit dem Vorwurf konfrontiert, dass namentlich “Bild” Facebook-Fotos ohne Rechtsgrundlage verwendet. Er widerspricht und sichert Unterstützung zu: “Wer einen Rechtsverstoß geltend machen möchte, kann das gerne nachher bei mir tun. Ich leite das dann gerne alles weiter. Ich meine das ganz im Ernst. Ich werde dann dafür sorgen, dass das in Ordnung kommt.”

5. “Gadhafi’s Cluster Bombs–and Uncle Sam’s”
(fair.org, Jim Naureckas, englisch)
Wie die “New York Times” über den Einsatz von Streubomben durch die Truppen von Muammar al-Gaddafi berichtet. Und dann auch noch erwähnt, dass die USA ebenfalls solche eingesetzt hat – “in battlefield situations in Afghanistan and Iraq, and in a strike on suspected militants in Yemen in 2009”.

6. “Der Ghostwriter”
(tagesanzeiger.ch, Raffael Schuppisser)
Achim H. Pollert hat noch nie eine Universität von innen gesehen. Trotzdem schreibt er für seine Auftraggeber Seminararbeiten, Lizenziatsarbeiten, Doktorarbeiten: “Pollerts erste akademische Auftragsarbeit war gleich eine Dissertation. (…) Erstaunt hat Pollert vor allem, wie wenig fachliche Kenntnisse eigentlich nötig seien, um eine Doktorarbeit zu schreiben, aber mit wie viel formalem Aufwand das verbunden war.”

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Die Speerspitze der Pressefreiheit

Es geht – wie bei “Bild” üblich – nicht um die kleinen Themen: Gleich die komplette Pressefreiheit war in Gefahr, als der damalige brandenburgische Innenminister Rainer Speer gerichtlich dagegen vorging, dass sich “Bild” bei seinen privaten E-Mails bediente.

Im September 2010 hatte “Bild” erstmals über eine mutmaßliche Unterhaltsaffäre des damaligen brandenburgischen Innenministers Rainer Speer berichtet und dabei aus Quellen zitiert, die der Anwalt der Axel Springer AG selbst als “trübe” bezeichnet hatte. Speer war gerichtlich gegen die publizistische Nutzung der angeblichen privaten E-Mails vorgegangen und hatte zunächst Recht bekommen (BILDblog berichtete).

Dass Speer gleichzeitig versucht hatte, eine Berichterstattung zu dem Thema generell verbieten zu lassen, weil sie ausschließlich sein Privatleben betreffe, darf ruhigen Gewissens als taktisch unklug bezeichnet werden, denn es ging immerhin um den Vorwurf des Sozialbetrugs: Speer soll, so “Bild”, eine frühere Mitarbeiterin, mit der er ein uneheliches Kind hatte, dazu angehalten haben, ihn als Vater zu verleugnen, damit das Jugendamt den Unterhalt zahle. Diese Vorwürfe (und ein paar andere) führten letztlich binnen kürzester Zeit zu Speers Rücktritt. Wochen später räumte Speer ein, dass es sich tatsächlich um sein Kind handle, er davon aber bisher nichts gewusst habe. Speer zahlte die Unterhaltsvorschüsse zurück, die Ermittlungen gegen ihn wegen einer falschen Erklärung an Eides statt wurden im November eingestellt, die “Süddeutsche Zeitung” schrieb: “Von dem vermuteten Sozialbetrug ist nichts geblieben”.

Speer hatte “Bild” mit seinem unbeholfenen Vorgehen aber auch eine Steilvorlage geliefert: In den wenigen Tagen zwischen der ersten Niederlage vor Gericht und Speers Rücktritt brannte die Zeitung ein buntes Feuerwerk ab. In durchaus überraschendem Ausmaß trommelte die Zeitung für die vorgebliche Pressefreiheit:

Diese Geschichte darf BILD nicht schreiben: Ein Minister und der Vorgang um den Verdacht einer Straftat, die uns Steuerzahler ganz viel Geld kostet

Andere Medien und der Deutsche Journalistenverband schlossen sich dieser Kritik an und so geriet schnell in Vergessenheit, wie “Bild” überhaupt auf das Thema gekommen war.

Im September 2010 war beim Jugendamt und der Staatsanwaltschaft Potsdam ein anonymer Brief eingegangen, der auf einer beiliegenden CD-Rom und in Ausdrucken private E-Mails zwischen Speer und seiner früheren Geliebten dokumentierte. Diese E-Mails stammten wahrscheinlich von Speers Laptop, der ihm etwa ein Jahr zuvor gestohlen worden war, und müssen einen eher dubiosen Weg genommen haben. Sie sollen auch verschiedenen Journalisten angeboten worden sein — und schließlich hatte “Bild” über den Fall berichtet.

Am Montag nun entschied das Berliner Kammergericht, dass “Bild” nicht in direkter oder indirekter Rede aus den privaten E-Mails zitieren dürfe, da aus ihnen “ein besonderes persönliches Vertrauensverhältnis” erkennbar sei und sie “überwiegend wahrscheinlich” durch “Straftaten Dritter” beschafft worden seien. Die Berichterstattung über die Affäre selbst sei aber rechtmäßig gewesen, da ein “hohes Informationsinteresse” bestanden habe.

Verschiedene Medien bewerten die Entscheidung als “Erfolg” oder “Teilerfolg” Speers.

“Bild” sieht das erwartungsgemäß anders:

BILD darf weiter über Skandal-Minister berichten. Berlin – Es ist ein Teil-Sieg für die Pressefreiheit. Und eine Niederlage für den Minister, der die Presse mundtot machen wollte.

Auch in einer Pressemitteilung feiert die Axel Springer AG ihren “Teilerfolg”. Gleichzeitig erklärt Sprecher Tobias Fröhlich:

Dass die Einstweiligen Verfügungen in Bezug auf das direkte oder indirekte Zitieren dennoch bestätigt wurden, halten wir für falsch. Um Klarheit für die Nutzung von Quellen in der journalistischen Arbeit zu bekommen, werden wir diesen Fall im Hauptsacheverfahren und, wenn nötig, bis zur höchstrichterlichen Entscheidung weiter führen.

Speer wiederum verklagt die Axel Springer AG gerade auf Schadenersatz in Höhe von angeblich 150.000 Euro.

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