Archiv für März 21st, 2011

Lady Gaga singt in Seifenoper

Klatschjournalismus ist eigentlich ganz leicht: Man surft einfach die einschlägigen englischsprachigen Blogs und Webseiten ab, übersetzt die Meldungen ins Deutsche und hat – zack! – seine eigene Geschichte.

Dabei ist es allerdings hilfreich, nicht nur die Sprache zu kennen, sondern sich auch ein bisschen in den Ländern auszukennen, über die man schreibt:

Elfenbeinseife, Fussmassage: Lady Gaga verrät ihre Beauty-Geheimnisse ...und gesteht: Ich gehe oft geschminkt ins Bett

Elfenbeinseife? Elfenbeinseife:

Lady Gaga verriet nun in einem Interview, dass sie sich mit Elfenbeinseife wasche und Fußmassagen liebe. Allerdings gehe sie sehr oft geschminkt ins Bett.

Oder auch nicht: Zwar schreibt das von Bild.de zitierte und korrekt verlinkte Magazin “People” von “Ivory Soap”, aber das ist der Produktname einer antibakteriellen amerikanischen Seife, die so leicht ist, das sie auf Wasser schwimmt.

Ein deutscher Online-Journalist muss das nicht unbedingt wissen, aber Googeln ist da vielleicht doch naheliegender als Seife aus den Stoßzähnen von Elefanten.

Mit Dank an Katharina.

Das Photoshop-Disasters-Desaster

Schon seit Februar 2009 erscheinen auf Bild.de regelmäßig Artikel über “Photoshop-Pannen”, die das englischsprachige Blog “Photoshop Disasters” aufgedeckt hat. Natürlich ist die Eigenleistung von Bild.de denkbar gering, aber wenigstens war die Quelle in den Artikeln bis September 2010 stets verlinkt und in der dazugehörigen Bildergalerie, die bis dahin von 17 Fotos auf 69 angewachsen ist, stand artig:

Foto: photoshopdisasters.com

Das mit der ordentlichen Kennzeichnung änderte sich ab dem 3. November 2010. Vielleicht haben sie sich bei Bild.de daran erinnert, dass Onlineauftritte klassischer Medien eher ungern auf externe Webseiten verlinken, vielleicht hält es die “Bild”-Familie generell für ein Kavaliersdelikt, anderswo abzuschreiben und Quellen zu verschweigen, wenn es nur von den Richtigen praktiziert wird. Eines steht aber fest: Die Bilder, die seitdem in gewohnter Manier vorne an die Galerie rangeklatscht werden, stammen nach wie vor von der Seite “Photoshop Disasters”. Das lässt sich leicht am Wasserzeichen erkennen, hier etwa links unten im Pannenfoto:

Photoshop-Pannen So kann Bildbearbeitung daneben gehen Was ist denn da passiert? Der Talkshow-Moderator Conan O

Weder im dazugehörigen Artikel noch in der Fotolegende wird auf die Quelle der Bilder hingewiesen. Stattdessen steht dort nun ominöserweise “Foto: Computer BILD”. Vielleicht soll das bedeuten, dass sie ein “Computer Bild”-Fotograf direkt vom Monitor abfotografiert hat. Erst ab Bild 17 von 83 wird die Quelle wieder korrekt mit “Foto: photoshopdisasters.com” angegeben.

In den beiden jüngsten Artikeln über “peinliche Photoshop-Pannen” nutzt Bild.de dann eine geschicktere Methode, um den Finder zu verschleiern: Nachdem “Photoshop Disasters” drei neue Pannen auf der Homepage von “Victoria’s Secret” entdeckt hatte, hat sich Bild.de einfach direkt auf www.victoriassecret.com bedient und auch nur dies als Quelle angegeben.

Mit Dank auch an Dominik B.

Nachtrag, 14:04: Frank H. hat uns darauf aufmerksam gemacht, dass man auch bei mopo.de kein Problem damit hat, Bilder von “Photoshop Disasters” in Galerien zu packen, ohne die Quelle zu nennen.

German Angst, Grotte, E-Mails

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Zahlen-Zynismus”
(dradio.de, Burkhard Müller-Ullrich)
Burkhard Müller-Ullrich glaubt, beim Thema Atomkraft herrsche in Deutschland Rationalitätsverbot. “Seit einer Woche geht Möglichkeit vor Wirklichkeit. Statt Berichten gibt es Befürchtungen. Statt Kennzahlen Kann-Zahlen.”

2. “German Atom-Angst”
(spiegel.de, Cécile Calla)
Cécile Calla wundert sich über die deutsche Diskussion zu den Risiken der Atomkraft: “So hitzig die Diskussion aber auch war, bislang zählte dabei meist das Argument – doch zur Zeit regiert die Panik.” Arno Widmann dagegen verteidigt die “German Angst” – selten sei sie nützlicher gewesen als heute: “Fürchtet euch!” (berlinonline.de).

3. “Verbreiten Japans Medien verbales Opium?”
(diepresse.com, Peter Horvat)
Roland Domenig vom Institut für Ostasienwissenschaften/Japanologie in Wien schätzt die Berichterstattung der überregionalen japanischen Zeitungen als “seriös, nüchtern, rasch, aber unaufgeregt” ein. “Man stellt keine Spekulationen an, sondern die Qualitätsmedien in Japan veröffentlichen nur wirklich fundierte Fakten, aber detailliert und in einer neutralen Sprache, die weder übertreibt noch verharmlost.”

4. “Die gesteuerte Nachricht”
(sueddeutsche.de, Cornelius Pollmer)
Cornelius Pollmer stellt den Krisenredaktionsraum des ZDF, die “Grotte”, vor: “Ein halbes Dutzend Mal wurde das Krisenzentrum seitdem gebraucht: Erdbeben in Haiti und Pakistan, Proteste in Iran, Tsunami, Libyen, Japan.”

5. “Anmerkungen zur ‘Berliner Erklärung'”
(neunetz.com, Marcel Weiß)
Marcel Weiß kommentiert die 5 Punkte der “Berliner Erklärung” einiger europäischer Presseverleger.

6. “Die Kunst der Mailminimierung – Hermetisches Schreiben”
(webciety.de, Sascha Lobo)
Sascha Lobo hat die Zahl neu eintreffender E-Mails von 800 auf 40 am Tag reduziert. “Hermetisches Schreiben bedeutet, eine Mail so zu verfassen, dass die Chance auf eine Rückmail aktiv auf ein absolutes Minimum reduziert wird. Denn die langwierigen Mail-Dialoge sind es, die die Zeit fressen – und nicht die Mailinglistenmails, die man überfliegt oder gar nicht erst beachtet.”