Archiv für Januar, 2011

Schönes bleibt

Viele Menschen bemängeln, dass wir in einer Welt leben, in der sich viel zu viel viel zu schnell ändert. Die jugendliche Rockkappelle Silbermond forderte in ihrem Hit “Irgendwas bleibt” gar “ein kleines bisschen Sicherheit” in dieser “schnellen Zeit”.

Wie schön ist es da, wenn man lesen darf, dass sich manche Dinge offenbar nie ändern. Die amourösen Verstrickungen von Biathleten etwa.

Am 21. Januar 2001 schrieb Raimund Witkop in der “Welt am Sonntag”:

Manchmal liegt das Glück nur eine Skistocklänge entfernt. Zum Beispiel im Training am Schießstand, wenn zwei mit pochendem Herzen daliegen und vielleicht noch anderes ins Visier nehmen als die runden Scheiben vor sich. Oder im Hotel, das in den kuschelig-entlegenen Tälern des Biathlon-Sports meist eines für alle ist – alle Nationen, und beide Geschlechter.

Fast zehn Jahre später, am 9. Januar 2011 wusste sein Kollege Robert Dunker im gleichen Blatt und der “Berliner Morgenpost am Sonntag” zu berichten:

Manchmal liegt das Glück nur eine Skistocklänge entfernt. Zum Beispiel beim Training am Schießstand, wenn zwei mit pochendem Herzen daliegen und vielleicht noch anderes ins Visier nehmen als die runden Scheiben vor sich. Oder im Hotel, das in den verträumt-entlegenen Tälern des Biathlon-Sports wie in Antholz oder Hochfilzen meist eines für alle ist. Oder in der weniger romantischen, aber geselligen Kaserne von Oberhof, wo während des Weltcups an diesem Wochenende fast alle deutschen Skijäger und Skijägerinnen ihre Schlafstätte beziehen, im selben Trakt, versteht sich.

Gut, das mag jetzt Zufall sein mit den ersten beiden Sätzen. Und es scheint unbestreitbares Fakt zu sein, dass es im Biathlon besonders viele Pärchen gibt.

Zumindest legen das die Zitate zweier verschiedener Sportlerinnen nahe:

2001:

“Es gibt so viele Möglichkeiten, sich näher zu kommen”, sagt Liv Grete Skjelbreid-Poiree, 27. Sie muss es – wie ihr langer Name dem Kenner verrät – wissen.

2011:

“Es gibt beim Biathlon so viele Möglichkeiten, sich näher zu kommen”, sagt Nathalie Santer-Björndalen, 38. Ihr langer Name verrät, dass sie es wissen muss. Die ehemalige Weltklassebiathletin und erfolgreiche Gastronomin aus dem Südtiroler Dorf Toblach ist seit 2006 mit Biathlon-Ikone Ole-Einar Björndalen verheiratet.

Auch andere Zitatgeberinnen scheinen das Klischee zu bestätigen, dass Sportler eh immer das Gleiche sagen:

2001:

“Raphael ist zwar kein Psychologe”, sagt Frau Skjelbreid-Poiree, “aber in Sachen Motivation hat er mir in dieser Zeit sehr geholfen.”

2011:

“Michi ist kein Psychologe”, sagt Hitzer über den Ex, den sie als Juniorin anhimmelte, “aber während meiner Verletzungen hat er mir sehr geholfen.”

Die folgende Passage stand 2001 ziemlich zu Anfang des Artikels:

Wie es so zugeht bei den polyglott turtelnden Skijägern, darüber reden Eingeweihte ohne Details, aber mit Genuss. “Hier laufen viele hübsche Mädchen ‘rum”, sagt Herbert Fritzenwenger, Leiter des Stützpunkts im idyllischen Ruhpolding, “und die Kerle sind auch nicht zu verachten.”

2011 kommt sie, milde überarbeitet, erst in der zweiten Hälfte:

Wie es so zugeht bei den turtelnden Skijägern, darüber reden Eingeweihte ohne Details, aber mit Genuss. “Hier laufen viele hübsche Mädchen rum”, weiß Kommentator und Ex-Biathlet Herbert Fritzenwenger, “und die Kerle sind auch nicht zu verachten”.

Und auch wenn Doppelnamen im Biathlon offenbar ähnlich verbreitet sind wie in der FDP, kann man ja noch mal auf Liv Grete Skjelbreid-Poiree zu sprechen kommen, die Urmutter der Bindestrich-Athletinnen:

2001:

Allerdings: Vieles, was dort als Techtelmechtel beginnt, führt in den Hafen der Ehe. “Wir waren schon drei Jahre gute Freunde” erzählt Liv Grete Skjelbreid, die ihren vierten Namens-Teil im vergangenen Sommer bei der Biathlon-Traumhochzeit mit Raphael Poiree in Oslo erwarb.

2011:

Gemeinsam gemeisterte Krisen festigen manche Beziehungen, und dann führt gelegentlich das, was als Techtelmechtel begonnen hat, in den Hafen der Ehe und zu Familienzuwachs. (…) Ex-Star Liv Grete Skjelbreid, 36, erwarb ihren vierten Namens-Teil vor zehn Jahren bei der Biathlon-Traumhochzeit mit dem gleichaltrigen Raphael Poiree in Oslo. “Wir waren vorher drei Jahre gute Freunde”, erzählt sie. Das Ehepaar Poiree hat inzwischen drei Töchter.

Mit Dank an Markus L. (nicht Lotter)

Interner EU-Unfall

Eine ernste Meldung in eigener Sache: Soeben mussten wir unseren Chefredakteur in ärztliche Behandlung bringen lassen.

Zuerst hörten wir aus seinem Büro nur ein langgezogenes “Neeeeeiiiiin!”, dann vernahmen wir einen dumpfen Schlag und ein “wahnsinnig” zu nennendes Lachen, das langsam erstarb. Als wir sein Büro betraten, fanden wir ihn mit blutiger Stirn auf dem Fußboden vor, die Hände verkrampft. Seine Schreibtischplatte war in zwei Teile zerbrochen.

Auf seinem Computerbildschirm war noch dieser Artikel von sueddeutsche.de geöffnet:

EU-Grundsatzurteil zur Asylpolitik: Rüge für Griechenland und Belgien. Das EU-Menschenrechtsgericht hat gesprochen: Zwei Mitgliedsstaaten verstoßen mit ihrer Asylpolitik gegen das Verbot unmenschlicher Behandlung. Die Zustände in den griechischen Flüchtlingslagern sind so schlimm, dass Deutschland niemanden mehr dorthin zurückschickt. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat in einem Grundsatzurteil die Asylpolitik der EU scharf kritisiert.

Wir vermuten, dass Herrn Heinsers außergewöhnliche Reaktion etwas mit der wiederholten Verwechslung des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) mit einem “EU-Gericht” zu tun hat, und wünschen ihm auf diesem Wege eine baldige Genesung!

Mit Dank an David H.

Nachtrag, 18.15 Uhr: sueddeutsche.de hat reagiert und aus dem “EU-Grundsatzurteil” in der Dachzeile ein “Grundsatzurteil” gemacht.

Der erste Satz des Artikels lautet indes immer noch:

Das EU-Menschenrechtsgericht hat gesprochen

2. Nachtrag, 18.36 Uhr: Jetzt ist auch der erste Satz des Artikels korrigiert:

Der europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat gesprochen

Der Tod und die Titten

Carolin W. ist gestorben. Big-Brother-Fans und “Bild”-Leser kannten die 23-jährige Amateur-Pornodarstellerin wohl eher unter ihrem Künstlernamen “Sexy Cora”. Es ist nicht wichtig, ob sie letztendlich nach der fünften (“Mopo”) oder sechsten (“Bild”) Brust-OP gestorben ist, aber ein Blick auf den Umgang der Boulevardmedien mit operierten Frauen könnte sich lohnen:

2009 berichtete Bild.de erstmals über die wahlweise als “Porno Cora”, “Sexy Cora” oder einfach nur “Cora (Oberweite 70F, Maße 96-59-89)” betitelte Hamburgerin, weil sie an einem Tag gleich drei Mal in eine Polizeikontrolle geraten war.

Das nächste Mal rückte Cora in den Mittelpunkt, als sie im Januar 2010 in den “Big Brother”-Container zog. Die Sabberproduktion in der Redaktion, die jede Nacktduschszene bis ins kleinste Detail journalistisch begleitete, dürfte auf einem Allzeithoch gestanden haben. Es folgen einige Auszüge aus der Berichterstattung bei Bild.de:

14.1.2010:

Erotikdarstellerin sexy Cora (22) wird zum menschlichen Busenhalter! (…) Auf ihre Kurven scheint sie mächtig stolz (…)

28.1.2010:

Passt, wackelt und hat wenig Luft: Sexy Cora freut sich über ihre Busenbommel

29.1.2010:

Sexy Cora (22) duscht gleich mit drei Männern und strippt danach (…) als hätte noch niemand ihre Körbchengröße 75F ohne BH gesehen!

9.3.2010:

Sexy Cora (20) hat am Dienstag um 17.02 Uhr das “Big Brother”-Haus verlassen. NACKT-DUSCHEN, KURVEN GUCKEN, KUSCHELN – AUS UND VORBEI!

Die Frage, für wen sich Frauen wie “Sexy Cora” eigentlich immer wieder unters Messer legen, scheint Bild.de nicht ernsthaft zu beschäftigen. Dabei ist es nicht auszuschließen, dass die positiven und sicher auch karrierefördernden Reaktionen der Boulevardmedien eine Rolle gespielt haben, als Cora sich zu einem weiteren Eingriff entschloss — übrigens obwohl ihr der Leiter der Klinik, in der die vorherigen Eingriffe durchgeführt wurden, im Vorfeld davon abgeraten hatte (“es war anatomisch einfach das Maximum erreicht”). Wie wenig sich etwa “Bild” und Bild.de um Ursache und Wirkung scheren, zeigt sich dann auch darin, dass die Berichte vom Koma über die Feststellung von Hirnschäden bis hin zum Tod konsequent weiter mit Tittenbildern und anderem Unfug garniert sind — als gäbe es nichts Geileres, als sich auf eine Komabraut mit Hirnschäden einen von der Palme zu wedeln:

13.1.2011:

‘Sexy

Bonusmaterial: Videos Sexy Cora auf Malle – BB-Blondine zieht am Ballermann blank, Nie mehr Big Brother! – Sexy Cora freut sich über ihre Freiheit (Nacktfußball), Ratgeber Bauch, Busen, Nase -Welche Beauty-OPs zahlt die Kasse?, Bild erklärt – Alles über die Brustvergrößerung, Das wussten Sie nicht! – 33 Pralle Fakten über Brüste

13.1.2011:

Jetzt spricht der Busen-Arzt von sexy Cora!

Bonusmaterial: Wie bei vorherigem Artikel + 14-teilige Titten-Klickstrecke “Big Brother machte sie bekannt – Sexy Cora in Bildern”

14.1.2011:

Staatsanwalt ermittelt gegen Busen-Arzt von sexy Cora

Bonusmaterial: Wie bei vorherigem Artikel, statt 14-teiliger Titten-Klickstrecke 16-teilige Titten-Klickstrecke “Big Brother machte sie bekannt – Sexy Cora in Bildern”

16.1.2011:

Wird sexy Cora heute aus dem Koma geholt?

Bonusmaterial: 66-teilige Titten-Klickstrecke “Big Brother machte sie bekannt – Sexy Cora in Bildern”

18.1.2011:

Coras Hirn nach Busen-OP für immer geschädigt

Bonusmaterial: 66-teilige Titten-Klickstrecke “Big Brother machte sie bekannt – Sexy Cora in Bildern”, Ratgeber Bauch, Busen, Nase -Welche Beauty-OPs zahlt die Kasse?, Bild erklärt – Alles über die Brustvergrößerung, Das wussten Sie nicht! – 33 Pralle Fakten über Brüste

20.1.2011:

"Big Brother"-Star Cora tot: Kurz vor der OP flüsterte sie ihrem Mann ins Ohr: "Ich will ein Kind von dir"

Bonusmaterial: Trauervideo, in dem “Sexy Cora” unter anderem nackt beim Fußballspielen gezeigt wird, 4-teilige Titten-Klickstrecke “”Big Brother”-Star Cora in Bildern”, Ratgeber Bauch, Busen, Nase -Welche Beauty-OPs zahlt die Kasse?, Bild erklärt – Alles über die Brustvergrößerung, Das wussten Sie nicht! – 33 Pralle Fakten über Brüste. Dazu besteht natürlich jederzeit die Möglichkeit, den Hinterbliebenen in den Kommentaren sein Beileid auszudrücken.

Um in “Bild” mit Würde zu sterben, muss man wohl der Hund von Kolumnist Norbert Körzdörfer sein:

Bild-Hund Ruby liegt im Sterben

PS: Coras Alter schwankt bei “Bild” schon immer um zwei Jahre hin und her. Glaubt man ihrem Wikipedia-Eintrag, so war “Sexy Cora” zum Zeitpunkt ihres Todes 23 Jahre alt.

Mit Dank an die zahlreichen Hinweisgeber!

Bild  

Mord ohne Verwandtschaft

Nichts weniger als die “Wahrheit” über ein Tötungsdelikt in Schwalmtal verspricht “Bild” Düsseldorf:

Die Wahrheit über das Drama in Schwalmtal Enkel ermordete seine Oma wegen 65 Euro!

Tatsächlich wurde gegen zwei Festgenommene ein Haftbefehl wegen gemeinschaftlichen Mordes ausgesprochen. Doch keiner von ihnen war mit dem Opfer verwandt. Die Nachrichtenagentur dpa schreibt:

Einer von ihnen war mit der Seniorin bekannt: Sein Opa lebte bis zu seinem Tod vor vier Jahren mit ihr zusammen.

“Bild” weiß das eigentlich auch und erwähnt es darum auch zweimal im Artikel.

Mit Dank an Christina H.

Die mit edlen Uhren wedeln

19 verschiedene Uhrenmarken sind in diesen Tagen am Salon International de la Haute Horlogerie (SIHH), der internationalen Uhrenmesse in Genf, vertreten.

Im Artikel auf Bild.de werden aber nur zwei erwähnt:

Blanchett (41) überraschte auf dem roten Teppich der Edel-Uhrenmarke "IWC", die ihre neue "Portofino"-Kollektion feierte, mit neuer Kurzhaarfrisur.

Gwyneth Paltrow schmückte die glanzvolle Garten-Party, zu der die Edeluhrenmarke "Baume Mercier" geladen hatte.

Schauspieler Jean Reno mit seiner Frau Zofia, Schauspieler Sebastian Koch, Box-Champ Vitali Klitschko, Weltfußballer Luis Figo mit Frau Helen, Oliver Bierhoff mit Frau Klara, Sänger Ronan Keating (trat auf), der als Schmuckstück neben einer IWC-Uhr auch einen Ohrring in Form eines Peace-Zeichens trug.

Baume & Mercier und IWC gehören beide zur Schweizer Richemont-Gruppe, einem Luxusgüterkonzern.

Die Marke IWC, die beinahe traditionell im redaktionellen Teil von “Bild” auftaucht, bildet denn auch den Hintergrund der meisten der 15 Bilder in der Bildergalerie:

Bei der Edel-Uhrenmarke "IWC" stapelten sich die Promis auf dem roten Teppich: Boris Becker und Frau Lilly ...

... die Beckers mit "IWC"-CEO Georges Kern ...

Boris Becker ist ein Stammgast bei dem Event, was nicht verwundert, denn er ist, wie viele andere, Botschafter von IWC. Bild.de bezeichnete ihn 2006 als “Botschafter”, 2008 als “der sogenannte IWC-Botschafter” — 2011 erschien diese Verbindung dann offenbar gar nicht mehr als erwähnenswert.

Und in der gedruckten “Bild” war dann für andere Marken kein Platz mehr:

IWC-Party in Genf: Uhr-là, là! Sooo viele Stars auf einmal!

Mit Dank an Lothar Z., Thomas D., Giovanni, Dennis H. und Christian S.

Der untote Fußball

Empört berichtete der Düsseldorfer “Express” am Mittwoch über die Verurteilung des Jugendfußballers Enver Yilmaz zu 2.000 Euro Schmerzensgeld wegen eines Foulspiels.

2.000 € Schmerzensgeld: Urteil erschüttert die Fußballwelt

Als Enver Yilmaz noch für die Spvg Odenkirchen spielte, hatte er bei einem Pokalspiel gegen den 1. FC Mönchengladbach seinen Gegenspieler gefoult. Ein zweifacher Beinbruch war die Folge und eine Strafanzeige zwei Wochen später. Das Strafverfahren wurde vom Richter eingestellt, eine später eingereichte Zivilklage endete nun aber mit einem Schmerzensgeld von 2.000 Euro.

Der “Express”-Reporter ließ keinen Zweifel daran, was er vom Urteil hält: Er fragt “Kann man jetzt nur noch in anwaltlicher Begleitung kicken?”, nennt die Entscheidung der Richterin “unglaublich” und zitiert den Geschäftsführer des Fußballkreises Düsseldorf, der das Urteil für den “Tod des Fußballs” hält.

Denn dieses Urteil ist einmalig.

schreibt der “Express” und legt so nahe, dass es so etwas in der Geschichte des Fußballs noch nicht gegeben habe. Doch in der Vergangenheit gab es schon häufiger Schmerzensgeldforderungen verletzter Spieler vor Gericht, so mancher Klage wurde stattgegeben.

So hat das Landgericht Münster im Jahr 2002 einen Fußballer zu einer Schmerzensgeldzahlung in Höhe von 4.500 Euro und Schadensersatz verurteilt und allein im Fußballkreis Bochum gibt es mehre Fälle von erfolgreichen Schmerzensgeld- und Schadensersatzklagen, wie “Reviersport” schon vor drei Jahren berichtete.

Auch international gab es schon vergleichbare Fälle: In Großbritannien wurde beispielsweise der australische Nationalspieler Kevin Muscat zu einem horrenden Schmerzensgeld verurteilt, nachdem er 1998 dem englischen Fußball-Profi Matty Holmes ein Bein gebrochen hatte.

Besonders spektakulär war allerdings der Fall Rachid Bouaouzan von Sparta Rotterdam, der zu einem Schmerzensgeld von 100.000 Euro und 6 Monaten Haft verurteilt wurde, weil er einen Gegenspieler gefoult hatte. Daran konnte auch ein Einspruch vor dem Obersten Gerichtshof nichts ändern.

Andere Medien fanden die “Express”-Story so spannend, dass sie sich davon inspirieren ließen. sport.t-online.de und fussball.de erklärten unisono:

Der Fall, der jetzt vor das Oberlandesgericht Frymuth geht, dürfte den DFB in Alarmbereitschaft setzen.

Dabei haben sie offenbar einen Punkt übersehen. Der “Express” hatte nämlich geschrieben:

Der Fall geht jetzt vor das Oberlandesgericht. Frymuth: “Wenn nötig, unterstützen wir den Spieler dabei.”

Peter Frymuth ist Präsident von Fortuna Düsseldorf und Vorsitzender des DFB-Jugendausschusses. Die Artikel bei t-online.de und fussball.de sind inzwischen offline.

Mit großem Dank an Ralf M.

RTL, Vögel, Hademar Bankhofer

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Der Anti-Menschenwürde-Sender”
(sprengsatz.de, Michael Spreng)
Michael Spreng, langjähriger Chefredakteur von “Bild am Sonntag”, appelliert an “die gesellschaftliche Verantwortung” von RTL. “Nicht alles, was Menschen scheinbar freiwillig mit sich geschehen lassen, ist auch verantwortbar. Wenn Landesmedienanstalten überhaupt einen Sinn haben, dann den, über den Schutz der Menschenwürde zu wachen.”

2. “Letztlich etwas sehr Rührendes”
(lawblog.de, Udo Vetter)
Udo Vetter dokumentiert eine Antwort der Niedersächsischen Landesmedienanstalt (NLM) auf eine Beschwerde eines Zuschauers zur RTL-Sendung “Schwiegertochter gesucht”. “Nach deren Lektüre kann man sich durchaus fragen, wie ernst die NLM ihren Job nimmt. Jedenfalls hat man offensichtlich großen Spaß bei der Bearbeitung (und dem Abbügeln) solcher Beschwerden.”

3. “Wie viel Dschungelcamp soll in die taz?”
(blogs.taz.de/hausblog, Sebastian Heiser)
“taz”-Leser möchten nichts über die RTL-Sendung “Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!” lesen: “Hören Sie auf! Sofort! Es interessiert nicht!”

4. “Die Aufklärung des ‘mysteriösen’ Vogelsterbens”
(scienceblogs.de/astrodicticum-simplex, Florian Freistetter)
Die Anhäufung von verstorbenen Vögeln, ausgehend von einem am Neujahrstag in den USA tot aufgefundenen Vogelschwarm, wurde von einigen Medien zum Mysterium hochgeschrieben: “An den Vorfällen, die Anfang des Jahres stattgefunden haben ist nichts, was die ausführliche und hysterische Behandlung in den Medien rechtfertigen würde. Und an diesen Vorfällen war auch nichts ‘mysteriös’, wie oft immer wieder behauptet wird.”

5. “Bankhofer-Sendung: ‘… gegen das Schleichwerbeverbot verstoßen'”
(scienceblogs.de/plazeboalarm, Marcus Anhäuser)
Die Kommission für Zulassung und Aufsicht (ZAK) rügt die Sendung “Der gesunde Weg” mit Hademar Bankhofer auf Bibel TV: “In dem Gesundheitsmagazin kamen u.a. Experten zu Wort, die über den Nutzen von bestimmten Produkten bzw. Wirkstoffen sprachen, von deren Verkauf sie wirtschaftlich profitieren.”

6. “Was weiß der Geier?”
(blogs.taz.de/reptilienfonds, Heiko Werning)
Arabische Medien spekulieren, dass ein eingefangener Geier, der mit einer auffälligen Flügelmarkierung und einem technischen Gerät mit hebräischen Schriftzeichen versehen war, im Auftrag von Israel Spionage betreiben sollte.

Wir sind Schwuchtel-Skandal!

Außenstehende verbinden mit der Stadt Köln – neben Rhein und Klüngel – vor allem die katholische Kirche (Dom), kalendarisch verordneten Frohsinn (Karneval) und den Westdeutschen Rundfunk (WDR). Diese drei Zutaten reichen oft schon, um schöne Geschichten zu erzählen.

So wie diese hier: Die satirische Karnevalsveranstaltung “Stunksitzung”, die traditionell ein schlechtes Verhältnis zur katholischen Kirche pflegt, hat in diesem Jahr einen Sketch im Programm, in dem der Kabarettist Bruno Schmitz als Bischof Walter Mixa verkleidet zu einer Weinprobe lädt.

Was Schmitz/Mixa dabei erzählt, hat “Bild”-Reporter Michael Bischoff (hihi) so missfallen, dass er daraus ausgiebig zitieren musste:

Er bezeichnet Papst Benedikt als “das Frettchen des Herrn, dumm wie eine Rolle Oblaten, umgeben von servilen Höflingen.”

Und weiter: “Aber der Höhepunkt war der Weltjugendtag (2005/Anm.der Redaktion) hier in Köln: Benedikt und Joachim, der zum-Lachen-in-den-Keller-geht-Meisner, ließen sich wie zwei frischvermählte Schwuchteln über den Rhein schippern. Ich bin ja der letzte, der etwas gegen Homosexualität hat, aber doch nicht mit so alten Knochen. Da haben wir in der Katholischen Kirche ganz andere Möglichkeiten. Ich sag nur – Priesterseminar…”

Seitdem bemüht sich “Bild”, die Geschichte in Köln zum “Skandal” zu machen — mit durchaus unangenehmen Folgen für die Kabarettisten, wie der “Express” berichtet.

Heute nun meinte “Bild”, einen Erfolg vermelden zu können:

Nach BILD-Bericht: WDR schmeißt Schwuchtel-Stunker aus der Sendung

Die Zeitung schreibt sich auf die Fahnen, die “bitterböse Verunglimpfung des Heiligen Vaters und des Kardinals als Schwuchteln”, die inzwischen mehrere Tausend Zuschauer im Kölner E-Werk gesehen haben, “öffentlich gemacht” zu haben, und berichtet:

Aber jetzt reagiert der WDR: Die Szene der Stunksitzung fliegt schon vor der Aufzeichnung aus dem Programm!

“Das geht bei uns so auf keinen Fall über den Sender!”, erklärte WDR-Sprecherin Kristina Bausch gestern. Den Schwuchtel-Stunk gibt’s also im TV weder in der 90-Minuten-Fassung am 3. März (22 Uhr), noch in der Langversion zwei Tage später (0.30 bis 3.30 Uhr). Auch nicht im Hörfunk auf WDR 5.

Auch das Kölner Domradio und die Katholische Nachrichten Agentur (kna), die der katholischen Kirche fast so nahe stehen wie “Bild”, vermeldeten, der WDR werde auf eine Ausstrahlung der “Papst-Verspottung” verzichten.

Doch die Website koeln.de erklärte heute Mittag, was der WDR uns auf Anfrage noch einmal bestätigte: Eine Entscheidung über eine mögliche Nicht-Ausstrahlung der Szenen werde erst nach der Aufzeichnung am 11. und 12. Februar gefällt.

Zwar sei es sehr wahrscheinlich, dass der Sketch in seiner jetzigen Form nicht gesendet werde (deswegen die Aussage “Das geht bei uns so auf keinen Fall über den Sender!”), aber es sei ja möglich, wenn auch unwahrscheinlich, dass das Ensemble der Stunksitzung den Sketch selbst noch überarbeite.

Die kna ruderte am Nachmittag zurück und verkündete am Nachmittag in einer zweiten Meldung eine Selbstverständlichkeit:

Der WDR will eine umstrittene Passage aus der Kölner “Stunksitzung”, in der Papst Benedikt XVI. und Kardinal Joachim Meisner verunglimpft werden, vor Ausstrahlung im Fernsehen überprüfen.

Die WDR-Fernsehdirektorin Verena Kulenkampff erklärte dazu:

Unsere Redakteurinnen und Redakteure schauen sich die Version der Stunker, die bei den Aufzeichnungsterminen am 11. und 12. Februar gespielt wird, ganz genau an. Erst danach entscheiden wir: Sollten Teile davon unseren Programmgrundsätzen widersprechen, werden wir sie
selbstverständlich nicht senden.

Der WDR legt außerdem Wert darauf, schon vor dem empörten Bericht der “Bild”-Zeitung (die die Verunglimpfung religiöser Gefühle in anderen Fällen auch schon mal “mutig” findet), gewusst zu haben, was ihn bei der diesjährigen Stunksitzung erwartet: Redakteure seien bereits Anfang Januar bei einer Aufführung gewesen.

Mit Dank an Flo.

Bild  

Hier werden Schlagzeilen geboren

Die Fans jubeln: Dortmund feiert seine Meister schon

So berichtet “Bild” heute groß in der Ruhrgebietsausgabe über ein Transparent auf dem Dortmunder Borsigplatz. Dass die Zeitung im ersten Satz behauptet, der BVB sei “souveräner Spitzenreiter mit 13 Punkten Vorsprung”, obwohl er nur 12 Punkte vor Hannover 96 liegt, ist dabei eher nebensächlich.

Denn es geht um das Banner selbst, über das “Bild” schreibt:

Na, da schau hin! Dortmund feiert schon seine Meister.

Am Borsigplatz, der Geburtsstätte des Traditionsklubs, leuchtet inzwischen weithin sichtbar dieses riesige, schwarzgelbe Jubel-Banner: Borsigplatz – Hier werden Meister geboren.

“Inzwischen” ist dabei eine gute Wortwahl, aber irgendwie fehlt da ein “wieder”. Mit dem Banner gratulierte der Gewerbeverein Borsiglatz dem BVB nämlich zum 100. Geburtstag, es hing schon im Herbst 2009 am Borsigplatz und war entsprechend auf die vergangenen Meisterschaften gemünzt. Im Sommer 2010 wurde das Transparent dann abgenommen und Anfang Dezember anlässlich der Herbstmeisterschaft “als Gag” wieder aufgehängt, wie uns der Gewerbeverein erklärte, der seit der Veröffentlichung auf Bild.de mit Anfragen von Journalisten überhäuft wird.

“Bild” hätte also schon vor sechs Wochen aufschreiben können, dass “in der Stadt die Euphorie” wachse. Oder vor einem Jahr. Nur hätte es da nicht so schön gepasst.

Mit Dank an Daniel, Dirk, Nora T. und Stephan U.

Kachelmann, Mandela, Giffords

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Im Namen der Öffentlichkeit”
(dradio.de, Brigitte Baetz)
Brigitte Baetz fasst nochmals die bisherigen Entwicklungen im Prozess gegen Jörg Kachelmann zusammen, befasst sich mit der parteiischen Berichterstattung vieler Medien und erinnert daran, wie Zeuginnen in den Medien zu sehen waren: “Alle drei Frauen gestylt wie Fotomodelle, versehen mit Exklusivverträgen über jeweils mehrere Tausend Euro. Ihre Aussagen vor Gericht machten sie dagegen unter Ausschluss der Öffentlichkeit – um ihr Privatleben zu schützen.”

2. “Wie das ‘Dschungelcamp’ hoffähig wurde”
(ndr.de, Tina Schober, Video, 5:44 Minuten)
“Was hier gesendet wird, hat mit Fernsehen nichts mehr zu tun”, sagte die damalige Bundesministerin Renate Künast 2004 über die RTL-Sendung “Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!”. Inzwischen sind die Proteste dagegen fast verstummt.

3. “18.000 Euro ‘Kopfgeld’ für Promi-Fotos”
(meedia.de, ax)
“Verdiene Geld als Leser-Paparazzo!”, fordert viply.de ihre Leser auf. Die “Website für Hollywood-News” (hgm press) verspricht: “Für Deine Bilder beteiligen wir Dich am gesamten mit ihnen erzielten Gewinn und speisen Dich nicht einfach mit 100 oder 500 Euro ab!”

4. “Nelson Mandela und das Todesgerücht”
(badische-zeitung.de, Johannes Dieterich)
“Alle paar Wochen meldet irgendein Organ, dass der inzwischen 92-jährige Vater der Regenbogennation verstorben sei – und Ehefrau Grace, Ex-Frau Winnie, Tochter Zindzi oder Enkel Mandla haben das Gerücht dann wieder aus der Welt zu schaffen.” Dabei sei jedes Mal Eile geboten, “denn in internationalen Rundfunkanstalten wird bei solchen Gelegenheiten gleich Großalarm geschlagen und eine Mega-Maschinerie angeworfen”.

5. “How NPR’s Giffords Mistake Hurt The Families”
(npr.org/blogs/ombudsman, Alicia Shepard, englisch)
Alicia Shepard beschreibt, was die falsche Vermeldung des Tods von Gabrielle Giffords ausgelöst hat. “Simon, who first believed NPR’s report, also faced the emotional task of telling his two young daughters, who know Giffords well, that the congresswoman was dead, and later explaining that she wasn’t.”

6. “Ein kategorischer Imperativ und sieben Strategien für freie Journalisten”
(carta.info, Bernhard Pörksen)
Bernhard Pörksen stellt freien Journalisten sieben Strategien bereit. Ebenfalls lesenswert: “A manifesto for the simple scribe – my 25 commandments for journalists” (guardian.co.uk, Tim Radford, englisch).

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