Archiv für Januar 28th, 2011

Eine Krähe hackt der anderen ein Auge aus

Immer wenn man denkt, dass bei “Bild” nur gewissenlose Söldner arbeiten, dann kommt so ein Ding und man merkt, dass alles noch viel schlimmer ist:

So brummt das miese Geschäft mit der toten Cora

Sie ist noch nicht einmal beigesetzt, und schon fallen die Geier über ihr Vermächtnis her: Das miese Geschäft mit den Filmen des toten Busenstars Carolin Wosnitza (23) alias “Sexy Cora” brummt wie nie. Was für eine geschmacklose Geschäftemacherei! Neun Tage nach dem Tod der Ex-Bewohnerin des TV-Containers “Big Brother”!

Die Autoren Mark Bittner, John Puthenpurackal und Ingo Wohlfeil kritisieren die Tatsache, dass sich DVDs mit “Sexy Cora”-Pornofilmen zur Zeit so gut verkaufen wie noch nie. Auch der Witwer und frühere Manager der Verstorbenen bekommt sein Fett dafür weg, dass er nach dem Tod seiner Frau noch einen weiteren “Sexy Cora”-Film auf den Markt bringt.

Die Empörung wäre vielleicht etwas glaubwürdiger, wenn nicht “Bild” selbst durch reißerische Artikel in hoher Schlagzahl von Coras Tod profitieren würde — und zwar mit einer täglichen Serie, über der auch die Namen Bittner und Puthenpurackal stehen.

So sah die Titelseite von “Bild” am Montag aus:

Am Dienstag beschrieb “Bild” Coras Weg ins Rotlicht-Milieu, am Mittwoch ging es um ihren “tödlichen Busen-Wahn” und am Donnerstag standen “Die letzten Stunden im Leben von Cora (†23)” auf dem Programm. Auf Bild.de sind diese Artikel wie gewohnt mit wechselnden Titten-Klickstrecken und Videos garniert und rangieren in der Regel in den Top 5 der meistgelesenen Artikel.

Bei all der medialen Aufmerksamkeit für “Sexy Cora” ist es dann auch kein Wunder, dass die DVD-Verkäufe anziehen.

Übrigens, raten Sie mal, mit was für einer Anzeige Bild.de in den Klickstrecken des Erotik-Ressorts ein “mieses Geschäft” macht:

Sexy Cora aus dem TV-Container

Mit Dank an die vielen, vielen, vielen Hinweisgeber!

Bild  

“Versprochen” ist nicht gleich versprochen

Die “Bild”-Gerichtsreport-Praktikantin Alice Schwarzer hat Jörg Kachelmann Unrecht getan. Oder wie sie es selbst ausdrückt:

Ich habe Jörg Kachelmann unrecht getan. Und das gilt es nun wiedergutzumachen. Am 22. Dezember hatte ich geschrieben: “Der Mann ist wirklich nicht zu beneiden um sein absurd rastloses, verlogenes Leben. Dieses Leben mit mindestens sechs Frauen gleichzeitig, denen er allen die Ehe versprochen hatte.”

Das wollte der Vielbeschäftigte so nicht stehen lassen.

Mit meiner Behauptung würde ich ihn “in der Öffentlichkeit in ein schlechtes Bild rücken”; schlimmer noch, ihm unterstellen, “er sei ein Heiratsschwindler”.

Das ließ er seine Anwälte vortragen.

“Vortragen” durften die Anwälte dies vor der Pressekammer des Kölner Landgerichts, das auch prompt einstweilige Verfügungen gegen Schwarzer, die Axel Springer AG als Verlag der gedruckten “Bild” und die Bild digital GmbH & Co. KG als Betreiber von Bild.de erließ, wo Schwarzers Text ebenfalls veröffentlicht worden war.

Es ist nicht die erste juristische Niederlage, die Kachelmanns Anwälte der “Emma”-Herausgeberin persönlich beigebracht haben (BILDblog berichtete), aber das erste Mal, dass Schwarzer im Zuge ihrer Kachelmann-Berichterstattung eigene Fehler einräumt.

Der Originalartikel auf Bild.de wurde inzwischen – bis auf ein Textfragment – entfernt, aber in einem Interview bei “Focus Online” findet sich noch folgende Passage:

Immerhin hatte das mutmaßliche Opfer gelogen. Die Frau ahnte schon länger, dass Kachelmann ihr nicht treu ist.

Die kleine Lüge hatte nichts mit der Tatnacht zu tun. Von Kachelmann aber war inzwischen öffentlich geworden, dass er sich mindestens sechs Frauen gleichzeitig hielt, denen er allen die Ehe und Kinder versprochen hatte. Das deutet natürlich auf pathologische Züge der Persönlichkeit hin. Und darum ist es auch richtig, dass das Gericht mehrere seiner Ex-Freundinnen vernimmt. Die fragliche Tat muss ja im Kontext der Persönlichkeit des Angeklagten gesehen werden.

So ganz geschlagen geben will sich die Frauenrechtlerin dann auch nicht und zählt heute in “Bild” flugs sechs Frauen auf, mit denen Kachelmann angeblich ein gemeinsames Leben geplant haben soll.

Sie schließt mit den Worten:

Zusammenleben, Kinder bekommen, eine glückliche Beziehung für das ganze Leben führen … Ein Eheversprechen ist das alles nicht. Nur der Glaube an eine gemeinsame Zukunft. Und das ist schließlich etwas anderes. Für Juristen zumindest.

Für die auch, ja.

Beziehungsdramen, Pesto, Call Center

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Abo-Kündigungen wegen Dschungelcamp-Titelseite”
(blogs.taz.de/hausblog, Sebastian Heiser)
Die “taz” setzt einen Schwerpunkt auf das RTL-Dschungelcamp und verägert so erneut Leser: “Welcher TAZ-Leser interessiert sich für Rainer Langhans oder das blöde Dschungelcamp? Da kann ich mir gleich die BILD-Zeitung kaufen, die können Boulevard besser. Schade um den kostbaren, teuren (und sonst oft hervorragend genutzen) Platz auf der ersten Seite!”

2. “‘Beziehungsdramen’ – ein Blick hinter die Schlagzeilen”
(medienheft.ch, Regula Bähler)
Regula Bähler beschäftigt sich mit Ausdrücken, die von den Medien in der Kriminalberichterstattung gewählt werden.

3. “Ugandan gay rights activist David Kato found murdered”
(guardian.co.uk, Xan Rice, englisch)
David Kato wird in Uganda zu Tode geknüppelt. Er klagte zuvor erfolgreich gegen die Zeitung “Rolling Stone”, die dazu aufrief, Homosexuelle zu töten.

4. “Lustig: Die Polizei klaut meine Texte!”
(ende-der-maerchenstunde.de)
Eine Rezension von Kathrin Hartmann wird “geklaut, gekürzt” und mit einem anderen Namen versehen in einem Kurzbericht (PDF-Datei) der Polizeigewerkschaft GDP Rheinland-Pfalz veröffentlicht.

5. “Das Pesto-Prinzip oder: Warum ich an der Lebensmittelindustrie verzweifle”
(netzfundbuero.de, Tom Hillenbrand)
Tom Hillenbrand kann und will nicht verstehen, warum in einem gekauften Glas Pesto nicht einfach nur Basilikum, Olivenöl, Knoblauch, Pinienkerne, Butter und Käse drin ist.

6. “Prank on a Belgian call center”
(youtube.com, Video, 10 Minuten, mit englischen Untertiteln)
Die belgische Satiresendung “Basta” stellt frühmorgens einen mit einer Telefonnummer beschrifteten Container vor den Eingang eines Mobilfunkunternehmens.