Kurz nachdem sich der Fußballer Robert Enke das Leben genommen hatte, ließ sich der stellvertretende Sportchef der “Bild”-Zeitung, Walter M. Straten, von der “Süddeutschen Zeitung” wie folgt zitieren:
“Wir werden wohl mit extremen Noten etwas vorsichtiger sein”, sagt der stellvertretende Bild-Sportchef. Man werde sich einmal mehr überlegen, “ob der Spieler, der eine klare Torchance vergeben hat, oder der Torwart, der den Ball hat durchflutschen lassen, eine Sechs bekommt oder eine Fünf reicht”.
Wie ernst seine Aussage zu nehmen war, zeigte sich schon nach fünf Wochen und danach immerwieder.
Aber wir dachten, man könnte ja trotzdem noch einmal an diese Worte erinnern …
Viele Online-Medien haben auf ihren Internetseiten sogenannte “Ticker”, in denen Meldungen der Nachrichtenagenturen teilweise automatisch übernommen werden.
So veröffentlichten stern.de und sueddeutsche.de heute Mittag eine dpa-Meldung über eine “emotionale Debatte”, die im Internet-Gästebuch der Bordkameradschaft der “Gorch Fock” stattfinde. Auch bei Bild.de ist die Meldung zu sehen.
Doch es gibt kleine Unterschiede:
dpa-Original
Version bei Bild.de
Die Vorgänge um den Tod einer Kadettin auf dem Segelschulschiff “Gorch Fock” haben im Internet-Gästebuch der Bordkameradschaft eine emotionale Debatte ausgelöst.
Die Vorgänge um den Tod einer Offizieranwärterin auf dem Segelschulschiff “Gorch Fock” haben im Internet-Gästebuch der Bordkameradschaft gefühlsbetonte Einträge ausgelöst.
Von Mitleidsbekundungen über Kritik und Zuspruch für die Stammbesatzung und ihren inzwischen abgelösten Kapitän Norbert Schatz reicht die Palette der Meinungsäußerungen bis hin zu Rügen für die Medienberichterstattung und die Entscheidungen von Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU).
Von Mitleidsbekundungen über Kritik und Zuspruch für die Stammbesatzung und ihren inzwischen abgelösten Kapitän Norbert Schatz reicht die Palette der Meinungsäußerungen.
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“Ich kann die Trauer und den Schmerz der Mutter mehr als gut verstehen”, schilderte eine Nutzerin Martha Baudrexl. “Mein Sohn Manfred verunglückte auf ähnliche Weise. Aber ich kann sagen, die Besatzung der Gorch Fock hat mich und meine Familie immer bestens unterstützt. Und ich hatte immer das Gefühl, dass ich voll informiert wurde.”
Die Entscheidung des Ministers, den Kommandanten zu suspendieren und das Segelschulschiff “an die Kette legen” zu lassen, habe sie mit Entsetzen wahrgenommen, schreibt die Frau weiter und wendet sich an die Besatzung der “Gorch Fock”: “Ich wünsch Euch allen für die kommende Zeit viel Kraft”.
Aus Kreisen der Bundeswehr werden zur Zeit so viele unschöne Vorfälle und Skandale bekannt, dass es bei anderen Verteidigungsministern für drei bis vier Rücktritte gereicht hätte. Doch der aktuelle heißt Karl-Theodor zu Guttenberg.
Über die aktuelle Allianz von “Bild” und Guttenberg kann man längereKommentare schreiben, aber womöglich lässt man doch besser die Guttenberg-Fanmagazine selbst zu Wort kommen:
In einem in jeder Hinsicht bemerkenswerten Kommentar in der gestrigen “Bild am Sonntag” erklärte Michael Backhaus den Minister kurzerhand zum “Einhorn der deutschen Politik” und fabulierte:
Zu den Menschen hat das Einhorn schon deshalb ein schwieriges Verhältnis, weil sie es wegen seines wertvollen Horns jagen. So ergeht es derzeit auch dem Beliebtesten unter den Politikern. Nicht nur die Opposition, auch mancher aus den eigenen Reihen möchte die Gelegenheit nutzen, Guttenbergs Horn der Popularität zu kürzen.
“Für kurze Zeit” sei Guttenbergs Ruf “als Aufklärer und Erneuerer” in Gefahr gewesen, sei “der unschöne Eindruck entstanden, der Minister wisse nicht oder erfahre zu spät, was in seiner Truppe vor sich geht”.
Doch “Bild” begleitete den Minister, informierte ihn vorab über den kritischen Artikel über die Zustände auf der “Gorch Fock” und konnte anschließend verkünden, der Minister habe Konsequenzen gezogen.
Die Ordnung im Weltbild von “Bild” war wiederhergestellt — oder wie es Backhaus formuliert:
Nun spricht man wieder über das Einhorn und weniger über seine Jäger.
Für so ein Einhorn gelten natürlich andere Maßstäbe als für Normalsterbliche — eine aktuelle Umfrage auf Bild.de lautet entsprechend:
Zur Zeit haben sich übrigens rund zwei Drittel der Leser für Antwort A entschieden.
Mit Dank an Steffen M. und Katrin Sch. und die vielen anderen Hinweisgeber!
Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].
1. “Der Guttenberg-‘Bild’-Komplex” (taz.de, Stefan Reinecke)
Stefan Reinecke zur Rolle von “Bild” bei der Suspendierung des Kapitäns der Gorch Fock durch Verteidigungsminister zu Guttenberg: “Die Entscheidung, den Kapitän zu feuern, hat Guttenberg am Freitagabend getroffen. Direkt nachdem das Blatt ihn informiert hatte, dass es die Geschichte noch mal groß herausbringt. Im Gegenzug lobt das Boulevardblatt zwei Tage später die Entschlusskraft des Ministers über den grünen Klee und denunziert Kritiker von FDP bis Linkspartei als Nörgler und Kleingeister, die bloß neidisch auf dessen Popularität sind.” Zu zu Guttenberg siehe auch: “Kosten der Sat.1 Guttenberg-Talkshow in Mazar-E-Sharif” (blog.die-linke.de, 13. Januar).
3. “Maulwurf-Moderator fuhr TV-Quiz gegen die Wand” (grenzecho.net, Boris Cremer)
Ein Magazin des flämischen TV-Senders VRT deckt mit einem Undercover-Moderator Praktiken von Call-In-Shows auf: “De Winne stand ein halbes Jahr lang für die Call-in-Show ‘Quizzit’, die von den Privatsendern VTM und 2BE ausgestrahlt wird, vor der Kamera und köderte Zuschauer, die mit kostenpflichtigen Anrufen versuchten, ein fast unlösbares Rätsel zu lösen.” Das Video dazu gibt es hier: “Undercover bei den Fernseh-Anrufquizzen” (wortfeld.de, Video, 38:36 Minuten)
5. “Warum diese Verachtung?” (taz.de, Jutta Winkelmann)
“Zum Kotzen” findet Jutta Winkelmann “die ganze Scheinheiligkeit, Bedenkenträgerei und dieses gehässige Vornehmgetue und die Gefühllosigkeit” der Kritik an den Kandidaten der RTL-Sendung “Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!”. “Mehr als jeder Rattenschwanz – und Schlangenbackenhodendrink ist diese herrschende Selbstgerechtigkeit- und Selbstgefälligkeit eklig! Und damit sind auch die Medien gemeint, die absahnen und verächtlich lästern. Sie und die ganze Nation mit, heult wegen jämmerlichen 50.000 Scheißeuros auf, die die Dschungelbewohner bekommen.”
6. “Fast ein Jahr” (fragmente.twoday.net)
Frau Fragmente sucht und findet einen Job.