Archiv für Januar 6th, 2011

Ein Hit im Corn Belt

Am Wochenende hat Axel Springer den Berliner Presseball im Haus und kann dabei mit einem echten Weltstar aufwarten, wie Bild.de berichtet:

Joelina Drews (15), die hübsche Tochter von Schlager-Barde Jürgen Drews (65), ist mit ihrer ersten Single “Trendsetter” in den Top 40 der US-Billboard-Charts. Nun wird sie auch bei uns zum Hit: Am Samstag hat sie beim Presseball in der Ullstein-Halle im Axel-Springer-Haus ihren ersten Live-Auftritt in Deutschland.

Es ist allerdings nicht Joelina Drews’ erster Auftritt in den Springer-Medien: Vor elf Monaten freuten sich “Bild” und Bild.de, weil Joelina in einer Fernsehsendung schön gesungen hatte; im August berichtete die gedruckte “Bild”, dass Joelina ihre erste Single aufnehmen werde; im Dezember wurden Song und Video auf Bild.de vorgestellt — damals schon mit der prophetischen Überschrift “Jürgen Drews’ Tochter Joelina wird Popstar in den USA”.

Allein: So richtig geklappt hat das mit dem Durchbruch in Amerika bisher noch nicht. In die Billboard Top 40, die Bild.de nennt, ist die Single bisher jedenfalls noch nicht eingestiegen — und auch sonst fehlt auf der Website des “Billboard Magazine”, die Bild.de dankenswerter Weise direkt verlinkt hat, jeder Hinweis auf Joelina Drews und ihren Song “Trendsetter”. Auch der Chart-Beauftragte des Magazins konnte auf unsere Nachfrage hin nichts finden, was die Behauptung von Bild.de stützt.

Aber spätestens Montag werden wir sicher erfahren, was für ein umfeierter Auftritt das am Samstag war.

Mit Dank an Rolf.

Nachtrag, 7. Januar: Bild.de hat den Hinweis auf die Billboard-Charts gelöscht und schreibt jetzt nur noch, Joelina Drews starte “in den USA durch”.

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“Bild” bringt Hannelore Kraft in Schwulitäten

Was es alles für interessante Medien gibt:

Auf Seite 22: Ein Bericht von Dreharbeiten für einen Schwulen-Porno. Auf Seite 24: Vollejakulierte Männerunterhosen. Auf Seite 36: Ein Interview mit Hannelore Kraft (49, SPD)…

WO IST UNSERE MINISTERPRÄSIDENTIN DENN DA REINGERATEN?

Ja, wo?

Die naheliegendste Antwort wäre natürlich: In “Bild”, wo Politiker-Interviews gerne mal von Berichten über Porno-Drehs und Artikeln über merkwürdige Fetische flankiert werden.

Wirbel um Kraft-Interview in Schniedel-MagazinDoch Frau Kraft hat nicht mit “Bild” gesprochen:

Fakt ist: Das Schwulenmagazin “Männer” (7,95 Euro, gibt’s am Kiosk) hatte Frau Kraft um ein Interview gebeten. Nur ahnte in Krafts Stab niemand, was in dem Heft so abgeht!

(Wir können nur vermuten, wie sehr sich die Redaktion gefreut hat, als ihr die Formulierung “Krafts Stab” eingefallen ist.)

Vielleicht war “Bild” einfach sauer, dass es noch andere Medien gibt, die Berichte zum Weltgeschehen mit Sex-Geschichten kombinieren. Vielleicht ist es für “Bild” ein Unterschied, ob Politiker mit Titten-Zeitungen oder mit Schniedel-Magazinen reden. Oder es stimmt einfach, dass den “Bild”-Mitarbeitern ein Gen fehlt und sie deshalb nicht in der Lage sind, die Widersprüchlichkeit ihres eigenen Schaffens zu bemerken.

Mit Dank an Heinz M., Thomas H. und egal.

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Korb ist ihr Hobby

In gut vier Monaten findet in Düsseldorf der Eurovision Song Contest statt, und die örtliche “Bild”-Redaktion läuft sich schon mal warm.

Keine Zeit für Schlüsselübergabe: Lena gibt Düsseldorfs OB einen Korb!

Gestern veröffentlichte sie eine herzzerreißende Geschichte darüber, dass die deutsche Vertreterin Lena Meyer-Landrut nicht an der symbolischen Schlüsselübergabe von Oslo nach Düsseldorf in zwei Wochen teilnehmen werde. Dabei wäre das “so schön gewesen”! Und der Oberbürgermeister hätte sich schon “so gefreut”! Und “JETZT DIE ENTTÄUSCHUNG!”:

Nach BILD-Informationen hat das Lena-Management dem Norddeutschen Rundfunk (NDR) als Veranstalter des Eurovision Song Contest (ESC) Lenas Teilnahme an dieser traditionellen Vor-Feier abgesagt. Grund: Sie stecke “voll in den Proben” für den Grand Prix.

Das mit der “traditionellen Vor-Feier” ist ein bisschen überraschend. Vor allem geht es bei diesem Termin darum, die Teilnehmerländer den beiden Semi-Finals zuzulosen. Davon, wie glamourös das etwa vor zwei Jahren in Moskau war, kann man sich hier einen guten Eindruck verschaffen.

Das ist aber nicht der Grund, warum man beim Versuch, sich den Artikel auf Bild.de anzusehen, nur noch eine leere Seite bekommt. Der Grund dafür ist, dass der NDR der “Bild”-Zeitung mitgeteilt hat, Lena habe ihm schon deshalb nicht absagen können, weil er sie gar nicht eingeladen habe — ihre Anwesenheit sei gar nicht vorgesehen gewesen.

Bild.de hat den Artikel daraufhin gelöscht. Und “Bild” Düsseldorf heute etwas veröffentlicht, das man als Korrektur verstehen könnte: “Der NDR hatte, anders als von BILD berichtet, nichts mit der Einladung zu tun.”

Die Überschrift der Meldung lautet wie zum Trotz:

Stadt und NDR suchen neuen Lena-Termin

Österreich, Datenjournalismus, Punkt 12

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Falsches Foto von Mordopfer”
(diepresse.com)
“Österreich” wurde am Mittwoch vom Landesgericht für Strafsachen in Wien zu einer Entschädigungszahlung von 20.000 Euro verurteilt. Die Tageszeitung wies ein von Facebook stammendes Foto einer unbeteiligten Studentin als Abbildung einer ermordeten Prostituierten aus.

2. “Die Story sichtbar machen”
(politik-kommunikation.de, Maximilian Steinbeis)
Der langjährige Parlamentskorrespondent Maximilian Steinbeis plädiert dafür, von der langweiligen Personalisierung wegzukommen und sich um den spannenderen Datenjournalismus zu kümmern. Es interessiere ausserhalb der Hauptstadtdunstglocke niemanden, “wenn irgendein langweiliger Politiker Ärger mit irgendeinem anderen langweiligen Politiker hat.”

3. “Datenjournalismus und die Zukunft der Berichterstattung”
(netzpolitik.org, Lorenz Matzat)
Auch Lorenz Matzat tritt für den Datenjournalismus ein: “Journalismus, der sich selbst ernst nimmt, muss sich diesem Feld widmen. Mit der ihm eigenen Spezifik und seinen Werkzeugen.”

4. “Geschichte muss mehr sein als Entertainment”
(zeit.de, Christian Staas)
Das deutsche Geschichtsfernsehen habe sich aus der Debattenkultur verabschiedet, kritisiert Christian Staas. Er regt an, das Fernsehen “könnte die Technik der Montage nicht nur zum Addieren einander stützender Aussagen benutzen, sondern Widersprüche in Szene setzen – zwischen Zeitzeugenerinnerung und Historikersicht, zwischen großer und kleiner Geschichte, zwischen einzelnen Bildquellen. ”

5. “Die arme Familie Grüttner”
(tina-andi.blogspot.com, Andreas)
Andreas fragt sich, warum ein RTL-Reporter in einer kalten Wohnung vor einem nicht angefeuerten Kamin sitzt.

6. “Warum mir 02 keinen Vertrag geben möchte II: Nachricht von Arvato Infoscore”
(mindsdelight.de, Marco)
Marco erhält einen Brief von Arvato Infoscore: “Ich wohne also alleine in Neukölln, bin 24 Jahre alt und zahle meine Rechnungen nicht. In Wahrheit weiss Arvato das alles aber gar nicht. Sie nehmen sich nur die Daten, die ich O2 beim Vertragsgesuch gab, schauen in ihrer Tabelle über Neukölln nach und gehen einfach davon aus, dass ich meine Rechnungen nicht bezahle.”