Archiv für Oktober 29th, 2010

ER war’s*

Da hat Wikileaks den Journalisten etwas eingebrockt. Über 390.000 Dokumente aus dem Irak hat die Plattform veröffentlicht. Wer soll das denn alles lesen? Aber keine Sorge — zum Glück gibt es die Story hinter der Story.

Wie zum Beispiel Bild.de am Montag:

ER verriet die brisanten Geheimnisse. Folter, Mord, Missbrauch: Der Soldat Bradley Manning enthüllte die schlimmsten Gräueltaten des Irak-Kriegs

Ja, ER war es. Ganz bestimmt. Vielleicht. Zumindest war irgendwo zu lesen, dass er Dokumente an Wikileaks gegeben hat. Andere Dokumente. Also warum nicht auch die aus dem Irak?

Oder um es mit Bild.de zu formulieren:

Bradley Manning: Er soll dafür gesorgt haben, dass 391 832 geheime Feldberichte der US-Truppen auf der Internet-Enthüllungsplattform Wikileaks erschienen.

Auf deutsch: Bisher weiß niemand außer Manning selbst so genau, welche Dokumente er an Wikileaks gegeben hat — Wikileaks sagt dazu nichts, die US-Regierung hält sich bedeckt. Aber wen interessiert das schon? Bild.de hatte seine Schlagzeile und musste die 391.832 Akten nicht lesen.

* (vielleicht)

Symbol-Randale im Berliner Schanzenviertel

Nach einem Brandanschlag auf ein linkes Geschäft in Berlin-Kreuzberg kam es am Mittwochabend zu einer unangemeldeten Demonstration, die der “Tagesspiegel” so zusammenfasst:

Am Mittwochabend zog gegen 20 Uhr eine Spontandemonstration von rund 300 Vermummten vom Heinrichplatz über die Skalitzer Straße zum Ort des Anschlags. Sie zündeten Feuerwerk und skandierten Sprechchöre gegen Neonazis. Als die Polizei begann, die Menge auseinanderzutreiben, flogen Flaschen. Die Beamten setzten 47 Personen fest und nahmen ihre Personalien auf.

Auch der RBB berichtet auf seiner Internetseite über die Demonstration:

Protest: Randale in Berlin-Kreuzberg. In Berlin-Kreuzberg haben linksautonome Demonstranten am Mittwochabend randaliert.

Flaschen, Pflastersteine, Stinkefinger, Wasserwerfer, vielleicht sogar Feuer — es muss ganz schön zur Sache gegangen sein in Kreuzberg.

Oder auch nicht, denn zur Bebilderung der Demonstration vom Mittwoch taugt das verwendete Foto nur bedingt: Es entstand im September 2009 bei Ausschreitungen in Hamburg.

A water canon sprays during riots after a street festival, Hamburg, Germany, early 13 September 2009. German police arrested 60 people after 12 officers were hurt in riots that broke out after a street festival. EPA/KAY NIETFELD

Mit Dank an Chris N.

Humpe, Hartplatzhelden, WDR Print

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Es gibt nur eine Annette Humpe!”
(blogs.taz.de/hausblog, Mathias Broeckers)
Die “taz” druckte gestern auf Seite 13 zu einem Porträt von Annette Humpe ein Foto von Inga Humpe ab. “Die Agentur Action Press hatte es in ihrer Datenbank falsch ausgezeichnet und in der Redaktion war es niemand aufgefallen.”

2. “Geschichte eines Fehlers oder: Wer schreibt von wem ab?”
(kobuk.at, Yilmaz Gülüm)
Eine falsche Bezeichnung einer Uhrenmarke in einer Meldung der APA breitet sich unkorrigiert auf mehreren Online-Portalen aus.

3. “Hartplatzhelden gewinnen Finale vor dem BGH”
(telemedicus.info, Adrian Schneider)
Die Website hartplatzhelden.de gewinnt in letzter Instanz im Prozess gegen den Württembergischen Fußballverband: “Kein wettbewerbsrechtlicher Leistungsschutz für Amateurfußballspiele” entscheidet der Bundesgerichtshof. “Wir erinnern uns: Das Portal ‘Hartplatzhelden’ zeigt Videos von Amateurfußballspielen, aufgenommen von den Nutzern der Webseite. Der Baden-Würtembergische Fußballverband ‘WTV’ sah sich dadurch in seinen Rechten verletzt und nahm für sich die Übertragungsrechte an den Spielen in Anspruch.”

4. “Ludwig A. Minellis Ehre wurde verletzt”
(tagesanzeiger.ch, Patrick Gut)
Ludwig A. Minelli, Gründer der Sterbehilfeorganisation Dignitas, setzt sich in einem Verleumdungsprozess vor dem Bezirksgericht Horgen erfolgreich gegen eine Kolumnistin der “Zürichsee-Zeitung” durch. Sie schrieb 2009 über ihn: “Was für ein Monster, dieser Mann, der auf Wunsch in miesen Kammern und sogar auf Parkplätzen weit her gereiste Leute abmurkst”.

5. “Leuchtturm der selbstbezüglichen Süffisanz”
(carta.info, Jan Krone)
Jan Krone gratuliert zu zehn Jahren “Altpapier”: “Im Vergleich zu Link-Newslettern erlaubt das ‘Altpapier’ entschleunigte Minuten Lesegenuss ohne das zehrende Informationsarbeiten mit vielen branchenspezifischen Fachinformationsdiensten.”

6. “Untergrund-Redaktion verkündet ‘Wende im WDR'”
(freienseiten.de)
Von der Hauszeitschrift “WDR Print” wird eine Zukunftsausgabe mit Datum November 2011 gedruckt (PDF-Datei): “Die Plagiatoren – eine Redaktionsgruppe von WDR-Journalisten und freien Mitarbeitern des Senders – machen auf 16 aufwändig und originalgetreu gestalteten Seiten einerseits die Programmverflachung und einseitige Quotenorientierung des derzeitigen WDR-Programms öffentlich und senderintern zum Thema.” WDR-Intendantin Monika Piel dazu: “Unsere freien Mitarbeiter wissen oft am Besten, was im Argen liegt.”