Archiv für Oktober 11th, 2010

Flaschenverbot im Moschner Pit

Wo gehobelt wird, da fallen Späne, und wo gekocht wird, da fallen Produktnamen — zumindest, wenn es sich um Koch-Videos bei Bild.de handelt.

Andreas Studer schafft es immer wieder, die Produkte eines ostwestfälischen Haushaltswarenherstellers vertragsgemäß ins Bild zu rücken (BILDblog berichtete), Steffen Henssler darf im Auftrag des World Wildlife Fund “Fischtipps” geben und TV-Moderatorin Ruth Moschner soll “den Getränkekarton weiterhin positiv im öffentlichen Bewusstsein zu verankern”, wie die Firma Tetra Pak im Mai erklärte.

Seit letzter Woche darf Frau Moschner bei Bild.de auch backen:

Irre, was? Die Herstellerlogos auf der Flasche und dem … äh: Tetra Pak sind übermalt. Klar, denn entscheidend ist hier nicht der Inhalt, sondern die Verpackung.

Was man auch sehr schön an dem Getränk sieht, das Gast-Köchin Manon Straché hier verarbeitet:

Frau Moschner schüttet derweil etwas Milch “aus dem Tetra Pak” und entdeckt dabei “dieses FSC-Siegel”, das jetzt “immer öfter” “auftaucht”. Dankenswerter Weise erklären sowohl sie selbst, als auch eine Einblendung, was es damit so auf sich hat:

Das FSC-Siegel steht für eine verantwortungsvolle Waldbewirtschaftung.

Während sich Moschner und Straché gegenseitig in Inge-Meysel-Imitationen zu überbieten versuchen (ja, wirklich!), rutscht etwas unvermittelt dieses Standbild ins Bild:

Um den Spannungsbogen aufrecht zu erhalten, schlägt Frau Straché, die in dieser Inszenierung zunehmend indigniert wirkt, Sahne, und Frau Moschner gewährt Einblicke in ihr privates Umfeld: “Sehr praktisch: Wenn spontan Gäste kommen, nimmt man ‘ne Tetra-Pak-Sahne. Hab ich immer zuhause.”

Geschmack und Vitamine bleiben im Tetra Pak-Getränkekarton optimal geschützt.

Beim Auftritt von “Deutschlands bestem Kaffeesommelier” (womöglich auch Deutschlands einzigem) Michael Gliss droht das Ganze kurz ins Psychedelische umzuschlagen:

Gliss empfiehlt “die Bio- und die faire Milch aus dem Tetra Pak” (“gut zu verschließen, gut aufzubewahren, für uns immer sehr, sehr praktisch”), wobei nicht ganz klar wird, aus welchem der rund ein Dutzend Tetra Paks genau:

Doch für all die Zuschauer, an denen die subtilen Botschaften der vergangenen sechs Minuten vorbeigezogen sind, winkt Bild.de zum Abschluss noch mal kurz mit dem Zaun:

Zutaten für 8 Waffeln: (...) ca. 200 ml Milch aus dem Tetra Pak (...)500 g Sahne aus dem Tetra Pak

Zutaten für 4 Personen: (...) 100 ml Rotwein aus dem Tetra Pak (...) 100 ml Apfelsaft aus dem Tetra Pak

Das Wort “Anzeige” oder ein Hinweis auf die Tetra-Pak-Kampagne fehlen übrigens traditionsgemäß.

Dafür hat Bild.de diese Pointe im Angebot:

Ausstattung: Villeroy & Boch

Wenn Frau Moschner gerade nicht für Tetra Pak kocht, dann tut sie es übrigens für andere.

Mit Dank an Olli.

DAPD, Tagesschau, Philipp Rösler

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Steckt der dapd in der Wachstumsfalle?”
(meedia.de, Daniel Bouhs)
Die Nachrichtenagentur DAPD meldet am Freitagmorgen, die Würth-Gruppe verlege ihren Konzernsitz in die Schweiz. Doch das stimmt so nicht, “eine freie Mitarbeiterin habe den E-Mail-Verkehr mit dem Konzern ‘falsch interpretiert’. Weil das Material in sich plausibel gewesen sei, habe auch das Vier-Augen-Prinzip beim Herausgeben der Texte nichts verhindert.”

2. “Auf Tagesschicht bei der Tagesschau”
(dradio.de, Jörn Klare)
Eine Reportage über den Produktionsprozess von Nachrichten bei der “Tagesschau”. Auch als Audio, 26:19 Minuten.

3. “Medialer Missbrauch”
(blogs.sueddeutsche.de, Johannes Boie)
Johannes Boie kommentiert die RTL2-Sendung “Tatort Internet”: “Während RTL2 und die Medienpartner Bild und Stern in der Berichterstattung über die Sendung suggerieren, dass damit ein Tabu gestützt werden soll, nämlich jenes, Kinder als Sexualobjekte zu sehen, werden tatsächlich während der Sendung Tabus gebrochen. Zuallererst jenes, auf Kosten sexuell misbrauchter Kinder Quote zu machen.”

4. “Politiker brauchen mehr Mut zu klaren Worten”
(welt.de, Philipp Rösler)
Gesundheitsminister Philipp Rösler meint, man sollte sich nicht wundern, “wenn Politiker alle gleich geschliffen, glatt und langweilig klingen”. “Zunehmend vermeiden Politiker aller Parteien Aussagen, die auch nur den Hauch einer möglichen Zuspitzung in sich bergen. Tun sie das nicht, führt die folgende Diskussion aufgrund vielerlei Überreaktionen zu einer völligen Verzerrung der eigentlichen Aussage.”

5. “BBC alters link guidelines for online articles”
(guardian.co.uk, Josh Halliday, englisch)
Die BBC ändert die Richtlinien für Links online: “Reporters must now link to primary sources such as articles published in scientific journals, rather than simply linking to the homepage of the journal.”

6. “indiana jones der kulinarik trifft gemüsefetischist in istanbul”
(henusodeblog.blogspot.com, bugsierer)
“Das Magazin” kündigt einen neuen Journalisten als “Indiana Jones der Kulinarik” an. Sein erster Text handelt vom “besten Restaurant der Welt”.