Der vom sportbegeisterten Milliardär Richard Branson (59, u.a. Besitzer des Formel-1-Teams Virgin Racing) gestiftete Pokal wirkt doch zu sehr wie eine in Metall gegossene Erektion.
So genau hatte man über die Anatomie der Mitarbeiter von Bild.de eigentlich nicht informiert werden wollen, aber darum soll es hier gar nicht gehen.
Die Verleihung eines “Riesen-Ständers” an den Tennisspieler John Isner nimmt Bild.de zum Anlass, in einer Bildergalerie die “hässlichsten Pokale der Welt” vorzustellen.
Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].
1. “Ware Schönheit” (zeit.de, Elisabeth Raether und Matthias Kalle)
Im “Zeit Magazin” ist ein langer Artikel zu den Verträgen rund um die Castingshow “Germany’s Next Topmodel” zu lesen. Keine, die bisher zum “Topmodel” gekürt wurde, sei heute Topmodel: “Die Gewinnerinnen sind ProSieben-Gesichter, Markenbotschafterinnen des Senders und der Show geworden.” Die Autoren sind bei der Recherche nicht auf Auskunftsbereitschaft gestossen: “Es scheint wie ein Kartell des Schweigens, mit festen, ungeschriebenen Regeln, und es verwundert, dass junge Frauen sich diesen Regeln unterwerfen, die im Leben eigentlich andere Optionen hätten.”
2. “Neulich im Propagandaministerium” (diepresse.com, Christian Ortner)
Christian Ortner stört es, dass der ORF die geplante Abschiebung von Arigona Zogaj als “Vertreibung” bezeichnet. “Das ist keine semantische Petitesse, sondern jene Methode der Manipulation, mit der normalerweise Propagandaministerien arbeiten: Wenn die Zogais ‘vertrieben’ werden, dann kann man genauso gut Osama Bin Laden einen ‘Freiheitskämpfer’ nennen.”
4. “Die Macht des Monopols” (20min.ch, Ronny Nicolussi)
Seit drei Monaten ist die SDA die einzige Nachrichtenagentur der Schweiz. Ex-AP-Schweiz-Mitarbeiter Ronny Nicolussi zieht ein Fazit.
5. “Der Reporter, der aus der Kälte kam” (blog.rhein-zeitung.de, Tim Kosmetschke)
Tim Kosmetschke über den Mann der ARD im “Mannschaftsquartier” der Fußball-Nationalmannschaft, Claus Lufen. “Es sind Orte wie Malente, Ascochinga und irgendwie auch Spiez, die die Fantasie deutscher Fußballfans beflügeln.”
Mit Dank an Florian Sch., Thomas P., Alex A., Alex Z. und Sarah K.
Nachtrag, 14.35 Uhr: Bild.de hat die Meldung durch einen ausführlicheren Artikel ersetzt und bei dieser Gelegenheit die “Gefällt mir”-Buttons entfernt.
Thorsten Dörting ist sich bei seiner TV-Kritik zum gestrigen WM-Spieltag auf “Spiegel Online” durchaus bewusst, dass er da gerade eine Grenze überschritten hat:
Wenn ein Journalistenschullehrer Namenswitze hört, meckert er, und wenn die Namenswitze unwitzig sind, dann tut der Journalistenschullehrer das gleich noch mal, aber das war jetzt nötig: Gerd Gottlob kommentierte das Spiel des Tages. Und, lieber Fußballgott, wir danken Dir dafür. Zack, der nächste schlechte Witz, wie übel ist das denn!?
Aber der Autor ist verzückt von der Unaufgeregtheit des Kommentators und dessen Einschätzung der Sachlage:
Gottlob hingegen war ganz norddeutscher Kommentator-Kühlschrank, ein Arbeiter im Garten des Sportsprech-Handwerks, ein Kerl, der zwar ein Wort wie “Wahnsinn” in den Mund nimmt, aber es so emotionslos ausspricht, dass Hal 9000 weinen würde vor Neid ob solcher Kälte (Wie gesagt, Sie haben sich ins Kulturressort verlaufen).
Irgendwann Mitte der ersten Halbzeit sagte Gottlob jedenfalls, dass man gar nicht mal so entspannt sein könne angesichts des Spiels der deutschen Mannschaft, und recht hatte er:
Man möchte Dörting in seinem (möglicherweise ironisch oder teil-ironisch gemeinten) Loblied auf den Reporter (“Viel Temperament, wenig Ahnung – das trifft auf so manchen Fußballreporter zu, nicht aber auf den ARD-Kommentator Gerd Gottlob”) ja kaum bremsen, aber es gibt da ein Problem:
Es heißt Tom Bartels und hat gestern im Ersten das Spiel Ghana – Deutschland kommentiert, wie uns die ARD-Sportredaktion auf Anfrage noch einmal bestätigte.
Das haben sie im Nachhinein auch bei “Spiegel Online” gemerkt und den Artikel sang- und klanglos noch ein bisschen viel irrer gemacht:
Zack, der nächste schlechte Witz, wie übel ist das denn!? Und noch dazu irreführend, weil Gerd Gottlob zwar der beste Kommentator der ARD ist, aber natürlich Tom Bartels das Spiel besprochen hat. […]
Herr Gottlob-Bartels hingegen war ganz Kommentator-Kühlschrank, ein aufrechter Arbeiter im Garten des Sportsprech-Handwerks, ein Kerl, der zwar ein Wort wie “Wahnsinn” in den Mund nimmt, aber es so emotionslos ausspricht, dass Hal 9000 weinen würde vor Neid ob solcher Kälte (Wie gesagt, Sie haben sich ins Kulturressort verlaufen).
Irgendwann Mitte der ersten Halbzeit sagte Herr Gottlob-Bartels jedenfalls, dass man gar nicht mal so entspannt sein könne angesichts des Spiels der deutschen Mannschaft, und recht hatte er:
Vorher:
Nachher:
Das muss dieser Qualitätsjournalismus sein, von dem man in letzter Zeit so viel hört: Sich erst bei der Suche nach einem Aufhänger vergreifen und diesen Unfug anschließend halbherzig zu korrigieren versuchen.
Mit Dank an C.S.
Nachtrag, 13.40 Uhr: “Spiegel Online” weist jetzt doch auf die Änderungen im Text hin. Mit dieser beeindruckenden … äh: Begründung:
Hinweis: Liebe Leser, in einer ersten Version dieser TV-Glosse wurde Gerd Gottlob als ARD-Kommentator des Spiels Deutschland gegen Ghana ausgewiesen. Dieses satirische Stilmittel führte allerdings viele von Ihnen in die Irre, so dass in der aktuellen Version korrekt auch Tom Bartels als Kommentator genannt wird.
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1. “Das kompakte Honorarfrei-Experiment” (gefuehlskonserve.de, Deef Pirmasens)
Freiberufler Deef Pirmasens will nicht während einem Tag für die “Welt Kompakt” arbeiten, weil er auf Anfrage per E-Mail erfährt, dass die Zeitung zwar gerne seine Arbeitsleistung zur Befüllung ihrer Spezialausgabe hätte, dafür aber nichts bezahlen möchte. Die Haltung hat sich inzwischen geändert, die angefragten Blogger sollen nun doch, “natürlich”, ein Honorar bekommen.
2. “Neuer Journalismus. Jetzt.” (kopfzeiler.org, Johannes Kuhn)
Johannes Kuhn stellt “elf Selbstverständlichkeiten zur Zukunft einer lädierten Profession” zusammen.
3. “Na, det flutscht doch” (holyfruitsalad.blogspot.com, creezy) Wie auch Frau Indica wünscht sich die “bekennende königliche Hochzeitguckerin” creezy Adelexperte Rolf Seelmann-Eggebert zurück – “immer schön, wenn behauptet wird, eine Königin sei ohne Gatten zur Hochzeit erschienen, während dieser gleichzeitig mit ihr über den Teppich läuft als auch auf dem Balkon beim Empfang zu sehen ist.”
4. “Der erste Borderline-Journalist” (epd.de, Diemut Roether)
Diemut Roether zum 100. Todestag von “early adopter” Mark Twain: “1874 soll er als erster Autor seinem Verlag ein maschinengeschriebenes Manuskript abgeliefert haben.”
5. “Nicht der Fußball ist schlecht, sondern das Fernsehen, das ihn zeigt” (sportal.de, Daniel Raecke)
Daniel Raecke stellt eine “mangelnde Urteilsfähigkeit der Journalisten” an der Fußball-WM fest. “Wenn ein englischer Keeper einen Fehler macht, dann deshalb, ‘weil er ein Engländer ist’, was jede Wetteransagerin im deutschen Fernsehen so wiedergeben könnte, weil sich in Deutschland trotz zweier durch Torwartfehler verlorenen WM-Finals (1986 und 2002) die feste Überzeugung hält, dass selbst Sascha Kirschstein besser sei als David James und der DFB ‘nie ein Torwartproblem’ haben werde.”
6. “Why the tabloids enjoy Wimbledon” (tabloid-watch.blogspot.com, englisch)
Tabloid Watch fragt sich, ob Boulevardmedien Frauentennis auch aus sportlichen Gründen wahrnehmen.
Manchmal ist es ganz leicht, an eine aufregende Geschichte zu kommen: Man muss sich nur ganz blöd stellen.
Heute macht sich in der “Bild”-Zeitung die Barack-Obama-Trainingspartnerin Judith Bonesky zum Horst und verkauft sich und ihre Leser für dumm, indem sie so tut, als habe die neue ZDF-Seifenoper “Lena”, die das ZDF vom Herbst an ausstrahlen wird, irgendetwas mit der gleichnamigen Sängerin und Grand-Prix-Gewinnerin zu tun, die sich so schrecklich unwillig zeigt, der “Bild”-Zeitung aufregende Geschichten von sich zu erzählen.
Bonesky schreibt:
Berlin/Köln — Von der Abiturientin zum Grand-Prix-Superstar: Der kometenhafte Aufstieg von Lena Meyer-Landrut (19, “Satellite”) hat ganz Deutschland verzaubert.
JETZT WIRD LENA ZUR TV-SEIFENOPER!
(…) Story: Hauptdarstellerin “Lena” trifft einen mächtigen Musikproduzenten. Der entdeckt ihre tolle Ausstrahlung, ihr großes Talent — ganz so wie Stefan Raab bei Lena …
Und wie in Lenas echtem Leben ist ist dies der Beginn einer märchenhaften Gesangskarriere: Lena erobert die Herzen ihrer Fans, wird zum Star!
Online trug der Artikel ursprünglich sogar die Überschrift “Jessica Ginkel spielt Grand-Prix-Lena in neuer ZDF-TV-Serie”.
In Wahrheit stand die Geschichte schon fest, bevor Lena überhaupt zum ersten Mal bei “Unser Star für Oslo” auftrat: Sie beruht auf der argentinischen Telenovela “Don Juan y su bella dama”. Und selbst der Name “Lena” für die Hauptperson ist keine nachträgliche Marketingidee: Schon im November 2009 berichteten deutsche Medien, dass die Produktionsfirma Endemol die Serie unter diesem Namen anbot.
Bestimmt weiß Frau Bonesky das sogar alles. Aber irgendwo müssen die geilen Lena-(Meyer-Landrut)-Geschichten ja herkommen!
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1. “Geiselnahme in Leipzig und die Medien” (konni.org, Konstantin Winkler)
Konstantin Winkler twitterte während einer Geiselnahme in einer H&M-Filiale in Leipzig: “Das Echo darauf war groß, ich bekam positives und negatives Feedback, einige Twitteruser, mit denen ich das Gespräch suchen wollte, hatten mich bereits geblockt. Andere wiederum empfahlen mir einen Job bei der BILD-Zeitung.”
2. “Stille-Post-Journalismus und Medusenhaupt-Effekt” (heise.de, Peter Mühlbauer)
Perez Hilton twittert über Miley Cyrus, worauf salon.com in einem Artikel auf rechtliche Konsequenzen aufmerksam macht. “Am Ende der journalistischen Stille-Post-Kette, in der Bild-Zeitung, machte man schließlich aus der Forderung von Kommentatoren, das FBI solle den Fall untersuchen, eine bereits begonnene Ermittlung.”
3. “Sein Feind war der ‘Tages-Anzeiger'” (tagesanzeiger.ch, Constantin Seibt)
Journalist Karl Lüönd erklärt das Witwenschütteln: “Es ist einfacher, als du denkst. Du brauchst etwa ein Foto von einem Opfer. Du gehst also zu den Angehörigen und erklärst ihnen, dass die Zeitung auf jeden Fall ein Bild bringen wird. Und dass es ein besseres Andenken wäre, wenn es ein schönes Bild wäre. Und nicht ein verwackeltes. Man kriegt dann selten die Tür vor der Nase zugeknallt. Die meisten sind sogar froh um deine Fragen. Denn die meisten Leute in Extremsituationen reden gern.”
4. “Vorm endgültigen Redaktionsschluss” (taz.de, Steffen Grimberg)
Steffen Grimberg sieht die Presseagenturen in einem Überlebenskampf. Das “alte Nachrichtenmonopol” sei gebrochen.
6. “‘BILD’ deckt deutsches WM-Aus auf” (westline.de)
Westline macht sich Gedanken über das von “Bild” erfundene “Trainer-Komplott” zwischen Ghana und Serbien.
Vielleicht sind Ihnen die neuen orange-grünen Schaltflächen unter den Einträgen aufgefallen: Seit einigen Tagen kann man BILDblog flattrn.
Der für solche Internet-Angebote typisch vokalarme Begriff kommt vom englischen to flatter: schmeicheln. Hinter “Flattr” steht der Versuch, ein System zu entwickeln, mit dem Menschen Internet-Angebote, die ihnen gefallen, finanziell unterstützen können — ohne jedesmal die Kreditkarte zücken oder größere Geldbeträge ausgeben zu müssen. Das zentrale Prinzip ist die Freiwilligkeit: Die Angebote bleiben kostenlos und verschwinden nicht hinter sogenannten Bezahlschranken.
Und so funktioniert’s: Man meldet sich bei “Flattr” an und legt fest, wie viel Geld man im Monat für gute Online-Beiträge ausgeben möchte. (Zur Zeit ist das Angebot noch in einer Probephase, in der man eine Einladung braucht oder sich um eine Warteliste setzen lassen muss — das soll aber inzwischen schnell gehen.)
Dann klickt man jedesmal, wenn einem etwas gut gefällt und sich ein Flattr-Knopf in der Nähe befindet, darauf. Am Ende des Monats wird dann das Budget, das man selbst bestimmt hat, unter den Dingen aufgeteilt, die man geflattrt hat. Wenn jemand zum Beispiel einen Betrag von 10 Euro im Monat festgelegt hat und 100 Sachen flattrt, ist jeder dieser Klicks zehn Cent wert. Zehn Prozent des Betrages geht an “Flattr” selbst.
Hinter all dem steckt natürlich die Hoffnung, dass viele kleine und kleinste Spenden auf diese Weise nennenswerte Summen für Produzenten von guten und beliebten Inhalten ergeben.
In Deutschland testen außer einer Vielzahl großer und kleiner Blogs auch die Internetseiten der “taz” und der Wochenzeitung “Freitag” Flattr. Und nun auch wir.