Archiv für April 8th, 2010

Indiras Heiße-SMS-Ausschlachtung gestoppt

Gestern hatten wir noch berichtetet, dass der TV-Moderator Jörg Kachelmann vor dem Kölner Landgericht gegen weitere Medien vorgehen wollte, heute wissen wir, wen es diesmal erwischt hat:

Eine einstweilige Verfügung erging gestern gegen Bild.de, das unter Berufung auf den “Focus” (dem diese Art der Berichterstattung schon vor zehn Tagen verboten worden war) Details aus den Ermittlungsakten wiedergegeben und auf Basis von Aussagen der Frau, die Kachelmann der Vergewaltigung beschuldigt, über das mögliche Strafmaß für den Wetterexperten spekuliert hatte.

Eine weitere einstweilige Verfügung erging gegen die gedruckte “Bild” und ihre gestrige Titelgeschichte:

50 heiße Flirt-SMS: So baggerte Jörg Kachelmann Popstar Indira an

Die Sängerin Indira Weis, die seit längerem ihr Privat- und Berufsleben in “Bild” ausbreitet, erklärte in einem halbseitigen Artikel und einem Video auf Bild.de, sie könne sich nicht vorstellen, “dass so ein charmanter und liebevoller Mann wie Jörg Kachelmann eine Frau vergewaltigt haben soll.”

Und wie charmant und liebevoll Jörg Kachelmann ihrer Ansicht nach ist, meinte die vor sieben Jahren aus der Castingband Bro’Sis ausgestiegene Sängerin mit einigen ihrer angeblich “50 heißen Flirt-SMS von Kachelmann” im Wortlaut belegen zu können bzw. müssen.

Die Pressekammer des Landgerichts Köln entschied gestern auf Antrag Kachelmanns, dass es “Bild” und Bild.de verboten ist, derart private SMS weiter zu verbreiten. SMS, “die zudem in keinerlei Zusammenhang mit den strafrechtlichen Vorwürfen gegen Herrn Kachelmann stehen”, wie Kachelmanns Anwalt Prof. Ralf Höcker betont.

Das Rechtsmittel der einstweiligen Verfügung kommt zum Einsatz, weil Bild.de bzw. die Axel Springer AG auf eine vorherige Abmahnungen hin keine Unterlassungserklärung abgegeben hatten. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung droht ihnen nun ein Ordnungsgeld von bis zu* 250.000 Euro. Zur Zeit sind die beanstandeten Artikel noch online.

*) Nachtrag / Korrektur, 12. April: Ein mögliches Ordnungsgeld muss nicht automatisch 250.000 Euro betragen. Dies ist vielmehr die festgelegte Obergrenze.
Bild  

Dennis Hopper von Paparazzo gestürzt

Es sind “erschütternde Bilder”, die “im Herzen wehtun” — und die “Bild” natürlich deswegen trotzdem zeigt:

Ausriss: "Bild"

Dennis Hopper (73), einer der größten Hollywoodstars der Filmgeschichte, bricht auf offener Straße zusammen.

Der Schauspiel-Gigant (“Easy Rider”, “Waterworld”) ist todkrank. Er leidet an Prostatakrebs im Endstadium, wiegt nur noch 45 Kilo. Als er sein Haus in Venice Beach verlassen will, verlässt ihn die Kraft. Er fällt. Hoppers Assistentin eilt zu Hilfe, stützt dem Hollywoodstar den Kopf.

Weil “Bild” selbst das Entstehungsdatum der Bilder nennt (“einen Tag bevor der Weltstar Ende März einen Stern auf dem ‘Hollywood Walk of Fame’ bekam”), lässt sich leicht überprüfen, dass die Geschichte von dem armen, kranken Mann, der einfach zusammenklappt, höflich ausgedrückt, eine riesige Unverschämtheit ist.

Bei eben dieser Veranstaltung erzählte Hopper nämlich, was wirklich geschehen war:

Er sei auf dem Weg zum Auto gewesen, erzählt der Schauspieler, als jemand seinen Namen gerufen habe. Weil ihm die Stimme bekannt vorgekommen sei, habe er sich umgedreht und dabei die Schwelle auf der Straße übersehen. Unter den Mitleidsbekundungen der Zuschauer fährt Hopper fort, dass er sich nicht habe abstützen können, weil er keine Muskeln mehr habe: “Ich fiel direkt auf mein Gesicht, mit der Brille in der Hand, ich war ziemlich übel zugerichtet.”

Dann wendet er sich an die Paparazzi, die er schon zu Beginn seiner Ausführungen angesprochen hatte: “Ich weiß, Ihr habt einen harten Job, aber ihr könntet manchmal ein bisschen feinfühliger sein.” Die Zuschauer stimmen ihm lautstark zu.

Mit anderen Worten: Wenn da nicht ein Fotograf gestanden hätte, der den krebskranken Mann verunsichert hat, wäre Hopper vermutlich nie gestürzt und es gäbe gleich doppelt keine “erschütternden Bilder”, die Bild und andere Medien der Fotoagentur des Paparazzo abkaufen konnten.

Auch “Bild” zitiert übrigens aus Hoppers Schilderungen des Zwischenfalls:

“Ich fiel direkt auf mein Gesicht, mit der Brille in der Hand”, sagte Hopper.

Man darf also davon ausgehen, dass sie auch den Rest seiner Erklärungen kennen.

Mit Dank an Dennis L. und Basti.

Mozart, Patalong, Westphal

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Die dpa als Gschichtldrucker über Mozart”
(kobuk.at, Hans Kirchmeyr)
Angeregt durch eine Bucherscheinung feiern die Medien altbekannte Fakten über Wolfgang Amadeus Mozart als Neuigkeiten. Mit dabei: Die Nachrichtenagentur dpa, die Online-Portale krone.at, tt.com, heute.at sowie die Tageszeitungen “Die Presse” und “Tagesspiegel”.

2. “Brustwarzen-Content”
(peterbreuer.wordpress.com)
Peter Breuer denkt nach über die “Bild”-Berichterstattung zu den Vorwürfen an Jörg Kachelmann: “Die Vergewaltigung selbst – ob sie stattgefunden hat oder nicht – wird zu einer harmlosen Spielart degradiert.”

3. “Der Militärzensor am Werk”
(andremarty.com)
André Marty liefert ein Bild der israelischen Zeitung “Yedioth Ahronot”, die ihre Seite 9 der Ausgabe vom 6. April an vielen Stellen schwärzen musste. Mehr zu den Hintergründen im Artikel “Enge Pressefreiheit in Israel” (nzz.ch, George Szpiro).

4. Interview mit Frank Patalong
(ruhrbarone.de, Stefan Laurin)
Frank Patalong, Redakteur bei “Spiegel Online”, glaubt, dass sich der “meinungsfreudige, beschreibende Journalismus aus den Online-Redaktionen positiv auf alle Medien ausgewirkt” hat. Zum Einsatz von Werbung sagt er: “Aufdringliche Werbeformen wünschen sich nicht die Medienmacher, sondern die Werbewirtschaft. Auch die muss lernen, dass sie sich mit solchen Formen selbst schadet.”

5. “Wikileaks und das Video”
(ndr.de, Video, 3:48 Minuten)
Deutsche Medien berichten nur zögerlich über den “US-Angriff auf zwei Journalisten vor drei Jahren”, der auf Wikileaks veröffentlicht wurde. Rüdiger Ditz von “Spiegel Online” und Kai Gniffke von der “Tagesschau” erklären, warum.

6. “Die Frank-Schirrmacher-Maschine”
(magda.de, Wolfgang Michal)
Wolfgang Michal porträtiert Frank Westphal, den Macher des Aggregators Rivva.