Jeder Journalistenschüler weiß, was eine Nachricht zur Nachricht macht: Prominenz, Nähe, Gefühl, Sex, Fortschritt, Folgenschwere, Konflikt, Kampf, Dramatik, Kuriosität. Je mehr dieser Nachrichtenfaktoren in einer Meldung zu finden sind, desto mehr Leser interessieren sich dafür, Auflagen steigen, Klickzahlen schnellen in die Höhe.
Und so erschien es fast wie ein Sechser im Boulevard-Lotto, als die Nachricht bekannt wurde, dass am Karfreitag eine Frauenleiche in der Nähe von George Clooneys Villa am Comer See gefunden wurde. Am 4. April titelt der Schweizer “Blick” in seiner Online-Ausgabe:
Dicht gefolgt von der Redaktion von Bild.de, die sich die Recherche gleich spart und kurzerhand die “Blick”-Geschichte nacherzählt:
Allein — zu dem Zeitpunkt hatte sich die Hälfte der Nachrichtenfaktoren bereits in heiße Luft aufgelöst: Die Frau war identifiziert, die meisten Spekulationen von der Polizei widerlegt. Und George Clooney, dessen Villa laut italienischen Medien “weniger als einen Kilometer”, laut Blick.ch und Bild.de nur “wenige Meter” vom Fundort entfernt steht, hatte offensichtlich rein gar nichts mit dem Fall zu tun. Die Leiche war mehrere Tage von der Strömung des Sees getrieben worden. Wie kann man also die Prominenz in der Meldung halten?
Der “Blick” wählt diesen kreativen Weg:
Bild.de ist weniger kreativ, aber plakativer:
In Punkto “Sex” gibt sich die “Blick”-Autorin besser informiert als alle anderen: Sie zitiert einen anonymen Ermittler, wonach das Opfer vermutlich “beim Sex” getötet worden sei — in der Überschrift wird aus der Spekulation flugs ein Fakt gemacht. Der ist dazu noch sehr exklusiv: In der italienischen Presse findet sich kein Hinweis auf den Geschlechtsverkehr, aber immerhin ein Hinweis, dass die offizielle Obduktion noch gar nicht stattgefunden hatte, als die grausamen Details in der Schweizer Boulevardzeitung (und unter Berufung darauf auch bei Bild.de) zu lesen waren.
Weniger einfallsreich zeigen sich die Boulevard-Journalisten bei den Nachrichtenfaktoren Dramatik und Gefühl – denn was ist dramatischer und nahegehender als die Bilder einer echten Leiche? Dass die Fotos nur zu Fahndungszwecken veröffentlicht worden waren und nach der längst erfolgten Identifizierung nicht mehr verwendet werden sollten, interessiert – wie gewohnt – weder Blick.ch, noch Bild.de. Schließlich geht es um den Leser die Auflage.
Mit Dank an Carlotta R.