Archiv für Juli 9th, 2009

Crash Test Dummies

Irgendeinen Grund wird Bild.de sicherlich gehabt haben, ausgerechnet jetzt mit einer solchen Geschichte anzukommen:

Der Tod fährt mit: Der schlimmste Crashtest aller Zeiten

Im Zweifelsfall war es einfach mal eine schöne Möglichkeit, ein beeindruckendes Video (ein “Fundstück”) zu zeigen, in dem ein Auto wie eine Ziehharmonika zusammengefaltet wird:

Auf dem Video ist zu sehen, wie ein Holden Commodore der ersten Generation von 1978 zu Testzwecken gegen die Wand fährt.

Der schlimmste Crashtest aller Zeiten! […]

Der Hammer: Beim Aufprall mit rund 60 km/h auf das feststehende Hindernis bricht die gesamte Konstruktion komplett zusammen.

Sucht man bei YouTube nach “worst car crash ever”, findet man unter den ersten Treffern ein Video, in dem ein Holden Commodore gegen eine Wand fährt. Also genauer: Das gleiche Video, das auch Bild.de zeigt, nur mit anderem Ton, ohne Off-Sprecher und natürlich ohne Bild.de-Logo oben rechts in der Ecke, hochgeladen am 11. Oktober 2008. (Wir kennen das ja: Das Internet ist ein rechtsfreier Raum.)

Bild.de scheint sich nur das Video bei YouTube besorgt zu haben, ignorierte aber die Fakten, die daneben stehen:

Der Test wurde 1992 durchgeführt und war Teil einer Serie von Tests um unsere Crashtest-Anlage in Betrieb zu nehmen. Es war ein Test des Fahrsystems, nicht des Autos.

Das Auto war ein Standard-Gebrauchtwagen, außer dass die Antriebswelle entfernt worden war, 300 kg Sandballast wurden im Fußraum und im Kofferraum platziert und ein Ballast-Dummy (75 kg) saß auf dem Rücksitz.

(Übersetzung von uns.)

Die Angaben erscheinen zumindest insofern vertrauenswürdig, als im Video kurz das Datum 09/06/92 auf der Testanlage zu sehen ist.

Dass es sich also um einen Test der Crashtest-Anlage mit einem älteren Gebrauchtwagen gehandelt hat, wäre ja vielleicht nicht ganz uninteressant zur Einschätzung der Bilder.

Noch interessanter wäre es natürlich, wenn die Leser von Bild.de wüssten, was noch bei YouTube steht:

Die Testgeschwindigkeit betrug 100 km/h in einen massiven Betonblock.

(Übersetzung von uns.)

Ganz “rund 60 km/h” also.

Mit Dank an Ingo H.

Nachtrag, 16:30 Uhr: Dank weiterer Leserhinweise hätten wir jetzt zwei Theorien.

Die eine betrifft die Frage, warum Bild.de das Video ausgerechnet jetzt online stellt: Das macht nämlich seit einigen Tagen die Runde durch diverse Autoblogs.

Die andere erklärt, wie Bild.de auf “rund 60 km/h” kommt: In einem amerikanischen Blog hatte man die 100 km/h in Meilen pro Stunde (mph) umgerechent:

The Commodore was reportedly crashed at 62 mph back in 1992 to to test the vehicle’s drive system, and not the car itself.

Und wenn man da nicht genau auf die Einheit achtet, hat man schnell einen Wert von “rund 60”. Nur halt nicht km/h.

Nachtrag, 10. Juli: Im Fließtext bei Bild.de ist jetzt von “rund 60 Meilen” die Rede (wobei Physiker sicherlich anmerken würden, dass das eine Strecke und keine Geschwindigkeit sei), im Video immer noch von “60 km/h”.

Lipp, Strehle, WAZ, Wahlversprechen

1. “WWW – unser liebstes Werkzeug”

(presseverein.ch/blog)

Eine Studie (PDF-Datei), die 596 Medienschaffende befragte, fand heraus, dass diese “heute wesentlich öfter und länger mit dem Internet arbeiten”: “Das Internet ist für Journalistinnen und Journalisten in der Schweiz ist als Quelle mittlerweile wichtiger als Tageszeitungen oder das persönliche Gespräch. Suchmaschinen und E-Mail sind für Medienschaffenden die wichtigsten Arbeitswerkzeuge.”

2. “WAZ denkt über Tabloid-Format nach”

(horizont.net, Jürgen Scharrer)

“Die Essener WAZ-Gruppe plant offenbar eine Zeitung im Tabloid-Format.” WAZ-Geschäftsführer Christian Nienhaus: “Unter dem Stichwort ‘U-Bahn-Zeitung’ haben wir das nach wie vor auf der Agenda.”

3. “Fall Schlatter: Protokoll der Hilflosigkeit”

(shn.ch, Robin Blanck)

Die Schaffhauser Nachrichten veröffentlichen Details aus dem E-Mail-Verkehr zwischen dem SF-Reporter Christian Lipp und dem unter Mordverdacht stehenden Erich Schlatter. Lipp an Schlatter: “Sei froh, dass du die nötigen Beruhigungsmittel (gemeint ist Geld, Anm. d. Red.) ratenweise bekommst. Wenn du das noch verbleibende Geld auf einen Schlag kassieren willst, von mir aus o. k. Aber dann rechne nicht mehr mit regelmässigem Nachschub aus dem Norden.”

4. Interview mit Res Strehle

(woz.ch, Daniel Ryser)

Einer der Chefredaktoren des Tages-Anzeigers gibt Auskunft über die zukünftige Ausrichtung des Blatts: “Wir können und wollen nicht Boulevardjournalismus betreiben. Wir sollten intelligenter werden, klüger, die analytischen Fähigkeiten erhöhen. Einfach gesagt: So klug sein wie die NZZ, aber zugänglicher.” Unter dem Interview findet sich ein “Kreativpapier”, das “bitte nicht als neues Konzept zu verstehen” ist.

5. “Die ‘Küsnachter Schläger’ und die Medien”

(medienspiegel.ch, Fred David)

“Als Medienkonsument erwarte ich zehn Tage nach einer Tat, die den Rahmen des ‘Üblichen’ in mehrfacher Weise dramatisch sprengt, mehr als wiederum diese einzelnen News-Bruchstückchen, die ich mir gefälligst selber zu einem Bild zusammenkleben soll. Diese Mühe machen sich Journalisten nicht mehr, ein Medienmuster, das immer mehr auffällt.”

6. “Steuern: Versprochen, gebrochen?”

(ndr.de, Video, 1:45 Minuten)

Die Sendung Zapp vergleicht den von deutschen Politiker vor den Wahlen versprochenen Abbau der Staatsschulden mit dem effektiven Ergebnis. Mit dabei: Hans Matthöfer (1978), Gerhard Stoltenberg (1989), Theo Waigel (1994), Hans Eichel (2002) und Peer Steinbrück (“Ja, wir schaffen die Null”).