Archiv für Juni, 2009

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Tornados wirbeln mehr Staub auf als früher

…fragen “Bild” und Bild.de heute und schreiben wie zur Antwort:

“Wir verzeichnen eine Zunahme der Tornados in Deutschland. In den vergangenen Wochen hatten wir schon 20 Stück. Im Vergleich dazu hatten wir zwischen 1990 und 2000 gerade einmal 100 Tornados”, erklärt Diplom-Meteorologe Karsten Brandt (35) von “donnerwetter.de die Tornado-Saison gegenüber BILD.de.

Der Meteorologe und Wirbelsturmexperte Thomas Sävert, der auch eine deutsche “Tornadoliste” führt, schreibt uns dazu: “An diesem Absatz ist alles falsch. Wir verzeichnen keine echte Zunahme der Tornados in Deutschland, es wird einfach mehr beobachtet. Ob es einen tatsächlichen Trend gibt, weiß noch niemand, auch Herr Brandt nicht. Bisher sind aus diesem Jahr rund 10 (nicht 20) Tornados bei uns bekannt, und zwischen 1990 und 2000 gab es weit mehr als 150 Tornados, von denen man bisher weiß. Der zitierte Herr Brandt ist kein Diplom-Meteorologe und schon gar kein Tornadoexperte.

Falsch sei auch folgende Beschreibung:

Das Phänomen werde durch große Druckunterschiede verursacht und trete plötzlich und nur kurzzeitig am Rand von Gewitterzonen auf, anders als die über größere Strecken wandernden Tornados in den USA. Eine Vorhersage sei daher praktisch unmöglich, so [der Meteorologe Günther] Fleischhauer.

Sävert sagt: “Es gibt keinen Unterschied zwischen Tornados in den USA und Tornados in Deutschland. Die meisten sind nur schwach und kurzlebig, auch in den USA. Sie können hier bei uns genauso stark sein wie in den Staaten.”

Und dann auch noch die “Tornado-Karte der Leser-Reporter” von Bild.de: Von den derzeit neun eingetragenen Fällen aus Deutschland, seien nur drei Fälle bestätigte Tornados — alle anderen seien entweder noch nicht genauer untersucht oder sogar nur harmlose Staubteufel auf Sportplätzen. Säverts Fazit: “Hier wird selbst aus dem kleinsten Staubwirbel ein Tornado gemacht.”

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Ein Gewinn für die Tonne

Oh ja, “ausgerechnet” (O-Ton “Bild”) Jakob Augstein lobt die “Bild”. Das Blatt zitiert den Herausgeber Verleger der Wochenzeitung “Freitag” aus einem Interview in der “Frankfurter Rundschau”:

“Jeden Tag eine BILD, das macht total Sinn. Ich glaube, dass ich über das, was tatsächlich in der Gesellschaft los ist, aus der BILD mehr erfahre als aus der ‘Süddeutschen’.”

Weswegen “Bild” sofort ein “Stimmt!” hinzufügt und ihn heute zum “Gewinner des Tages” macht.

Übrigens, Augstein sagte in diesem Zusammenhang sogar noch mehr:

“Jeden Tag eine Bild, das macht total Sinn, weil das Boulevard ist, großflächig, flashig, das kriegen Sie nur mit Papier hin. Die kaufen Sie für kleines Geld, blättern sie einmal durch und stecken sie dann in die nächste Mülltonne.”

Mit Dank an Thomas L.!

Salesch, Jarvis, Kiewel, Gema

1. Interview mit Jeff Jarvis

(medialdigital.wordpress.com, Ulrike Langer)

Journalistikprofessor Jeff Jarvis ist dafür, dass “jeder Journalist in jeder Redaktion” die neuen Recherche-Möglichkeiten, die das Internet bietet, beherrscht: “Dann verstehen Journalisten auch, warum die Welt solche Dinge benutzt. Der Grund ist: Weil es einfach ist.”

2. “Die Elite im Talk”

(faz.net, Jürgen Kaube)

Eine saubere Analyse des aktuellen Stands von Politikdebatten im deutschen Fernsehen: “(…) es handelt sich gar nicht um Journalismus. Der Aufklärungsaspekt ist nachrangig, nur ein Mittel. Es geht vielmehr um Auftritte, die verschafft werden, also um Werbung, um Personen, die vorgeführt werden sollen, also um Unterhaltung, und um die Selbstinszenierung eines Mediums, das beides nicht zugeben darf.”

3. “Wieso Andrea Kiewel wieder dick im Geschäft ist”

(welt.de, Antje Hildebrandt)

“Andrea Kiewel ist nach dem Schleichwerbe-Skandal um einen Diät-Anbieter wieder gut im Geschäft. Sie moderiert den ZDF-‘Fernsehgarten’ und nun auf RTL ausgerechnet eine Sendung über Rechtsirrtümer. Wie es die geschasste Moderatorin schafft, ihren Fauxpas in einen PR-Coup zu verwandeln.”

4. “Urheberrecht: Das Ende der Wild-West-Manier”

(zeit.de, Daniel Bouhs)

Daniel Bouhs stellt Software vor, die “flächendeckend nach Plagiaten fahndet”. Der Diebstahl von Texten werde so erschwert – auf “Textdiebe” komme eine “Welle von Abmahnungen und Rechnungen” zu.

5. “Verlage planen Gema für Onlinetexte”

(ftd.de, Lutz Knappmann)

“Seit Jahren suchen Verlage nach Internet-Erlösmodellen jenseits der Werbung. Nun gibt es konkrete Ideen: Eine Art ‘Inkassobüro’ soll Leistungsschutzrechte ähnlich wie bei Musik geltend machen. Auch eine ‘Kultur-Flatrate’ als Zuschlag auf die DSL-Gebühr wird diskutiert.”

6. Gerichtsshows und ihre Auswirkungen auf die Realität

(faz.net, Melanie Amann)

Noch ein nachgereichter Artikel aus der FAS vom letzten Sonntag. Es stehen Zitate gegeneinander. Fernsehrichterin Barbara Salesch: “Wir vermitteln Justiz mit dem Mittel der Unterhaltung. Die ganze Sendung läuft nach deutschem Prozessrecht ab. Ich bin ja weiter Vorsitzende einer Strafkammer und habe einen Ruf zu verlieren.” vs. Johannes Nüsse, Vorsitzender einer großen Strafkammer am Landgericht Dortmund: “In einer Folge gab es 26 Punkte, die anders liefen als in echten Verfahren”.

Gut erhaltenes Hochhaus (fast) zu verschenken

Sie haben zufällig ein paar Euro auf der hohen Kante? Wir hätten da einen Anlagetipp, der ist mindestens so seriös wie das, was Sie in Banken angeboten bekommen: Kaufen Sie doch mal ein Hochhaus — sowas gibt’s momentan ganz besonders günstig. Aktuell beispielsweise: Hochhaus in allerbester Lage in New York City, wenige Schritte vom Museum of Modern Art entfernt, Central Park in unmittelbarer Reichweite, 40 Stockwerke für nur sagenhafte 100.000 Dollar. Ein echtes Schnäppchen, greifen Sie zu: Das komplette Stockwerk für gerade mal läppische 2.500 Dollar! Wenn Sie bitte vergleichen wollen: Dafür bekommen Sie in München eben mal einen Quadratmeter Eigentumswohnung, aber auch nur dann, wenn Sie Glück haben und nicht gerade in bester Lage wohnen wollen.

Sie misstrauen diesem Angebot ein wenig? Recht haben Sie, denn das, was die “Süddeutsche Zeitung” heute mit dem Zusatz: “kein Einzelfall” groß berichtet (und außerdem die Online-Kollegen von der “Neuen Zürcher Zeitung”, “Focus”, “Rheinischer Post” und “20 Minuten”) — ist natürlich blanker Unsinn.

Das Hochhaus, das gerade in New York verkauft wurde, ist zwar nicht mehr die 500 Millionen wert, die es mal gekostet hat. Einen Preisverfall von rund 99,8 Prozent muss man aber nicht mal in dieser Krise befürchten.

Tatsächlich war die Geschichte so, dass der bisherige Eigentümer einen bestehenden Kredit nicht mehr bedienen konnte. Der Deal, auf den sich der Käufer des Gebäudes einließ, war der folgende: Man bot als Kaufpreis lediglich das Mindestgebot von 100.000 Dollar, verpflichete sich aber zugleich zur Übernahme der auf dem Gebäude lastenden Hypothek. Das sind stolze 240,1 Millionen Dollar (im Detail ist das hier nachzulesen).

Dieser nicht ganz unwesentliche Teil, der aus einem Schnäppchen dann doch eine schwere, nun ja: Hypothek macht, fehlt in der Meldung, die die Nachrichtenagentur AP über den Verkauf verbreitete. Und die “Süddeutsche” und die anderen schienen nicht einmal zu stutzen über das unglaubliche Angebot.

Ist es übrigens dann tröstlich, wenn auch amerikanische Blätter nachdrucken ohne nachzudenken?

Mit Dank an O.S.!

Nachtrag, 11. Juni: In allgemeiner Form findet sich in den Meldungen doch ein Hinweis auf die Hypotheken. Im drittletzten Absatz heißt es: “Deshalb verkaufen sie die Bürohochhäuser teils erheblich unter Wert mit der Bedingung, dass der Käufer die damit verbundene enorme Schuldenlast übernimmt.” Danke an den Hinweisgeber!

Redaktion “ernüchtert” über Zeitkontinuum

— Ein Gastbeitrag von Stefan Sichermann

Grandios! Ein neuer Bericht der Integrationsbeauftragten der Bundesregierung zur Integration von Migranten zeigt auf, dass die Redaktion von “Spiegel Online” lieber nicht über die mangelnde Schulbildung ausländischer Mitbürger schreiben sollte.

Der “Spiegel Online”-Artikel mit dem nüchternen Titel “Arm, arbeitslos und ohne Bildung” wird eingeleitet mit folgenden Zeilen:

(...) Die Bundesregierung hatte sich viel vorgenommen. Mit dem "Nationalen Integrationsplan" von 2007 sollten Ausländer und Menschen mit Migrationshintergrund endlich voll in die deutsche Gesellschaft eingegliedert werden. Mehr als 400 Einzelmaßnahmen und Selbstverpflichtungen sollten zu diesem Ziel beitragen. Doch jetzt, zwei Jahre später, folgt die ernüchternde Zwischenbilanz: (...)

Da sich der Bericht der Bundesregierung jedoch vollständig auf Zahlen aus den Jahren 2005 bis 2007 stützt (steht im selben Artikel), hat “Spiegel Online” also tatsächlich herausgefunden, dass es der “Nationale Integrationsplan” von 2007 nicht vermochte, seine ehrgeizigen Ziele bereits in den Jahren vor seiner Verabschiedung zu erreichen.

Offensichtlich greifen also die “Richtlinien für genaue Recherche”, die das Blatt unseren Informationen zufolge im Jahr 2011 aufstellen wird, noch nicht.

Nachtrag, 11. Juni. “Spiegel Online” hat den Bezug zum “Nationalen Integrationsplan” entfernt und eine Korrektur veröffentlicht.

Schwein gehabt

Die “Süddeutsche Zeitung” hat mit einem Mann gesprochen, der sich in den USA mit der Schweinegrippe infiziert hatte:

Hatten Leute Angst vor Ihnen?
Ich glaube nicht. Aber viele Menschen werden sehr neugierig. Das hat mich geärgert, vor allem auch, weil eine Menge Berichte Unwahrheiten enthielten. Die Bild-Zeitung schrieb zum Beispiel online in Bezug auf mich: “Er darf das Krankenhaus verlassen.”

Wo ist das Problem dabei?
Ich war nie im Krankenhaus.

Call-In, Augstein, Weinjournalismus

1. “ProSiebenSat.1 setzt bei Call-In jetzt auf Minderjährige”

(dwdl.de, Thomas Lückerath)

“Was für eine peinliche Niederlage der Landesmedienanstalten. Mit deren Segen veranstaltet 9Live seit Montag offenbar aufgrund fehlender Werbespots jetzt auch im Tagesprogramm von ProSieben und kabel eins Call-In-Gewinnspiele in den Werbepausen. Auch Minderjährige dürfen teilnehmen. Bei 9Live heißt es, das sei ein einwöchtiger Test.”

2. Interview mit Jakob Augstein

(fr-online.de, Jakob Buhre und Felix Kubach)

Jakob Augstein, Verleger von Freitag und freitag.de, glaubt, dass “die deutsche Medienlandschaft heute von einer großen Einheitlichkeit geprägt ist. Die Medien haben sich sehr stark im Ton angeglichen, in der Themenwahl, auch in der Temperatur, wie sie ihren Lesern begegnen, was sie ihnen noch zumuten wollen und was lieber nicht mehr.”

3. “Quo vadis Weinjournalismus?”

(weinakademie-berlin.de, Michael W. Pleitgen)

“Die Symbiose von Anzeigen und originärem ‘Content’ ist immer enger geworden. Bis hin zur Un-Unterscheidbarkeit. So gab es letzthin zu 128 Seiten von Deutschlands bestem Food-Magazin (Werbeanteil 35%) noch mal 100 Seiten Gourmetshop-Versandkatalog gratis. Und der Katalog segelt dann unter der Flagge des Magazins. Zeitschrift mit Beilage oder Beilage mit Zeitschrift? Irgendwann können es dann vielleicht die Versandhändler genausogut oder besser.”

4. “Kurras, Springer und die Stasi”

(sueddeutsche.de, Hans Leyendecker)

Hans Leyendecker merkt an, dass die je 50.000 Mark der Verleger Augstein und Bucerius nicht in die Kampagne “Enteignet Springer” geflossen seien, sondern an das “Institut für Gegenöffentlichkeit”: “Für die Enteignet-Springer-Kampagne oder für das geplante Tribunal zahlten beide Verleger nach den vorliegenden Unterlagen keine Mark. Sie weigerten sich sogar, die Veranstaltung zu unterstützen. In einem dreiseitigen Brief hat Augstein den Bittsteller Schneider abfahren lassen.”

5. “Online-News, mal anders”

(axel-springer-akademie.de/blog, Markus Hofmann)

“Zweispaltiges Layout, Content links, Sidebar rechts – fast alle deutschen Nachrichtenseiten wählen die gleiche Architektur, um ihre Inhalte zu präsentieren. Dabei gibt es eine Reihe alternativer Ansätze, Online-News zu visualisieren.”

6. “Piraten mit Entertaste”

(blog.aphex3k.de, Michael Henke)

Michael Henke ärgert sich über einen Mini-Artikel in der Stuttgarter Zeitung: “Sie beweisen mit diesen 7 Sätzen ein hohes Maß Borniertheit und dass sie keine Ahnung in Bezug auf das Thema haben. Recherche scheint auch keine stattgefunden zu haben, stattdessen werden nachgeplapperte und aufgeschnappte Halbwahrheiten zu einem unhaltbaren Ganzen zusammengewürfelt.”

Einmal Internetsperren und zurück

Dieter Wiefelspütz ist innenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion und ein streitbarer Mann.

Die “Berliner Zeitung” titelte am Samstag:

Wiefelspütz für Ausweitung von Internetsperren - SPD-Politiker will an Gesetz zu Kinderpornos anknüpfen

Die Nachrichtenagenturen:

“Wiefelspütz will noch mehr Internetsperren” (AP)

“Innenexperte plädiert für weitere Internet-Sperren” (Reuters)

“Wiefelspütz für Ausweitung von Internetsperren” (AFP)

“Wiefelspütz für weitere Internetsperren” (dpa)

Die führenden Nachrichtenagenturen verbreiteten die Nachricht (s. Kasten) und der Aufschrei der Netzgemeinde war gewaltig.

Wiefelspütz habe in Aussicht gestellt, die geplante Sperrung kinderpornographischer Inhalte im Internet auch auf andere Inhalte auszuweiten, schrieb die “Berliner Zeitung” und ließ den Politiker zu Wort kommen:

“Natürlich werden wir mittel- und längerfristig auch über andere kriminelle Vorgänge reden”, sagte der SPD-Innenpolitiker Dieter Wiefelspütz der Berliner Zeitung. “Es kann doch nicht sein, dass es im Internet eine Welt ohne Recht und Gesetz gibt.” Er könne sich vorstellen, so Wiefelspütz, auch Seiten mit verfassungsfeindlichen oder islamistischen Inhalten zu blocken: “Eine Zeitung darf ja auch keinen Mordaufruf veröffentlichen.”

Auf seine Forderungen angesprochen, erklärte Wiefelspütz am Samstag auf dem Bürger-fragen-Volksvertreter-antworten-Portal abgeordnetenwatch.de:

Der Bericht der Berliner Zeitung überrascht mich nicht nur. Ich halte den Artikel für eine bösartige Fälschung meiner Auffassungen. So etwas ist mir bislang nicht untergekommen. Der Bericht gibt an keiner Stelle meine Meinung wieder, schon gar nicht die Auffassung der SPD. Was die Berliner Zeitung mir in den Mund legt, ist nahezu komplett Schwachsinn. Keine Silbe ist von mir autorisiert. Ich werde mich baldmöglichst an die Chefredaktion der Berliner Zeitung zwecks Richtigstellung wenden. Zu dem groben politischen Unfug, den die Berliner Zeitung mir andichtet, bin ich nicht fähig.

Inzwischen hat sich Wiefelspütz mit dem Journalisten “versöhnt”, wie er uns gegenüber angab.

Entsprechend titelte die “Berliner Zeitung” gestern:

Wiefelspütz will keine Zensur im Internet - SPD-Innenpolitiker fühlt sich missverstanden

Auf Anfrage von BILDblog erklärte der SPD-Politiker, er sei “sehr verärgert” gewesen über die “sehr verkürzte Darstellung”, die ihn in ein “völlig falsches Fahrwasser” gedrängt habe (im Gespräch mit “RP Online” war Wiefelspütz am Wochenende noch “stinksauer” gewesen).

Wer Positionen vertrete, wie sie ihm die “Berliner Zeitung” untergeschoben habe, “den würde ich massiv kritisieren”. Weder er noch seine Partei hätten irgendwelche Ambitionen, die Internetsperren, die Wiefelspütz als “Notbehelf” bezeichnete, auf irgendeinen Bereich außerhalb von Kinderpornographie auszuweiten.

Wie aber kann es passieren, dass ein Politiker laut einer Zeitung Dinge fordert, die seinen eigenen Ansichten laut eigener Aussage widersprechen?

Wiefelspütz glaubt nicht, dass ihm jemand absichtlich schaden wollte. Der Journalist der “Berliner Zeitung” erklärte die Situation damit, dass er in einem indirekten Zitat aus den “strafrechtlich relevanten” Inhalten, von denen Wiefelspütz gesprochen hatte, “verfassungsfeindliche oder islamistische” gemacht habe.

Und da besteht in der Tat ein großer Unterschied: Verfassungsfeind oder Extremist darf in Deutschland jeder sein, solange er keine Gesetze verletzt. Das stellte Wiefelspütz auch anschließend noch einmal klar.

Und die Überschrift? Der Reporter der “Berliner Zeitung” will Wiefelspütz bei dessen “markigen Äußerungen” ursprünglich so verstanden haben, dass dieser die Internetsperren als ultima ratio auf andere Bereiche ausweiten wolle. Inzwischen glaube er Wiefelspütz aber, dass dieser keine weiteren Sperren anstrebe.

Ein Missverständnis. So einfach ist das manchmal.

Mit Dank auch an Sven und André G.

Atlantische Fußballfeldausläufer

Variables Standardmaß

“Die Alpe di Siusi ist nun mal ein so schönes Stück alpiner Kulturlandschaft, ein so bedacht erschlossenes Naturgebiet auf 8000 Fußballfeldern Größe, dass man ihr auch das touristischste Großereignis nachsieht.”
(“Berliner Zeitung”, 16.5.09)

Die unter dem Namen “Raststätte Elbmarsch” geplanten Mega-Parkplätze sollen je Fahrtrichtung 120.000 Quadratmeter umfassen (…). Der Flächenbedarf entspricht sowohl für die Raststätte Ost wie auch für die Westseite jeweils zwölf Fußballfeldern.
(“Welt”, 4.5.09)

Die Gartenschau findet auf insgesamt 300 000 Quadratmetern statt (30 ha). (…) Von der Gesamtfläche sind knapp die Hälfte Rasenflächen — in der Größe von zirka 20 Fußballfeldern.
(“Tagesspiegel“, 24.4.09)

Das KaDeWe in Zahlen & Fakten: Die 60 000 Quadratmeter Verkaufsfläche entsprechen neun Fußballfeldern.
(“B.Z.”, 20.4.09)

Auf 66 000 Quadratmetern, das entspricht der Größe von acht Fußballfeldern, so Tropical Islands, gibt es den größten Indoor-Regenwald der Welt und Europas größte tropische Sauna-Landschaft sowie 200 Meter Sandstrand.
(“Berliner Morgenpost”, 3.02.09)

Gestern wurde der neue Super-Hangar von “Air Berlin” am Flughafen eingeweiht — und der sprengt alle bisher gekannten Dimensionen: 220 Meter lang, 90 Meter breit und 31 Meter hoch. Die Grundfläche entspricht der Größe von drei Fußballfeldern!
(“Express”, 29.4.09)

Heute stehen 1,5 Mio. Quadratmeter (qm) Bürofläche in Frankfurt leer, das entspricht in etwa der Fläche von 219 Fußballfeldern
(“Handelsblatt”, 30.1.09)

Jedes Storchenpaar benötige in der Nähe seines Horsts feuchtes Grünland in der Größe von 26 Fußballfeldern, um seine Brut satt zu bekommen.
(“Die Welt”, 6.3.09)

Er bewohnt Zimmer in der Größe halber Fußballfelder.
(“Berliner Zeitung”, 12.1.09)

Dann gebe es aber auf dem 16 000 Quadratmeter großen Tierheimgelände — 30 Fußballfelder würden hineinpassen — für weitere Bauten kaum noch Reserveflächen.
(“Berliner Morgenpost”, 4.01.09)

Wenige Monate später kam er nach Majdanek, ein KZ am Rande der Stadt Lublin auf einer Fläche so groß wie 380 Fußballfelder.
(“Der Spiegel”, 16.3.2009).

Die journalistische Standardmaßeinheit für alles, das größer ist als eine Handtasche und kleiner als Russland, ist das Fußballfeld. Das folgt der Logik, dass die meisten Menschen schon mal eines gesehen (oder sogar drauf gestanden) haben und sich deshalb ganz gut vorstellen können, wie groß so ein Platz ist, und beruht auf der etwas gewagten Annahme, dass wer sich eines vorstellen kann, sich auch viele vorstellen kann. Mathematisch heikel wird die Sache dadurch, dass die Größe eines Fußballfeldes gar nicht genau definiert ist — in der Regel aber sind es 68×105 Meter, also 7.140 m2, 0,714 Hektar oder 0,00714 km2.

Wirklich vorstellen können sich anscheinend aber auch Journalisten nicht mehr als höchstens zwei Handvoll Fußballfelder:

Doch zu Beginn der Suchaktion war das Absturzgebiet völlig unklar. So konzentrierten sich die Bergungsarbeiten auf ein gigantisches Gebiet: 6000 Quadratkilometer (etwa 750 Fußballfelder).

Beim Überschlagen hätte natürlich jemandem bei Bild.de auffallen können, dass die herbeizitierten Fußballfelder exakt 8 km2 groß wären. Oder, um es auf journalistisch zu sagen: etwa so groß wie 1120 Fußballfelder.

Mit Dank an die vielen Hinweisgeber!

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