Archiv für Mai 20th, 2009

Statistik, gewürzt mit ein wenig Dramatik

Für “Spiegel Online” sind sie kaum noch zu unterscheiden: Links- und rechtsextreme Autonome bereiten den Sicherheitsbehörden wachsende Probleme…

…oh, Verzeihung, dieser Satz, den Sie gerade gelesen haben, der stand natürlich nirgens so. Richtigerweise muss es heißen:

Für die Polizei sind sie kaum noch zu unterscheiden: Links- und rechtsextreme Autonome bereiten den Sicherheitsbehörden wachsende Probleme.

So beginnt “Spiegel Online” eine Geschichte über den neuen Bericht des Verfassungsschutzes, die ein erstaunlich symmetrisches Bild zeichnet: Die Gewaltbereitschaft nehme “in beiden Lagern dramatisch zu”. Nach einigen szenischen Schilderungen von Gewaltexzessen auf beiden Seiten, die jeweils zu dem Schluss führen, es handle sich um eine “neue Qualität der Gewalt”, stellt der Text in eigenen Kapiteln die exakten Erkentnisse für die Gewalt aus verschiedenen Lagern vor. “Zunehmendes Gefahrenpotential” attestiert der Autor in einer Zwischenzeile dem linksradikalen Lager und belegt dies — mit einem Rückgang der Gewalttaten von 15,8 Prozent. Zwar sind die Straftaten insgesamt um 13 Prozent gestiegen, doch zu den Straftaten zählen auch beispielsweise Sachbeschädigungen. Ohne irgendetwas verharmlosen zu wollen: Zwischen einer Sachbeschädigung und einem Gewaltdelikt ist schon noch einmal ein Unterschied. Wie man aus einem Rückgang der Gewalttaten eine “dramatisch zunehmende Gewaltbereitschaft” und eine “neue Qualität der Gewalt” ableiten kann, ist schon erstaunlich.

Mit Dank an Daniel S.!

Bild.de, n-tv, RTL  etc.

Medien erklären Patrick Swayze für tot

Gegen halb sieben gestern Abend haben RTL, n-tv und Bild.de Patrick Swayze sterben lassen. RTL berichtete in seinem Magazin “Exclusiv” vom Tod des krebskranken Schauspielers und sendete gleich einen Nachruf:

Der Schwestersender n-tv hatte zuvor ins laufende Programm die Breaking News eingeblendet: “US-Medien: Patrick Swayze stirbt an Krebs”, meldete auf Twitter: “Der amerikanische Schauspieler stirbt nach langer schwerer Krankheit” und ließ sich den Tod von seiner Korrespondentin in New York bestätigen. Bild.de brachte die Meldung (“US-Schauspieler Patrick Swayze ist an Bauchspeicheldrüsenkrebs gestorben”) unter Bezug auf n-tv, n-tv nannte daraufhin “Bild” als Quelle.

Eine echte, verlässliche Quelle hatten sie alle nicht. Die Nachrichtenagentur dpa meldete um 18.54 Uhr, sie bemühe sich um eine Bestätigung, aber: “Zur Zeit gibt es dafür keine Quellen in den USA”. Um 19.10 Uhr MESZ veröffentlichte die amerikanische Zeitschrift “People” auf ihrer Homepage das Dementi einer Sprecherin Swayzes, um 19.29 Uhr berichtete dpa darüber.

Die Falschmeldung haben in Deutschland unter anderem auch die Online-Auftritte von “B.Z.” (“Patrick Swayze ist tot”), “Express” (“Patrick Swayze ist tot”), RTL (“Patrick Swayze ist tot”) und “Rheinischer Post” (“Patrick Swayze offenbar gestorben”) verbreitet.

Mehr zum Thema:

Kermani, Microsoft, Google

1. Einspruch der NZZ gegen die Jury des hessischen Kulturpreis
(nzz.ch, Markus Spillmann)
Markus Spillmann, Chefredaktor der NZZ, hat einen Brief an Hessens Ministerpräsident Roland Koch verfasst. Darin äussert er Besorgnis und Unverständnis über die Aberkennung des hessichen Kulturpreises an Navid Kermani. Auslöser der Aberkennung ist ein Artikel Kermanis in der NZZ und die Reaktion von Kardinal Lehmann. Die dazu passenden Fragen stellt Martin Mosebach in der FAZ.

2. Was Medien von Microsoft lernen können
(blog.agoeldi.com, Andreas Goeldi)
Andreas Goeldi widerspricht der Meinung, dass Medien mit Micro-Payments erfolgreich sein werden. Goeldi schlägt vor, die User nicht für einzelne Artikel sondern für attraktive Pakete bezahlen zu lassen. Vorbild ist für ihn hierbei Microsoft mit dem Office-Paket.

3. Twitter und Facebook verringern Abhängigkeit von Google
(faz-community.faz.net, Holger Schmidt)
Holger Schmidt, besser bekannt als Netzökonom, analysiert eine Studie des Marktforschungsunternehmens Hitwise. Er kommt zu der Erkenntnis, dass schon heute mehr und mehr Traffic auf Medienseiten über Twitter und vor allem Facebook generiert wird. Die führe, bei konsequenter Nutzung, vor allem zu einer sinkenden Abhängigkeit von Google.

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