Archiv für April 21st, 2009

Additionsunglück im TV-Zeitschriften-Markt

Im ersten Quartal dieses Jahres müssen die Menschen plötzlich ihre Liebe zu Fernsehzeitschriften wieder entdeckt haben.

Die Online-Ausgaben der Medien-Fachzeitschriften “Werben & Verkaufen” und “Horizont” berichteten in der vergangenen Woche, dass die Programmtitel im ersten Quartal insgesamt “ein Auflagenplus von knapp zehn Prozent” verzeichnet hätten bzw. das Segment “mit plus 9,9 Prozent insgesamt gut performt”. “Werben & Verkaufen” fiel immerhin auf, dass das erstaunlich ist, wo doch die “Dickschiffe” Auflage verloren, (v)erklärte die Differenz aber mit dem Zuwachs bei einem kleineren Titel.

Dabei gibt es für das plötzliche Wachstum eine ganz einfache Erklärung: Es existiert nicht. Es ist nur so, dass der Burda-Verlag seine Zeitschriften “TV Spielfilm” und “TV Today” zu einer neuen Kombination zusammengelegt hat. Deren Auflage taucht in der offiziellen Tabelle bei 2009 auf, die Einzeltitel fehlen aber bei 2008:

In Wahrheit ist die Zahl der verkauften TV-Zeitschriften im ersten Quartal deutlich gesunken.

Auf dem rechten Auge und so

Es gehört eine gewisse Kunstfertigkeit dazu, über den Bericht des Bundesinnenministeriums über die Zunahme politisch motivierter Straftaten zu berichten, ohne rechte Gewalt zu erwähnen — aber Bild.de hat es geschafft. Die schlechten Zahlen, die Wolfgang Schäuble gestern vorstellte, rückt das Online-Angebot der “Bild”-Zeitung vollständig in den Zusammenhang mit der Serie von (womöglich linksextrem motivierten) Brandstiftungen in Berlin und der bevorstehenden Demonstrationen zum 1. Mai, von denen Bild.de jetzt schon weiß, dass sie den “Höhepunkt der Gewalt” darstellen werden.

Liest man den Bericht von Bild.de, scheint politisch motivierte Gewalt in Deutschland vor allem ein Problem mit linken Chaoten und Kriminellen zu sein. Bild.de erwähnt nicht, dass sowohl rechte Kriminalität insgesamt, als auch rechte Gewalttaten im vergangenen Jahr am stärksten zugenommen haben. Und Bild.de erwähnt nicht, dass die Polizei dreimal so viele rechte wie linke Straftaten zählte.

Warum Bild.de sich ausschließlich auf die Gewalt von links konzentriert, darüber darf man spekulieren. Tatsache ist, dass “Bild” nicht zum ersten Mal ein Problem damit hat, die Zunahme rechter Gewalt zur Kenntnis zu nehmen. 2006 behauptete das Blatt exklusiv und vorab, die Zahl der Gewalttaten mit einem rechtsextremen bzw. fremdenfeindlichen Hintergrund sei im Vorjahr “offenbar zurückgegangen”. Tatsächlich hatte sie deutlich zugenommen.

Mit Dank an Pia B.!

Bild  

Bild dir deine Regeln…

Man hört ja immer wieder mal, man könne über die “Bild” denken, was man wolle, aber der Sportteil, der sei ja schon so richtig gut. Vermutlich ist diese Meinung auch deswegen entstanden, weil “Bild” gerne mal komplizierte Regularien auf den Punkt bringt. Oder es, wie im nachfolgenden Fall, zumindest versucht, mit Erfolg, den man bescheiden nennen darf.

Wer kommt wann in den Uefa-Cup

… fragt die Sportredaktion des Blattes heute — und nähme man es genau, müsste man antworten: niemand. Weil es den Uefa-Cup ab der kommenden Saison nämlich gar nicht mehr gibt und der Wettbewerb stattdessen umbenannt wird in die “Uefa Europa League”. Das alleine wäre nicht tragisch, allerdings stimmen nicht nur der Name des Wettbewerbs nicht, sondern auch ein paar andere Kleinigkeiten:

  • Die fairste deutsche Mannschaft komme in einen Topf mit Teams anderer Länder; aus diesem Topf werde dann ein zusätzlicher Startplatz ausgelost. Das war bis zu dieser Saison so. Inzwischen gibt es aber keine Verlosung mehr, sondern die drei Plätze gehen automatisch an die drei fairsten Nationen.
  • Bislang sei der fairste deutsche Verein der KSC, schreibt “Bild”. Das ist ein ziemlich exklusives “Wissen”. Tatsächlich wird die endgültige Wertung erst nach Saisonende bekanntgegeben. Und selbst dann, wenn man die bisherige Zahl der gelben und roten Karten als Maßstab verwenden würde, wäre die Einschätzung von “Bild” falsch. Denn es spielen noch ganz andere Komponenten eine Rolle in der Wertung der Uefa, beispielsweise das “Verhalten der Fans” oder der “Respekt vor dem Gegner”. Wer also momentan fairste deutsche Mannschaft ist, weiß nicht einmal die DFL selber.
  • Ob tatsächlich vier deutsche Mannschaften an der “Europa League” teilnehmen, hängt schließlich auch noch davon ab, ob der Bundesliga-Dritte sich für die Champions League qualifiziert — oder doch auch an der Europa League teilnimmt.

Mit Dank an Jan K.

Horx, Popel, Zeitungszeugen

Nazi-Kitsch am Kiosk: Zeitungszeugen (Keystone)

1. “Wie bunt das Leben in ‘hallo deutschland’ wirklich ist”

(medienpiraten.tv, Peer Schader)

Peer Schader beschäftigt sich mit dem “Unfall- und Katastrophenmagazin ‘hallo deutschland'” auf ZDF. Und fragt sich, ob man “eine Ansammlung aus anmoderierten Todesfällen mit gelegentlicher Exkursion ins Privatsender-Metier ‘journalistisch’ nennen kann ohne sich dafür zu schämen.”

2. “Warum die ‘Popel-Affäre’ ein Lehrstück ist”

(meedia.de, Georg Altrogge)

“Weil die ‘Braunschweiger Zeitung’ kritisch über die Geschäftsführer eines Media Markts berichtete, sollen diese Anzeigenaufträge storniert haben. Und weil der Chefredakteur hart blieb, wird die Elektronik-Handelskette wohl einlenken, um den Imageschaden in Grenzen zu halten: ein ungewöhnliches Lehrstück der Medienrealität 2009.”

3. Interview mit Matthias Horx

(persoenlich.com, Matthias Ackeret)

Der gerne als “Zukunftsforscher” titulierte Alles-und-nichts-Experte Matthias Horx beruhigt die Printverlage. Er hält Papier im Grunde für einen sehr guten Datenträger. “Geduldig, einfach zu bedienen, recycelbar.” Die Verlage müssten sich nur auf ihre Kernkompetenzen verlassen: “Sinnproduktion, Opulenz, Haptik. Gute Qualitätszeitungen werden überleben oder sogar boomen.” Der Qualitätsjournalismus sterbe auch nicht – “er wird nur ergänzt.”

4. “Zeitungszeugen-Beschlagnahmebeschluss war rechtswidrig”

(heise.de/tp, Peter Mühlbauer)

“Nach den urheber- erwiesen sich auch die propagandarechtlichen Vorwürfe als nicht haltbar.”

5. “Dritte Programme – Die Bundeslandsliebhaber”

(fr-online.de, Jan Freitag)

“Es weht ein Hauch von Heimat durchs Fernsehland, der sich zusehends zum Sturme auswächst. Unentrinnbar, unablässig, unkritisch. Wie ein behaglich stimmendes Volkslied. Kein schöner Land in dieser Zeit – die alte Weise des 19. Jahrhunderts scheint heute Motto für ein öffentlich-rechtliches Programmkonzept.”

6. “Besuch im Discount-Bordell – Billig willich”

(taz.de, Katharina Finke)

“In Hamburg gibt es seit 2004 das erste Discountbordell. Das Konzept ist so erfolgreich, dass die Betreiber jetzt Lizenzen für Franchise-Unternehmen anbieten.”