Archiv für März 4th, 2009

Wie “Bild” Dieter Althaus halb freispricht

Aufatmen, Erleichterung in Thüringen!

Mit diesen Worten beginnt die “Bild”-Zeitung heute ihren Bericht darüber, dass der thüringische Ministerpräsident Dieter Althaus (CDU) von einem österreichischen Gericht wegen fahrlässiger Tötung zu einer Geldstrafe verurteilt wurde.

Das ist angesichts der vielfältigen Kritik an dem Urteil und dem schnellen Verfahren (nur “Bild” spricht davon, dass Althaus nun “endlich” Gewissheit habe), eine erstaunliche Formulierung. Sie stimmt aber natürlich, wenn man “Thüringen” für gleichbedeutend mit der thüringischen CDU hält — wie es offenbar die “Bild”-Zeitung und ihr Autor Jörg Völkerling tun.

Und so macht sich “Bild” auch gleich die Interpretation der Partei zu eigen und erklärt schlichtweg:

Seiner Rückkehr in die Landespolitik steht damit nichts im Wege.

Aber die “Bild”-Zeitung (die Althaus bereits eine erstaunliche rückwirkende Wunderheilung bescherte) hat von der CDU nicht nur Perspektive und Interpretation übernommen. Die Überschrift über dem Artikel lautet:

Althaus ist schuldig, aber nicht vorbestraft

Doch das Gegenteil ist der Fall das ist in dieser Eindeutigkeit falsch. Das Bundesjustizministerium hat inzwischen bestätigt, dass Althaus als “vorbestraft” gilt, sobald das Urteil rechtskräftig ist. In Österreich verhängte Geldstrafen würden auch ins deutsche Bundeszentralregister eingetragen. In Althaus’ Führungszeugnis wird die Strafe allerdings nicht erscheinen, weil sie gerade noch unter der Geringfügigkeitsgrenze liegt.

Die Fehlinformation stammt offenbar von Leuten, die ein Interesse daran haben, sie zu verbreiten: der CDU-Thüringen. Deren Fraktionschef Mike Mohring hatte gestern behauptet, der Ministerpräsident sei nach österreichischem Recht nicht vorbestraft. Und ihr Sprecher Heiko Senebald verkündete, mit dem Urteil sei kein Eintrag in das Strafregister verbunden.

Agenturmeldungen, die diesen Äußerungen gestern schon widersprachen, hat “Bild” ignoriert und sich ganz in den Dienst der Partei gestellt. Immerhin scheint man heute gemerkt zu haben, dass der eigene Bericht nicht haltbar ist. Bei Bild.de erschien ein Artikel, der zwar sich zwar heillos in den unterschiedlichen Vorschriften über Einträge ins Strafregister und das Führungszeugnis verheddert und eine gewagte Interpretation der “umgangssprachlichen” Bedeutung des Wortes “vorbestraft” versucht. Die Überschrift aber lautet schlicht:

Dieter Althaus vorbestraft

Mit Dank an Lars S.!

Nachtrag, 5. März. Bild.de hat den “Dieter Althaus vorbestraft”-Artikel gelöscht, warum auch immer.

Nachtrag, 23.15 Uhr. Geklärt ist nach Ansicht von “Bild” heute immerhin, dass die Frage der Vorstrafe “geklärt ist”. In der gedruckten Ausgabe heißt es:

Geklärt ist auch: Das Urteil gegen Althaus (180 Tagessätze) gilt als Vorstrafe, die auch in sein deutsches Führungszeugnis aufgenommen werden kann.

Online lautet derselbe Absatz im selben Artikel vom selben Autor so:

Geklärt ist auch: Das Urteil gegen Althaus (180 Tagessätze) wird weder in Österreich noch in Deutschland in das polizeiliche Führungszeugnis aufgenommen.

Kommentare zu Tamedia / Edipresse

1. “Publizistik nicht relevant”
(presseverein.ch)
Der Zürcher Presseverein, Vertreter von 1500 Journalisten, fragt sich, warum im Communiqué zum Zusammenschluss der Verlagshäuser kein Wort zur Publizistik fällt. Die Antwort: “Facebook und Google heissen nun die Konkurrenten. Die Publizistik ist nur noch ein untergeordneter Faktor.”

2. “Nous sommes tous des Zurichois”
(tagesanzeiger.ch, Jean-Martin Büttner)
“Gerade Edipresse hat gezeigt, dass Grösse noch keine Qualität garantiert. Manche Edipresse-Produkte neigen zu einer Berichterstattung, die Journalismus als eine Art Bewegungsmeldung begreift. Ihre Artikel erzählen plastisch und farbig, was zwar attraktiv zu lesen ist, aber oberflächlich bleibt.”

3. Übernahmekandidat Ringier?
(bundblog.derbund.ch, Artur Vogel)
Artur Vogel, Chefredaktor Bund (Tamedia), schätzt die Konkurrenz so ein: “Auch die NZZ-Gruppe wird einer Fitnesskur unterzogen, während Ringier eine klare Strategie vermissen lässt und damit längerfristig zum Übernahmekandidaten werden dürfte.”

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