Archiv für Januar 30th, 2009

Erdogans “Hassrede gegen Israel”

In den Unternehmensgrundsätzen von Axel Springer ist die “Unterstützung der Lebensrechte des israelischen Volkes” ein zentraler Punkt. Die “Bild”-Zeitung interpretiert ihn regelmäßig als Auftrag, Nachrichten über Israel zu manipulieren (siehe Kasten). Für Kritik am Handeln der israelischen Regierung gibt es in “Bild” nie einen Anlass; wer es dennoch tut, muss folglich Antisemit sein.

Wie routiniert “Bild” das macht, zeigt der heutige Seite-1-Bericht über den Eklat auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos. Der israelische Präsident Shimon Peres hatte zum Teil lautstark ein langes, flammendes Plädoyer für den Gaza-Krieg gehalten und den neben ihm sitzenden türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan direkt angesprochen. Als Erdogan antworten wollte, brach der Moderator das Gespräch aus Zeitgründen ab. Erdogan verurteilte noch Israels Vorgehen in Gaza und die vielen unschuldigen Opfer (“Wenn es ums Töten geht, mit dem Töten kennt ihr euch sehr gut aus. Wir wissen, wie ihr Kinder am Strand getötet und erschossen habt” – Wortlaut in der dpa-Übersetzung) und verließ dann wutentbrannt das Podium (ausführliche Schilderung bei Spiegel Online).

Es gibt natürlich viele Möglichkeiten, diesen Eklat zu bewerten. Aber “Bild”-Leser sind heute vermutlich die einzigen, die glauben, dass Erdogan eine “Hassrede gegen Israel” gehalten hat. “Bild” verschweigt seinen Lesern nicht nur den Kontext, sondern erweckt auch den falschen Eindruck, der Moderator habe Erdogan deshalb am Reden gehindert, weil es sich um eine “Hassrede” handelte.

[Ausriss Seite-1-Artikel] "Hassrede gegen Israel in Davos: Eklat um Türkei-Premier"

Den Platz, den “Bild” durch das Weglassen wesentlicher Fakten gewann, nutzt die Zeitung für ein anonymes Zitat:

Ein Besucher schockiert: “Mit seinem Antisemitismus stellt sich Erdogan in eine Reihe mit den Israel-Hassern im Iran.”

Um wen es sich handelte, scheint für “Bild” dabei ebenso irrelevant zu sein wie die Tatsache, dass es sich um eine extreme Minderheitenmeinung handeln muss. Erdogan hatte in einer Pressekonferenz im Anschluss erklärt, “in keinster Weise die israelische Bevölkerung, Präsident Peres oder das jüdische Volk angegriffen” zu haben, und Antisemitismus als ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit bezeichnet. Peres sagte, er habe Erdogan angerufen “und ihm gesagt, dass ich die Sache nicht persönlich nehme”. Sein Respekt vor ihm habe sich nicht geändert.

Mit Dank an Katrin G., Bernhard W., Attila S., Daniela F. und Christopher I.

Metro, Minerva, Rio, Vox

1. Blogger Minerva und das öffentliche Wohl
(nzz.ch, Hoo Nam Seelmann)
Der 31-jährige Arbeitslose mit dem Namen Park Dae Seung wurde am 10. Januar wegen der “Absicht, dem öffentlichen Wohl (‘Gong-Ik’) zu schaden”, verhaftet: “Im weissen Allerweltsanorak mit Kapuze stand ein leicht übergewichtiger Mann mit einem runden Gesicht etwas hilflos im Blitzlichtgewitter der Kameras und entschuldigte sich artig für die Unruhe, die er verursacht habe.”

2. Eingestellt wegen völligem Zusammenbruch des Anzeigenmarktes
(blogmedien.de)
Auch Gratiszeitungen sind nicht verschont vom Einbruch der Anzeigenschaltungen: “Der Metro-Zeitungskonzern stellt alle Ausgaben seiner täglichen Gratisblätter in Spanien ein. New York könnte als nächstes folgen.”

3. Interview mit Tobias Trevisan
(persoenlich.com, Christian Lüscher)
Der FAZ-Geschäftsführer beantwortet die Frage, warum Verlagssites “tiefere Umsätze pro Unique User als Google&Co” erzielen: “Wir verkaufen der Werbewirtschaft Leser, die sich für Nachrichten interessieren, während die Suchmaschinen und die Themenportale Nutzer vermarkten, die sich für die Werbebotschaft oder zumindest das relevante Themenumfeld interessieren. Damit erreichen sie eine deutlich höhere Wertschöpfung pro Nutzer.”

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