Archiv fü 2008

Luther, Vogt-Köppel, Bund

Die Presseschau heute mit diesen Fragen: Was würde Luther heute tun? Wohin treibt es den Bund? Was bringen Quoten? Was ist zwischen Roger Köppel und Rachel Vogt?

Luther-Ausstellung: Wo ist die virtuelle Kirchentür? (Keystone)
1. “Auf zu neuen Höhen”
(fr-online.de, Daland Segler)
Daland Segler schreibt über die veränderte Medienlandschaft: “Da kommt so ein junger Radikaler daher, findet das ganz System korrupt und beschließt, seinen Protest öffentlich zu machen. Greift sich ein Blatt Papier, schreibt das alles auf, nimmt sich Hammer und Nagel und haut seine Thesen an den öffentlichsten Ort der Welt: die Kirchentür. Was würde Luther heute tun?”

2. “Der ‘Bund’ lebt”
(bundblog.derbund.ch, Artur Vogel)
Eine weitere sogeannte Qualitätszeitung scheint zu sterben. Doch die (Chef)redaktion stemmt sich dagegen und hofft auf “eine neue, hoffentlich bessere und mit mehr Mitteln ausgestattete Zeitung”. Für eine gute Zeitung habe man nämlich immer gekämpft: “Die Redaktion, eigentlich zu klein für eine Zeitung, die in den oberen Ligen mitspielen will, hat gelegentlich dem Prinzip der Selbstausbeutung gehuldigt; Kolleginnen und Kollegen haben sich weit über das übliche Mass hinaus engagiert; viele agieren am Rand ihrer Leistungsfähigkeit.”

3. “Schock für Liebhaber von Qualitätszeitungen: Den Bund gibts nicht mehr lange”
(blog.jacomet.ch, Andi Jacomet)
Tatsächlich würde der Bund vermisst: “Als Medienjunkie gehört die Lieblingszeitung zu den Hauptpfeilern des Tagesablaufs. Ich habe die letzten 15 Jahre fast jeden ‘Bund’ gelesen – wenn er stressbedingt liegen blieb oder ich in den Ferien war, habe ich halt 30-40 Ausgaben auf langen Zugfahrten nachgelesen. Ein Leben ohne ‘Bund’ kann ich mir momentan schlicht nicht vorstellen.”

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Kurz korrigiert (486)

Von der “Bild”-Zeitung, die sich bekanntlich wie kaum ein anderes Medium regelmäßig an Geschichte und Gegenwart der RAF abarbeitet, sollte man doch eigentlich erwarten können, dass sie wenigstens die groben Eckdaten des Deutschen Herbstes kennt. Auch in ihrem Online-Angebot. Zumal gestern mit “Mogadischu” ein “bewegender Teil” dieser Geschichte “im TV gezeigt” wurde. Oder?

"Mit dem Geiseldrama zur Freipressung der RAF-Köpfe Andreas Baader, Gudrun Enslin und Ulrike Meinhof aus dem Gefängnis Stuttgart-Stammheim wurde gestern ein bewegender Teil deutscher Geschichte im TV gezeigt."

Ulrike Meinhof war zum Zeitpunkt der Entführung der Landshut schon seit fast anderthalb Jahren tot.

Mit Dank an R. B. und Philip M. für den sachdienlichen Hinweis.

Nachtrag, 21.50 Uhr. Bild.de hat Ulrike Meinhof aus dem Artikel entfernt, hält aber an der Schreibweise “Enslin” für Ensslin fest.

Nachtrag, 2.12.2008: Inzwischen weiß Bild.de auch wieder, wie man Gudrun Ensslin schreibt.

Schnapsidee

Bierernst berichtete die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) gestern von der “ersten ökumenischen Pferdesegnung in Hamburg”, an der am Samstagnachmittag “mehr als 40 Vierbeiner und 100 Menschen” teilgenommen hätten:

Die Idee zur ersten ökumenischen Pferdesegnung im Norden entstand in dem mehr als 200 Mitglieder zählenden Harburger Reitverein im Süden Hamburgs. Dort sei der Wunsch nach einer Weihnachtsfeier aufgekommen, die zeigt, “dass es auch anders geht im Reitsport”, erklärte die Vereinsvorsitzende Andrea Sjursen-Stein.

Und auch beim “Hamburger Abendblatt” hat der ein oder andere am Wochenende offenbar schon so’n büschen Weihnachten gefeiert. Danach ist dann wohl die Idee entstanden, aus der KNA-Meldung diese kleine Nachricht zu machen (hicks):

"Die Idee zur ersten ökumenischen Pferdesegnung im Norden war in dem mehr als 200 Mitglieder zählenden Harburger Reitverein nach eine Weihnachtsfeier entstanden."

Mit Dank an Flo F. für den sachdienlichen Hinweis.

neu  

Bild.de beweist: Welt-Aids-Tag immer noch nötig

Heute ist Welt-Aids-Tag. Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung sieht ihn u.a. als Anlass, “Solidarität mit den Betroffenen auf der ganzen Welt zu zeigen” und “aufzuklären”. Weiter heißt es auf welt-aids-tag.de:

Und jeder kann mitmachen.

Bild.de hat sich das nicht zweimal sagen lassen und präsentiert:

"Die wichtigsten Fragen und Antworten zu HIV und Aids"

Eine der Fragen lautet:

"Gibt es Risikogruppen?"

Und die Bild.de-Antwort kann sich sehen lassen:

"Homosexuelle Männer und Drogenanhängige sind besonders gefährdet, aber leider auch Unschuldige: Unter den 63 500 Infizierten sind auch etwa 400 Kinder, die HIV über ihre Mutter bekommen haben."

Mit Dank an Kermit für den Hinweis!

Nachtrag, 17.40 Uhr: Bild.de zeigt plötzlich doch noch ein wenig Solidarität mit den Betroffenen und hat die Antwort geändert. Nun heißt es: “Homosexuelle Männer und Drogenabhängige sind besonders gefährdet. Unter den 63 500 Infizierten sind aber auch etwa 400 Kinder, die HIV über ihre Mutter bekommen haben.”

Genosse Klar, Arbeitslose, Augenhöhe

1. “Was unterscheidet Stars von ‘Bild’-Artikeln?”
(bildblog.de, lupo)
Die Bild-Zeitung und bild.de recyclen fröhlich alte Beiträge. Und zwar nicht uralte Beiträge, sondern welche, die erst vor zweieinhalb Monaten gelaufen sind.

2. “‘Junge Welt’ verklärt RAF und Christian Klar”
(odenwald-geschichten.de)
Die Junge Welt schreibt über die Freilassung des wegen mehrfachen Mordes verurteilten Christian Klars und wünscht ihm “trotz alledem” nach 26 Jahren Knast ein “Willkommen in der Freiheit, Genosse Christian Klar“.

3. FAZ und Perlentaucher weiter ohne Einigung
(fr-online.de, René Martens)
Die grosse Frankfurter Allgemeine und der kleine Perlentaucher wollten sich auf einen Vergleich einigen, berichtet die Frankfurter Rundschau. Der Perlentaucher wünscht sich die Richtigstellung eines Artikels, die FAZ bot eine “Notiz” an, die dieser Tage erscheinen sollte. Es sah also nach einer Einigung aus – “sofern die Parteien nicht kurzfristig noch Argumente gegen den Kompromiss gefunden haben”. Genau dieser Fall scheint nun eingetreten zu sein – vorerst keine Notiz, vorerst kein Vergleich.

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Blick über den Weihnachtstellerrand

Es weihnachtet schon wieder. Und wir nutzen die Gelegenheit diesmal für einen Blick über den Weihnachtstellerrand – und machen im Advent “BILDblog für alle”: Statt nur auf die Unzulänglichkeiten einer großen deutschen Boulevardzeitung zu starren, schauen wir uns einfach mal genauer an, was an Fehlern, Falschmeldungen, Persönlichkeitsrechtsverletzungen, Irreführendem und Unsinn… kurzum: wieviel “Bild” in anderen Medien steckt.

Die kleinen Merkwürdigkeiten und das große Schlimme im “Trierischen Volksfreund” oder in der “Süddeutschen Zeitung”, auf RTL, im “heute journal”, auf “Spiegel Online” und natürlich, wie gehabt, in “Bild”.

Und so, wie das BILDblog ohne die sachdienliche Unterstützung unserer Leser nicht möglich wäre, freuen wir uns auch beim “BILDblog für alle” auf Hinweise zu Entgleisungen und (un)journalistischen Mängeln in einer großen deutschen Medienlandschaft.

Harry Potter, Twitter, ORF

1. “ORF baut bis 2012 1000 Angestellte ab”
(diepresse.com, Isabella Wallnöfer)
“Dem ORF droht der komplette Zusammenbruch. Das sagt nicht ein Gegner des öffentlich-rechtlichen Rundfunks, sondern ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz: ‘Werden nicht einschneidende Maßnahmen gesetzt, wäre die Folge eine Insolvenz des Unternehmens und die Zerschlagung in Einzelteile. Und da stehen schon nationale und internationale Investoren bereit, sich den einen oder anderen Teil einzuverleiben.’ Die 100 Millionen Euro minus, die der ORF heuer einfahren wird, sind nur der Anfang.”

2. “Twitter mal wieder”
(don.antville.org)
Don Dahlmann macht sich Gedanken zur Aufnahme der Quellen bei Twitter anlässlich der Angriffe in Mumbai: “CNN hat rasend schnell gelernt und mitbekommen, wie ein dezentrales Nachrichtennetzwerk wie Twitter funktioniert. Nicht nur, dass man die Infos schneller bekommt, nicht nur, dass die Informationen häufig direkt mit Bildern oder pixeligen Videos verknüpft sind, sie haben auch noch den Vorteil, dass sie umsonst sind. Man kann mit wenig Mitteln sehr viel erreichen. Um so unverständlicher, dass bei N24 und n-tv nichts passierte, aber vielleicht ist das Schweigen der beiden Sender, die täglich Nachrichten simulieren, ein schönes Beispiel für den Zustand großer Teile des deutschen Journalismus.”

3. “Anschläge in Mumbai – Sollte ich Twitter doch noch eine Chance geben?”
(carosmedienschelte.blogspot.com, Carolin Neumann)
“Als ich zum ersten Mal von Twitter gehört und darüber gebloggt habe, hielt ich es für einen unnützen ‘Web-2.0-Hype’, der schneller wieder vorbei ist, als er angefangen hat.” Doch mittlerweile muss Caro zugeben, dass bei konkreten Ereignissen Twitter “in der Tat ein vielversprechenes Medium” ist. Dennoch: “Ich will nach wie vor wie keine Tweets von irgendwelchen Geeks lesen, die nichts zu sagen haben, was von Interesse ist.”

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Fingerkuppen, Bullshit, Paparazzi

1. “Wozu noch Zeitungen?”
(sueddeutsche.de)
Sueddeutsche.de findet drei “Preisträger”, die erklären, warum “die Print-Branche wird auch morgen noch dringend benötigt” wird. Seltsame Oden an raschelndes, totes Holz und an schwarze Fingerkuppen – liest man denn Zeitungen nicht wegen dem Inhalt?

2. Bullshit-Erkennung mit Alan Posener
(welt.de, Video, 3:34 Minuten)
Alan Posener hat seit einiger Zeit bei Welt Online eine neue, eigene Blattkritik-Videokolumne, in der er Zeitungsschlagzeilen auf Bullshit abcheckt. Findet er welchen, drückt er den Bullshit-Button. Und dann wirft er die Zeitung ordentlich neben sich zu Boden.

3. “Die Deutschen schnappen uns die Frauen weg”
(madial.blogspot.com)
“Die Deutschen, so heisst es in Anführungsstrichen im Titel [tagesanzeiger.ch], schnappen uns die Frauen weg! Was dann folgt, ist eine einzige Demontage des im Titel angedeuteten Problems.”

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“BILD Brother is watching you”

Gestern kündigte die Axel Springer AG offiziell den nächsten “Schritt in der Medienevolution” (wir berichteten) an und machte ihn konkret: Ab dem 4. Dezember gibt es beim Discounter Lidl, bekanntlich ein guter Geschäftspartner von “Bild”, für rund 70 Euro (und nicht wie mal geplant umsonst) eine “preisgünstige und leicht zu bedienende Videokamera”. Das “Besondere” daran:

Wenn man das Gerät an einen Computer anschließt, öffnet sich automatisch ein Programm mit dem die Filme zum Online-Portal von BILD geschickt werden können.

Der Bundesvorsitzende des Deutschen Journalisten Verbands Michael Konken sagte der Nachrichtenagentur dpa dazu:

“Das bringt uns im Journalismus nicht weiter und es ist eine Aufforderung, Grenzen zu überschreiten (…). Viele werden unter Missachtung aller Persönlichkeitsrechte versuchen, Prominenten aufzulauern.” Diese Art von Sensationsjournalismus könne leicht außer Kontrolle geraten.

Bei Autounfällen würden zu allererst Kameras gezückt und damit Hilfskräfte sowie professionelle Journalisten behindert.

Bei Tagesspiegel.de hingegen heißt es unter der Überschrift “Bild rüstet Leserreporter auf – na und?”:

Tatsächlich sind die eindringlichsten Bilder der letzten Ereignisse allesamt von Laien aufgenommen worden. Egal ob 09/11 oder der Tsunami 2004, egal ob Abu Ghraib oder die Hinrichtung Saddam Husseins, es waren private Aufnahmen, die Geschichte geschrieben haben. Und ja, diese Entwicklung muss man ernst nehmen. (…)

Kai Diekmann ist für “Bild” vorgeprescht und hat sich an die Spitze einer Bewegung gesetzt, die nun einmal existiert. Und gerade weil im Journalismus bestimmte Standards gelten sollen: An dieser Front darf man Diekmann auf keinen Fall alleine lassen.

Wortvogel zieht unter der Überschrift “Jedem Arschloch seine Kamera” Vergleiche zu Orwell (“BILD Brother is watching you”) und schreibt:

Das Recht am eigenen Bild, es stirbt nicht durch Paragraphen, sondern durch Schulterzucken: “Wir haben gedacht, das sei okay – und außerdem: das Video stammt von einem Leser, WIR zeigen es ja nur”. (…)

Dann sehen wir endlich im Bewegtbild, wie der psychisch Kranke nackt über die Straße kriecht. Haben wir schließlich ein Recht drauf. Und wäre doch gelacht, wenn nicht auch ein paar “Busenblitzer” vorkommen. (…) Schwenk zum Lastwagen, der einen Golf zermalmt hat: “Hier stirbt gerade ein Mensch”. Schlimm, sowas. (…) Dann lieber weiter zu Oliver Kahn, der doch tatsächlich bei der Filmpremiere in der Seitenstraße an die Mülltonne gepinkelt hat. Konnte man genau sehen. BILD fragt einen prominenten Urologen: Sieht das Genital des Titans eigentlich gesund aus?

Und “Spießer Alfons” schreibt:

Spießige Frage: Gab es bei Lidl nicht schon mal Überwachungskameras…? Und wer war es, der damals den Lidls publizistisch aus der Klemme geholfen hat…?
(Links von uns)

Mit Dank an die Hinweisgeber.

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