“Medien-Deutschland ist ein Planet der Schlaffen.” (readers-edition.de, Felix Kubach)
Interview mit Peter Turi: “Mich wundert immer wieder, wie innovationsfeindlich die deutschen Medienmacher sind. Eine Basis für den relativen Erfolg von Turi2 ist sicher, dass die bestehenden Branchendienste so unglaublich schlafmützig und innovationsfeindlich sind.”
Zur künftigen Entwicklung der Mediengesellschaft (connectedmarketing.de, Martin Oetting)
“Und diese Entwicklung ist die folgende: Die Anzahl der relevanten Gatekeeper steigt radikal und stetig steigend an. Punkt. Wer das verstanden hat, wird sich von nichts mehr schocken lassen.”
Blogs: Eine Art Schule der Demokratie (dw-world.de, Alfred Hackensberger)
Nordafrikas Blogger nutzen das Internet als Plattform für unabhängige Berichterstattung und kontroverse Debatten, die in der politischen Öffentlichkeit der autoritär regierten Staaten oft ausgeblendet werden.
“Falsche Umfrageergebnisse: Eine Sensation, die keine war” (zoomer.de, Christoph von Marschall)
Meinungsumfrage ist nicht gleich Meinungsumfrage. Unser USA-Korrespondent mahnt zu mehr Sorgfalt, wenn es um die Herkunft und die Interpretation von Zahlen geht. Jüngstes Beispiel: Barack Obama soll plötzlich ganz miserable Umfragewerte haben…
Feuchtes Delta der Venus (nzz.ch, Stefan Zweifel)
Charlotte Roches pornografischer Bestseller «Feuchtgebiete» ist nur ein Pseudo-Tabubruch. Sprachlich markiert das Buch den Nullpunkt der Pop-Generation.
Bild.de verbreitet heute über Lindsay Lohan und einen “Privat-Porno” weiter, was eigentlich die britische “Sun” über Lindsay Lohan und den “Privat-Porno” verbreitet. Auf der Start-Seite. Und groß.
Das Dumme daran: Was die “Sun” heute unter Berufung auf eine anonyme Quelle über Lindsay Lohan und den “Privat-Porno” verbreitet, kann so nicht stimmen. Schließlich hatte das berüchtigte AOL-Paparazziblog TMZ.com bereits am vergangenen Freitag enthüllt, dass die Frau auf dem “Privat-Porno” gar nicht Lindsay Lohan ist.
Aber wen kümmern schon solche Details, solange Bild.de doch über Lindsay Lohan und den “Privat-Porno” einfach nur weiterverbreitet, was die “Sun” über Lindsay Lohan und den “Privat-Porno” verbreitet.
Mit Dank an Rene R. und Daniel N. für den sachdienlichen Hinweis zu Lindsay Lohan und dem “Privat-Porno”.
Nachtrag, 26.3.2008: Auch der gedruckten “Bild” ist die “Sun”-Behauptungen über Lindsay Lohan und den “Privat-Porno” heute eine Meldung wert. Ganze drei (!) Mal taucht darin das für “Bild” sonst eher unbekannte Wort “angeblich” auf. Die Info, dass der “Privat-Porno” bekanntermaßen gar nicht Lindsay Lohan zeigt, sucht man hingegen auch in der gedruckten “Bild” vergebens.
Vor einem Monat erst hatten wir an dieser Stelle gefragt, wie blöd man eigentlich sein müsse, einen Artikel mit einem Foto zu bebildern, bei dem man sich die Mühe gemacht hat, die darauf abgebildeten Personen unkenntlich zu machen, auf derselben Seite weiter unten aber dasselbe Foto ohne jede Verpixelung zu zeigen, verlinkt mit einem früheren Artikel, auf dem alle Beteiligten natürlich ebenfalls in schöner Klarheit zu erkennen sind.
Nun, einen Monat später, gibt Bild.de eine eigenwillige Antwort: Blöd genug nämlich, um es wieder zu tun (siehe Ausriss, roter Balken von uns).
Mit Dank an Katrin E., Philipp S., Konstantin M., Michael M., Gerhard M., Ekkehard V., Oliver D., Marcus H., Marc A., Chrstoph H., Christian H., Michael S., Stefan W., Heiko und Martin.
Nachtrag, 12.32 Uhr: Bild.de hat prompt reagiert – und, ähm, kurzerhand auch die Verpixelung im Artikel entfernt.
User Generated Propaganda (zuender.zeit.de, Carsten Lißmann)
Auf Youtube wurden in dieser Woche mehr als 2000 Filme über die Tibet-Krise hochgeladen. Eine Video-Schlacht um die Meinungshoheit. Wer will da wen beeinflussen?
Medien räumen Fehler in Tibet-Berichten ein (20min.ch)
Nach Kritik aus China haben mehrere Medien Fehler bei der Berichterstattung über Tibet eingeräumt. Die privaten deutschen Fernsehsender n-tv und RTL bedauerten, Bilder in einen falschen Zusammenhang gestellt zu haben.
Web 2.0 (nzz.ch, S. B.)
“Ein langweiliger Titel? Keineswegs. Ironisch gemeint, schillernd, anspielungsreich, ein Zitat aus der allerneuesten Ausgabe des Lexikons der Gemeinplätze, ist dies der beste Titel für einen Text, der von nichts handelt.”
Out of Print (newyorker.com, Eric Alterman)
The death and life of the American newspaper.
Populärgeschichte (watchberlin.de, Oliver Gehrs, Video, 4:23 Minuten) Spiegel-Wochenkritiker Oliver Gehrs in der Krise: Jene Ausgaben, die er empfohlen hat, sind von den Kioskkäufern kaum gekauft worden – jene Ausgaben aber, die er verrissen hat, finden reissenden Absatz.
Es ist Feiertag, heute erscheint keine “Bild”-Zeitung, und wir nutzen die Gelegenheit, eine alte Geschichte zu erzählen.
Es ist die Geschichte, wie “Bild” den umstrittenen Hamburger Amtsrichter Ronald Schill zum Hoffnungsträger hochschrieb, der mit seiner Partei bei der Bürgerschaftswahl 2001 schließlich fast 20 Prozent der Stimmen bekam. Und es ist die Geschichte von der außerordentlichen Nähe eines “Bild”-Redakteurs zu Schill und seinen Leuten.
vor sechs Wochen, am 10. Februar 2008, haben Sie in Ihrer “Bild am Sonntag”-Rubrik “Der Chefredakteur antwortet” den Brief einer Leserin dokumentiert. Sie hatte beim Sonntagsrätsel 100 Euro gewonnen, sich aber darüber beschwert, dass als Ortsangabe “Burgfrieden” statt “Burgrieden” angegeben war. Die Überschrift lautete: “Das war ein F zu viel, Herr Strunz!”
Und Sie boten der Leserin und ihrer Familie als Wiedergutmachung nicht nur ein Essen an (“Wenn wir einen geeigneten Termin finden, bin ich gern dabei — und gebe (mindestens) einen aus…”), sondern antworteten:
Wenn schon das Einfache nicht richtig ist, so die nahe liegende Frage, stimmt dann denn das Schwierigere?
Wir pflegen in dieser Zeitung einen sehr offenen Umgang mit Fehlern. In der Rubrik “Korrekturen” werden sie richtiggestellt. Wir wollen, dass uns unsere Leserinnen und Leser vertrauen, auch weil wir zu unseren Fehlern stehen. Nichts wird vertuscht oder verheimlicht.
Vergangene Woche stand ein größerer Artikel über die neuen Sat.1 Nachrichten in Ihrer Zeitung. Die Zahl der Fs darin stimmt, dafür war einiges andere falsch. Vor allem behauptete das Stück, erst einmal habe es ein Sender gewagt, seine Nachrichten parallel zur 20-Uhr-“Tagesschau” zu senden, dabei haben es schon mehrere versucht — und RTL 2 tut es immer noch.
Leider haben wir heute die Korrektur dieses Fehlers nicht in der “Bild am Sonntag” gefunden, was nicht nur unser Vertrauen in Ihre Zeitung weiter beeinträchtigt (damit ist es, unter uns gesagt, ohnehinnichtso weither), sondern auch unser Vertrauen in Sie und Ihre Aufrichtigkeit. Konkret gefragt (und das wäre natürlich auch schon eine passende Überschrift, wenn Sie diese Frage mal in Ihrer Kolumne beantworten wollen): “Lügen Sie Ihre Leser an, Herr Strunz?”
Über eine offene Antwort würden wir uns freuen, und keine Sorge: Wir müssen deshalb nicht zusammen essen gehen.
Jetzt ist es also vorbei mit Germany’s Next Toplessmodel (wir berichteten): Am vergangenen Donnerstag (und damit bereits eine Woche früher als – wie “Bild” behauptet hatte – “BILD erfuhr”) musste Kandidatin Aline die ProSieben-Show verlassen. Dafür, dass “angeblich (…) die Nacktfotos der Hauptgrund” gewesen seien, wie “Bild” behauptet hatte, lassen sich in der Sendung selbst keinerlei Indizien finden.*
Ebenfalls kein Hinweis findet sich in der Show auch zu den “bitteren Tränen”, mit denen Bild.de Alines Ausscheiden illustriert:
Was aber vielleicht kein Wunder ist, denn es handelt sich dabei um ein Symbolfoto. Aline sah zu diesem Zeitpunkt längst so aus:
Immerhin: “Bild” zitiert sie im Nachhinein mit den Worten: “Ich gehe trotzdem meinen Weg!” Und wohin der führt, hat “Bild” in Großbuchstaben schon mal oben drüber geschrieben:
NACKT-MODEL ALINE (20)
So heißen in “Bild” Frauen wie Kader Loth, Djamila Rowe, “BILD-Girl Claudia”, “Sarah Jane, das neue Boxen-Luder” und Micaela Schäfer.
*) Bild.de beantwortet die fettgedruckte Frage, ob “die Entscheidung auch was mit dem Nacktfoto-Skandal der vergangenen Tage zu tun” habe, übrigens wie folgt: “Die Topmodel-Kandidatin hatte sich für das Männermagazin ‘Penthouse’ schon vor einem Jahr in erotischen Posen gezeigt. Diese Bilder tauchten kürzlich wieder auf und sorgten für mächtig Wirbel…” [Hier endet die Bild.de-Meldung.]
Flirtsprüche, Brummkreisel, Körpergerüche, Puff beim RBB.
“Ich trink Ouzo – was machst du so?” – Spiegel Online, das erfolgreichste Medienportal Deutschlands, glänzte mit den “Top Ten der schlechtesten Flirtsprüche“. Zwei Tage später auf 20 Minuten, dem erfolgreichsten Medienportal der Schweiz: “Die acht schlechtesten Anmachsprüche“. Urheber: “Eine Umfrage unter 4500 Usern des Onlinedienstes spin.de”.
Korrespondenten des ZDFkritisierten ihren Sender. Frankreich-Korrespondent Alexander Sobeck: “Seit sich der Präsident benimmt wie ein rasender Brummkreisel, bin ich froh, wenn ich in einem Beitrag über sein Privatleben fünf Halbsätze Politik unterbringe”. Balkan-Korrespondent Klaus Prömpers hingegen, der sich mal bei der F.A.Z. des Fernsehens wähnte, fühlt sich nun immer mehr wie bei der Bild-Zeitung. Als Beispiel führt er diesen Arbeitsvorschlag an: “Mach mal was über die Wahl in Bulgarien – aber ohne die Politiker. Die kennt ja sowieso kein Mensch.” Read On…
Unsere Jobs werden revolutioniert (jungle-world.com, Burkhard Schröder)
Der Berliner Verlag führt zurzeit ein pädagogisch wertvolles Lehrstück in Sachen Kapitalismus auf. Der Eintritt ist für die Öffentlichkeit frei.
Warum noch in der Zeitung werben? (perlentaucher.de, Robin Meyer-Lucht)
In Frankreich mehren sich die Stimmen, die Zeitungen für ein Auslaufmodell der digitalen Revolution halten. Denn dank Alternativen im Internet ist die Werbewirtschaft nicht mehr auf die Presse angewiesen.
“Massenkompatible Verramschung” (fr-online.de, Robin Meyer-Lucht)
Linke-Chef Lothar Bisky warnt davor, dass ARD und ZDF in Bedeutungslosigkeit fallen.
Ein Kommentar zum Kommentar (blog.handelsblatt.de/indiskretion, Thomas Knüwer)
Derzeit diskutiert die Weblog-Gemeinde über das Thema Kommentar. Diejenigen, denen es genehm wäre, sehen gar das Ende freier Kommentare. Tja, das hätten die wohl gerne.
Tibet? Kein Treffer. (taz.de, Ben Schwan)
Die chinesische Regierung hat – wie andere Zensurstaaten auch – die Internet-Kontrolle perfektioniert. Tauchen subversive Berichte auf, werden populäre Websites wie YouTube kurzerhand abgeklemmt.
Wenn ein Medium “exklusiv” über ein Thema berichtet, kann das im Wesentlichen zwei Gründe haben: entweder die Redakteure nutzen einen Wissensvorsprung gegenüber der Konkurrenz, oder sie erzählen eine Geschichte, die sich so nie ereignet hat.
Am 5. Dezember 2007 berichtete “Bild” exklusiv und bundesweit, der Eintracht-Frankfurt-Stürmer Ioannis Amanatidis habe eine Frau geohrfeigt, die ihm mit ihrem Auto den Weg versperrt habe — stilecht begleitet von einem Foto der Frau, die sich die “schmerzende Wange” hält. Am nächsten Tag legte “Bild” Frankfurt ausgiebig nach, sprach noch mal mit dem angeblichen Opfer (wieder inklusive Wangen-Foto), ließ einen “1. Zeugen” “sprechen”, der allerdings nichts von einer Ohrfeige berichtete, wies auf Amanatidis’ Position als Botschafter des hessischen Landespräventionsrates hin, ließ aber immerhin auch den Beschuldigten selbst zu Wort kommen:
Amanatidis erhebt schwere Vorwürfe gegen die Frau: “Es haben sich wieder einmal Leute bei mir gemeldet, die mit dieser Frau ähnliche Vorfälle erlebt haben. So etwas hat sie wohl nicht zum ersten Mal abgezogen.” Er fürchtet offenbar, dass er mit Schmerzensgeld abgezockt werden soll.
Amanatidis’ Version
“Kurz bevor später die Polizei kam, trat die Frau nochmals auf mich zu und sagte dann, nachdem sie mich wohl erkannt hatte, dass sie der Polizei sagen werde, dass ich sie eine Hure genannt hätte. Dann schlug sie sich selbst mit der eigenen Hand ins Gesicht und sagte mir, sie werde der Polizei angeben, dass ich sie geschlagen hätte. Ich hatte so etwas bislang nur in einem Film gesehen und war fassungslos.” “Frankfurter Neue Presse”, 7.12.2007
Als die “Frankfurter Rundschau” (FR) ebenfalls am 6. Dezember über die Anschuldigungen gegen den Fußballer berichtete, tat sie dies unter Berufung auf “Bild” auch mit folgendem Satz:
“Als ich meinen Vater schützen wollte, hat er mir mit der vollen Handfläche auf die linke Gesichtshälfte geschlagen”, berichtete die Frau, die dafür persönlich am Dienstagabend die Frankfurt-Redaktion des Boulevardblattes aufsuchte (und ein Leserhonorar einstrich).
Und in einem Interview zitierte die “FR” den griechischen Nationalspieler so:
Ich bin sauer auf dieses Schmuddelblatt (gemeint ist die Bild-Zeitung, Anm. d. Red.), das diesen Scheißdreck in die Welt setzt.
Gestern nun hat die Frankfurter Amtsanwaltschaft das Verfahren gegen Amanatidis eingestellt und ein neues “wegen des Verdachts der falschen Anschuldigung sowie Beleidigung” gegen das angebliche Opfer und ihre Begleiter eingeleitet.
Und die “FR” fügt hinzu:
Der Fall war seinerzeit von der Bild-Zeitung enorm hochgespielt worden. Gerüchte, dass die Frau für ihre Behauptungen möglicherweise bezahlt wurde, wollte die Amtsanwaltschaft nicht kommentieren.
Die “Bild”-Zeitung selbst berichtet heute online und offenbar in ihrer Frankfurter Ausgabe über die Einstellung des Verfahrens — nicht aber, wie bei der Verbreitung der unbewiesenen Vorwürfe, bundesweit. Und bei der Formulierung für die Gründe gibt es interessante Unterschiede:
Der 26-jährige Amanatidis hatte den Streit eingeräumt, die Ohrfeige aber bestritten. Diese Aussage wurde auch von sämtlichen befragten Zeugen vor Gericht bestätigt.
Daraufhin hatte die Frau Anzeige wegen Körperverletzung und Nötigung erstattet. Doch für den Schlag fanden sich keine Zeugen. Ihre Familienangehörigen, die mit im Auto saßen, waren nicht als Zeugen zugelassen.
Auf die Frage, ob es “klug” sei, sich mit “Bild” anzulegen, sagte Amanatidis im Dezember übrigens zur “FR”:
Das ist mir doch egal. Ich habe keine Angst vor diesen Leuten. Was will man erwarten von einem Blatt, das im Großen und Ganzen nur Dreck schreibt und so einer Person so viel Aufmerksamkeit schenkt.
Mit Dank an Johannes B., Tobias R., Florian Z., Arndt P., Henning K. und Markus für die Hinweise damals und jetzt.