Die Blogisierung der Politik (welt.de, Thomas Vitzthum)
Wie und warum Merkel, Westerwelle und Co. ihre Botschaften immer häufiger per Internet unters Volk bringen.
Der deutsche Journalismus sorgt für Überraschungen (berliner-journalisten.com, Laura Stevens)
Die US-amerikanische Journalistin Laura Stevens kam zu einem Studienaufenthalt nach Deutschland. Erwartet hatte sie große Ähnlichkeiten zwischen der deutschen und amerikanischen Berichterstattung. Gefunden hat sie erstaunliche Unterschiede und einen Mangel an Information.
Unser tägliches Fernsehen: Bleiben Sie dran! (gazette.de, pdf)
Fernsehen, sagte Oliver Kalkofe in Kreative Querschnittslähmung, sei wie der Wärter, der sei nem Gefangenen nur noch trockenes Brot gibt mit der Begründung, der isst eh alles. Was also tun, wenn auch die TV-Gesellschaft, die keinen ?angemessenen und altersgerechten Medienkonsum? gelernt hat, alles frisst? Es bleiben Gelassenheit und Ironie.
“FR”-Chef Uwe Vorkötter will sich online bewegen (dwdl.de, Thomas Lückerath)
“Ich bleibe gerne der Einzige im nordischen Tabloid-Format”, sagt Uwe Vorkötter, Chefredakteur der “Frankfurter Rundschau” im DWDL.de-Interview. 2008 steht für ihn der Ausbau des Online-Angebots im Mittelpunkt. “Größten Respekt und alle Hochachtung” hat Vorkötter vor seinen alten Kollegen bei der “Berliner Zeitung”.
Egon Erwin Kisch: Der rasende Reporter (hagalil.com)
Am 31. März 1948, starb in Prag eine der schillerndsten Persönlichkeiten aus der Welt des Journalismus: Egon Erwin Kisch.
Was ich heimlich lese (cicero.de, Julia Franck)
“Auf den Wissensseiten lese ich ausnahmslos jeden Artikel – ganz anders als im Rest der Zeitung, den ich anschließend nur überfliege und hier und dort etwas Herausstechendes lese. Warum ich diese Leidenschaft für unwürdig halte? Ganz einfach, es ist eine sehr oberflächliche Wissensaneignung, die dort stattfindet.”
Zwei “Bild”-Reporter sollen im November 2007 ein Auto, in dem sie fälschlicherweise einen wegen Kindesmissbrauchs verurteilten Mann vermuteten, verfolgt, ausgebremst, gestoppt und Fotos des Fahrers geschossen haben. Der hatte die Reporter daraufhin angezeigt. Vor gut zwei Wochen hatte das Amtsgericht Osnabrück deswegen Strafbefehl wegen Nötigung in Höhe von je 15 Tagessätzen à 50 Euro gegen die beiden erlassen (wir berichteten).
Die Reporter – bei einem von ihnen handelt es sich übrigens um Jürgen Damsch, der BILDblog-Lesern quasi einschlägigbekannt sein dürfte – akzeptierten den Strafbefehl nicht. Wie uns das Amtsgericht Osnabrück mitteilt, “liegt ein Einspruch gegen den Strafbefehl vor”. Die Begründung ist uns nicht bekannt, es wird in der Sache aber wohl zu einer mündlichen Hauptverhandlung kommen. Wann das der Fall sein wird, ist noch offen.
Was daran “exklusiv” gewesen sein soll, weiß vermutlich malwieder Bild.de allein. Schließlich ist das Foto, das Bild.de heute auf der News-Seite anpries, bereits seit vergangenem Freitag auf der Bundeswehr-Homepage zu sehen – und nicht mal die gedruckte “Bild”, die heute auch das Foto zeigt, behauptet, es sei “exklusiv”.
reverse blog engineering (basicthinking.de, Robert Basic)
“Viele fragen mich, wie ich das mit dem Bloggen, den vielen Artikeln und Themen eigentlich hinbekomme. Das ist eigentlich ganz einfach. Ja, es ist wahr, dass ein ganzes Team am Blog arbeitet, das schafft einer alleine doch eh nicht. Wer das glaubt, muss einen Schuss weg haben. Also stelle ich das Team und die Aufgabe jedes Teammitglieds vor.”
“Der Toilettensitz brennt” (ejo.ch, Marlis Prinzing)
Stimmen einer Tagung zur Zukunft der Medien: Nur wer auf den Wandel reagiert, wird überleben können.
Kerstin Dombrowski im Interview (planet-interview.de, Tobias Goltz)
Journalistin Kerstin Dombrowski über die Boulevard-Perspektive, Extremsituationen bei der Bild-Zeitung, Gruppendynamik unter Redakteuren und Moral.
Das universelle Format (taz.de, Gina Bucher)
Man kann PDF-Magazine nur am Computer lesen. Wenige kennen sie. Trotzdem: Viele sind hervorragend gemacht, und ihre Zahl steigt – für die Macher sind sie Spielplatz und Forum.
Christoph Lüscher missioniert nicht mehr (ressmann.wordpress.com)
“Ich versuche, die Leute bei ihrem Interesse abzuholen: wenn Du Dich für das Weltgeschehen unter Ausnahme von Britney Spears interessierst und gerne diskutierst, dann schau mal vorbei, online verstehst Du es besser, als wenn ich es Dir hier erkläre. Wenn mir allerdings jemand sagt, das Internet sei nicht real, dann lächle ich und gehe meines Weges. Den Hang zum missionieren habe ich längst abgelegt.”
Marc Walder: Auf einen Espresso mit Frank A. Meyer (blick.ch/news/fam)
“Wo sind die Schreiber und Analytiker, die mit Witz und Schärfe, mit eigenem Stil und Standpunkt einen aufregenden, zwingenden Journalismus betreiben? Kaufzeitungen müssen süchtig machen! Das geht nur über journalistische Persönlichkeiten – die man lesen will, wegen denen man die Zeitung kauft. Die aber gibt es nur, wenn der Verleger selbst süchtig ist nach Schreibern und Denkern.”
Kerstin Dombrowski war mal bei der “Bild”-Zeitung – und hat kürzlich ein Buch mit dem Titel “Titten, Tiere, Tränen, Tote” geschrieben, in dem sie u.a. ihre Erfahrungen bei “Bild” schildert.
Das Buch, geschrieben “mit der speziellen journalistischen Naivität, die in der Branche häufig gelobt wird” (Günter Wallraff im Vorwort), liest sich in weiten Strecken wie eine öffentliche Beichte und bietet, wie Medienlese.com zu Recht bemängelt, “leider wenig Überraschungen”. Nun ja.
Jetzt hat planet-interview.de mit Dombrowski gesprochen. Und wir zitieren Auszüge aus dem heute veröffentlichten Interview, die vielleicht doch einen erhellenden Einblick in die Arbeit der “Bild”-Zeitung gewähren:
Ich wurde oft raus geschickt, um eine Geschichte zu recherchieren, wo ich dachte: “Das ist furchtbar, das dürfte ich jetzt eigentlich nicht machen.” Aber anschließend durfte ich dann wieder nach Hawaii fliegen oder eine Woche lang auf Rhodos recherchieren. Es gab also immer wieder auch die netten Seiten. (…) Denn wenn man da drin steckt, denkt man gar nicht wirklich mehr drüber nach, was man tut, man hat keinen objektiven Blick mehr darauf. (…)
Ich nenne Ihnen ein spannendes Beispiel: Man saß in der Redaktion, und jemand hatte von irgendeinem Unglücksopfer die Mutter ausfindig gemacht. Alle sagten: “Oh, cool, du hast die Mutter bekommen”. Erst wenn man später zu Hause war und sich nicht mehr im Redaktionsumfeld befand, kam der Gedanke auf, dass man dieser Mutter vielleicht zu nah auf den Leib gerückt sein könnte. Die Wahrnehmung verschiebt sich. (…) Wenn ich einen Auftrag bekam, bei dem ich wusste, dass er verwerflich und unmoralisch ist – etwa zu Eltern zu gehen, die gerade ihr Kind verloren haben – und ich meine Bedenken gegenüber den Kollegen äußerte, hieß es nur “Ja, na und?” Ich war nicht so gefestigt, bei mir zu bleiben und zu sagen: “Für mich ist das aber schlimm.” Ich dachte vielmehr: “Vielleicht bin ich zu empfindlich, zu sensibel.” In diesem ganzen Umfeld greift einfach diese Gruppendynamik wunderbar. Niemand will der Außenseiter sein. (…)
Einmal sollte ich mich mit einem Blumenstrauß in der Hand auf eine Intensivstation schleichen, auf der ein Mädchen lag, das ihre Freundin tot gefahren hatte. Da ging es mir wirklich schlecht. (…) Es gab Redakteure, die von einer Recherche kamen, sich schief lachten und riefen “Ich hab sie heulend” oder die nach der Konferenz sagten “Ich hab da noch ‘ne Tote nackig am Baum, haha”. Manche waren total sarkastisch. Es gab Sprüche wie “Da ist ein Bus voller Touristen verunglückt, oh super. – Och Mist, waren alles Rentner.” (…)
In den morgendlichen Konferenzen wurde zunächst immer die Blattkritik gemacht. Wer am Vortag ein gutes Stück hatte, wurde in den Himmel gelobt, wurde wirklich sehr gebauchpinselt. Diejenigen, deren Stück nicht besonders gut war oder wo ein Konkurrenzblatt mehr Informationen hatte, die wurden vor der ganzen Mannschaft rund gemacht. So dass man sich ganz, ganz schlecht gefühlt hat. Am nächsten Tag war man bemüht, es besser zu machen. Man wollte wieder zu denen gehören, die gelobt werden. (…)
Wer kein Thema hatte, bekam richtig Ärger. Da herrschte fast Panik, wenn die vorgeschlagenen Themen morgens in der Konferenz schlecht waren und die Chefs gewütet haben. Also dachte man sich in der Not ein Thema aus oder arbeitete mit Halbwahrheiten… (…) Oft lief es so: Man bot Themen an, die noch nicht recherchiert waren und musste später die Geschichte dem Themenvorschlag angleichen. Auch wenn man merkte, dass man keine entsprechenden Protagonisten findet und die Geschichte nicht so erzählen kann, wie man sich das vielleicht ursprünglich gedacht hat. Eigentlich hätte man sagen müssen: Es ist tot recherchiert. Aber das konnte man ja nicht zugeben, also hat man versucht, es so hinzubiegen, dass es irgendwie noch passte. (…)
Man hat einfach versucht, den Erwartungen zu entsprechen. Es kam auch vor, dass die Überschriften noch mal verdreht wurden oder am Text gefeilt wurde. Man hatte manchmal ohnehin schon ein schlechtes Gewissen, wenn man einen Text abgeschickt hatte, weil man wusste, dass nicht alles ganz korrekt war. Dann sind aber die Chefs noch mal rangegangen und haben die Schraube noch mal angezogen, haben noch mal schärfer formuliert. So funktionierte das System. Es war egal, ob etwas nicht ganz stimmte – Hauptsache es war nicht ganz falsch. (…)
Es ist einfach eine permanente Grenzüberschreitung. Man macht sich keine Gedanken darüber, was eine bestimmte Berichterstattung bei den jeweiligen Protagonisten bewirkt, was in deren Umfeld passiert, was sie da jetzt ausbaden müssen. Man denkt einzig und allein an seine Geschichte. Dass Menschen damit weiterleben müssen, ist egal.
Offener Brief von Michail Gorbatschow an die deutschen Medien (petersburger-dialog.de, Michail Gorbatschow)
“Beim aufmerksamen Blick auf die Flut von Veröffentlichungen in Deutschland wird man jedoch schwer den Eindruck wieder los, als ob man es mit einer gezielten Kampagne zu tun hat, als ob alle aus einer einzigen Quelle schöpften, die eine Handvoll Thesen enthält (in Russland gebe es keine Demokratie; die Meinungsfreiheit werde unterdrückt; eine arglistige Energiepolitik werde durchgesetzt; die Machthaber drifteten immer weiter in Richtung Diktatur ab – und so weiter und so fort.) Diese Thesen werden in verschiedenen Tonarten wiederholt. Die Zeitungsmacher scheinen auch keinerlei Interessen jenseits dieser Aussagen zu haben.”
Die sorglose Masse (umagazine.de, Don Alphonso)
Bald stehen wir alle splitternackt da, vor der ganzen Welt. 100 zornige Zeilen gegen die Naivität, mit der die Fans des Web 2.0 sich selbst entblößen.
Ebay-Nutzer bekommen teure Post vom Anwalt (welt.de, Steffen Fründt)
Rechtsanwälte haben Kunden des Auktionshauses Ebay als ergiebige Einnahmequelle entdeckt. Wegen vermeintlicher Formfehler mahnen sie systematisch Verkäufer ab. Nun flattern bei Tausenden Privatleuten deftige Rechnungen ins Haus. Bislang hatten die Anwälte nur professionelle Händler im Visier.
Brutaler Kampf ums Altpapier (spiegel.de, Alexandra Sillgitt)
Die Entscheidung fällt an der Mülltonne: Kommunen und private Anbieter liefern sich deutschlandweit einen Kampf um ausgelesene Zeitschriften und Zeitungen. Der Streit wird vor Gericht ausgefochten oder auf der Straße – denn Pappe und Papier bringen bares Geld.
Sex mit spitzer Feder (sonntagszeitung.ch, Martina Bortolani)
Die Jungautorinnen einschlägiger Kolumnen schreiben ebenso unbeschwert über Schwänze wie über ihre neuen Schuhe.
“Schweini: Ich steht zu Poldi” lautete diese Woche eine Schlagzeile der Bild-Zeitung über “Prinz Peng”. Wer das jetzt nicht verstanden hat, muss das auch gar nicht, wenn es nach Medienwissenschaftler Norbert Bolz geht. Er sagte: “‘Bild’ ist ein Gesamtkunstwerk und hat einen unglaublichen Einfluss auf die Politik”. Die Belegschaft der Zeitung zog von Hamburg nach Berlin und stellte gleich mal einen Werbewagen auf, um bei der Nachbarredaktion der taz auf sich aufmerksam zu machen. Wie dieses Bild zeigt, wurde die Zeitung von der Stadt Berlin in ihrer gewohnt herzlichen Art, ja man möchte fast schon sagen, überschwänglich empfangen. Read On…
ÜBERMORGEN BEGINNT DER PROZESS GEGEN MARCO IN DER TÜRKEI (…) Vergangene Woche begab sich BILD am SONNTAG erneut auf Spurensuche in England: (…) Die BamS-Reporter klingeln an dem kleinen Einfamilienhaus von Charlottes Vater Graham M. (…) Als auf das Türklingeln niemand öffnet, hinterlassen die BamS-Reporter einen Brief, fragen den Vater nach dem Zustand seiner Tochter und zu den Ereignissen des vergangenen Jahres. (Auslassungen von uns.)
“Zwei Stunden später”, so steht es anschließend in der heutigen “BamS”, habe Charlottes Vater den Reportern eine SMS geschickt, die von der “BamS” dokumentiert und wie folgt übersetzt wird:
“Meine Familie und ich haben mehr durchgemacht, als ich es mir hätte jemals vorstellen können. Charlotte ist ein Kind, welches sich wohl nie wieder erholen wird. Wir müssen jetzt für uns bleiben und versuchen, endlich unseren Frieden zu finden (…). Marco wird diesen Frieden auch finden müssen. Ich hoffe, er und seine Familie finden ihn auch. (Auslassung von “Bild am Sonntag”.)
An der Stelle, an der sich in der “BamS”-Übersetzung die drei Auslassungspunkte finden, stehen im Original vier Worte:
Please respect our peace.
Warum die “BamS” ihren Leser die Übersetzung dieses kurzen Satzes vorenthält, wissen wir nicht. Ein Übersetzungsproblem wird es nicht gewesen sein. Aber vielleicht haben ihn die Reporter Shila Behjat und Jürgen Damsch trotzdem nicht verstanden. Schließlich handelt es sich dabei um die ausdrückliche Bitte, die Privatsphäre zu respektieren.
Mit Dank an Georg H., Kai B. sowie Florian und Annette Z.
Bild.de hält unbeirrt daran fest, Fotos von gewaltsamen Auseinandersetzungen in Nepal als Fotos von gewaltsamen Auseinandersetzungen in Tibet auszugeben. Eine Anfrage von uns, ob sich Bild.de das Recht vorbehalte, an dieser Praxis auch in Zukunft festzuhalten, blieb unbeantwortet.
Anders als andereMedien sieht Bild.de offensichtlich keinen Grund zu einer Korrektur. Auch eine lange gemeinsame Analyse von Bild.de-Weltpolitik-Experte Karl Wendl und “Bild”-Alles-Experte Paul C. Martin vom vergangenen Dienstag ist nach wie vor mit einem Foto illustriert, das den Einsatz nepalesischer Polizisten bei einer Demonstration vor der chinesischen Botschaft in Kathmandu zeigt. Bild.de behauptet, es zeige das Vorgehen chinesischer Soldaten in Tibet:
Aber vielleicht tut man den Experten von Bild.de unrecht, wenn man ihnen böse Absicht unterstellt. Womöglich ist es nur Ahnungslosigkeit. Als einen Grund dafür, warum China Tibet “unbedingt behalten will” nennen sie den “militärischen Faktor”:
Durch die einmalige strategische Lage im Dreieck von China, Indien und Russland ist Tibet für Peking eine wichtige Pufferzone gegen die mächtigen Nachbarn.