Archiv für September 25th, 2008

Britney Spears und der Pawlu’sche Reflex

Warum Annette Pawlu Klatsch-Reporterin bei “Bild” ist – man weiß es nicht. Vermutlich wegen ihrer – hex, hex – flotten Schreibe:

"Enthüllt! Britney Spears klaut Körper von Tyra Banks"Pop-Sternchen Britney Spears (26) (…) hat – hex, hex – ihr Gesicht auf den Traumbody von Topmodel Tyra Banks (…) gebastelt. Das Ganze sieht man auf dem Cover der Single-Auskopplung “Womanizer” aus ihrer neuen Platte “Circus”.

Womöglich ist es in der kleinen großen Welt der Annette Pawlu nicht völlig abwegig, dass ein Konzern wie Sony BMG (Spears’ Plattenfirma) ein offizielles Foto von Tyra Banks “klaut” (aufgenommen offenbar anlässlich der 10. Staffel von “America’s Next Top Model”), dazu eines von Britney Spears nimmt, das aus dem Jahr 2004 stammt (aufgenommen anlässlich ihrer Onyx Hotel Tour), die beiden einfach zusammen montiert, und das Ganze dann als offizielles Plattencover verkauft.

Aber selbst wenn Annette Pawlu tatsächlich so naiv sein sollte: Wenigstens bei Bild.de hätte sie ja mal nachschauen können. Dort war man nämlich gestern schon sehr viel weiter, als Pawlu in ihrer heutigen “Enthüllungs”-Prosa, und veröffentlichte doch tatsächlich so eine Art Korrektur eines Artikels vom Tag zuvor, in der es heißt:

Sexy wie nie! So urteilte BILD.de gestern über das heiße Plattencover von Britney Spears (26). Jetzt erhärtet sich der Verdacht, dass die scharfe Pose als Domina nur eine gut gemachte Fälschung ist! Gehört der Luxuskörper unter Britneys Kopf in Wahrheit Supermodel Tyra Banks (34)? (…) In der Deutschland-Zentrale der Plattenfirma ist das Foto übrigens unbekannt: “Bestimmt ein Fake.”, hieß es auf Nachfrage von BILD.de.

Übrigens: In der heutigen “Bild”-Blattkritik ging es auch kurz um den Spears-Artikel. Kritiker Ulrich Becker (Ressortleiter Leben und Wissen) fand ihn eine “tolle Geschichte”, hätte aber gerne noch “die Britney, klein und pummelig” neben der Fotomontage gesehen.

Nachtrag, 7.12.2008: Nur der Vollständigkeit halber sei hinzugefügt, wie das Cover der im November erschienenen “Womanizer”-Single wirklich aussieht:

Hugo Müller-Voggs Liebe zu den Fakten

“Ha!”, könnte “Bild”-Kolumnist Hugo Müller-Vogg gerufen haben, als er vor zwei Wochen die ARD-Sendung “Hart aber fair” sah. Oskar Lafontaine, Parteivorsitzender der Linken und einer der Lieblingsgegner Müller-Voggs, ließ sich auch durch gutes Zureden von Moderator Frank Plasberg nicht dazu bringen, einen Fehler zuzugeben. Lafontaine hatte am 1. Juni 2008 in der Talkshow “Anne Will” behauptet, Bundeskanzlerin Angela Merkel habe in Moskau studiert. Tatsächlich hat sie zwar offenbar an einem Jugendaustausch mit Physikstudenten dort teilgenommen, aber nicht regulär studiert. Lafontaine beharrte aber darauf, bei Anne Will die Wahrheit gesagt zu haben.

“Ha! Schon wieder!”, könnte Hugo Müller-Vogg also gerufen und sich auf die Schenkel gehauen haben, denn den Fehler hatte er ihm damals schon in seiner “Bild”-Kolumne vorgeworfen. Und so verfasste er einen neuen Text mit der Überschrift “Lafontaine wiederholt die Mär von Merkels Moskau-Studium” und schrieb:

Das war dumm, um nicht zu sagen: falsch. Vielleicht hatte sich Müller-Vogg ein bisschen zu triumphierend auf die Schenkel gehauen, aber genau das hatte Lafontaine nicht gesagt. Im Gegenteil: Trotz allen Beharrens hatte Lafontaine seine Aussage über Merkel relativiert und ausdrücklich betont, Merkel habe als Austauschstudentin kein “reguläres Semester” in Moskau absolviert. Das kann man sich sogar im Original auf der Internetseite zur Sendung ansehen.

Anstelle einer Berichtigung veröffentlichte “Bild” am vergangenen Dienstag eine Gegendarstellung Lafontaines:

Bei Bild.de ist Müller-Voggs fehlerhafter Text ohne eine Erklärung entfernt worden.

Bei dem Hugo Müller-Vogg, der Lafontaine (möglicherweise nicht zu unrecht) vorwarf, dass ihm Fakten egal seien und er keine Fehler eingestehen könne, handelt es sich nach unseren Recherchen übrigens um denselben Hugo Müller-Vogg, der seinen Text mitsamt dem groben Fehler bis heute uneingestanden und unkorrigiert auf seiner Homepage verbreitet.

Nachtrag, 26. September, 13:00 Uhr. Der Artikel ist von Hugo Müller-Voggs Homepage verschwunden.

Nachtrag, 26. September, 15:50 Uhr. Hugo Müller-Voggs Internetseite gibt es in den drei Geschmacksrichtungen “classic”, “bold” und “modern”, was ihm die Möglichkeit zu einem differenzierten Umgang mit seinen Fehlern gibt. Anders gesagt: In der Variante “modern” hält er noch an seiner falschen Darstellung fest.

Mit Dank an Christopher und Lothar W.!

6 vor 9

1. “Berichterstattung bei Geiselnahme”
(taz.de, Karim El-Gawhary)
Karim El-Gawhary klärt auf über die Hilflosigkeit von Korrespondenten, von denen stündlich News gefordert wird, die aber auch nicht mehr wissen als die Redaktion zuhause: “Fakt ist, dass eine Gruppe von 11 Touristen und ihre acht ägyptischen Begleiter verschleppt wurden. Wir wissen nicht von wem, wir haben in Wirklichkeit keine Ahnung wie die Forderungen der Entführer lauten, wir wissen nicht einmal genau wer mit wem verhandelt.”

2. “Die Zeitungsnutzung der Generation ‘Twitter'”
(relevantmedianow.typepad.com, Stephan Sperling)
Stephan Sperling beweist, dass auch Twitterer Zeitung lesen. Es ist also nur fast alles, nicht ganz alles verloren.

3. “Knuts Papa, die Zeitungen und das Internet”
(medienpiraten.tv, Peer Schader)
Was ist Medienkompetenz heute? Wenn eine 22jährige im Internet Fact-checking macht, nachdem sie etwas im Fernsehen gesehen hat. Das Zitat des Tages, festgehalten vom Berliner Kurier, lautet so: “Als die Meldung im Fernsehen kam, habe ich im Internet nachgesehen, ob es wirklich stimmt.”

4. “ARD und ZDF im Internet”
(focus.de, Frank Fleschner)
“Mit neuen Google-Diensten lässt sich jetzt abschätzen, wie mächtig ARD und ZDF im Internet sind.”

5. “Mitten in der Revolution”
(faz.net, Marcus Theurer)
“1,2 Millionen ‘Bravo’-Hefte verkaufte Deutschlands größtes Zeitschriftenhaus, der Heinrich Bauer Verlag, noch im Jahr 1998 Woche für Woche. Heute, nur zehn Jahre später, ist die Auflage auf knapp 500.000 Exemplare geschmolzen. Dazwischen liegt mit der Geburt des Internets als Massenmedium der Beginn einer Medienrevolution, die mittlerweile in vollem Gang ist.”

6. “Internettourismus: Die Welt auf Vorovoro”
(woz.ch, Mirco Lomoth)
“Auf der Fidschi-Insel Vorovoro lebt eine Gemeinschaft von InternetfreundInnen eine neue Form des Tourismus: natürliches Leben in einem polynesischen Stamm.”