Archiv für August 11th, 2008

Ansporn zum Ausweiden

Vergangenen Samstag berichtete “Bild” über die 23-jährige Sara, über ihr Leben, ihre Magersucht und ihren Tod. Sara starb im März dieses Jahres, woran genau ist bislang unklar.

"Magersucht: Als Sara (23) starb, wog sie nur noch 29 Kilo"Die “Bild”-Zeitung ist nicht von sich aus auf diese Geschichte gekommen, die sie großzügig mit Fotos des toten Mädchens bebildert (siehe Ausriss). Sie hat sie aus dem “Tagesspiegel”, der am Freitag einen längeren Nachruf auf Sara veröffentlichte. “Bild” schrieb:

Die Berliner Zeitung “Der Tagesspiegel” veröffentlichte mit Zustimmung der Eltern die erschütternde Geschichte von Sara L.

Das ist ein entlarvender Satz. Er zeigt, dass “Bild” es offenbar nicht für eine Selbstverständlichkeit hält, die Zustimmung der Eltern einzuholen, bevor man über das Leben und den Tod ihres Kindes berichtet. Im Gegenteil. Nach unseren Information kann man den Satz noch ergänzen: Anders als die Berliner Zeitung “Der Tagesspiegel” berichtet “Bild” nicht nur ohne Zustimmung der Eltern über die “erschütternde Geschichte von Sara L.”, sondern sogar gegen deren ausdrücklichen Willen.

“Bild”-Mitarbeiter haben nämlich offenbar den Eltern nach Erscheinen der Geschichte im “Tagesspiegel” aufgelauert und versucht, sie zur Zusammenarbeit zu bewegen, um eine eigene Geschichte machen zu können. Doch die Eltern lehnten ab und sprachen nicht mit “Bild”.

Woraufhin die “Bild”-Zeitung beim “Tagesspiegel” nachfragte, ob sie die Geschichte nachdrucken dürfe. Der “Tagesspiegel” jedoch lehnte – nach Rücksprache mit den Eltern – ebenfalls ab. Die Eltern wollten überhaupt nicht, dass etwas über ihre Tochter in “Bild” erscheint.

Diese doppelte Ablehnung war für “Bild” offenbar erst recht Ansporn. “Bild” veröffentlichte die Geschichte nicht nur trotzdem, sie bebilderte sie auch, wie gesagt, großzügig mit Fotos des toten Mädchens, die “Bild” wohl von Internetseiten wie SchülerVZ oder StudiVZ geklaut haben dürfte (der Foto-Nachweis lautet: “Internet”). Nach unseren Informationen jedenfalls haben weder Saras Eltern noch Freunde von ihr die Fotos an “Bild” weitergegeben.

Und egal, was an der “Bild”-Geschichte unrechtmäßig ist und was nur moralisch fragwürdig: Widerwärtig ist sie in jedem Fall.

“Bild” macht Geschäfte mit und ohne Gina Wild

Als “Bild”-Köln vor knapp drei Wochen über eine “Porno-Attacke” auf Michaela Schaffrath berichtete, weil skrupellose Menschen “alte Sex-Filme”, die sie als Gina Wild gedreht hatte, “ohne Einverständnis” bewerben, da war das natürlich ein bisschen unbefriedigend. Denn “Bild” zeigte zwar die umstrittene Werbung (“in Zeitungen und bei RTL.2”), hatte aber die Nummer, unter der man sich für 4,99 Euro alte Filme ohne das Einverständnis der Schauspielerin auf das Handy laden kann, weggeschnitten.

Zum Glück findet sich die komplette Anzeige, um die es ging, in “Bild”. Im Anzeigenteil.

Nur der Titel des Hauptangebotes war von “Gina Wild Film: Durchgef***t!” in “Gina Wild Film: Ich will kommen!” geändert worden. Die akzeptieren ja nicht jede Werbung bei “Bild”.

Mit Dank an Ulrike!

6 vor 9

1. “Internet, intelligent!”
(dasmagazin.ch, Thomas Zaugg)
“Pessimisten aller Länder, seid lieb mit dem digitalen Zeitalter. Wenn man sich nicht dumm anstellt, macht es nicht dumm. Ein Appell.”

2. “Chinas Botschafter kritisiert Schweizer Medien”
(sonntagonline.ch, Katia Murmann und Patrik Müller)
Der chinesische Botschafter in der Schweiz, Dong Jinyi, empfiehlt folgende Sehenswürdigkeiten: “Die Grosse Mauer, weil sie das wohl wichtigste Kulturerbe Chinas ist. Dann die Sommerpaläste der chinesischen Kaiser. Und die Einkaufszentren – damit die Schweizer sehen, welch grosses Angebot es heute in China gibt.”

3. “Als Journalist in Peking”
(stern.de, Jens Fischer)
Stern.de-Reporter Jens Fischer wird nachts von sechs Polizisten geweckt und kontrolliert: “Meine Daten wurden notiert, ihre Blicke durchbohrten mich. Nach etwa 15 Minuten hatte der ganze Spuk ein Ende. Pass und Akkreditierung wurden mir wieder ausgehändigt, die Staatsmacht zog von dannen.”

4. Interview mit Christiane zu Salm
(faz.net, Georg Meck)
Christiane zu Salm vom Burda Verlag beruhigt den Fragesteller von der Frankfurter Allgemeinen: “Zeitschriften und Zeitungen sterben genauso wenig wie seinerzeit das Buch.” – “Danke. Genau das wollten wir hören.”

5. “Eine kleine Umfrage unter Bloggern”
(blogbar.de, Don Alphonso)
Don Alphonso macht sich Gedanken über die Leute, die einen, viele Blogger kennen das, dummdreist um Informationen angehen: “Das sind vermutlich irgendwelche viertelgebildeten Auswendiglerner, die unter Druck ihre 20 Seiten zusammenschmieren und dann faktisch von irgendeinem HiWi betreut werden, der auch keine Ahnung vom Thema hat. Hauptsache was mit Internet und einem Modethema.”

6. “Ich war ein hübscher Arztsohn mit guten Manieren”
(welt.de, Sven Michaelsen)
Wer dem Spiegel beweisen will, dass er doch noch fähig ist, einen über fünf Zeilen hinausgehenden Text zu lesen, sollte sich Interview mit Oswalt Kolle in voller Länge antun. Es lohnt sich.