Es sind schockierende Zahlen, die Bild.de hinter diesem blutroten Teaser bereit hält. Es geht im Text um die Erhebungen von “Map Report” zu den Neuzugängen an Renten wegen Berufsunfähigkeit und wegen Todes im Jahr 2006.
Erschreckend, dass da laut Bild.de beispielsweise rund “52 Prozent” der Dachdecker eine Erwerbsunfähigkeitsrente “wegen eines Berufsunfalls” erhielten. Noch viel erschreckender:
Knapp 20 Prozent der Schlachter erlitten während der Arbeit einen tödlichen Unfall, bei den Krankenpflegern sind es zwölf Prozent.
Und bei den Küstern wären es demnach 18 Prozent!? Werden die reihenweise von Schweinehälften und Bettpfannen erschlagen oder fallen vom Glockenturm?
Auf Nachfrage bei “Map Report” beruhigt man uns, dass die Zahlen zur Berufsunfähigkeitsrente nichts über die Zahl der Arbeitsunfälle aussagen, sondern nur darüber, ob jemand berufsunfähig geworden ist. Aus welchen Gründen auch immer. (Tatsächlich betrage der Anteil der Arbeitsunfälle an der Berufsunfähigkeit insgesamt nur drei Prozent).
Und Renten wegen Todes werden gezahlt, wenn, nun ja, wenn die Menschen sterben. Warum auch immer.
Das ist auch so, dass ich rein gar nicht mehr vorkomme: je lauter ich gegen die schreie, umso weniger komme ich da vor, was sehr, sehr gut ist. (Charlotte Roche über ihr Verhältnis zu “Bild” im BILDblog-Video-Interview)
Seit dem Frühjahr dieses Jahres berichten “Bild” und insbesondere Bild.de wieder vermehrt über Charlotte Roche. Das ist wahrscheinlich gar kein Wunder, weil Roche einen Bestseller namens “Feuchtgebiete” geschrieben hat, in dem es auch um Sex und Körperausscheidungen geht. Es lassen sich also hervorragend Artikel über Roche schreiben, in denen beispielsweise das Wort “Porno” inder Überschrift vorkommt. Und auch wenn man bei Bild.de eigentlich findet “minimales Niveau, maximaler Erfolg”, kommt keiner der “Feuchtgebiete”-Artikel ohne Link zum Onlineshop von Bild.de aus, wo man das Buch kaufen kann.
Aber auch “Bild” kam nicht an Roche vorbei, inszenierte einen (offenbar einseitig erklärten) “Zickenkrieg” zwischen Roche und Lady Bitch Ray und schlich sich zu “Schamlos-Charlotte” in eine Lesung des “Schmuddel-Romans”.
Kürzlich waren Charlotte Roche und ihr Buch mal wieder Thema in der Hamburger Lokalausgabe von “Bild”:
“Radikal, drastisch und ebenso zart. Ich erinnere mich nicht, ein Debüt-Manuskript in der Hand gehabt zu haben, so sicher, so mutig und so voller Gegenwart wie dieses.” (Roger Willemsen im Klappentext zu “Feuchtgebiete”)
Leser von “Feuchtgebiete” wird das überraschen, hatte Willemsen doch einen lobenden Klappentext für das Buch formuliert (siehe Kasten). Das ahnt auch “Bild”:
Dass Willemsen sich über Roche, mit der er befreundet ist, so mokiert, verwundert.
Trotzdem schreibt die Zeitung kurz vorher:
Doch jetzt putzt er Charlotte Roche (30) runter, stänkert gegen ihr Skandal-Buch “Feuchtgebiete”. Es sei “mit Abstand das ekelerregendste Buch”, das er kenne, sagte Willemsen dem Magazin “Zeit Campus”.
Nun sind diese fünf Wörter richtig aus “Zeit Campus” abgeschrieben. Allerdings stehen sie in einem Kontext, der die Behauptung, Willemsen “putze” Roche und ihr Buch “runter” in einem etwas anderen Licht erscheinen lässt:
Sie sind mit Charlotte Roche befreundet. Ihr Buch “Feuchtgebiete” haben Sie schon gelesen, als es noch ein Manuskript war.
Es ist mit Abstand das ekelerregendste Buch, das ich kenne. Aber in dieser Metapher der Hygiene steckt einiges: Ordnung, Entfernung von Lebensspuren, Verdrängung. Charlotte ist auf einen der letzten Bereiche zugelaufen, in denen es eine Form von gesellschaftlichem Konsens gibt. Und ihr fällt auf: Da ist ein Bereich von Erfahrung, in dem wir beengt und normiert werden.
Klingt nicht nur anders, sondern auch kompliziert. Und auf alle Fälle nicht wie etwas, das die Bezeichnung “Autoren-Zoff” verdient hätte.
Roger Willemsen äußerte sich auf unsere Anfrage dann auch wie folgt:
Dass nun die notorische Animosität, die Charlotte zurecht gegen “Bild” hegt, dazu führt, dass ich gegen Charlotte in Stellung gebracht werden soll, das könnte man infam nennen, wenn es das Wort verdiente. Ich habe das Manuskript der “Feuchtgebiete” früh gelesen, finde das Buch erstaunlich, habe mich für seine Publikation eingesetzt, mit Charlotte lange darüber gesprochen und soll jetzt abrücken? Den Gefallen tue ich “Bild” nicht, finde aber die teilweise spießige Reaktion bezeichnend.
Ekel ist kein literarisches Urteil, sondern verrät eher, dass da noch etwas war, das empören konnte.
Schafft die Gebühren ab! (faz.net, Claudius Seidl)
“Das öffentlich-rechtliche System war einst von enormer erzieherischer Wirkung. Das Land ist aber erwachsen geworden, mit Radio und Fernsehen sollte es doch auch so weit sein. Anstalten des öffentlichen Rechts: Ihr seid alt genug, euer Geld selber zu verdienen.”
Vanity Fair nur 20 Cent (vanity-care.de)
Die Vanity Fair gibt es im Doppelpack mit GQ für 20 Cent: “Für Leser des Männer-Magazins lohnt?s aber in jedem Fall. Sie nehmen ihr Heft, bekommen ‘Vanity Fair’ dazu, verschenken das Heft auf dem Bahnsteig, zerbrechen die CD im Zug und haben dennoch Geld gespart gegenüber dem ‘GQ’-Einzelkauf. Traurig dieses Dasein von ‘Vanity Fair'”
The Associated Press to Set Guidelines for Using Its Articles in Blogs (nytimes.com, Saul Hansell)
“The Associated Press, one of the nation?s largest news organizations, said that it will, for the first time, attempt to define clear standards as to how much of its articles and broadcasts bloggers and Web sites can excerpt without infringing on The A.P.?s copyright.”
Leidenschaftlich leidenschaftslos? (taz.de, Gina Bucher, 14.06.2008)
“Oh nein! Schweizer sind wirklich sehr intensiv. Allerdings diskret und unaufgeregt. Im Kleinen wie im Verborgenen. Deswegen bemerkt man ihre spontan aufglühenden Passionen nicht sofort, leider. Eine Ortsbegehung.”
Der rote Traktor darf mit ins Altersheim (nzz.ch, Martin Merki, 14.06.2008)
Schöne Reportage aus einem Altersheim für Knechte: “Viele wollen nicht reden. Vielleicht empfinden sie die Fragen des Journalisten als Aushorchen. Auch Fotografieren lassen wollen sie sich auf keinen Fall. Sie winken ab wie Eingeborene, die Angst haben vor dem Diebstahl fremden Lebens und fremder Seelen.”
So lügt mal wieder die Werbung (eleph.antville.org)
“Was da aussehen soll wie Italien ist in Wirklichkeit bei mir hinterm Haus. Sehen Sie selbst!”
Normalerweise ist Alfred Draxler ja Vize-Chefredakteur und Ober-Sportchef von “Bild”. In dieser Funktion zeichnete er in letzter Zeit für Artikel verantwortlich, die Titel trugen wie “Isst Uli Hoeneß künftig Scampi?”, “0:4 – Die Bayern-Schande. Wir sind schlecht, so schlecht, so schlecht!” oder “Richtet sich Schalke heute selbst hin?” Sport eben.
Am 7. Juni begegnete Draxler “Bild”-Lesern indes in etwas ungewohnter Umgebung. Er war einer der Autoren eines Textes über die Talkshow Anne Will. Der Artikel wurde bereits auf der Titelseite mit der Schlagzeile angekündigt: “Sieg für Pflüger: Anne Will muss sich entschuldigen”. Darin wurde dem Berliner Oppositionsführer Friedbert Pflüger, der zuvor in “Bild” die Absetzung von Anne Will gefordert hatte, viel Platz eingeräumt. Draxler schrieb:
Was für eine Blamage für Anne Will (42)! Und welch ein Erfolg für den Berliner CDU-Fraktionschef Friedbert Pflüger (53)! (…) Hintergrund: Berlins CDU-Fraktionschef Friedbert Pflüger hatte die Ablösung von Anne Will gefordert und war presserechtlich gegen sie vorgegangen – mit Erfolg!
Was also hatte der “Bild”-Sportchef Draxler plötzlich im Bereich Politik und Medien zu suchen?
Das NDR-Medienmagazin “ZAPP” hat eine mögliche Erklärung, die sich den “Bild”-Artikeln, in denen Pflüger eine so große Rolle spielt, ganz und gar nicht entnehmen lässt: Draxlers Ehefrau Martina Krogmann sitzt nicht nur für die CDU im Deutschen Bundestag, sie ist auch die Patentante von Friedbert Pflügers Sohn.